Conradin Kreutzer - ein bedeutender Liederkomponist der Romantik

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    Liebe Forianer, liebe Freunde des Kunstlieds


    Das Liederfieber hat mich gepackt. In diesem Zusammenhang bin ich auf die Lieder von Conradin Kreutzer (1780-1849) gestoßen, einst ein erfolgreicher Komponist, heute fast vergessen.


    Dennoch ist er durch zwei Werke irgendwie im kollektiven musikalischen Musikbewusstsein in Erinnerung geblieben. Zum einen wäre hier seine Oper "Das Nachtlager zu Granada" und zum anderen die Schauspielmusik zu Ferdinand Raimunds Theaterstück "Der Verschwender" zu nennen. Hier wiederum muß man das berühmte Hobellied ("Da streiten sich die Leut herum") nennen.


    Womit wir beim Thema wären - bei Kreutzers Liedern, er hat in etwa 170 hinterlassen.


    Auch Kreutzer ist - wie so viele seiner Zeitgenossen ein Opfer von Schuberts Übermacht auf dem Gebiet des Kunstlieds geworden, vielleicht auch durch eine gewisse stereotype Schönheit seiner Melodik.


    Wenn Peter Pasdzierny in seinem Thread Mozarts Lieder als die unbekannten Schönen bezeichnet, dann wäre das auch die ideale Bezeichnung für Kreutzers Lieder, die vereinzelt – so meine ich jedenfalls - durchaus Mozartschen Geist atmen, aber mich in der Klavierbegleitung wiederum an Loewe erinnern.


    Man kann nicht sagen inwieweit Schubertähnlichkeit besteht, da beide Komponisten ja eine Unmenge von Liedern komponiert haben, und einiges durchaus zusammenpassen mag.


    Kreutzers Lieder sind jedoch eingängiger, man könnte sagen, es gibt keine sperrigen überdramatischen Stellen, wenngleich Kreutzer - der ja auch Operndirigent war – ihnen nicht völlig ausweicht.
    Ich finde sie wunderbar, aber man sollte sie mit Bedacht geniessen uim sich nicht zu "übersättigen" - aber gilt das nicht eigentlich für alle Lieder ?


    Allzu viele Lieder von Kreutzer sind nicht als Tonkonserve verfügbar. Immerhin sind – derzeit noch - jedoch zwei vorzügliche Lieder-Cds von ihm am Markt, beide vom Label ORFEO.


    .


    In doppelter Hinsicht ein Glücksfall. Die beiden CDs beinhalten zusammen 41
    Lieder, worunter jedoch einige Doubletten sind, so werden es wohl immer noch 35 Werke sein. Auch die Doubletten sind an sich ein Glücksfall, erlauben sie doch, zu hören wie unterschiedlich man Kreutzers Lieder interpretieren kann.
    Hier haben wir noch dazu zwei Jahrhundertstimmen zur Verfügung, Peter Schreier, begeleitet von Thomas Hans und Christian Elsner begleitet von Eugen Wangler.


    Wir haben auch die Möglichkeit, bekannte Gedichte, die wir in Vertonungen anderer Komponisten kennen hier im Vergleich zu hören – beispielsweise „Die Post“, aus der Winterreise.


    Die Dichter der mir vorliegenden Lieder sind unter anderem vonGoethe, Schiller, Uhland, Stieglitz, Glasbrenner und Butterweck – mit klarem Schwerpunkt auf Uhland.


    Die mal zur Einstimmung, über Textauswahl, Textverarbeitung und Gesamtwirkung kann dann bei Bedarf im Laufe des Threads diskutiert werden. Ich bin jedoch ein wenig skeptisch ob überhaupt jemand Kreutzer – Aufnahmen in seiner Sammlung hat….



    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich hatte einmal die hier:




    Olaf Bär singt Lieder deutscher Opernkomponisten.


    Besonders gerne hatte ich die Lieder von Marschner und Goetz. Kreutzer mochte ich gemeinsam mit Humperdinck am wenigsten.
    Jetzt habe ich mir einen Ruck gegeben und sie nochmal bestellt (vor allem wegen Marschner ...)


    Seit ein paar Monaten horte ich ungehört diese hier:




    Gesänge aus Goethes Faust, Freiburger Vokalensemble


    Offenbar gibt es einige Kammermusik zu kaufen, das "Nachtlager" seltsamerweise nicht.

  • Lieber Alfred,
    die hab´ ich natürlich in meiner Sammlung, aber viel zu dürftig und nicht wirklich gut gesungen. Die beiden angezeigten CDs habe ich jedoch hier zum ersten Mal gesehen.
    Beide Interpreten sind Spezialisten des Liedgesangs, also ist man diesbezüglich auf der sicheren Seite.


    Nachdem ich beide Platten per Schnipselproben gehört habe, bin ich sicher, dass kleine Kostbarkeiten zu finden sind.
    Etwas erstaunlich ist, dass (bei gleichem Preis) Peter Schreier 27 Stücke anbietet aber Christian Elsner nur 14.

  • In der Tat sind beide CDs hervorragend. Für jeden, der die "schönen" Schubertlieder liebt eine Kaufempfehlung !!


    Zitat

    Etwas erstaunlich ist, dass (bei gleichem Preis) Peter Schreier 27 Stücke anbietet aber Christian Elsner nur 14.


    Das liegt an der Überlänge von "Des Sängers Fluch" nach dem Text von Uhland: Das Stück ist über 17 Minuten lang !!
    Die Spieldauer der CD liegt bei etwa 62 Minuten...


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Mit Conradin Kreutzer, auf den Alfred hier dankenswerterweise aufmerksam macht, hatte ich immer schon ein Problem:
    Viele seiner Lieder hörten sich hübsch an, aber sie sagten mir einfach nichts. Kreutzer war für mich von nur musikhistorischem Interesse (frühromantisches Lied).


    Da ich nun aber jeden Thread hier ernst nehme (was mir zuweilen ein gewisse Atemlosigkeit beschert), habe ich mich noch einmal auf einige Lieder Kreutzers ernsthaft und konzentriert eingelassen. Mir saß Alfreds Bemerkung im Nacken, Kreutzer sei auch einer von denen, die Schuberts sozusagen auf dem Gewissen habe, was seinen Bekanntheitsgrad anbelangt.


    Es hat nichts gebracht.
    Ich höre schöne, eingängige, ja zuweilen einschmeichelnde Melodien, aber sie sagen mir nach wie vor nichts.
    Niemals käme ich auf die Idee, eines von den Liedern mehrfach zu hören, weil es mich beeindruckt hat und ich das Bedürfnis verspürte, der substantiellen Quelle dieses Eindrucks hörend nachzugehen.


    Eines der bekannteren Lieder Kreutzers ist "DIE KAPELLE" ( Text: Uhland).
    In der "Allgemeinen musikalischen Zeitung" (Leipzig) heißt es dazu 1826:
    "Wer sänge nicht, und oftmals, mit wahrem Genuss ... die Kapelle, wo die weislich gewählte Begleitung so wesentlich und schön mitwirkt."
    Nun denn! Und was höre ich?
    Eine volksliedhaft schlichte, recht eingängige Melodie und eine Klavierbegleitung, die aus einfachen gebrochenen Akkorden besteht. Sie ist so simpel, dass ich sie problemlos auf meiner Gitarre nachspielen könnte.
    Uhlands "FRÜHLINGSGLAUBE" nimmt Kreutzer wie ein Libretto für eine Arie. Er macht sogar eine daraus, mit eingelagerten rezitativischen Passagen. Die Schlichtheit der Verse Uhlands wird aus meiner Sicht regelrecht pervertiert.


    Alfred vermutet, die Lieder Kreutzers könnten ein wenig unter ihrer "stereotypen Schönheit" leiden.
    Als ich das las, ging mir ein Licht auf. Ich würde Alfreds Formulierung jedoch deutlich zuspitzen und abwandeln, - möglicherweise nicht mehr in seinem Sinne.
    Ich würde von einer sterilen Schönheit sprechen.
    Die melodische Schönheit vieler Kreutzer-Lieder wirkt auf mich auf merkwürdige Weise leer.


    Vielleicht fehlt mir da ja eine Antenne. Möglicherweise bin ich ein von Schubert, Schumann und Wolf völlig verdorbener "Problemhörer". Einer, der nur die richtig "schweren" Kunstlieder mag, Lieder, die eine möglichst geballte Ladung an genial-kompositorischer Substanz aufweisen.


    Das muss ja nicht gleich die Winterreise sein!
    Das Wunderliche ist ja doch - und jetzt stelle ich vielleicht wieder eine Problemfrage auf das Forum - dass eine volksliedhaft-schlichte Melodie bei Schubert meistens nicht im Kreutzerschen Sinne "leer" ist.
    Sie hat uns auch heute noch etwas zu sagen.
    Was ist das aber?
    Und woher kommt das?


    Wer möchte einmal die Probe machen?
    Bitte einmal nacheinander hören:
    a) Kreutzers Lied "DIE KAPELLE",
    b) Schuberts themenverwandtes Lied "DAS ZÜGENGLÖCKLEIN"


    Ich warte gespannt und lasse mich liebend gerne eines Besseren belehren

  • Zitat

    Eines der bekannteren Lieder Kreutzers ist "DIE KAPELLE" ( Text: Uhland).


    Nun, da bekomme ich jetzt Schwierigkeiten, denn ich habe dieses Lied nur einmal mit dem Titel "Droben steht die Kapelle" Volkslied, Bearbeitung Andreas Zöllner
    und habe eigentlich keine Ahnung was da bearbeitet wurde ...


    Dieses Lied singt Alfons Fügel sehr schön, aber ich frage mich ob ich das überhaupt schön finden darf ...
    Erst in den letzten Jahren habe ich eigentlich wieder eine Liebe zu Volksliedern entwickelt, vielleicht auch weil die Gefahr besteht, dass sie verloren gehen. Wenn ich sehe was "das Volk" heutzutage so singt ... sollte man vielleicht über diese alten Volkslieder nicht die Nase rümpfen, nur weil sie schlicht sind. Und wenn ich an Brahms denke ... aber Hugo Wolf konnte den ja nicht leiden ...


    Machen wir mal einen kurzen Ausflug zur Stilkunde:
    Ein romanischer Dom ist auch relativ "leer" und einfach, wenn ich ihn mit dem fränkischen Vierzehnheiligen vergleiche - oder nehmen wir besser Stift Melk, das kennt Alfred besser ...


    Also ich persönlich schätze die schlichte Ästhetik der Romanik mehr, aber wenn ich eine großartige Barockkirche betrete, dann geht mir auch das Herz auf.
    Vielleicht ist es doch möglich, neben Franz Schubert auch Conradin Kreutzer zu mögen.

  • Ich werde zu diesem Themenkomplex ausführlich antworten, habe mir aber zunächst "Die Kapelle" angehört.


    Zunächst mal der Text von Ludwig Uhland:


    Die Kapelle.


    Droben stehet die Kapelle,
    Schauet still in’s Thal hinab,
    Drunten singt bei Wies’ und Quelle
    Froh und hell der Hirtenknab’.


    Traurig tönt das Glöcklein nieder,
    Schauerlich der Leichenchor;
    Stille sind die frohen Lieder,
    Und der Knabe lauscht empor.


    Droben bringt man sie zu Grabe,
    Die sich freuten in dem Thal;
    Hirtenknabe, Hirtenknabe!
    Dir auch singt man dort einmal.


    Auf die Gefahr hin , als respektlos zu gelten, möchte ich anmerken, daß ich diesen Text nicht grade für Uhlands Meisterwerk halte.


    Aber das ist eine Einschränkung aus MEINER Zeit und meiner Sicht. In der Romantik waren solche Texte enorm beliebt und erzeugten
    erhabenes Erschauern. Die Zeitgenossen Uhlands haben das Gedicht geschätzt - und das muß ich respektieren.



    -----------------------------------


    Dementsprechend ist auch das Lied.


    Ich halte es für eines der schwächeren von Kreutzer. Aber das ist subjektiv. Kreutzer versucht sich hier an Dramatik, die ihm selten wirklich gelingt. Helmut Hofmann hat ganz richtig bemerkt, daß Kreutzer einen volksliedhaften Ton anstimmt.
    Eigentlich sollten allen die melodischen Klang über alles lieben, durch diese Bemerkung auf Kreutzer aufmerksam werden.


    Weiter schreibt Helmut Hofmann:


    Zitat

    Möglicherweise bin ich ein von Schubert, Schumann und Wolf völlig verdorbener "Problemhörer". Einer, der nur die richtig "schweren" Kunstlieder mag, Lieder, die eine möglichst geballte Ladung an genial-kompositorischer Substanz aufweisen.



    Problemhörer ist ein hartes - und zudem das falsche Wort in diesem Zusammenhang. Aber ein Körnchen Wahrheit steckt schon in der Analyse. Als Du (HH) Hüttenbrenners Genialität hinter der teilweise sperrigen Fassade entdeckt hast - und darüber schriebst - wusste ich, daß Kreutzers Lieder nicht unbedingt Deine Sache sein werden.


    Ich frage mich wie Du Schuberts "Heideröslein" oder das Ständchen ("Leise flehen meine Lieder" oder "Im Grünen" beurteilen würdest, wüsstes Du nicht, daß sie von Schubert sind. Ich habe Kreutzers Lieder - soll heissen die knapp 40, die ich gehört habe versucht einzuordnen, und habe hier natürlich keinen einheitlichen Stil feststellen können. Teilweise erinnern einige Lieder sogar noch an Mozart - in ihrer Naivität.
    Schubertähnliches finde ich - jedoch nicht allzu häufig - natürlich auch. Aber an vielen Stellen erinnert mich Kreutzer an Loewe - der ja letztlich auch eher in Vergessenheit geraten ist - zumindest gemessen an seiner einsstigen Beliebtheit und Bedeutung.....


    Also vielleicht doch kein Zufall, daß er vergessen wurde ?


    Es muß sich um Zeitgeschmack handeln, denn während mir Schuman bereits sperriger vorkommt als Schubert, desgleichen Hüttenbrenner - von Wolf gar nicht zu reden, so hab ich mich mit Kreutzers "musikalischem Liebreiz" sofort angefreundet, den man allerdings nicht über Gebühr beanspruchen sollten, denn sonnst emfindet man ihn als "eintönig" - ähnlich wie beim Genusss zuvieler Vivaldi Konzerte oder Kammermusik von Boccherini...


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Kreutzer hat auch handwerklich einwandfreie, künstlerisch reizvolle Lieder für Männerchor geschrieben. Eine Zierde dieser manchmal belächelten Gattung:





    Leider bei cpo nicht mehr erhältlich.


    Diese Lieder sind eine wichtige Ergänzung der - oft komplizierten - Gesänge für Männerstimmen von Franz Schubert und der teilweise zu abgedroschenen Werke von Mendelssohn. Dabei anspruchsvoller als das meiste von Friedrich Silcher und leider zu wenig bekannt, wenn man von "Schäfers Sonntagslied" einmal absieht.


    "Werke für Männerchor" wäre mal ein Thema für einen eigenen Thread. Mal sehen. Grieg: Landerkennung, Bruckner: Helgoland, Sibelius: Der Ursprung des Feuers op.32, Brahms: Rinaldo, Wagner: Das Liebesmahl der Apostel, Mendelssohn: "Antigone" und "Ödipus", Schumann: Das Glück von Edenhall, Liszt: Requiem, Weill: Requiem, Mozart: Freimaurerkantaten, Liszt: Faust-Sinfonie, Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 13 - es gäbe einiges ...

  • Zitat

    Also vielleicht doch kein Zufall, daß er vergessen wurde ?


    Wenn ich wieder mehr Zeit habe, werde ich im Forum einmal die schönsten Lieder und Balladen von Carl Loewe vorstellen, es sind Prachtstücke für Sänger.
    Dietrich Fischer-Dieskau sagte in einem Gespräch mit Eleonore Büning:
    "Einigen seiner Kompositionen wäre es allerdings zu wünschen, dass sie wieder einen Platz im Repertoire fänden ... "
    und:
    "... Diese strophische Gliederung bei balladesker Erzählung findet sich auch noch bei Loewe, der ein weiterer hoch begabter Vertoner des Goetheschen Erlkönig war."

  • Kreutzer und Schubert


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    Auf Deine Frage, lieber Alfred, bin ich Dir noch eine Antwort schuldig. Die Frage war (und sie hat mich nicht losgelassen):


    Zitat

    "Ich frage mich, wie Du Schuberts "Heideröslein" oder das "Ständchen" oder "Im Grünen" beurteilen würdest, wüsstest Du nicht, dass sie von Schubert sind."


    Diese Frage ist eigentlich nicht wirklich zu beantworten, weil man bekanntlich nicht in den Stand der Unschuld zurückkehren kann. Ich will es dennoch versuchen, unter Aufbietung aller meiner imaginativen Kräfte.
    Also! Ich kenne das Goethe-Gedicht, höre Schuberts "Heidenröslein", kenne aber den Komponisten nicht und denke ...


    Im Grunde geschieht in diesem Gedicht ja eigentlich Ungeheuerliches.
    Wie immer man die Metapher vom Rosenbrechen interpretieren mag: Hier wird einem Wesen, das sich zu wehren versucht, aber nicht die wirklich wirksamen Mittel dazu hat, Gewalt angetan.
    Das Ungeheuerliche besteht nun darin, dass der gewaltsame Akt in schlichten, volkstümlichen Versen geschildert wird. Goethe, der damals von Herder auf den Volksliedschatz aufmerksam gemacht worden war, wählte für diesen Akt der Gewalt einen Unschuldston, eben den des Volksliedes.


    Wer immer der Komponist auch sein mag, - seine Vertonung dieses Gedichts ist großartig.
    Warum? Er hat diesen "Unschuldston" des Goetheschen Gedichts haargenau getroffen: Einfach schlagende Achtel im Klavier, eine liebliche, in fast kunstlosen Bewegungen dahinfließende Gesangsmelodie. Sie ist vollkommen, ohne jegliche Diskrepanzen mit der Sprachmelodie verschmolzen, - bis auf eine winzige Ausnahme. Am Ende, bei "Röslein ... rot" gibt es ein kleines Ritardando. Aus gutem Grund! Das Ungeheuerliche des Vorgangs wird kurz angedeutet.
    Aber wirklich nur ganz behutsam. Der volksliedhafte Grundton wird dadurch nicht gestört.


    So würde ich vielleicht denken, wenn ...
    In Deiner Frage, lieber Alfred, schwingt wieder die These mit (vielleicht ist es aber auch nur eine Vermutung), die ich von Dir schon mehrfach gehört habe:
    Die Lieder Schuberts hätten sich wegen des großen Namens ihres Komponisten durchgesetzt und die von solch weniger berühmten Leuten wie Hüttenbrenner oder Kreutzer verdrängt.
    Ich mag das nicht glauben. Es spricht so viel dagegen.
    Schau Dir die Rezeptionsgeschichte des Schubertliedes an. Nach dem Tod Schuberts herrschte in Wien ( 1830 und danach) erst einemal buchstäbliche Grabesruhe. Heinrich Heine schrieb damals in einem Brief, einer gewisser "Schubart" solle angeblich "gute Musik zu meinen Liedern gesetzt haben, die ich leider noch nicht kenne."
    An der Verbreitung des Schubertliedes über Wien hinaus waren danach ganz wesentlich Liszt und Brahms beteiligt. Diesen beiden kann man ja nun wirklich ein Urteilsvermögen in Sachen musikalische Qualität nicht absprechen.
    Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass die historische Zeit in ihrem Verlauf ein zuverlässiger Gutachter in Sachen Qualität ist, - in allen Bereichen von Kunst, Musik und Literatur.


    (Persönliche Anmerkung: Ich höre eben noch einmal intensiv die Lieder von Conradin Kreutzer. Den Appell dieses Threads habe ich ernstgenommen. Und siehe: Jede Menge Lichter gehen mir auf - über das Kunstlied!
    Ich werde davon berichten, auch wenn ich neuerdings ein wenig Hemmungen habe, das zu tun, was für mich mit das Schönste an diesem Forum ist: Losgelöst von allen Zwängen wissenschaftlicher Standards über Musik ein wenig zu spekulieren und den Gedanken freien Lauf zu lassen. )

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  • Zitat

    Das Ungeheuerliche besteht nun darin, dass der gewaltsame Akt in schlichten, volkstümlichen Versen geschildert wird. Goethe, der damals von Herder auf den Volksliedschatz aufmerksam gemacht worden war, wählte für diesen Akt der Gewalt einen Unschuldston, eben den des Volksliedes.



    Das ist natürlich eine Interessante Auslegung - Aber ich finde, sie atmet den Geist unserer Zeit. Und wenn ich "unsere Zeit" meine, dann meine ich die allerneueste Zeit, wo sich "Gutmenschen" um "Bruder Baum" kümmern, oder was ein Apfel empfinden mag, wenn man hineinbeisst.


    Ich will damit nur andeuten, daß sich beispielsweise in meiner Jugend NIEMAND um derlei gekümmert hat., in der Romantik wär es aber durchaus denkbar.


    Andrerseits kann man Goethes Gedicht auch anders deuten:


    Der Stärkere, Unsensible siegt über den Schwächeren , Sensiblen.


    die Phrase "musst´es eben leiden"


    könnte man auch so deuten, daß das Ergebnis voraussehbar war, und das Opfer sich in sein Schicksal fügen soll - weil es ihm letztlich vorbestimmt ist. Eine fatalistische Grundeinstellung.


    Dazu würde auch der volksliedhafte Ton passen, denn das "Volk" wurde schon seit Menschengedenken dazu angehalten "sich in sein Schicksall zu fügen"...... (??)


    Zitat

    Die Lieder Schuberts hätten sich wegen des großen Namens ihres Komponisten durchgesetzt und die von solch weniger berühmten Leuten wie Hüttenbrenner oder Kreutzer verdrängt


    Die Lieder Schuberts haben sich sicher der Qualität wegen durchgesetzt.


    Warum sich Hüttenbrenners Lieder nicht durchgesetzt haben, da habe ich eine ungefähre Vorstellung, sie sind eher sperrig, der Ohrwurmbonus ist meiner Meinung nach nicht vorhanden.


    Bei Konradin Kreutzer wäre diese hingegen im Übermaß vorhanden - vielleicht ist es aber gerade dieses Übermaß, welche vielleicht von einigen als störend empfunden werden mag...


    Interessant ein Vergleich der Vertonung von "die Post" zwischen Schubert und Kreutzer......


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Kreutzers "Die Post"


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    Zum zweiten Mal verweist Alfred auf "Die Post". Ich ahne warum.
    Vielleicht gebe ich einmal hier wieder, was auf einem der vielen Zettel steht, auf die ich während des Hörens von Kreutzer-Liedern Notizen gemacht habe.


    Holla! Überraschend gute Vertonung des Müller-Gedichts.
    Hervorragend getroffen die Atmosphäre der Post-Ankunft: Hornruf und erregte Erwartungshaltung.
    Differenzierte und überaus lebhafte Klavierbegleitung.
    Aber typisch Kreutzer: Bei "hoch aufspringt" im Text muss auch partout die melodische Linie "hochspringen".
    Erster Eindruck: Kann mit Schubert mithalten!
    Oder doch nicht?
    Vielleicht ist die seelische Tiefenschicht des Gedichts nicht so gut getroffen: die stille Klage, kein Brief in diesem sich so fröhhlich ankündigenden Gefährt! Die Erinnerungen an das verlorene "liebe Liebchen".
    Schubert differenziert harmonisch stärker: Mehr Moll-Töne bei ihm, wenn´s um die Seele geht.
    Molltöne gibts´auch hier, aber nur schwach ausgeprägt.
    Kreutzer geht es wohl einfach primär um "die Post".
    Dennoch: Ein Lied, das neben dem von Schubert bestehen kann.


    Es wäre sehr schön und überaus wünschenswert, wenn man hier noch weitere Stellungnahmen lesen könnte!
    ----------
    Nachtrag (vier Stunden später): "Stellungnahmen" - eine klassische sprachliche Fehlleistung. Ich meinte: Notizen, Anmerkungen, Gedankensplitter.
    Die hier zu lesen wäre freilich schön!

  • Das Problem wird sein, daß kaum jemand die CDs besitzt. ICh selbst musste sie mair aus Deutschland per Versand besorgen - in Wien waren sie nicht zu haben.


    Ganz gezielt habe ich mir "die Post" herausgesucht. Zum einen, weil sie (in der Vertonung von Schubert) zu meinen Lieblingsliedern zählt, zum andern, weil ich überrascht war, wie man einerseits so völlig anders, anderseits doch so verwandt dieses Gedicht in Noten setzen konnte.


    Zitat

    Erster Eindruck: Kann mit Schubert mithalten!


    GENAU DAS habe ich mir auch gedacht, als ich Kreutzers Version das erste Mal hörte. Aber auch wenn das in letzter Konsequenz nicht ganz der Fall sein sollte - absolut gesegen ist Kreutzers Version ein Meisterwerk.


    Mich erinnert Kreutzer in der Regel eher an Loewe als an Schubert...


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred


    Bitte Mitglied "HELMUT HOFMANN " ZWEI LEERE BEITRÄGE hier anhängen (1 Wort ist erforderlich !!!)

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es gibt ja von vielen Komponisten Lieder, deren Größe und innere Schönheit sich einem erst nach einiger Zeit erschließt. Und dann gibt es andere, bei denen zündet es sofort.
    Ein solches Lied ist "WOHIN" von Conradin Kreutzer.
    Es ist ein Lied zum Liebgewinnen, schon beim ersten Hören.


    WOHIN (Text von H.W. Stieglitz)
    Bächlein, wohin eilest du?
    Dem Strome zu!
    Strom! Wohin entrollest du?
    Dem Meere zu!
    Meer, wohin aufsteigest du?
    Dem Himmel zu!
    und der Himmel sendet liebend
    Wolkentränen mir zu.


    Herz, mein Herz, du Bach im Frieden,
    du in Aufruhr Strom und Meer!
    ach, wohin drängt deine Woge
    gar so heiß und bang und schwer.


    Sieh, dir öffnet seine Arme
    ja des Weltalls Riesendom!
    und es wölbt sich Liebe blickend
    über dir der Himmelsdom!


    Schon das präludierende Klavier, Akkorde mit eingelagerten Trillern dazwischen, zieht einen in Bann. Die Gesangsmelodie, die sich dann entfaltet, kann man ohne jegliche Einschränkung als einschmeichelnd lieblich bezeichnen. Sie wird von akkordischen, aber eine eigene Melodie tragenden Klavierklängen umspielt.
    Sehr eindrucksvoll ist die musikalische Gestaltung der Verse, die in der ersten Strophe eine herausgehobene Rolle spielen und jeweils auf "zu" enden.


    Das Lied ist durchkomponiert. Bemerkenswert sein melodischer und akkordischer Reichtum. Dort, wo es um die "Woge des drängenden Herzens" geht, werden sogar leicht dramatische Töne angeschlagen, die dann allerdings in großen melodischen Bögen am Ende wieder ausklingen.


    Das Lied findet sich als erstes auf der Orfeo-Cd mit Christian Elsner und Eugen Wangler (Piano), die Alfred oben vorgestellt hat.
    Die Interpretation ist makellos.
    Im ersten Augenblick hätte ich mir bei Christian Elsner gerne noch etwas mehr Schmelz in der Stimme gewünscht, habe dann aber sehr schnell begriffen, dass das ein wenig zuviel des Guten wäre.


    Über meine Hörerfahrungen in Sachen Conradin Kreutzer werde ich - in Zusammenfassung natürlich - noch berichten.
    Ich kann aber jetzt schon sagen:
    Ein Sich-Einhören in eine der von Alfred angezeigten CDs ist unbedingt empfehlenswert.

  • Ein unbedachtes und vorschnelles Urteil ist immer von Übel, auch wenn es in einem Internet-Forum geäußert wird. Vielleicht dort sogar ganz besonders, denn dieses Medium scheint dergleichen ja besonders leicht zu machen.


    In meinem ersten Beitrag zu diesem Thread meinte ich, Kreutzers Lieder seien von einer "leeren Schönheit".
    Das war so ein unbedachtes und vorschnelles Urteil. Vorschnell war es, weil ich zwar einige Lieder von Conradin Kreutzer kannte, aber längst nicht so viele, wie das jetzt der Fall ist.


    Mit dem Wort "leer" meinte ich damals eine Schönheit, die nicht vom Text der Lieder getragen wird, sondern zum Selbstzweck geworden ist, sozusagen um sich selbst kreist.
    Solche Lieder gibt es tatsächlich bei Kreutzer, aber es gibt auch viele andere, auf die dieses Verdikt überhaupt nicht zutrifft, sondern die Schönheit der Melodie Substanz hat und in gar keiner Weise "leer" wirkt.
    Ich hatte ein solches Lied ja schon gepriesen, das mich tatsächlich begeistert hat: "Wohin".


    Ich versuche, ein paar Höreindrücke zu vermitteln, die selbstverständlich sehr subjektiv sind:
    Das Lied "SCHEIDEN UND MEIDEN" (Text: Uhland) klingt ein wenig arienhaft. Man hört Mozart im Hintergrund und denkt, der hätte das besser gemacht. Es gehört eigentlich auf die Opernbühne und hat auch einen ganz bühnengemäßen Schluss: Die letzte Zeile wird wiederholt und dann ein ordentlicher Punkt gesetzt.
    Ähnlich arienhaft wirkt "SELIGER TOD" (Text Uhland). Das ist schöner, aber letztlich leerer Wohklang. Typisch, dass die Gesangsmelodie von Melismen fast überladen ist.


    "RUHETAL" (Text Uhland) ist als Kunstlied hingegen ein großer Wurf. Keine Spur von arienhaftem Firlefanz. Mit den "goldenen Wolkenbergen" steigt auch die melodische Linie an und senkt sich dann wieder zu den "Tränen" hin ab. Wäre die Klavierbegleitung nicht so schlicht, das Lied hätte großes Schubertsches Niveau.
    Typisch für das Kreutzersche Lied ist aber, dass bei "Abendstrahl", weil dieses Wort es verlangt, eine barocke Kunstfigur in die melodische Linie eingeflochten wird (hierzu unten noch eine Anmerkung).


    "IN DER FERNE" (Text Uhland): Eine überaus hübsche, volksliedhaft eingängige Melodie. Das ist ein echtes Lied, ohne jegliche Arienanklänge. Man möchte die Laute nehmen und mitsingen.
    "MORGENLIED" (Text Uhland): Ein vollkommen gelungenes Kunstlied. Der Text ist zu Musik geworden. Äußert kunstvoll die dramatischen Akzente in der Klavierbegleitung.
    "NACHTREISE" (Text Uhland): Hier zeigt sich Kreutzers Sensibilität für lyrische Sprache. "Die kalten Winde tosen" - dieser Vers hat ihn hörbar musikalisch in Bann geschlagen. Die innere Dramatik dieser "Nachtreise" ist kompositorisch in vollem Umfang eingefangen. Hie und da könnte man sogar meinen, er habe etwas "zu dick" aufgetragen.


    Ich möchte das nicht fortsetzen, sondern nur noch eine zusammenfassende Wertung anfügen.
    Einige Stunden habe ich jetzt Conradin Kreutzer gehört. Ich habe keine Minute davon bereut. Dass mein Urteil "leere Schönheit" in der ursprünglich gemeinten Allgemeingültigkeit nicht haltbar ist, dürfte deutlich geworden sein.
    Beim Hören der Lieder habe ich nicht nur Freude empfunden, sondern ich glaube, dabei auch etwas über die Entwicklung des Kunstlieds gelernt zu haben.


    Kreutzer stand ganz offensichtlich noch in einer Tradition, nach der die Musik im Lied ausschließlich eine denText tragende und mit ihren Mitteln illustrierende Funktion hat. Daher die vielen Melismen und Anklänge an die Arie in seinen Liedern.
    Er scheint sich aber immer mehr davon emanzipiert zu haben und in vielen Liedern dem ganz nahe gekomen zu sein, was wir in Schubert dann vollendet vorfinden: Das Kunstlied als Synthese von lyrischem Text und Musik in Form einer komponierten musikalischen Struktur.


    Dann wäre, um den Gedanken weiterzuspinnen, das Schubertsche Lied, musikhistorisch gesehen, das Ergebnis eines radikalen Emanzipationsprozesses.

  • Zitat

    In meinem ersten Beitrag zu diesem Thread meinte ich, Kreutzers Lieder seien von einer "leeren Schönheit".
    Das war so ein unbedachtes und vorschnelles Urteil. Vorschnell war es, weil ich zwar einige Lieder von Conradin Kreutzer kannte, aber längst nicht so viele, wie das jetzt der Fall ist.



    Lieber Helmut,
    als ich diesen Thread startete konnte ich nicht ahnen, welche Wirkung er auf Dich (und auch andere ?) haben würde, mich eingeschlossen.


    Ich hatte ja a priori eine positivere Meinung von Kreutzers Liedern als Du - aber auch bei mir ist das Urteil heute (noch) positiver, als vor einigen Wochen.
    Allerdings ist meine Ansicht jene, daß dies auf das "Einhören" der Tonsprache des Komponisten zurückzuführen ist, die Lieder bekommen mehr Profil, man hört Feinheiten, die beim Ersthören untergegangen sind, man macht sich sozusagen einen "ersten" Eindruck.


    Hat man sich jedoch mit den Eigenarten des Komponisten und seiner "Sprache" vertraut gemacht, was durchaus unterbewusst geschehen kann, dann ist das Urteil zumeist ein anderes.....


    Ich hatte eigentlich vor einige Neuanschaffungen abzuhören, aber Deine Beschreibung hat mich animiert die Kreutzer CDs erneut aus dem CD- Archiv zu holen und einzelen Lieder wieder zu hören.


    "Wohin" ist in der Tat "überirdisch schön" und die Klavierbegleitung ist delikat.


    "Scheiden und meiden" - Ich empfinde das Arienhafte weit weniger ausgeprägt als Helmut, vielleicht, weil mich Kreuzers Lieder in den Bann ziehen, sodaß die kritische Analyse dadurch erschwert wird.


    "Die Post" - wie gleichwertig mit Schubert - und doch so verschieden.
    Schön, daß ich mich nicht für eine der beiden Versionen entscheiden muß (interessant auch die verschiedene Interpretation von Elsner und Schreier...)


    Bis demnächst....


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,
    erst seit heute kann ich hier bezüglich der Elsner-Aufnahmen mitreden. Die gesamte CD bewerte ich mit einem pauschalen "schön" - Dank für diese Empfehlung!
    Diese Kreutzer-Lieder sind es Wert, dass man sich auch die von Schreier gesungene CD nach Hause holt.
    Zitat:
    "Wohin" ist in der Tat "überirdisch schön" und die Klavierbegleitung ist
    delikat.


    Und hier schließe ich mich einfach den Worten meines "Vorredners" an.


    "Die Post" ist allerdings schon etwas gewöhnungsbedürftig, wenn man Schuberts Musik schon seit Jahrzehnten im Ohr hat - eigentlich ein ganz normaler Vorgang