Friedrich Silcher und seine Lieder - Mit der Stimme Zauberklang

  • Den Titel zu diesem Thread habe ich einer CD der Firma Carus entlehnt, welche 36 Klavierlieder von Friedrich Silcher enthält. Silcher selbst ist heute den meisten Leuten nicht mehr bekannt, allenfalls noch durch die Bearbeitung diverser Volkslieder.

    Man verbindet ihn ferner mit Chorgesang.

    Irgendwie ist er aber einer der Pioniere des Kunstlieds mit Klavierbegleitung, steht auch in der Tradition von Johann Rudolf Zumsteeg, einem Vorläufer von Carl Loewe.

    Während Silchers Volksliedbearbeitungen und Liedkompositionen im volkstümlichen Ton, einerseits noch einigermaßen bekannt, andrerseits nicht völlig als Klassik anerkannt werden, sind seine Kunstlieder heut weitgehend vergessen - und es waren an die 90 !!!

    Die ersten Kunstlieder entanden 1829. Sicher war damals schon 40, aber es blieben ihm noch weitere 31 Jahre.



    Wie soll man nun die Lieder beschreiben ? Ein gewisser gefälliger Grundton ist wohl ein charakterisches Merkmal, welches jedoch Dramatik keineswegs ausschliesst, im Gegenteil. Ich fühle mich manchmal an Loewe erinnert. Besonders groß scheint mir die Nähe zu ihm im Lied "Zwei Särge" zu sein....( auf der gezeigten CD die Nr 15)

    Die Texte sind unter anderem von Justinus Kerner, mit dem er befreundet war, Karl August Platen, Moritz Hartmann, Theodor Körner und anderen - aber er vertonte auch anonyme Texte. Insgesamt hat er Texte von ca 60 Dichtern vertont - so steht es im Beiheft der Carus CD, verfasst von Martina Rebmann.

    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • ...
    Irgendwie ist er aber einer der Pioniere des Kunstlieds mit Klavierbegleitung, ...
    ...
    Die ersten Kunstlieder entanden 1829.
    ...


    Nun, NACH Schubert kann man beim besten Willen kein Pionier des Kunstlieds mehr sein...


    Aber tatsächlich, ich glaube, dass mir dieser Name nicht geläufig war!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Als Alfred dereinst, zu alten Tamino-Zeiten, seinen Conradin-Kreutzer-Thread präsentierte, machte ich eine wunderliche Metamorphose durch: Vom distanzierten Kritiker der Lieder Kreutzers hin zum Bewunderer der hohen kompositorischen Kunst, die in vielen von ihnen steckt.


    Dieses Mal ist meine Ausgangssituation ähnlich. Ich kenne, wie damals bei Kreutzer, nur relativ wenige Lieder Silchers, nämlich genau 12, weil ich die von Alfred angezeigte CD noch nicht besitze und auf meinen Archivbestand angewiesen bin. Und jetzt frage ich mich natürlich: Geht es dir bei Silcher ähnlich wie bei damals bei Kreutzer? Machst du auch wieder eine Metamorphose durch? Ich bin skeptisch, aber ich bleibe natürlich offen.


    Die Lieder Silchers, die ich kenne, suchen in ihrer melodischen Linie und der Faktur der Klavierbegleitung unüberhörbar die Volksliednähe. Die Harmonik ist fast immer rein diatonisch angelegt und bewegt sich meist im Rahmen von Tonika, Dominante und Subdominante. Chromatik bleibt außen vor. Die Melodiezeilen sind in großräumigen Bögen auf die Kadenz in der Tonika angelegt.


    Ich habe mir, weil ich ja nun einmal leidenschaftlich gerne Vergleiche anstelle, einige Lieder auf Texte von Justinus Kerner vorgenommen und dabei natürlich mit den Ohren auf Schumann geschielt. Es ging mir dabei nicht um ein Urteil über die Qualität, sondern um das Erfassen der Kompositionstechnik Silchers vor dem Hintergrund derjenigen Schumanns.


    Es zeigt sich: Im Vergleich mit Schumanns Kerner-Liedern stellen Silchers Lieder eine arglose und musikalisch eindimensionale Vertonung der Kernerschen Verse dar. Diese allgemein gehaltene Feststellung möchte ich am Beipiel des Liedes "FRAGE" (Text: Justinus Kerner) ein wenig konkretisieren. Das Gedicht ist in seiner sprachlichen Struktur als Ansprache angelegt: "Wärst du nicht, heil´ger Abendschein! // Wärst Du nicht, sternerhellte Nacht!." ...


    Silcher berücksichtigt diese Struktur des lyrischen Textes durchaus, indem er einen rezitativischen Ton in die Textur der Melodie legt. Aber er tut das in sehr undifferenzierter Form. Abendwolken, sternerhellte Nacht, üppiger Hain, Gebirg und Volgelsang, - sie werden alle in weitgehend gleicher Weise musikalisch angesprochen. Und es ist offenkundig: Bei Silcher schließt die von ihm gewollte Bindung an die volksliedhaft einfache Melodik und Harmonik eine dem lyrischen Text angemessene Differenzierung der Komposition aus. Er will sie ganz einfach nicht.


    Dieses Lied klingt überaus eingängig. Das ist musikalischer Wohllaut, bei dem man Kerners Naturbilder sehr wohl assoziiert. Aber man hört im Hintergrund immer, welche seelischen Tiefenschichten Schumann aus Kerners Lyrik kompositorisch hervorbringt. Das ist - unter dem Aspekt Kunstlied-Komposition - eine andere Welt.


    Ich betone noch einmal: Mir ging es nicht darum, Silcher an Schumann zu messen, um ihn anschließend abzuqualifizieren. Das wäre unfair! Es ging mir lediglich darum, kompositorische Strukturmerkmale des Silcher-Liedes aufzuzeigen. Dass man Silchers Lieder gerne hören mag und sie schön findet, das ist eine andere Form des Umgangs mit ihnen und eine andere Ebene des Urteilens über sie.

  • Nun, NACH Schubert kann man beim besten Willen kein Pionier des Kunstlieds mehr sein...


    Aber tatsächlich, ich glaube, dass mir dieser Name nicht geläufig war!


    :hello:

    1) Zustimmung
    2) Ich verwechsle den offenbar immer wieder mit Simon Sechter, dem gleichaltrigen Kompositionslehrer. Werke kenne ich von beiden keine.

  • Weil kurzstueckmeister der Feststellung von Theophilus zustimmt, Silcher könne nach Schubert ja gar kein "Pionier des Kunstlieds" sein, möchte ich folgendes zu bedenken geben:


    Silcher kann gar nicht in einer Linie mit Schubert gesehen werden. Er wollte eine ganz andere Art von Liedern schreiben. Fast scheut man sich, sie in einem Atemzug mit Schubert und Schumann "Kunstlied" zu nennen. Es findet sich einfach zu wenig kompositorische "Kunst" in seinen Liedern.


    Ich schlage vor, ihn "Pionier des Volkstons" im Kunstlied zu nennen. Alfred fühlte sich nicht ohne Grund an Loewe erinnert.


    Möchtet Ihr mal hören?


    Im "Spiegel für Literatur, Kunst und Mode, Wochenblatt zur Damenzeitung" (erschien in Stuttgart) hieß es am 13.1.1829:


    "Möge uns Herr Silcher bald mit mehreren Liedern Kerners beschenken! So werden unsere kunstliebenden Leserinnen sagen, wenn sie den Wohllaut dieser Compositionen vernommen und sich durch eigene Erfahrung davon überzeugt haben, wie sangbar vor anderen dieses Dichters Lieder sind und wie sehr es zu bedauern ist, daß unsere Liederkomonisten bisher so wenig ihn berücksichtigt haben."


    Interessant ist der Aspekt "Sangbarkeit". Er bezieht sich hier zwar auf Kerner, aber die Sangbarkeit seiner Lyrik ist wohl für den Rezensenten an der Sangbarkeit der Kompositionen Silchers erfahrbar geworden.

  • Ich schlage vor, ihn "Pionier des Volkstons" im Kunstlied zu nennen.


    Das ist ja witzig. Aber den Begriff "Kunstlied" konnte ich ja noch nie besonders leiden - bzw. weiß bis heute nicht, was das nun sein soll.
    Sind nun Carl Philipp Emanuel Bachs Gellert-Oden mehr oder weniger ... ja was denn nun ...
    ?(

  • Lieber kurzstueckmeister,


    es ist wohl wenig sinnvoll, Dich mit Zitaten aus dem Musiklexikon zu langweilen. Du sagst, Du kannst den Begriff "Kunstlied" "nicht besonders leiden". Er ist ja nun einmal ein Fachterminus aus der Musikwissenschaft, aber das wird Dein Problem auch nicht lösen.


    Ich habe seine Verwendung hier im Forum so verstanden (und vermute, dass Alfred ihn auch in diesem Sinne verwendet): Das Kunstlied ist - im Gegensatz zum Volkslied - eine von einem Komponisten bewusst geschaffene Umsetzung von lyrischem Text in ein liedhaftes musikalisches Gebilde. Die Vorsilbe "Kunst" wird vor "Lied" gesetzt, um eben diese kompositorisch gezielte Absicht zu betonen. Das Produkt ist dann eine eigenständiges, autonomes musikalisches Kunstwerk, das - und da liegt der entscheidende Punk! - seinen musikalischen Gehalt aus dem Spannungsverhältnis und der Interaktion von Sprache und Musik gewinnt. Das gilt in diesem engeren Sinn erst für die Kunstlieder von der Frühromantik an. Für die von Dir erwähnten Gellert-Oden gilt es zum Beispiel nicht.


    Aber ich möchte Dich nicht belehren wollen. Das steht mir nicht zu! Ich kann aber - falls an dieser Frage allgemeines Interesse besteht - in meinem Thread "Sprache und Musik im Lied" bei Gelegenheit darauf näher eingehen.

  • ich bin immer wieder von Helmuts Analysen und Betrachtungen hingerissen. Man hört Lieder anschliessend ganz anders.
    Man muß, wenn man Silchers Werk beurteilt, sich auch vor Augen halten was er denn damit wollte und wer er eigentlich war.
    Er war Lehrer mit einer Neigung zum Musiker. Im Volkslied - er bearbeitete über 300 !! - sah er eingeeignetes Erziehungsmittel für die jugend - etwas das dem Trend seiner Zeit ensprach. Schubert hatte indes solche Ambitionen nicht, hatte also keine Rücksichten auf seine Klientel zu nehmen.
    Wenn jemand Silchers Lieder als "hausbacken" bezeichnete - ich würde ihm ohne weiteres beipflichten. Aber ist nicht gerade unsere übertechnisierte Zeit im Begriff den Wert des "Hausbackenen" wieder zu schätzen ?
    Ich höre jetzt seit einigen Tagen die Lieder von Silcher. Sie haben mit auf Anhieb gefallen - ohne, daß ich mit überr ihren kompositorischen Wert Gedanken machte. Ich finde es lediglch schade, daß man sie heute so gering schätzt.
    Silchers bekanntestes Lied dürfte wohl "Ännchen von Tharau" sein. Man mag einwenden , dies sei ein von ihm bearbeitetes Volkslied.
    Das stimmt aber eigentlich nicht. Denn die Melodie wurde nach dem alten Text - auch hier ist man sich über die Urheberschaft nicht einig- von Silcher 1827 neu komponiert - und so entstand ein bekanntes "Volkslied.
    Helmut geht übrigens recht in der Annahme, über die Definition "Kunstlied" wie ich sie verstehe....
    Besonders interssant habe ich die zeitgenössische Kritik gefunden. Es ist ja auch wichtig, wie die Zeitgenossen die Lieder empfunden haben-für sie wurden sie ja letztlich geschrieben....
    Solche Kritiken - so welche zu finden sind, sollten wir in allen Bereichen stets zu Rate ziehen....


    mit freundlichen Grüßen


    aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wenn jemand Silchers Lieder als "hausbacken" bezeichnete - ich würde ihm ohne weiteres beipflichten.


    Ich würde diesem "Jemand" keinesfalls beipflichten, sondern eher eine gewisse hochmütige Arroganz vermuten, ich sagte vermuten, muss ja nicht unbedingt so sein ...


    Natürlich wird auch gleich wieder der gute Carl Loewe mit ins Boot genommen, der sich ja nie weiterentwickelt hat ... und Volkesnähe scheint ja wohl grundsätzlich negativ zu sein ...

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Das Kunstlied ist - im Gegensatz zum Volkslied - eine von einem Komponisten bewusst geschaffene Umsetzung von lyrischem Text in ein liedhaftes musikalisches Gebilde. Die Vorsilbe "Kunst" wird vor "Lied" gesetzt, um eben diese kompositorisch gezielte Absicht zu betonen.


    Ich habe da ja nun einen eigenen Thread zur Fragestellung erstellt.
    Wenn "Kunstlied" auch innerhalb der klassischen Musik zur Abgrenzung einer anspruchsvolleren Variante gegenüber dem komponierten "Volkslied" verwendet wird, stellt sich natürlich die Frage, ob Silcher dann nicht zum Volkslied gehört. Insbesondere dann, wenn man Bachs Gellert-Oden dort unterbringen will.

  • Nein, lieber kurzstueckmeister, Silcher kann deshalb nicht in die Kategorie "Volkslied" eingeordnet werden, weil seine Lieder ja bewusste Schöpfungen sind, deren musikalische Struktur also nicht aus anonymen Quellen gelichsam erwachsen ist, sondern von einem Komponisten erstellt wurde, der ein klares Konzept von dem hatte, was er kompositorisch wollte.


    Exakt diesen Sachverhalt will man mit dem Begriff "Kunst-Lied" inhaltlich erfassen. Das Missverständnis besteht offensichtlich darin, dass man mit der Vorsilbe "Kunst" qualitative Auserlesenheit assoziiert. Das ist aber nicht gemeint. Gemeint ist "künstlich hergestellt", im Gegensatz zu "organisch gewachsen" bei Volkslied.


    Dieses Missvertändnis klingt auch im Beitrag von hart durch, wenn er daran Anstoß nimmt, dass wieder "der gute alte Loewe ins Boot genommen" und "Volksnähe" "grundsätzlich" als "negativ" bewertet werde. Dem ist nicht so,. Ganz im Gegenteil! Zur Goethezeit kam es zu einer regelrechten Hochblüte des Volkslieds. Es wurde als der Gipfel der Poesie gepriesen, - wegen seiner angelblichen Ursprünglichkeit. Herder sammelte die "Stimmen der Völker in Liedern" und "infizierte" mit seiner Liebe zum Volkslied sogar Goethe ("Heidenröslein"). Die Romantiker schwärmten von der Ursprünglichkeit der Volkspoesie. Brentano und Achim von Arnim sammelten (und bearbeiteten!) sie ind "Des Knaben Wunderhorn".


    Abraham Peter Schulz gab 1785 seine Sammlung der "Lieder im Volkston" heraus. Für ihn bestand das Faszinierende am Volkslied darin, dass es den "Schein des Bekannten" aufweise. Man müsse sich bei der Liedkomposition an der Melodie des Volksliedes orientieren, weil "deren Fortschreitung sich nie über den Gang des Textes erhebt." Diese Stelle ist interessant, wenn man begreifen will, worin die Leistung Schuberts als Lied-Komponist besteht. Das aber nur nebenbei!


    Silcher orientiert sich in seinen Liedern eindeutig an dieser Tradition der Volksliedrezeption und -bewunderung. Beim Volkslied geht die musikalische Linie eine sozusagen unreflektierte Verbindung mit dem Text ein. Es wird in der Regel textkonform skandiert, - Silbe für Silbe, in exakter Übereinstimmung mit dem Metrum. Silcher - und auch Loewe! - orientieren sich an diesem Prinzip, weil sie diese Nähe zur Volksliedmelodie wollen. Sie gehören zu den Bewunderern des Volksliedes.


    Aber - ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen - diese Volksliednähe ist jetzt nicht mehr unreflektiert, wie beim echten Volkslied, sie ist das Ergebnis kompositorischer Reflexion. Und deshalb sind Silchers Lieder natürlich "Kunstlieder"!

  • Silcher kann deshalb nicht in die Kategorie "Volkslied" eingeordnet werden, weil seine Lieder ja bewusste Schöpfungen sind, deren musikalische Struktur also nicht aus anonymen Quellen gelichsam erwachsen ist, sondern von einem Komponisten erstellt wurde, der ein klares Konzept von dem hatte, was er kompositorisch wollte.


    Aber dann hat CPE Bach natürlich auch Kunstlieder geschrieben und die "Pionier"-Charakterisierung von Silcher geht schon gar nicht.


    Leider hat ja offenbar "Kunstlied" in der Musikwissenschaft mindestens 2 Bedeutungen (siehe "Was ist das Kunstlied"-Thread).

  • Lieber kurzstueckmeister,


    ich weiß nicht, warum Du so sehr darauf bestehst, alles, was irgendwie mit der Kombination von Sprache und Musik zu tun hat, über einen Kamm zu scheren. Ich verstehe es beim besten Willen nicht. Ich meine immer, wir sollten uns um eine angemessene Differenzierung bemühen, um die verschiedenen Formen, in denen uns dsie musikalische Einheit von Sprache und Musik begegnet, sauber auseinanderzuhalten. Das ist doch eigentllich eine Selbstverständlichkeit.


    Eine Bach-Kantate ist natürlich eine Einheit von Sprache und Musik. Aber sie ist kein Lied. Ein Volkslied ist eine Einheit von Sprache und Musik, aber sie unterscheidet sich von einem Kunst-Lied. Ein Lied von Silcher ist ein solches, ein Kunst-Lied nämlich. Aber es atmet Volksliedcharakter. Diesen kann man an bestimmten musikalisch-strukturellen Eigenheiten festmachen. Also suchen wir die und versuchen auf diese Weise die Eigenheit eines Silcher-Liedes zu verstehen. Ein Lied von Schubert unterscheidet sich in seinen strukturellen Merkmalen deutlich von einem Silcher-Lied. Also versuchen wir, diesen Unterschied zu erkennen und zu benennen. Und ein Lied von Schumann hat auch seine ganz spezifischen Eigenarten, zum Beispiel in der Art und Weise, wie in der musikalischen Faktur die Chromatik und das Zusammenspiel von Singstimme und Klavier organisiert wird.


    Die Welt des Kunstliedes ist bunt, vielfältig und höchst komplex. Wir hier haben die Aufgabe, das alles fein säuberlich auseinanderzuhalten. Nur so können wir es verstehen.


    Verstehen macht Spaß. Über einen Kamm scheren macht überhaupt keinen!

  • [jpc]Ich schlage vor, ihn "Pionier des Volkstons" im Kunstlied zu nennen. Alfred fühlte sich nicht ohne Grund an Loewe erinnert. [/jpc]


    [/i]

    Abschied - Melodie
    Abschied des Handwerksgesellen -
    Abschiedsgruß -
    Ach, ach, ich armes Klosterfräulein -
    Ach du klarblauer Himmel - Melodie
    Ach wie ist's möglich dann - Melodie
    Ade, du liebes Städtchen - Melodie
    Alle Jahre wieder -
    Alleweil ka(nn) mer net lustig sei(n) -
    Altdeutsches Grablied - Melodie
    Am Brunnen vor dem Tore - Melodie
    Am Neckar -
    An die Treulose -
    Ännchen von Tharau - Melodie
    Bin i net a bürschle auf der Welt? -
    Burschenlust -
    Das Finkenrätsel -
    Das Klosterfräulein -
    Das Lieben bringt groß' Freud' - Melodie
    Der Lindenbaum - Melodie
    Der Mai ist gekommen - Melodie
    Der Soldat - Melodie
    Der Wanderer - Melodie
    Die Auserwählte -
    Die drei Röselein - Melodie
    Die Lore - Melodie
    Die Lorelei - Melodie
    Die Trauernde - Melodie
    Die traurige Bua - Melodie
    Drunten im Unterland - Melodie
    Du bist die schönste aller Gaben - Melodie
    Durch's Wiesetal gang i jetzt na - Melodie
    E bissele Lieb' und e bissele Treu - Melodie
    Ehrenvoll ist er gefallen - Melodie
    Ein Bursch und Mägdlein slink und schön - Melodie
    Ein König ist der Wein! - Melodie
    Ein Sträußchen am Hute - Melodie
    Es fliegt manch Vöglein in das Nest - Melodie
    Es geht bei gedämpfter Trommel Klang - Melodie
    Es gfallt mer nummen eini - Melodie
    Es löscht das Meer die Sonne aus - Melodie
    Frisch gesungen - Melodie
    Gut Nacht, gut Nacht mein feines Kind - Melodie
    Hab' oft im Kreise der Lieben - Melodie
    Hans und Verene - Melodie
    Heilig - Melodie
    Heimliche Liebe - Melodie
    Herber Abschied - Melodie
    Herzensweh - Melodie
    Herzerl, was tränkt dich so sehr - Melodie
    Hirtenliebe - Melodie
    Hoffe das Beste - Melodie
    Ich ging einmal spazieren, spazieren - Melodie
    Ich habe den Frühling gesehen - Melodie
    Ich hatt' einen Kameraden - Melodie
    Ich weiß nicht, was soll es bedeuten - Melodie
    Im Maien, im Maien blüh'n süße Blümelein - Melodie
    In der Ferne - Melodie
    In einem kühlen Grunde - Melodie
    Jetzt gang i ans Brünnele - Melodie
    Juchhei, dich muß ich haben - Melodie
    Kein Feuer, keine Kohle - Melodie
    Klage - Melodie
    Komm mit mir ins Tale - Melodie
    Kommt Kinder, laßt uns gehen gen Bethlehem - Melodie
    Lebewohl - Melodie
    Liebesscherz - Melodie
    Lorelei - Melodie
    Mädele, ruck ruck, ruck an meine rechte Seite - Melodie
    Maidle, laß dir was verzähle - Melodie
    Mei Maidle hot e G'sichtle - Melodie
    Mei Mutter mag mi net - Melodie
    Mein eigen soll sie sein - Melodie
    Mein Herzlein thut mir gar zu weh! - Melodie
    Mir ist's zu wohl ergangen - Melodie
    Morgen muß ich fort von hier - Melodie
    Morgen müßen wir verreisen - Melodie
    Morgenrot, Morgenrot, leuchtest mir zum frühen Tod? - Melodie
    Muß i denn, muß i denn zum Städtele naus - Melodie
    Nun leb' wohl, du kleine Gasse - Melodie
    Nur du allein - Melodie
    O Maidle, du bist mein Morgestern - Melodie
    O wie herbe ist das Scheiden - Melodie
    Oberschwäbisches Tanzliedchen - Melodie
    Rosestock, Holderblüt - Melodie
    Rosmarin und Salbeiblättlein - Melodie
    Sanctus - Melodie
    Schifferlied - Melodie
    Schottischen Bardenchor - Melodie
    Schwäbisches Liebesliedchen - Melodie
    's Herz - Melodie
    So leb denn wohl, du stilles Haus - Melodie
    So nimm denn meine Hände - Melodie
    Stumm schläft der Sänger - Melodie
    Süß' Liebe liebt den Mai - Melodie
    Tanzlied - Melodie
    Unterländers Heimweh - Melodie
    Untreue - Melodie
    Vögele im Tannenwald - Melodie
    Vöglein im hohen Baum - Melodie
    Vom Frühjohr - Melodie
    Von allen den Mädchen, so blink und so blank - Melodie
    Was hab ich denn meinem Feinsliebchen getan? - Melodie
    Was ist das doch ein holdes Kind - Melodie
    Weinlied - Melodie
    Wenn alle Brünnlein fließen - Melodie
    Werbung - Melodie
    Wie die Blümlein draußen zittern - Melodie
    Wie han i doch so gern die Zeit - Melodie
    Wie lieblich schallt durch Busch und Wald - Melodie
    Wir wollen ihm die Krippe schmücken - Melodie
    Wo a kleins Hüttle steht - Melodie
    Wohin mit der Freud? - Melodie
    Wonne des Liebenden - Melodie
    Zu dir zieht's mi hin - Melodie
    Zu End'! - Melodie


    Eine ganze Reihe davon haben wir im Männerchor auch gesungen, gern. Insbesondere der 1. Tenor. Ich war damals einer davon
    Bei Silcher fällt mir auch sofort das Wort "Liedertafel" ein.


    weiteres zitat von helmut:
    Ein Lied von Silcher ist ein solches, ein Kunst-Lied nämlich. Aber es atmet Volksliedcharakter.


    So sehe ich es auch!!!
    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • In meinem ersten Beitrag zum Thema "Friedrich Silcher" sprach ich ganz bewusst von den "zwei Ebenen", auf denen man sich Friedrich Silcher nähern kann. Im Hintergrund hatte ich dabei einen Gedanken, den ich jetzt gleichsam als Bekenntnis wiedergebe.


    Im Thread "Schumanns Kerner-Lieder op.35" (wird wiederhergestellt), hatte ich Liedfreund hart gestanden, dass ich in Silchers Lied "Zwei Särge" regelrecht verliebt sei. Ich wisse zwar, dass dieses Lied - mit den kompositorischen Maßstäben eines Schubert oder Schumann gemessen - keine große und bedeutende Komposition sei, aber ich könne nicht anders: Es sei für mich ein regelrechter Ohrwurm.


    Justinus Kerner: ZWEI SÄRGE


    Zwei Särge einsam stehen // in des alten Domes Hut, // König Ottmar liegt in dem einen, // in dem anderen der Sänger ruht.


    Der König saß einst mächtig // hoch auf der Väter Thron, // ihm liegt das Schwert in der Rechten, // und auf dem Haupt die Kron.


    Doch neben dem stolzen König, // da liegt der Sänger traut, // man noch in seinen Händen // die fromme Harfe schaut.


    Die Burgen rings zerfallen, // Schlachtruf tönt durch das Land, // das Schwert, das regt sich nimmer, // da in des Königs Hand.


    Blüten und milde Lüfte // wehen das Tal entlang, // des Sängers Harfe tönet // in ewigem Gesang.


    Die Stimme des Sängers steigt zu Beginn des Liedes aus tiefen Lagen auf, von schweren Klängen im Klavier begleitet. Sie ist weiträumig angelegt, greift in großem Bogen aus und findet erst am Ende der Strophe den Ruhepunkt. Das ist typisch für den volksliedhaften Stil von Silchers Liedkomposition. Sie entfaltet sich in harmonisch einfachem Raum, zwischen Tonika, Dominante und Subdominante also, und endet in der Kadenz auf der Tonika. Der Sänger skandiert dem Metrum entsprechend. Auch das zeigt die Orientierung Silchers am Volksliedton.


    Aber, und das ist wichtig, er beachtet durchaus die semantische Ebene des Textes. Auch daran kann man den bewusst verfahrenden Komponisten erkennen, der eben kein Volkslied schaffen will. Bei "hoch auf der Väter Thron" steigt die melodische Linie auf ihren Gipfel, um danach wieder abzusinken. Wenn der "Sänger" auftaucht (dritte Strophe) nimmt die Melodie zum ersten Mal einen deutlich lieblichen Ton an. Dann aber wiederum, wenn es um "Burgen" und "Schlachtruf" geht, wird die Harmonik dumpf und schwer. So weit, so gut!


    Mit der letzten Strophe ereignet sich ein Wunder. Da geschieht das, was mir dieses Lied fast unwiderstehlich macht. Mit den Worten "Blüten und milde Lüfte" entfaltet sich eine Melodie von zauberhaftem Wohklang. Die Stimme des Sängers wird von harfenartigen Klavierklängen umschmeichelt und bewegt sich aus tieferen Lagen in einem einzigen großen Bogen hin zu dem Wort "tönet", um sich darauf wieder behutsam in die Sphären des "ewigen Gesangs" herabzubewegen.


    Diese Strophe wird noch einmal in variierter Forrm wiederholt. Aber Silcher hätte sie ohne weiteres noch ein zweites Mal wiederholen können. Man kann von dieser lieblichen Musik einfach nicht genug bekommen.

  • Die "Zwei Särge" haben auch mich beeindruckt, "begeistert" wäre in falscher Ausdruck für diesen einerseit pathetischen aber doch so beiindruckenden Text, der hier meiner Meinung nach kongenial vertont wurde. Ich bekenne, daß auch ich ein Bewunderer des "Volkstons" im Lied bin uind hier vermutlich ziemlich leicht zu beeindrucken bin. Die Schönheit des Einfachen übt auf mich eine gewissen Reiz aus - und ich weiß mich da in guter Gesellschaft mit vielen "Größen der Vergangenheit"
    Ich meine, Silcher war (so weit ich seine Lieder kenne) nie so nah bei Loewe, wie gerade bei diesem Lied. Helmut Hofman wird mich korrigiern wenn ich irre...
    Inwieweit Silcher von Schubert entfernt ist, ist meiner Meinung nach auch für den Laien hörend nachvollziehbar - auch wenn er es vielleicht nicht sprachlich ausdrücken kann. Interessant aber ist auch, was ihn von Conradin Kreutzer unterscheidet.....
    Zurück zu den "Zwei Särgen" Das Thema kann man als "historisierendes" - hier wiedr mit Loewe Balladen vergleichbat - sehen, aber vermutlich ist es eher ein moralisierende Gkeichnis, welches die weltliche Werte in Frage stellt, bzw. sie relativiert.
    Man kann hier einwenden, daß diese "moralische Lehre" ja von Justinus Kerner stammt, und nicht eigentlich von Silcher - sollte aber nicht aus den Augen verlieren, daß die beiden befreundet waren...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Alfred weist auf die Nähe zu Loewe hin, die besonders in dem Lied "Zwei Särge" zu hören sei. Das sehe ich ganz genauso. Der epische "Erzählton", der in den ersten Strophen angeschlagen wird, ist dem von Loewes Balladen sehr nahe. Und bei der letzten Strophe habe ich mich sofort an die Loeweschen Zauberklänge in "Der Nöck" erinnert. Die sind zwar in ihrer musikalischen Struktur ein wenig anders angelegt, aber die Wirkung ist doch sehr ähnlich wie hier in den "Zwei Särgen".


    Der Texte von Justinus Kerner hat ein klassisches Thema zum Gegenstand: Die Vergänglichkeit aller glänzenden weltlichen Macht und die Ewigkeit und Unvergänglichkeit von Kunst und Musik


    Den Vergleich zwischen Kreutzer und Silcher finde ich auch interessant. Ich werde versuchen, darauf noch einmal einzugehen. Schon jetzt aber ist klar: Das Notenbild bei Kreutzer ist ungleich komplexer als das der Lieder von Silcher. Was noch gar nichts heißt, sondern nur eine vordergründige Feststellung ist.

  • Ja, Ihr Lieben,


    das ist alles schön und gut - das Notenbild ... ist es ein Volkslied? Ein Kunstlied vielleicht? Was darf überhaupt als Kunstlied gelten?
    Aus meiner Sicht sind das mitunter - nicht immer - wichtige und wertvolle Diskussionen, aber gerade im Bereich Kunstlied spielt für mich die sängerische Interpretation eine ganz gewichtige Rolle. Heute Nacht hatte ich zum Beispiel einen Komponisten "entdeckt", der mir natürlich vom Namen her bekannt war, aber ich kannte seine Lieder nicht. Begeisternd, wie einige Damen und Herren diese Lieder interpretierten (auch Gertrude Pitzinger war dabei, lieber HH).
    Ein einziger aktueller Sänger singt diese Lieder auch - man kann es "vergessen". Hier habe ich das einmal wieder ganz stark empfunden, wie außerordentlich wichtig die sängerische Interpretation gerade beim Lied ist.
    Bei dem Gedicht/Lied Zwei Särge ist das sicher auch ein ganz, ganz wichtiger Aspekt!

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Völlig richtig, lieber hart,


    Lieder ohne ihre Sänger sind Noten ohne Leben. Es ist aber nicht ganz so, wie Du vielleicht meinst. Ich jedenfalls kann, wenn ich in die Noten etwa der Winterreise blicke, die Lieder hören, und zwar ganz und gar. Ich gebe aber gerne zu, dass ich vermutlich nur deshalb so viel höre, weil ich die Lieder viele Male gesungen erlebt habe, live und vom Tonträger.


    Wie wichtig - auch für mich - Sänger sind, das habe ich einmal im Thread "Hugo Wolf" gezeigt. Ich habe erlebt, dass ein Lied, das ich schon viele Male gehört hatte, erst in der Interpretation durch Elisabeth Schwarzkopf in seiner ganzen Großartigkeit vor mir auftauchte.


    Hier, in diesem Fall, habe ich Dir gestanden, dass ich das Lied "Zwei Särger" besonders in der Interpretation von Hermann Prey schätze. Ich könnte Dir jede Menge Beispiele liefern, bei denen ich ein bestimmtes Lied nur von einem ganz bestimmten Sänger als richtig und treffend und eingängig interpretiert empfinde.


    Wenigstens ein Beispiel: Den "Graf Eberstein" von Loewe (ein Balladen-Meisterwerk!) höre ich nicht(!) mit Fischer-Dieskau, sondern mit Hermann Prey. Der bringt den fröhlich schmetternden Ton, der in dieser Ballade herrscht, viel besser hin.


    Mein Anliegen, hier im Forum, ist, um das einmal ganz klar zu formulieren, dass das Lied auch einmal aus einer anderen Perspektive als aus der seiner Interpretation gesehen wird, nämlich als ein musikalisches Kunstwerk, das aus einer höchst kunstvoll gestalteten Synthese von Sprache und Musik besteht. Das ist das für mich eigentlich Faszinierende daran. Dass diese Synthese auch meistens wunderbar klingt, vor allem wenn ein begnadeter Sänger oder eine Sängerin sie zum Leben erweckt, das nehme ich dankbar an und freue mich darüber genauso wie Du.


    Am Beispiel Friedrich Silcher kann man doch sehen, was das Herangehen an das Lied aus dieser Perspektive bringen kann, und warum es seine ganz eigene Berechtigung hat. Silcher gilt allgemein als wenig bedeutender Liedkomponist. Als solcher steht er ganz im Schatten seiner Chormusik-Schöpfungen. Schaut man aber einmal etwas genauer hin und geht auf die musikalische Struktur seiner Lieder ein, dann erkennt man, dass deren Einfachheit gewollt ist.


    Silcher sah seine Lebensaufgabe in der Sammlung und Bearbeitung von Volksliedern. Warum? Weil er ihnen einen enormen Bildungswert zutraute. Er glaubte, dass diese Lieder - und auch seine eigenen! - dem einfachen, noch relativ wenig gebildeten Menschen einen Zugang zur Welt des Liedes verschaffen könnten. Die Begegnung mit dem Lied hat für ihn eine große seelische Bereicherung und eine Weitung des Bildungshorizontes zur Folge. Im Glauben an die Ursprünglichkeit, Echtheit und Unverbildetheit aller Elemente volkstümlicher Kultur war er ein später Romantiker.


    Sogar einen geistigen Bildungswert schrieb er seinen Liedern zu. Man kann ihn beispielsweise bei dem Lied "Zwei Särger" sogar benennen: Die Welt der Kaiser und ihrer Reiche ist - trotz all ihrer Pracht - vergänglich. Der tote Sänger aber, der neben dem mächtigen Kaiser liegt in der Gruft liegt, lebt in seinen Liedern weiter. Was lernt der Hörer und Sänger aus diesem Lied? Das, was wir wissen! Unsere Lieder sind in ihrer Schönheit ein großer und unvergänglicher Schatz!


    Übrigens: Die Auseinandersetzung um das Thema "Kunstlied" wollte ich nicht. Ich habe sie nicht "losgetreten" und war völlig verblüfft, dass daraus ein eigener Thread gemacht wurde. Solche Grundsatz-Debatten gehören eigentlich in ein musikwissenschaftliches Seminar. Wenn Forianer sich davon gelangweilt fühlen, dann kann ich sie voll verstehen. Ich konnte der offensichtlich notwendigen Klärung der Sache aber nicht ausweichen.


    Es ist für mich sekundär, ob man den Gegenstand dieses Forums hier "Kunstlied" oder "Sololied" nennt. Wichtig ist für mich nur, dass uns allen bewusst ist, dass mit Schubert und den anderen Komponisten der Romantik und Spätromantik das Sololied einen ganz neuen Charakter bekommt, den man mit dem Begriff "romantisches Kunstlied" begrifflich zu erfassen versucht hat. Viel wichtiger aber dieser Begriff ist das Wissen um das Wesen dessen, was er benennt.


    Und das, lieber hart, gehört nach meiner Überzeugung schon in dieses Forum. Oder sagen wir so: Ich hätte es gerne!

  • Was ich hier zu sagen habe, dürfte all diejenigen interessieren, die es lieben, Zugang zum Lied über seinen Interpreten zu finden.


    Ich hatte von Silchers "Zwei Särge" geschwärmt. Dieses Lied kannte ich schon lange in einer Interpretation durch Hermann Prey. Alfred hatte darauf mit der Bemerkung reagiert, dass ihn dieses Lied beeindruckt habe, dass aber "begeistert" das falsche Wort wäre.


    Erst stutzte ich, dann dachte ich: Nun ja, so etwas ist halt eben "Geschmackssache".


    Gestern begann ich mit dem Einhören in die CD, die Alfred hier angezeigt hatte: "Mit der Stimme Zauberklang", Interpreten: Cornelius Hauptmann, Bass, und Klaus Melber, Klavier.


    Als ich zu meinem Lieblingslied "Zwei Särge" kam, blieb mir beinahe der Mund offenstehen. Ich kannte es kaum wieder! und vor allem: Es ließ mich völlig kalt! Einen solchen Unterschied in der Interpretation ein und desselben Liedes, wie hier zwischen Hermann Prey und Cornelius Hauptmann, habe ich noch selten erlebt.


    Ich frage mich natürlich jetzt, wie man Silcher singen sollte. Ich habe den Verdacht, dass ein solch trockender Ton, wie ihn Cornelius Hauptmann hier sängerisch praktiziert, vielen Silcher-Liedern überhaupt nicht bekommt. Sie leben von ihrer volksliedhaften Sanglichkeit und ihrer bewusst einfach angelegten Melodik und Harmonik. Das verlangt eine Interpretation, in die das jeweils jeweils angemessene Gefühl gelegt wird. Sonst bleibt von dem Lied nicht mehr viel übrig.


    Empfehlenswert ist die CD dennoch. Und zwar deshalb, weil sie einen hervorragenden Einblick in das Liedschaffen Silchers bietet.

  • Hallo liebe Silcherfreunde,


    auch ich habe Lieder von Silcher in unserem Männerchor gesungen, wie Bernward auch, und ich tue dies noch und ebenso gern. Auch ich bin 1. Tenor und kann ein 'Lied davon singen', dass Silcher von uns 1. Tenören Einiges verlangt hat. Bernward wird dies bestätigen können.
    Spontan fallen mir folgende Lieder ein, die wir in unserem Repertoire haben:


    - Es löscht das Meer die Sonne aus,
    - Ännchen von Tharau,
    - Frisch gesungen (Hab' oft im Kreise der Lieben),
    - Nun leb' wohl, du kleine Gasse.


    Schön sind sie alle, aber wenn sie gut klingen sollen, sind sie schwer.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Allmählich beginne ich zu verzagen. Da singt ein Taminoianer Silcher-Lieder im Chor, versteht also, im Gegensatz zu mir, etwas von der Kunst des Gesangs, aber er geht nicht auf die Frage ein, wie man die Lieder Silchers singen sollte, um ihnen gerecht zu werden.


    Dabei ist mir das als wirkliches Problem aufgefallen. Ich habe meinen ersten Eindruck, den ich von dem Bass Cornelius Hauptmann hatte, noch einmal genau überprüft, indem ich - neben dem Lied "Zwei Särge" - noch folgende Lieder vergleichend neben die Interpretationen von Hauptmann stellte:


    "Sägers Wanderlied" und "Der Tautropfen und sein Blümelein" - interpretiert von Hermann Prey


    "Alphorn" und "Frage" - interpretiert von dem Tenor Thomas E. Bauer


    Das Ergebnis war eindeutig: Bauers Interpretation weicht durch ihren überaus trockenen, nüchternen und sachlichen Ton deutlich von der der beiden anderen Sänger ab. Es geht dabei nicht um minimale Nuancen und Schattierungen, - es liegen regelrechte Welten zwischen dem Stil, in dem Silcher gesungen und interpretiert wird.


    Ein Beispiel: Das Lied "Der Tautropfen und sein Blümelein". Der Text stammt von Oskar von Redwitz.


    Du Tropfen Tau, seh ich dich an, // kommt mir die Träne süß und still, // weil du so treu dein Blümlein liebst, // wie ich wohl einmal lieben will.


    Und trennt dich auch an jedem Tag // von deinem Lieb der Sonnenschein, // du kehrst am Abend stets zurück, // so muss wohl treue Liebe sein.


    Und stirbt dein Lieb vom Sonnenbrand, // dann stirbst auch du im letzten Kuß! // Ich seh dich an und sinne still, // wie solch ein Tod beglücken muss.


    Dieses Gedicht ist, vorsichtig formuliert, keine große Lyrik. Es ist stark gefühlsgeladen, wenn nicht sogar sentimental. Silcher hat diese Atmosphäre in seiner Vertonung mit einer angemessenen Melodik und Harmonik einzufangen versucht. Das darf man nicht durch eine nüchterne und sachliche Wiedergabe der Noten elimieren. Das genau tut Hauptmann aber. Ich vermute, dass er damit dem Vorwurf der Kitschigkeit entgegenwirken wollte. Damit mag er ja einen gewissen Erfolg gehabt haben, aber das bezahlt er damit, dass das Lied einen ziemlich kalt lässt.


    Ganz anders Hermann Prey. Der Charakter der Ansprache, von dem der lyrische Text ja getragen ist, wird bei ihm deutlich hervorgehoben, und zwar in einem Ton äußerster stimmlicher Zurückhaltung. Am Ende des jeweils zweiten Verses der Strophen verlangsamt er das Tempo, hält einen Augenblick inne. Lyrische Schlüsselwörter bekommen bei ihm einen Akzent: "süß und still", "lieben will". Wenn er "auch du" singt, dann natürlich mit einer dem Text gemäßen Betonung.


    Ein Sachverhalt sagt eigentlich genug: Hauptmann braucht für das Lied nur eine Minute, siebenundfünzig Sekunden, - Hermann Prey nimmt sich drei Minuten und zwei Sekunden.


    Ich bin mir sicher: Silchers Lieder wollen nicht sachlich gesungen werden. Sie benötigen das wohldosierte Maß an Gefühl wie das Blut zum Leben.

  • Hallo Helmut


    Ich finde es interessant, daß gerade Du, der den Interpretationsvergleich bei Liedern ansonst gegenüber dem eigentlichen Kunstwerk hintanstellt, Erfahrungen machen mußt, die eigentlich deine Betrachtung über das Lied und dessen Interpretation in Frage stellen müsste (?)


    Und gleich tut sich eine Gruppe von Fragen auf, die ich mal lose in den Raum stelle.


    Gibt es überhaupt eine "richtige" Interpretation ?
    Ich meine - nein
    Gäbe es eine, so würde sie allmählich um Standard erhoben, und letztlich sängen alle Interpreten - ein Lied auf gleiche Art, die individuelle Ausdeutung - also die Interpetation - fiele dann weg.


    Dann möchte ich als nächsters die Frage "Wie sollte man Silchers Lieder singen, um Ihnen gerecht zu werden", wenn schon nicht beantworten, so doch wenigstens in Frage stellen.


    Aus meiner Sicht gibt es nämlich keine eindeutige Antwort auf diese Frage (Das gilt übrigens auch für Schuberts Lieder und die anderer Komponisten ebenso - von Ausnahmen mal abgesehen)


    Was hätte Silcher auf diese Frage geantwortet ? Wir wissen es natürlich nicht.
    Aber vermutlich hätte er in etwa gesagt: "Inniglich- mit viel Gefühl, nicht zu schnell - und nicht zu opernhaft, sondern im "Volkston" "(was immer man darunter verstehen mag)


    Wobei natürlich die Grundstimmung der einzelene Lieder zu beachten wäre...
    HEUTE ist es vermutlich schwierig mit Interpretationen, die zu Silchers Lebszeiten als maßstäblich angesehen worden wären, zu reüssieren.
    Es gelten andere Maßstäbe. Aber in Sachen Silcher gibt es eigentlich gar keine, weil man ihn nämlich nicht ernst nimmt.


    Helmut hat zu Recht daruf hingewiesen, daß die Einfachheit von Silchers Liedern eine GEWOLLTE war. Aber - um es mal überspitzt auszudrücken - ist "künstliche Banalität" - so sie nicht als Parodie eingesetzt wird - wertvoller als solche, die aus Unvermögen entsteht ??


    Die CD von Cornelius Hauptmann :


    Ich musste mich ein wenig an das Timbre gewöhnen, mag es aber inzwischen. Er bemüht sich um klare Diktion, um gepflegte Gesangskultur und bleibt weitgehend undramatisch.
    Die Problematik - wie ich sie sehe - ist nicht die Qualität oder die Grundhaltung seiner Interpretation, sondern eher der (von ihm nicht verschuldete) Umstand, daß SEINE Wiedergabe unfreiwillig zur REFERENZ wird, mangels weiterer Einspielungen,.....


    Somit wird ein besonders kritisches Auge auf sie geworfen, weil hier zumindest VORLÄUFIG Interpretation und Werk
    als Einheit gesehen werden (müssen)


    Ich bin übrigens in Sachen Silcher (und anderer Zeitgenossen) relativ bescheiden:
    Wenn diese Tamino Threads dazu führen, daß die eine oder andere Cd erscheint, bzw Sänger das eine oder andere Lied Silchers in ihr Repertoire aufnähmen - und sei es als Zugabe - so wäre schon viel gewonnen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    Deine Verwunderung ist berechtigt. Normalerweise sind Sänger und das Thema Interpretation nicht mein Thema hier im Forum. Daran, dass ich es angepackt habe, kannst Du ermessen, wie tief die Verwunderung war, die ich beim Vergleich der verschiedenen Aufnahmen von Silcher-Liedern erlebt habe. Das ist mir bisher noch kaum passiert!


    Du hast natürlich recht. Es gibt nicht "die richtige Interpretation". Es gibt aber die bessere. Und das ist die, in der man den Geist eines Liedes eher wiederfindet. Ich gebe aber zu, dass dies ein subjektives Urteil ist.


    Bewusst wird mir eben, dass unser Forum unter einem großen Mangel leidet, der leider unbehebbar ist. Du kennst die Aufnahme von Hermann Prey nicht, von der ich hier spreche. Würdest Du sie hören, - ich bin sicher, Du würdest mich verstehen und mir zustimmen!

  • Liebe Freunde,


    ich bin kein Experte; Wikipedia weist Silcher bloß als Bearbeiter von z.B. Eichendorffs "Zerbrochenem Ringelein" aus.


    Mir geht in der Diskussion manchmal zu vieles ineinander; ich versuche mal zu ordnen.


    Zum ersten empfindet wohl jeder Silchers Männerchorfassung des Lindenbaums als Simplifizierung; Metamorphose ins Volkstümliche (obwohl ja bloß der Volksliedkern der Melodie herausgestellt wird). Bei Schubert herrscht mehr das Collagenhafte vor, ist der Volkston einer unter vielen und gewinnt seine Leuchtkraft erst vor dem dunkeln Fond der Winterreise-Landschaft.


    Zum zweiten ist es ganz was anderes, sobald ein Kunstliedinterpret ein Volkslied gestaltet (ich denke bloß an die Wunderlich-Prey-Quadflieg-Weihnachtplatte "Oh Freude über Freude"). Ethnologisch untragbar, ästhetisch ebenso "falsch" wie die Silchersche Vervolkstümlichung, weist die künstlich "gehobene" Volksweise doch einen Mehrwert an Ausdruck auf, der rein im Melodischen liegt und diese Spannkraft aushält (anders als z.B. Jazz, von einer Sopranistin dargeboten: da paßt´s nicht).


    Zum dritten: Geht mal in euch und fragt euch selber, ob ihr, gesetzt "In einem kühlen Grunde" von Schubert wäre, nicht gerade das Künstliche, gewollt Naive heraushören würdet. So sehr ich Helmut Hofmann in vielem beipflichte - an eine Meßschärfe der Differenz zwischen Volks- und Kunstlied glaube ich ebenso wenig wie an die Organik selbsterschaffener Weisen (In einem kühlen Grunde ist eine datierbare individuelle Schöpfung, der niemand den Volksliedcharakter wird absprechen wollen).


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • @ Helmut,


    ich bin auf die Frage nicht eingegangen, weil ich als Chorsänger nur die erwähnten Lieder gesungen habe und wohl viele der hier aufgeführten Lieder in der Volksliedverion kenne, aber keine Einzelaufnahmen.


    Um nun doch zu sagen, wie wir die Lieder zu interpretieren versucht haben, so gut es einem Laienchor möglich ist, möchte ich das bestätigen, was hier schon angeklungen ist, nämlich, dass wir die Lieder natürlich mit Gefühl und dynamischen Akzenten gesungen haben, ohne "gefühlsduselig" zu wirken. Da bewahrte uns unser Chorleiter, selbst ein ausgezeichneter Liedsänger (Bass/Bariton) vor.
    Ein Beispiel möchte ich hier anfügen, die 3. Strophe aus "Frisch gesungen":


    Und manches, was ich erfahren,
    Verkocht ich in stiller Wut.
    Und kam ich wieder zu singen,
    War alles auch wieder gut,
    War alles, alles,
    War alles auch wieder gut.


    Wenn man das als Laienchorsänger hinbekommt, die Lieder mit dem nötigen Gefühl, den dynamischen Akzenten und gesangstechnisch "einwandfrei" zu singen, dann sind sie einfach nur schön.


    Liebe Grüße


    Willi ?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Danke, lieber William,


    das ist es doch, worum es mir ging.


    Du sagst, dass ihr im Chor die Lieder Silchers "mit Gefühl und mit dynamischen Akzenten" gesungen habt. Das "Gefühl" ist es nämlich, das ich in der Interpretation von Cornelius Hauptmann ein wenig vermisst habe.


    Ich möchte aber noch einmal betonen: Das ist eine CD, deren Erscheinen man nur begrüßen kann. Sie gewährt einem einen sehr guten Einblick in das Liedschaffen Silchers.


    Und Alfred hat recht: Nach einigem Einhören wird einem das tiefe Bass-Timbre dieses Sängers auf angenehme Weise vertraut.

  • Nach einigem Einhören wird einem das tiefe Bass-Timbre dieses Sängers auf angenehme Weise vertraut.


    Ja, lieber Helmut Hofmann, genau so ist es; ich bin mit dem Timbre des Sängers schon seit 1989 vertraut - zehn Autominuten von hier produzierte Cornelius Hauptmann damals eine Loewe-CD mit Klaus Melber am Klavier.
    Diese CD ist unterteilt in:
    Nordische Balladen / Kaiserballaden / Naturballaden / Musikalische Legende / Musikalische Allegorie / Lied / Liederkranz für die Bassstimme op.145


    Entschuldigung - aber wenn von Interpreten die Rede ist, fühle ich mich grundsätzlich angesprochen ...

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose