Johannes Brahms: Die Schöne Magelone

  • Üblicherwiese beginnen solche Threads mit: "Er wundert mich, daß in diesem Forum noch nichts über XYX geschrieben wurde"


    Aber eigentlich wundert es mich überhaupt nicht. Zuviel Aufmerksamkeit, zuviel Hintergrundwissen fordert dieses Werk von dem man schwer sagen kann, ob es sich umenen Liederzyklus, eine Molodram oder sonst eine Kunstform handelt.


    Die Rechereche erfordert einigen Aufwand, die Aufmerksamkeit die man damit erzielt steht in keinerlei Relation dazu.


    Dennoch - Im Augenblich (seit einigen Monaten) fasziniert mich das Thema, sowohl von der literarischen, als auch von der musikalischen Seite her - und deshalb gibt es jetzt diesen Thread.


    Veit Warbeck übersetzte 1527 den Text aus einer älteren französichen Vorlage und 1535 wurde er posthum gedruckt.



    1797 bearbeitete Ludwig Tieck den Stoff von der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence neuerlich . 15 Romanzen dieser Bearbeitung verwendete Brahms für diesen Zyklus, der immer zwischen gesprochenem Text on vertonten Romanzen pendelt.



    Mittelalterliche Stoffe waren in der Romantik sehr beliebt, somit war das Werk einst sehr erfolgreich. Heute mag es sein, daß zuviel Konzentration vom Hörer verlangt wird -oder daß die Sprche altertümlich und geziert wirkt (für mich macht das erst den Reiz aus) - andrerseits aber gibt es eine Menge an Einspielungen, zeilweise recht hochkarätige.




    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • @Alfred


    Zur schönen Magelone habe ich in den letzten 50 Jahren keinen Zugang gefunden, auch nicht gesucht und besitze daher von ihr auch keinen Tonträger. Das mag daran gelegen haben, dass ich nicht wusste, in welches Kammermusikfach ich diesen stecken sollte. Ein Erzähler und ein Sänger plus Klavierbegleitung waren mir einfach ein bisschen zu dünn und zu dubios.



    Dein Report, lieber Alfred, hat mich nun dazu verleitet, das Angebot bei JPC einmal durchzublättern und per Youtube das Material vorbeigleiten zu lassen. Ich war erstaunt, wie viele Einspielungen es gibt. Ich traf auf Solisten wie Inge Borkh und Hermann Prey - und dann war ich auf einmal Feuer und Flamme.



    Mit Dietrich Fischer Diskau gibt es mehrere Einspielungen, älteren und jüngeren Datums



    Einer Gewohnheit folgend, machte ich einen Abstecher zu Wiki, um mich der schönen Magelone zu nähern. Jetzt muss ich mich entscheiden, ob ich das rollende 'rrr' von Ingeborg mag oder der gewohnten liebgewordenen Gesangstimme von Hermann Prey mit einem anderen Narretator lauschen möchte. So wie ich mich kenne, treffe ich gar keine Entscheidung, sondern nutze im Laufe der kommenden Monate beide Möglichkeiten.-


    :]



    Es gibt noch ein Wesen der Romantik, dessen Name so ähnlich wie Magelone lautet und auch im allgemeinen ziemlich links liegen gelassen wird. Es ist die schöne Limousine, äh, ich meine natürlich Melusine. Ein Wassergeist, ähnlich Undine! Es hat sich aber nicht Johannes Brahms, sondern Felix Mendelssohn mit ihr symphonisch auseinandergesetzt. Mehr von der Schönen erfährt man neuerdings bei Aribert Reimann. Um mehr zu beiden Damen sagen zu können, muss ich mich erst noch schlau machen.


    Mit freundlichen Grüßen
    :angel:
    Engelbert

  • Lieber Alfred,
    gerade wollte ich auch schreiben, dass ich zu dem Werk "noch keinen Zugang" gefunden habe. Inzwischen hat Engelbert diesen "Klassiker" gepostet ...
    Es muss in den 70er Jahren gewesen sein, da habe ich mir "Die schöne Magelone" mal live mit Dietrich Fischer-Dieskau angehört, der - wie immer - schön gesungen hat, aber mehr blieb da nicht hängen ...


    Die Idee von Engelbert ist gut - hab mal bei YouTube reingehört und auch bei jpc, man ist inzwischen vierzig Jahre älter... heute denke ich schon, dass ich mich mal wieder damit befassen sollte - besten Dank für den Hinweis!

  • Nachdem hier schon so persönlich gepostet wurde - ich meine, daß Ihr Euch "geoutet" habt. - auch von mir einige persönliche Anmerkungen zum Zugang zu diesem Werk:


    Mir ist es stets ähnlich wie Euch ergangen: Mit der Mischung aus gesprochenem Text und Gesang konnte ich ursprünglich im Rahmen eines Liederzyklus wenig bis nichts anfangen.


    Vergangendes Jahr veranstaltete das Kunsthistorische Museum eine Ausstellung über karl den Kühnen, den letzten Herzog von Burgund. Plötzlich begannen Figuren, deren Namen man schon gehört hatte zu neuem Leben zu erwachen und ihren Platz in der Geschichte einzunehmen, es gab etliche Portraits, Kronen, Pokale, Schachfiguren, Stundenbücher, Prunkrüstungen, Tafelsilber , Münzen ,und zahlreiche Wandteppiche zu sehen, ja sogar Original Kleidungsstücke des burgundischen Hofes , zum teil hervorragend erhalten - auf Kleiderpuppen montiert.Wenn man durch die abgedunkelten Räume ging fühlte man sich in der Tat ins späte Mittelalter oder die Frührenaissance (Karl der Kühn lebte von 1433-1477)
    hineinversetzt.


    Immer wieder fiel mir da die Geschichter der schönen Magelone ein - und ich beschloss in naher Zukunft diesen Text zu lesen und zu hören - und mich überhaupt mit den wichtigsten überlieferten Stoffen dieser und vorhergehender Zeit auseinanderzusetzen - und im Idealfall auch mit deren musikalischer Aufarbeitung - egal aus welcher Zeit.


    Das Projekt kam und kommt jedoch nur zögerlich voran, Zuerst musste ich die Wahl der Aufnahme treffen. Engelbert hat ganz richtig bemerkt, daß es eine ganze Menge Aufnahmen gibt.
    Was meine Auswahl erschwerte, war, daß im Idealfall auch der Sprecher eine musikalische Aufgabe hat. Die Sprachmelodie färbt das Werk ungemein, man mache nur den Versuche und höre in den gesprochenen Beginn mit diversen Sprechern. Da sind Welten dazwischen - nicht qualitative - sondern solche die die Stimmung verbreiten. Irgendwann flie meine Wahl dann auf Wolfgang Holzmayr und Will Quadflieg, der Pianist war mir damals noch unbekannt. Wahrscheinlich eher ein Miniuspunkt für mich, als für ihn.....


    Mir war aber zu jenem Zeitpunkt schon völlig klar, daß EINE Aufnahme dem Werk niemals gerecht werden könne - und so habe ich mit der Tatsache abgefunden, daß noch ein oder zwei Einspielungen der von mir erworbenen folgen werden......


    Man sollte die Aufnahme nur hören, wenn man bereit ist sich in jene Zeit entführen zu lassen und die Sprache Tiecks auf seine Seeele wirken zu lassen . Dann kann das Werk - bei entsprechender Prädisposition - eine ungeheure Suggestion ausüben - und ein Fenster zum späten Mittelalter aufstoßen....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist, wie Alfred sagt: Man muss sich in den Text Tiecks einlesen, am besten sogar ihn vollständig in sich aufnehmen, damit man mit dieser Sprache ein wenig vertraut wird und die Lieder von Brahms sozusagen "ungestört" genießen kann.
    Tiecks Sprache mutet uns heute ein wenig fremd an. Das hängt damit zusammen, dass er sich seinerseits darum bemüht hatte, in Anlehnung an den französischen Prosaroman aus dem 15. Jahrhundert, auf dem die "Liebesgeschichte der schönen Magelone beruht, eine leicht altertümelnde Sprache zu wählen.


    So heißt es zum Beispiel im zweiten Lied: "Traun! Bogen und Pfeil...". Das "Traun" kommt vom mittelhochdeutschen "entriuwen" her und bedeutet "wahrhaftig", "wahrlich". Brahms hat es jedoch sozusagen in einem Atemzug mit "Bogen und Pfeil" vertont, so dass man meint, es handele sich bei "Traun" um eine Sache. Viele in diesem Sinne altertümelnde Verse finden sich noch in diesem Zyklus: "Mich umfleucht der Sorgen Schwarm" ...


    Es ist vielleicht sinnvoll zu wissen, dass hinter diesem Werk Tiecks die romantische Poetologie steht. Dann versteht man eher, warum diese Sprache, die übrigens auch Brahms etwas wunderlich fand, uns heute so sehr fern steht.
    Friedrich Schlegel hat das zugrundeliegende romantische Literaturverständnis so formuliert:
    "Das poetische Märchen und vorzüglich die Romanze (sollte) unendlich bizarr sein, denn sie will nicht bloß die Phantasie interessieren, sondern auch den Geist bezaubern und das Gemüt reizen ...".
    Sein Bruder August Wilhelm schrieb 1797:
    "In der Magelone wurde mir die Schwierigkeit sichtbar, schwärmerische Regungen der Liebe in einem alten Kostüm ohne moderne Einmischung darzustellen. Doch sind die Lieder allerliebst...".


    Fischer-Dieskau hat darauf hingewiesen, das es "die Fülle kammermusikalischer Vielfalt" sei, "die das Werk so einzigartig macht". Und da muss man ihm voll zustimmen.
    Ein Lied wie "Sind es Schmerzen, sind es Freuden" bietet vom ersten bis zum letzten Takt zauberhafte, an Harmonien und Modulationen überaus reiche Musik, die den zuweilen etwas süßlichen Text völlig vergessen macht.
    Bei "Durch die Dämmerung der Tränen" entfaltet die melodische Linie einen solch schwebenden Klang, dass man vom Text eigentlich nur noch Vokale und sonore Konsonanten wahrnimmt und sich ganz bestimmt nicht an dem etwas missglückten sprachlichen Bild stört.


    Verschiedentlich hat man schon den Versuch gemacht, die Lieder zusammen mit dem (gekürzten) Rahmentext zur Aufführung zu bringen. So etwa Roman Trekel (zusammen mit Bruno Ganz und Oliver Pohl) bei den Schwetzinger Festspielen 2005.
    Davon liegt auch eine Studioproduktion bei "Oehms classics" vor, die aus meiner Sicht durchaus hörenswert ist.
    Nicht empfehlen kann ich die Studioproduktion mit Fischer-Dieskau von 1957 (von Heliodor veröffentlicht). So großartig Fischer-Diekau singt, so schlecht liest er. Sein Sprechton hat etwas Geziertes an sich, das der Sprache Tiecks überhaupt nicht bekommt.
    Die für mich überzeugendste Aufnahme ist die mit Fischer-Dieskau und Sviatoslav Richter, Salzburger Festspiele 1970, erschienen bei "Orfeo".


    Brahms hat sich übrigens unterschiedlich zu der Frage geäußert, ob man die Lieder mit oder ohne gesprochenen Text aufführen soll.
    In Briefen meint er, die Lieder könnten eigentlich für sich selbst sprechen und brauchten keinen erzählerischen Rahmen.
    Ihre Hamburger Uraufführung mit Stockhausen war übrigens ein Flop. Nach Angabe von Brahms seien die Lieder "ausgejohlt" worden.


    Sie waren wohl schon damals ein musikalisches Kunstwerk, das ganz besondere Anforderungen an seinen Rezipienten stellt.
    Es kann ihn allerdings reich belohnen, wenn er bereit ist, sich seinem Zauber voll zu öffnen.



    ]

  • Vielen Dank für diesen thread. "Die schöne Magelone" gehört zu meinen Lieblings- Liedzyklen, allerdings bevorzuge ich auf jeden Fall die vollständige Fassung mit dem wunderbaren romantischen Text. Da sieht es dann mit den CDs schlecht aus: Fischer-Dieskau und Richter sind musikalisch vollommen, aber es fehlt die Geschichte. Die von Alfred zitierte CD mit Holzmair kann ich nur sekundär beurteilen: Holzmair hat das Stück (gelesen hat H.G.Heyme) zur Wiedereröffnung des Grillo-Theaters in den 80ern gesungen, was mir gar nicht gefiel. Die Stimme Holzmairs ist nicht sehr ausgeprägt; was mich richtig stört, ist sein ungeheures Tremolo, wovon ich nicht weiß, ob er das noch hat. Erfolgreich zu sein scheint er, denn er bekam in diesem Jahr (Hinweis im "New Yorker") eine große Rolle an der MET, leider habe ich vergessen, in welcher Oper.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich habe die Schöne Magelone nur in einer Einspielung, und zwar mit Dietrich Fischer-Dieskau und Sviatoslav Richter. Sie ist in meiner Sammlung gleich doppelt vertreten, und zwar in der Brahms-Lieder-Box von Brilliant und in der EMI-Box von Sviatoslav Richter. Und dort geht aus dem Beiheft hervor, dass diese Aufnahme am 24. und 25. Juli 1970 im Münchener Bürgerbräu entstanden ist. Insofern weiß ich nicht, ob es noch eine Aufnahme von den Salzburger Festspielen 1970 gibt, zumal der Zeitpunkt der Aufnahme genau in die Festspielzeit fällt. Das wäre für beide Künstler eher untypisch.
    Für mich, der, was Sprache betrifft, eher konservativ ist (Lieblingsausspruch meines früheren Deutschlehrers: "Rettet mir den Dativ"), sind diese Texte wunderschön und ihre Wiedergabe durch Fischer-Dieskau und Richter gigantisch, zumal auch hier die Leistung Richters durchaus ebenbürtig war.
    Wen wundert's?

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Da in diesem Thread schon lange nichts mehr geschrieben wurde, möchte ich eine kurze, aber aktuelle Notiz einstellen, die aus der „wirklichen Welt“ berichtet, denn hier ist die Quelle, aus der geschöpft werden kann. Erst wenn Interessen geweckt werden, holen sich manche Leute diese Musik zu sich nach Hause.


    Heute hat Jens Malte Fischer im Rahmen der HEIDELBERGER LIEDAKADEMIE einen interessanten Vortrag mit dem Titel: > Das verkannte Meisterwerk < Johannes Brahms´ Liederzyklus „Die schöne Magelone“ gehalten und leidenschaftlich für dieses Werk geworben. Dazu kamen Einspielungen von Dietrich Fischer-Dieskau, und das Lied „Sind es Schmerzen, sind es Freuden“ wurde von dem jungen Bariton Maximilian Krummen vorgetragen.

  • Dass in diesem Thread lange nichts mehr geschrieben wurde, wundert nicht. Dieses Werk ist anspruchsvoll. Das ist es sowohl aus musikalischen, wie auch aus inhaltlichen Gründen. Diese "Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence, die Tieck in der Endfassung 1812 vorgelegt hatte, liegt in ihrem märchenhaften, ganz im historischen Raum der altfränzöischen Ritterwelt angesiedelten Charakter so weitab von unserer heutigen Welt, dass sie sich nicht jedem ganz von selbst erschließt.


    Ich halte es für sehr sinnvoll, den Text Tiecks ganz u lesen. Man versteht das Werk von Brahms dann besser, obwohl dieser ja diesen - gekürzten - begleitenden Text selbst für durchaus entbehrlich hielt (eine Auffassung, die ich nicht teile!). Das Original rückt die ganze Geschichte in ein Licht leicht romantisch-ironisierender Verfremdung, das sie dem heutigen Leser leichter erschließt. Allein schon der "Vorbericht" zeigt das:


    "Ist es dir wohl schon je, vielgeliebter Leser, so recht traurig in die Seele gefallen, wie betrübt es sei, daß das rauschende Rad der Zeit sich immer weiter dreht, und daß bald das zununterst gekehrt wird, was ehemals hoch oben war? So fährt Ruhm, Glanz, Pracht und weltberühmte Schönheit hin, wie goldene Abendwolken, die hinter fernen Bergen niedersinken...". Die Geschichte wird dann ganz bewusst in die Sphäre der "Träume" versetzt, denn es ist von einem "Knaben" die Rede: Er sitzt "in sich versunken und sieht im dämmernden Widerschein der Lampe ein Bild der fröhlichen Morgenröte...". "Dann kommen Träume über ihn, dann sieht er alles im Glanz der Sonne vor sich...".


    Aus musikalischen Gründen anspruchsvoll ist dieses Werk, weil es sich hier nicht um Lieder im genuinen Sinne, sondern um "Romanzen" handelt, die durch einen Arioso-Stil mit weit ausgreifenden melodischen Bögen und eine ausgeprägte Nähe zum Szenischen geprägt sind. Ich jedenfalls bin bei meinen verschiedentlichen Versuchen, dieses Werk - das ich sehr liebe - jungen Menschen näherzubringen, bislang nicht sehr erfolgreich gewesen, - um es vorsichtig auszudrücken.

  • Zitat

    - jungen Menschen näherzubringen, bislang nicht sehr erfolgreich gewesen


    Als 35-Jähriger habe ich „Die schöne Magelone“ mal im Konzertsaal von Dietrich Fischer-Dieskau gehört. Damals hatte ich die edle Stimme des Interpreten bewundert, aber keinerlei Zugang zu dem Werk gefunden, weil ich zu dieser Zeit vielleicht zwanzig Schubertlieder im Kopf hatte, die mir weit besser gefielen … ja, so ist das mit den jungen Leuten …


    In den letzten Tagen wurde mir nun das Lied „Sind es Schmerzen, sind es Freuden“ – zig Male ganz, halb und in allen möglichen Fragmenten im Meisterkurs von Thomas Hampson von einem sehr engagierten 23-jährigen Bariton angeboten. Thomas Hampson macht das wirklich meisterhaft! Da werden sprachliche und geschichtliche Hintergründe erklärt und nicht nur an der Stimme gefeilt … um diese acht „Jugendliche“, die hier im Meisterkurs singen, ist mir nicht bange.
    Übrigens war man auch hier der Meinung, dass es mit Sprecher die Idealform darstellt (Aussage Jens Malte Fischer). Als "Kostprobe" stelle ich hier mal den Text eines Liedes aus dem Zyklus "Die schöne Magelone" ein:


    Sind es Schmerzen, sind es Freuden


    Sind es Schmerzen, sind es Freuden,
    Die durch meinen Busen ziehn?
    Alle alten Wünsche scheiden,
    Tausend neue Blumen blühn.


    Durch die Dämmerung der Tränen
    Seh' ich ferne Sonnen stehn, -
    Welches Schmachten! welches Sehnen!
    Wag' ich's? soll ich näher gehn?


    Ach, und fällt die Träne nieder,
    Ist es dunkel um mich her;
    Dennoch kömmt kein Wunsch mir wieder,
    Zukunft ist von Hoffnung leer.


    So schlage denn, strebendes Herz,
    So fließet denn, Tränen, herab,
    Ach, Lust ist nur tieferer Schmerz,
    Leben ist dunkeles Grab, -


    Ohne Verschulden
    Soll ich erdulden?
    Wie ist's, daß mir im Traum
    Alle Gedanken
    Auf und nieder schwanken!
    Ich kenne mich noch kaum.


    O, hört mich, ihr gütigen Sterne,
    O höre mich, grünende Flur,
    Du, Liebe, den heiligen Schwur:
    Bleib' ich ihr ferne,
    Sterb' ich gerne.
    Ach, nur im Licht von ihrem Blick
    Wohnt Leben und Hoffnung und Glück!

    Neu war für mich jedoch folgende Nachricht:
    Martin Walser bot dem Sänger Christian Gerhaher, der den Tieck-Text zu bieder und antiquiert fand, spontan an, das Opus des Romantikers in seiner eigenen Sprache nachzuerzählen und erklärte sich schließlich auch bereit, seinen Text selbst zu lesen.
    Nun habe ich das zu Hause nachrecherchiert, möchte aber hier keine fremden Zeitungsartikel abschreiben – wer sich dafür interessiert „Walser und Magelone“ googeln ...

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  • Ich möchte hier vielleicht ein wenig persönliches mit einfliessen lassen.
    Es war mir eigentlich nie ein Bedürfnis das Werk zu hören, ich war der Kunstform des Melodram nie besonders zugeneigt.
    Aber dann passierte etwas, das mich beeindruckte. Das Kunsthistorische Museum in Wien veranstaltete (in Kooperation mit anderen Museen) eine Ausstellung über Karl den Kühnen (1433-1477) und ich hatte Gelegenheit viele Wochen lang das Flair des Burgundischen Hofes im 15. Jahrhundert zu geniessen. Edle Wandteppiche mit historischen Darstellungen oder Wappentieren, bzw Wappen, repräsentative Rüstungen mit Goldziselierungen, Gemälde der Kaiser, Herzöge und Edelleute dieser Zeit, handgeschriebene Stundenbücher, Kristallpokale, Statuen und sogar eine komplett erhalten Pagentracht - all das - vorzüglich beleuchtet übte einen unheimlichen Reiz und Zauber auf mich aus. Und von da an begann ich mich für das Werk "Die Schöne Magelone "zu interessieren.
    Die Folge war, daß ich mir eine Aufnahme davon zulegte - und diesen Thread hier startete....


    Wir bekommen hier natürlich kein realistisches Spätmittelalter oder eine realistische Frührenaissance vermittelt sondern eine Geschichte die von einigen Autoren in dieser Zeit angesiedelt wurde - und die dann durch die Brille des späten 18.(Tieck) und späten 19. Jahrhunderts gefiltert wurde. Die ursprüngliche Geschichte ist vermutlich noch viel älter......


    mit freundlichen Grüßen
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hart zitiert mich mit einer Erfahrung, die ich bei Versuchen gemacht habe, den Liederzyklus "Die schöne Magelone" jungen Menschen näherzubringen. Ich habe begründet, worin die Schwierigkeit dabei liegt. Sie liegt in der spezifischen Thematik des Werkes, der lyrischen Sprache Tiecks und in der musikalischen Faktur der Lieder.


    Und was lese ich? Er schwärmt von einem "Meisterkurs" Thomas Hampsons.

    Schöner und der Sache dienlicher wäre gewesen, wenn er nicht nur den Text des Liedes "Sind es Schmerzen, sind es Freunden" einfach nur hier abgedruckt hätte (den ohnehin jeder nachlesen kann), sondern uns allen mal erklärt hätte, worin nun eigentlich der Zauber dieses Liedes gründet. Wenigstens ansatz- und versuchweise.


    Na ja!

  • Es war mir ein Bedürfnis hier etwas zur Aktualität des Themas beizutragen, leider hatte ich vergessen, dass Helmut Hofmann bestimmt was hier geschrieben wird. ich werde es nie wieder tun und bitte um Entschuldigung!

  • Hier gibt es - wenn es denn ehrlich gemeint ist - nichts zu entschuldigen.
    Ich habe auf ein rein sachliches Problem aufmerksam gemacht, das es bei diesem Zyklus gibt, - den ich so sehr liebe, dass ich eine eigene Version (selbst gelesen) angefertigt habe, um sie einem anderen Menschen zu schenken.
    Eines der Probleme ist die Sprache Tiecks im erzählenden Text, ohne den der Liederzyklus letzten Endes unverständlich bleibt. Und dass es dieses Problem gibt, ist zum Beispiel daran zu erkennen, dass Martin Walser sich einen eigenen Text zusammengebastelt hat.
    Also denn. Da liegen meine Probleme, dieses Werk von Brahms betreffend.

  • Es war mir ein Bedürfnis hier etwas zur Aktualität des Themas beizutragen, leider hatte ich vergessen, dass Helmut Hofmann bestimmt was hier geschrieben wird. ich werde es nie wieder tun und bitte um Entschuldigung!

    Lieber hart,


    sei bitte nicht so streng mit Helmut, er bestimmt natürlich nicht allein, was im Lied-Forum geschrieben wird, aber, er ist nun mal für das Lied-forum so etwas wie Alfred für tamino insgesamt, nicht ganz, Helmut gehört das Lied-forum nicht, aber er hat es größtenteils geprägt und ohne ihn gäbe es das vielleicht gar nicht. Ich habe als großer Freund des Kunstliedes auch 132 verschiedene Aufnahmen (CD + DVD) und höre sie sehr häufig. Gleichwohl, ein Posting abzusetzen fällt mir sehr schwer, da ich das Niveau von Helmut, farinelli u. a. nicht halten kann. Manchmal denke ich sogar, dass Helmut ein entfernter Verwandter unserer großen Liedkomponisten ist. Er weiß einfach zu viel, im positiven Sinn. Um da mithalten zu können, muss man unendlich viel gelesen haben oder es wissen. Trotzdem bleibe ich ein eifriger Leser des Kunstlied-Forums bei tamino.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Eigentlich schien mir mit meinem letzten Beitrag das kleine Problem, das sich mit einem Mal hier aufgetan hat, erledigt zu sein. Nun, nach der Lektüre des Beitrags von Bernward Gerlach, sehe ich das anders. Also folgende Klarstellung.


    Ich versuchte eine Erklärung dafür zu geben, warum Präsentation und Vermittlung des Zyklus "Die schöne Magelone" mit gewissen Problemen verbunden ist. Ich darf daran erinnern dass die Hamburger Uraufführung mit Buh-Rufen im Publikum quittiert wurde. Für einen Menschen des 21. Jahrhunderts ist die Sprache der "Liebesgeschichte" Tiecks nicht ohne weiteres zugänglich. Wenn sie ihm durch durch ein gründliches Lesen nicht vertraut geworden ist, wird sie ihm fremd bleiben.


    Brahms meinte zwar in brieflchen Äußerungen, dass man die Lieder auch ohne den narrativen Kontext, aus dem sie herausgenommen sind, verstehen könne. Das dürfte aber ein Irrtum sein, und zwar einfach deshalb, weil die lyrischen Texte selbst zu wenig narrative Elemente enthalten, - im Gegensatz etwa zu den Liedern der Schönen Müllerin.


    Das eigentliche Problem, das ich hier nun sehe, ist dieses: Brahms hat den von leichter romantischer Ironie geprägten Subtext der Erzählung Tiecks nicht mitkomponiert. Er hat die lyrischen Texte aus ihrem narrativen Kontext herausglöst, in dem sie eigentlich erst den von Tieck ihnen verliehenen lyrischen Sinn gewinnen. Es ist im Grunde ein romantisch-spielerischer. Es ist das in der Zeit der Romantik so sehr beliebte Spiel mit der zauberhaften und ins Idyllische verklärten Welt des Mittelalters. Tieck macht das in seinem Vorbericht auch deutlich. Diesen muss man unbedingt lesen, um in die Intentionen des Autors eingeführt zu werden. Am Ende heißt es zum Beispiel:


    "Unter diesem Bilde mag dir, geliebter Leser, der Dichter erscheinen, und er bittet, daß du ihm vergönnen mögest, dir seinen Traum vorzuführen. Jene alte Geschichte, die manchen sonst ergötzte, die vergessen ward, und die er gern mit neuem Lichte bekleiden möchte."


    Wenn man das weiß, liest sich die Geschichte von der Schönen Magelone plötzlich ganz anders, und man kann das, was einem Menschen der heutigen Zeit ein wenig fremd und schwer verdaulich sein mag, plötzlich verstehen. Das Problem ist aber, dass Brahms durch das Herauslösen der Lieder aus der Erzählung diese nicht mehr in dem Licht erscheinen lässt, das Tieck ihnen verliehen hat. Selbst wenn man diese Lieder bei einer Aufführung in den dafür vorgesehenen Kontext einbettet, bringt das nicht die Lösung des Problems, weil dieser Text ja um die wesentlichen Passagen gekürzt ist.


    Das wollte ich deutlich machen. Und ich habe mich dann darüber geärgert, dass darauf ein Bericht von einem Meisterkurs Thomas Hampsons kam, der mit der Überschrift aber sehr wohl einen Bezug zu meinem Beitrag herstellt. Dieser Ärger war natürlich völlig unbegründet und unberechtigt, und der daraus hervorgegangene Beitrag meinerseits war ein Unding. Ich bin derjenige, der hier um Entschuldigung zu bitten hat. Nicht hart!


    (Kleiner Nachtrag nebenbei noch: Ich sehe meine Rolle hier deutlich anders als Bernward Gerlach. Ein paar gehörige Nummern kleiner!)