Was soll eine Inszenierung eigentlich leisten ?

  • Diese Frage habe ich mir erneut gestellt, als Wolfram in einem Anderen Thread monierte, daß diese oder jene Inszenierung die mutmaßlich dogmatische Aussage - es handelte sich konkret um die Zauberflöte, aber das tut nichts zur Sache - nicht in Frage gestellt habe.


    Ich will nun nicht sagen, daß hier bei mir gelich die "Alarmglocken" läuteten, aber ich habe nicht immerhin mit der Problematik auseinandergesetzt, ab es denn in letzter Hinsicht Aufgabe einer Inszenierung sei, einen vom Autor offensichtlich angestrebten Gesamteindruck in Frage zu stellen . Ich meine NEIN.
    Dieses Nein bedeutet aus meiner Sicht keineswegs, daß man das nicht DARF - oh doch man DARF es - solange man die Einheit von Zeit und Ort wahrt und an den Texten nichts herumbastelt - aber man MUSS es NICHT !!!


    Wenn ich hier von Inszenierung sprechen, dann meine ich das als Einheit von Bühnenbild, Kostüm, Maske , Diktion und Personenregie.


    Regie, Inszenierunge, wie immer man die Einteilung trifft, dienet vor allem dazu, aus dem Skelett des Librettos eine einigermaßen glaubwürdiges Stück - in unserem Falle Oper - dem Publikum zu bieten


    Wenn irgendwo im Libretto steht, Florenz im 16. Jahrhundert, Thronsaal, dann habe ich ziemlich viel Freiheit das zu gestalten. Jeder Mensch stellt sich da spontan etwas anderes vor. Aufgabe des Bühnenbildners ist, SEINE Vorstellung mit der des Kostümbildners in Einklang zu bringen, um einen homogenen, natürlichen Eindruck zu erzeugen.


    Es kommt hiebei nicht darauf an, da die Dekoration STILECHT ist, sondern lediglich darauf, daß das Publikum den EINDRUCK gewinnt, es wäre stilecht.
    Hiezu kann in Sonderfällen sogar bewusst verfällsch werden, um einen "natürlichere" und "glaubwürdigeren" Eindruck zu erzielen.


    Weiters soll natürlich die "Choreographie" passen, die Auftritte und Abgänge der handelnden Personen, wie im Libretto vorgesehen müssen passen.


    Kleine Gags, die die Natürlichkeit unterstreichen sind belebend und seit Menschengedenken am Theater üblich - solange sie nicht übertrieben werden. Dann gibt es weitere Kunstkniffe, die aber zumeist eine unfreiwillige Anpassung eines Stücks an ein nicht beonders leistungsfähiges Theater sind - Kürzungen- Umstellungen etc. Sie sind ein Kompromiss mit dem man - so unvermeidbar - eben leben muß. Anstrebenswert sind sie nicht.


    Keinesfalls ist Inszenierung oder Regie dazu aufgerufen, versteckter oder offensichtliche politische, religiöse oder ähnliche Inhalte in ein Stück zu verpacken, welche die Autoren nicht vorgesehen haben.



    Es ist, als würde man mir in die Speisen eines Restaurants Medikamente mischen - mit dem Hinweis, sie wären gesund....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Was soll eine Inszenierung eigentlich leisten?


    Nun: Was soll Musik - oder eine Oper - überhaupt leisten? Will ich auf hohem Niveau unterhalten werden? Will ich meine musikhistorischen Kenntnisse ausleben können oder am lebenden Objekt ergänzen? Will ich mein Weltbild bestätigen lassen? Will ich, dass die Inszenierung mein Ego, meinen Stolz, meine Blindheit, meine Trägheit streichelt?


    Mein Tonsatzlehrer - ich zitiere es imer wieder gerne - sagte: Die Aufgabe der Musik ist es, eine Saite in uns zum Klingen zu bringen, die ansonsten stumm geblieben wäre.


    Ich formuliere das mal aus: Das bedeutet doch, dass wir durch Musik (auch im Spezialfall der Oper) etwas über uns selbst erfahren. Etwas in uns gerät in Resonanz, und wir wussten gar nicht, dass wir an dieser Stelle in Schwingung zu versetzen sind!


    Kann mich der Papageno an meine eigene Angst vor Veränderung erinnern? Oder ist er einfach nur albern und es ist besser, wenn ich mich über so eine dumme Person lustig mache und die Fragen, die in seiner Person liegen, gar nicht an mich heranlasse und in meiner Überheblichkeit verharre?


    Kann mich Sarastro daran erinnern, wie selbstgerecht ich sein kann und wie gut ich meine Selbstgerechtigkeit zu rechtfertigen weiß, um gut vor mir selbst und vor anderen da zu stehen? Oder ist Sarastro nicht eher ein leuchtendes Vorbild dafür, wie wir alle doch sein sollten?


    In dem Moment, wo Kunst nicht mehr die Lust weckt, die Grundfragen "Wer sind wir", "Wo kommen wir her" und "Wo gehen wir hin" immer wieder neu zu beantworten, ist sie reine Unterhaltung. Unterhaltung hat ihre Berechtigung - das wissen wir nicht erst seit Brecht. Doch - haben wir nicht alle erfahren, wie unendlich viel mal mehr Musik (und auch im Spezialfall Oper) uns berühren kann? Wer wollte im Ernst darauf verzichten?


    Es ist die Aufgabe der Inszenierung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass solche berührenden Momente entstehen können. Dass etwas in uns in Resonanz gerät, von dem wir gar nicht wussten, dass es da ist.



  • Hallo, Wolfram!


    Ich gebe dir in allem Recht, obwohl ich die Oper a u c h als eine gehobene Art der Unterhaltung brtrachte, die sie ja auch wur, bis ein gewisser Richard W. alles mit Tiefsinn zu befrachten begann. Allerdings muss diese erwähnte Resonanz aus mir selber kommen. Das geschieht aber nicht, wenn der Regisseur versucht, mich dezidiert zu belehren. Noch weniger geschieht das, ja ich empfinde es geradezu als kontraproduktiv, wenn die Schwingungen, die die Musik in mir auslöst, durch die Vorgänge auf der Bühne abgeblockt werden durch Widerwillen, Abscheu Ekel oder was sonst dem Zuschauer durch "progressive" Regisseure zugemutet wird. Als ebenso kontraproduktiv empfinde ich Langeweile. Diese kann natürlich auch durch altertümliche Inszenierungen mit ständigem Rampensingen erzeugt werden wie durch sogenannte "innovative" Inszenierungen. Ich denke da als Beispiel an die Lucrezia Borgia von Herrn - war es Guth? - mit ihren Stühlen -die scheint er ja besonders zu lieben. Ich fand die Inszenierung teils albern, teils enschläfernd. Und wenn dann die Musik das einzige ist, was mich wach halt oder ich mich bei besonders provokanten Inszenierungen veranlaßt sehe, die Augen zu schließen, ja dann brauche ich eigentlich nicht mehr in die Oper zu gehen. Die Resonanz wird eigentlich ja sowieso von der Musik ausgelöst, und das Geschehen auf der Bühne sollte diesen Vorgang unterstützen und nicht abblocken.


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Original von Wolfram
    In dem Moment, wo Kunst nicht mehr die Lust weckt, die Grundfragen "Wer sind wir", "Wo kommen wir her" und "Wo gehen wir hin" immer wieder neu zu beantworten, ist sie reine Unterhaltung. Unterhaltung hat ihre Berechtigung - das wissen wir nicht erst seit Brecht. Doch - haben wir nicht alle erfahren, wie unendlich viel mal mehr Musik (und auch im Spezialfall Oper) uns berühren kann? Wer wollte im Ernst darauf verzichten?


    Es ist die Aufgabe der Inszenierung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass solche berührenden Momente entstehen können. Dass etwas in uns in Resonanz gerät, von dem wir gar nicht wussten, dass es da ist.


    Ich glaube, dass das "konventionelle" wie auch "moderne" Inszenierungen schaffen können. Es können vor allem aber auch die ausführenden Künstler auf der Bühne erreichen und die sind mir im Regiertheater oftmals zu sehr nur "Marionetten" der Regisseure.


    Deshalb wünsche ich mir von Inszenierungen Anregungen, aber keine Antworten, Freiheiten für die Menschen auf und vor der Bühne, aber keine "Statements".


    :hello: Gustav


  • Hallo Gustav und Wolfram, Taminoeaner/innen


    Gustav, wie soll DAS funktionieren >> Freiheiten fuer die Menschen auf der Buehne<< ??
    Diese voellig unterschiedlichen Saenger, bezueglich ihrer Staerken und Schwaechen der Rollenumsetzung, haben ja meistens den Anspruch ihr Schaerflein dazubeizutragen das Regiekonzept des Regisseurs umzusetzen.


    OB das heissen muss, ein Saenger/in muss sich neu orientieren bezueglich seines Rollenverstaendnisses, OB er sich fuer das Konzept begeistern lassen muss oder kann....und viele, viele andere Moeglichkeiten .....DIES ist doch vor jeder Inszenierung die erneute spannende Frage.


    Was heisst dann << keine Statesments<< ??: der Regisseur soll keine eigenen Vorstellungen eines Regiekonzeptes haben? WOZU arbeitet ein Team oft 1 ganzes Jahr (und laenger) an einer Produktion?


    Ich kann das gut nachvollziehen, wenn Du Dir >>Anregungen aber keine Antworten<< wuenschst.
    ABER was bedeutet DAS?
    Kannst oder willst Du Dich nicht auf eine (eventuelle) neue Sichtweise oder ein Verstaendnis des Stoffes einlassen, welches sich von Deinem Bild der Oper unterscheidet????
    Da es an diesem Forum NIEMALS um RICHTIG oder FALSCH geht,
    sondern um subjektive Kriterien von Offenheit, Neugier, Ressentiments, Aengsten, Eigenheiten...etc
    wuerden mich die Begrenzungen die Du Dir auferlegst traurig machen...


    >> Rollencharakter auf gut Duenken << wie ich in meiner Ueberschrift schreibe, oeffnet das Tor zur Beliebigkeit einer Inszenierung.
    Dann braeuchte es keiner Regisseure mehr...und die Qualitaet einer Inszenierung waere ganz dem Zufall ueberlassen.


    Wer Robert Dean Smith vor 15 Jahren als hochbegabten Saenger...aber recht steifen Darsteller erlebt hat, der aufgrund seines Naturells kein geborener Saengerdarsteller war.........wird ihn heute nicht wiedererkennen. Er selbst sagt, dass er dieses grossartige Entwicklung einigen Regisseuren verdanke,



    Wolfram, Du sprichst mir mit Deinem Statement aus der Seele



    Gruss aus Chicago,,,,,,,,,,,,,,"Titan"

  • Ja, was soll eine Inszenierung leisten? Ich möchte meine Idealvorstellung mal so formulieren: Sie soll mir die Ohren für die Musik noch weiter aufmachen. Genauso wie ich mir wünsche, dass mir die musikalische Seite die Augen weiter öffnet, will sagen:
    Ich wünsche mir eine auf Text und Musik gleichermaßen fussende musikalische Umsetzung. Außerdem wünsche ich, dass die theatralische Vision des Regisseurs jedem offenen Zuschauer zugänglich ist. Es darf keinerlei Werkkenntnis vorausgesetzt werden, kein reiner Kommentar inszeniert werden. Entweder der Regisseur erzählt - handwerklich sauber - "die" Geschichte, und wenn er was drauf hat, kann er sie auch gleichzeitig ausdeuten, oder er erzählt eine andere Geschichte, die mich überzeugt, oder er erzählt gar nicht, sondern setzt mir Bilder und Bewegungen vor, aber die müssen dann, bitte schön, eigenständig und unabhängig sein und von Musik und Text inspiriert sein(dass das klappt, habe ich nur ein- oder zweimal erlebt und nie bei romantischen Stücken). Ich will genausowenig nacktes Fleisch, Rollstühle und Kühlschränke wie Rampengesinge in Plüsch und Wallewalle. Lebendig soll es sein. Im Idealfall werde ich berührt und habe trotzdem was zu denken!
    Ich persönlich habe es am liebsten, wenn es dem Regisseur, dem Sänger und dem Dirigenten gemeinsam gelingt, wirklich besondere, genuin menschliche Figuren auf die Bühne zu stellen. Wenn das klappt, kommt eigentlich auch immer eine halbwegs politische Aussage dabei heraus.


    Noch ein Wort zum Thema "Unterhaltung". Die ist etwas Wunderbares, auch etwas sehr Nötiges. Aber an unseren großen Opernhäusern, wo ein Platz teilweise mit über 300€ pro Abend subventioniert wird, muss es ab und zu auch darüber hinaus gehen.
    Und trotzdem muss man das Haus voll machen. Auch das muss Regie leisten.


    Und noch ein Wort zu den Regissuren. Viele handwerklich wirklich Gute gibt es nicht. Die will jeder haben. Dann machen sie vier, fünf oder sechs Inszenierungen im Jahr (wegen des Geldes und der Kurzlebigkeit des Ruhms), wovon höchstens zwei gut sein können, die anderen sind "hingehudelt". Und die anderen, die mittelmäßigen müssen sich an den immer gleichen Stücken abarbeiten, müssen zum x-ten Mal eine "Carmen" machen, die schon mindestens fünf- oder sechsmal aug höchstem Niveau gemacht worden ist, sei es von Zeffirelli, sei es moderner. Und dann ziehen sie halt einen aus, damit sie in die Zeitung kommen. Da will der Intendant hin. Und der Intendant, der dann den Artikel liest, auch. Und er engagiert den Auszieher. Beim nächsten Mal soll er vielleicht "Lohengrin" machen. Da gibt es, allein in den letzten 30 Jahren, den ziemlich klassischen Götz Friedrich in Bayreuth und Berlin, den gemäßigt modernen Lehnhoff in Baden-Baden, den wilden Konwitschny in Hamburg und Leipzig, alle drei handwerklich hervorragend, auch wenn man sicher den einen mehr mag als den anderen. Was macht unser mittelmäßiger Regisseur? Vielleicht zieht er dem Telramund ein Baströckchen an oder er lässt Elsa ein Haus bauen?
    So funktionieren Karrieren heute. Da sind die Regisseure nicht alleine Schuld. Unsere Zeit ist eine optische. Es geht um die Oberfläche. Die gestaltet der Regisseur. Wenn er die Sänger zu Marionetten macht, kann er das nur tun, weil der Intendant ihm die Macht gegeben hat.


    Trotzdem gibt es zu wenig gute Regisseure!!!

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer

  • Ich habe es zwar in einem anderen "Thread" schon mal geschrieben, aber es passt hier eben auch genau hin. Für mich ist die Aussage, die Joachim Kaiser einmal zu "Regietheater" gemacht hat, immer noch massgeblich:
    "für problematisch halte ich auch die menschenfreundliche Einstellung, einen Klassiker unbedingt aktualisieren zu wollen und ihn aus seinen historischen Gegebenheiten herauszuholen, um ihn in unsere Zeit zu versetzen, damit er jungen Leuten angenöhret werde. Machen diese Anachronismen die Stücke wirklich verständlicher ? Eigentlich doch eher unverständlicher, verwirrender, weil das TUGENDSYSTEM und die gesellschaftlichen Umstände, die zu Zeiten des Werkes bestanden, nicht mehr existieren ! "
    Ich denke, dass die guten Opernregisseure der Vergangenheit, wie Hartmann, Rennert, O.F. Schuh, Ponelle usw. den Werken doch auch neue Deutungen gegeben haben und spannende Aufführungen ermöglich haben ohne die Werke in ihrem Kern zu verändern und das passiert m.E. heute des öfteren. Z.B. wenn die Inszenierung moderne , heutige Menschen auf die Bühne stellt, die sich inhaltlich so benehmen müssen, wie das Original und die Musik es vorschreiben.
    Ich war nie ein Feind von neuen, modernen Auffassungen von Opern, wenn es mir gar nicht gefallen hat, tröstete die Musik ! Bisher ist mir das nur einmal nicht mehr gelungen, das war bei Schlingensiefs Parisfal, da ist mir auch die Freude an der Musik vergangen.

  • Basti hat uns gestern den Düsseldorfer (resp. Züricher) Tristan vorgestellt. Garantiert eine Aufführung ohne Kühlschränke, Rollstühle, Nudités und crudités (auch wenn Tristan von Melot mit einem Tranchiermesser verletzt wird).


    Als verfremdende Einrichtung kann die Geschichte natürlich nicht aufgehen. Außer bei Goethe kann ich mir ohnehin keinen Künstler vorstellen, bei dem das Biographische so weit ins Werkinteresse hineinspielt, daß man ein chef d´oeuvre derart aus dem Nähkästchen nacherzählt.


    Die Bilder versprechen eine Abend berückend schöner Tableaus (Hand aufs Herz, Wagners erotische Eskapaden in den Häusern Wesendonck oder Bülow machen heute keinen Skandal mehr). Das elegante 19. Jh. der Stuckvillen und Abendroben ist ja so was wie eine zweite Haut für unsere ästhetisierende Distanz geworden - ein Emblem des Realitätsverlusts. ("Ein schönes Ende - Jahrhundertwende.")


    Eine Domestikenschar, die im Speisezimmel die Segel hißt, ein Kareol im Vorgarten, ein fröhliches Jagen im Korridor - all das muß befremdlich bleiben. Wobei der Tristan immerhin abstrakt und handlungsarm genug ist, um auf längere Passagen hin in eine andere Realität überblendet werden zu können (und warum könnten nicht Teile der Oper, z.B. anläßlich eines Maskenballs im Hause Wesendoncks, ironischer Weise im Originalkostüm gesungen sein?)


    Afred stellt hier die Frage der Fragen. Ich denke auch (an Grillparzer gerichtet), daß sich die Ikonographien ändern. Wir haben einen Minister im Rollstuhl (fast schon selbst ein barockes Emblem), und der Rollstuhl kann ein eminent wirkungsvolles Requisit sein (halb gebrechlich, halb bedrohlich und prothesenhaft). Ein gleiches gilt von der Nacktheit. Ich werde zwar hoffentlich nie erleben müssen, daß man unseren Sängern auch dies noch abverlangt; im Ballett und im Sprechtheater aber entfalten bloße (Ober-)Körper oft eine starke Wirkung und haben je nach Einsatz gar nichts Peinliches oder Voyeuristisches. Nacktheit gehört heute mehr denn je zum Bildlichen, wie auch Liebesszenen sehr viel expliziter formuliert werden als im Hollywood der 40er (Großeinstellung-Kuß-Blende). Deshalb sind ja die zahmen Inszenierungen prüderer Generationen in ihrer Zeit gerechtfertigt, aber wirken von heute aus sonderbar skrupulös.


    Im Grunde ist uns das lüsterne Spiel mit der Enthüllung der viktorianischen Ära sehr ferngerückt. Damit könnten wir zwar den Tristan vorurteilsvoller genießen, finden uns aber befremdet durch den unbeschreiblichen Überdruck und Triebstau, der sich in ihm entlädt (z.B. im Liebesduett im zweiten Akt, nach dem Auslöschen der Fackel).


    So wie Basti diese Szene aus Düsseldorf beschreibt, hebt der Regisseur die Ironie des Sets wieder auf, indem er eine romantische Liebesnacht mit Pflanzenschatten auf die Tapeten zaubert.


    Die Hochpathetik in Text und Musik (Oh lass die warnende Zünde!) müßte, auf bürgerliche Korridor- Schlafzimmerverhältnisse reduziert, in Komik umschlagen. Daß dem nicht so ist, liegt an unserer unverwüstlichen Romantik (Katja Kabanovà liefert sozusagen das Gegenbeispiel: unhappy love never dies).


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • ieber Titan!
    Ich habe mich sicherlich nicht deutlich nicht genug ausgedrückt. Aber ich denke schon, dass es sich hier nicht um die Quadratur des Kreises handelt.


    Ich habe nichts gegen eine wirkliche neue Sicht auf ein Werk, wenn sie noch etwas mit dem Werk zu tun hat und nicht geradezu krampfartig den Wünschen und Forderungen der Medien hinterherläuft.


    Was ich aber wirklich langsam nicht mehr ertragen kann, ist der oberlehrerhafte Ton vieler Inszenierungen. So und so muss es sein und ihr alle, Künstler wie auch Zuschauer, habt dies nachzuvollziehen, hinzunehmen und gefälligst auch noch zu bejubeln, weil ihr sonst nur konservative Vorstadtspießer seit. Das wirkt jetzt übertrieen, ist vielleicht auch überzeichnet, wird aber in Regiesseuräußerungen oder auch in der Presse immer wieder deutlich.


    Was ich mir wünsche, ist eine wirkliche Achtung des Publikums, dem man etwas anbietet, dass es in Gedanken und mit seiner Phantasie weiterspinnen und weiterentwickeln kann. Keine fertigen Lösungen, sondern Ansätze, Hinweise, Gedankenfreiheiten.


    Und da kommen durchaus auch die Künstler mit ins Boot. Lasst sie von der Kandare! Erlaubt ihnen innerhab ihres Rollenportraits Subtexte mit einzubauen. Ich habe immer wieder das Gefühl, es werden Sänger vor allem danach ausgesucht, ob sie alle geforderten "Hampeleien" der Regiesseure bedingungslos nachvollziehen werden. Und wenn die Hamburger Lucia sich aus begreiflichen Gründen weigert, eine schmale Wendeltreppe hinabzuklettern und dabei auch noch eine schwere Arie zu singen, dann gibt es einen großen Krach. Dabei können Künstler, die sich wirklich einmal auf ihren Gesang konzertrieren dürfen (und die passenden Kostüme tragen dürfen) möglicherweise ganz andere Emotionen entfesseln als die, die akrobatische Stunts vollführen müssen oder ganz andere Bedeutungsebenen durch ihren Gesang offenbaren.


    Dies soll jetzt kein Plädoyer für's Rampensingen sein, aber zwischen den Extremen gibt es doch wohl auch noch etwas.


    Das meinte ich also mit "Freiheit für die Künstler und für das Publikum". Ernstnehmen, achten und auch auf die Fähigkeiten und Möglichkeiten dieser Gruppen vertrauen und bitte keine Belehrungen mehr.


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav :


    Völlige Zustimmung zu Deinen Ausführungen meinerseits .


    Die meisten Musikrezensionen , die wir ertragen müssen lesen sich entweder wie ein beabsichtigter Verriss oder wie die gedruckte Meinung von Regie , Bühnenbildner , Kostümschneidereien .


    in aller Regel wird in Deutschland 80 Prozent des Papiers für allgemeine Floskeln verwendet / missbraucht . Nur etwa 20 Prozent gehen auf die Leistungen der Interprten ein . So auch in etwa die Rezension in der ortsansässigen " Rheinischen Post " zu der auch im Tamino-Klassikforu.at besprochenen Düsseldorfer Premiere von " Tristan und Isolde " .


    Es erstaunt schon sehr, dass dort kein Wort etwa im Vergleich zu den berühmten Düsseldorfer Tristan - Aufführungen bis etwa 1975 zu lesen war .


    Missachtet wird vor allem, dass der Opernbesucher nicht eine Marionette von Regisseuren und ihren Gefolgsleuten ist - und nie werden darf . Freiheit zur Kunstausübung darf niemals zur willkür verkommen .


    Auch Inszenierungen haben sich am Werk zu orientieren und nicht an der Selbstdartellung von hochbezahlten , steuerfinanzierten Erprobungskünstlern .


    Man kann , nach meiner Meinung , nicht ohne Willkür und Anmassung den Tristanstoff - noch heute Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung - in die Jetztzeit versetzen .


    " Fortschritt " in solchen Inszenierungen müsste dann vor der Premiere öffentlich mit dem Opernfreund diskutiert werden .


    Viele Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Freiheit zur Kunstausübung darf niemals zur willkür verkommen .


    Lieber Frank!


    Das sollte das oberste Gebot sein.


    Zitat

    Man kann , nach meiner Meinung , nicht ohne Willkür und Anmassung den Tristanstoff - noch heute Gegenstand der wissenschaftlichen Forschung - in die Jetztzeit versetzen .


    Ich weiß nicht, ob es überhaupt wünschenswert sein sollte. Zeitlos finde ich viel interessanter, denn der Mythos ist zeitlos. Alles andere ist eine Einschränkung und eine Verarmung.


    Nun kann ich zu der Düsseldorfer Inszenierung nichts sagen, da ich sie nicht gesehen habe. Eine Verbindung zwischen Oper und dem Leben Wagners herzustellen ist immerhin einleuchtend, ob sie sonderlich aufregend ist, ist ein anderes Thema. Und nachdem wir Parsifal in Wahnfried haben (Bayreuth), nun also Tristan bei Wesendonks. Immerhin finde ich die Bilder sehr ästethisch, da ist man ja schon dankbar.


    Aber wie gesagt, ich kann über die Inszenierung im Einzelnen kein Urteil abgeben. Aber es ist wohl wenigstens keine totale Vergewaltigung.


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von Gustav
    Aber wie gesagt, ich kann über die Inszenierung im Einzelnen kein Urteil abgeben. Aber es ist wohl wenigstens keine totale Vergewaltigung.
    :hello: Gustav


    Hallo Gustav,
    es war eine miit Belle Epoque-Glanz verbrämte Vergewaltigung. Das Ergebnis bleibt also das Gleiche: Ein paar nette Kostümchen hier und ein paar Stuckornamente dort sollen wohl die Abonnenten gnädiger stimmen.


    Das Schlimme ist, dass es fast funktioniert. Das Publikum scheint derart froh, dass es auf der Bühne mal was "Schönes" zu sehen gibt, dass es völlig vergisst, was eigentlich im Libretto steht. Wie würden sie erst jubeln, wenn in dem Bühnenbild die lustige Witwe gespielt worden wäre. Aber heute darf ja nichts mehr ohne Bruch präsentiert werden.


    :hello:
    Knuspi

  • Liebe Knusperhexe!


    Frank wies in dem Thread "Die wirklich wahre Geschichte..." von Engelbert gerade darauf hin, dass der Wagnersche Tristan mit dem mittelalterlichen Sagenstoff relativ wenig zu tun hat. Also lagen die Intentionen Wagners nicht in einer reinen Nacherzählung der Geschichte. Muss dem eine Inszenierung nicht Rechnung tragen?


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav ,


    liebe Knusperhexe !



    es erstaunt mich immer weider , wenn ich Rezensionen lese , dass fast nie mehr auf die Intentionen des Komponisten eingegangen wird . Falls diese den Schreiber(innen ) in Feuilletons überhaupt bekannt sind , woran es berechtigte Zweifel geben muss .


    Gleichgültig wie die Regieaufassung auch jeweils sein mag : Grundlage muss immer das Werk des komponisten sein .


    In " Tristan und Isolde " hat Richard Wagner selbst für seinen Opern - Fremde leicht nachvollziehber eine durchgängige Linie in Libretto wie der Musikik verfolgt und vom bekannten " tristanakkord 2 bis zu Isoldes "... höchste Lust " genial erreicht . Auch darin besteht eben geniales Komponieren .


    Wagner hat mit dieser grossen Oper auch ein substantielles Zieli im Hinblick auf eine bzw. vielleciht zwei Liebeszeziehungen in Musik umgesetzt .


    Wenn jemand meint , in das düsseldorfer Bühnenbild und die Inszenierung eine ganz beliebige Oper stellen zu können , dann haben Regie wie Bühnenbild Wagners Meisterwerk nicht einmal im Ansatz verstanden .



    Die wissenschaftliche Diskussion um die möglichen geschichtlichen Handlungen im Stoff zu " tristan und Isolde 2 hätten in einer oper niemals aufgearbeitet werden können .


    Wagner hat sich eindeutig und für jeden nachvollziehbar für eine der ganz einleuchtenden Versionen entschieden . Auch darin liegt seine Meisterschaft .




    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    das mit den Intentionen des Komponisten ist so eine Sache. Gould sagte einmal sinngemäß: "Wenn der Komponist ein Sforzato vorgeschrieben hat, um sein Publikum an dieser Stelle zu erschrecken, aber im Konzert alle dasitzen und nur auf das Sforzato warten, dann kann ich das Publikum nur dann erschrecken, wenn ich das Sforzato weglasse."


    So, jetzt sag mir: Was entspricht den Intentionen des Komponisten? Sforzato oder nicht?


    Mutatis mutandis gilt dies genauso für Inszenierungen. Die unglaubliche Infragestellung der Ständehierarchie in "Se vuol ballare, Signor Contino" (Mozart, Figaro) geht völlig verloren, wenn man sich - partiturgerecht - in historischen Kostümen an die Rampe stellt und schön singt. Man bedenke: Wir befinden uns am Vorabend der Französischen Revolution.


    So, jetzt sag mir: Was entspräche den Intentionen von da Ponte und Mozart eventuell besser als nettes Singen in historischen Gewändern? Gibt es eventuell jüngere historische Kontexte, die uns näher sind, und in deren Koordinatensystem wir eventuell besser verstehen, was Ponte/Mozart tatsächlich gemeint haben?


    Entschuldige meinen erregten Ton. Es ist sicher nicht ohne Weiteres legitim, die Partitur gegen die dahinter verborgenden Intentionen auszuspielen. Aber ganz so einfach, wie Du es darstellst ("Grundlage muss das Werk des Komponisten sein"), ist es m. E. nicht - wenn man die Aufgabe der Interpretation bzw. der inszenierung ernst nimmt.

  • Lieber Wolfram :



    Thema hier ist - gerade auch in meinen Ausführungen - Wagners Oper " Tristan und Isolde " .


    Ich lese Dich übrigens keineswegs sehr aufgeregt .


    enn Glenn Gould , ein besser Autor über musik , sehr oft agggressiv in seineN Briefen und bewusst provozierend mit vielen seiner Ausführungen zu eben auch Aussagen , wie Du einen davon hier zitiert hast .


    Gould hat sich nicht zu " Tristan und Isolde " geäussert .


    Was den " Fiagaro " von W A Mozart angehet , so bleibt in Zusmmenhang mit Deiner Aussage betracxhtet die Frage , inwieweit seiner Oper tatsächlich die Komposition tatsächlich eine musikalische Aussage eines politisch orientierten Komponisten gewesen ist .


    Aber auch hier hinkt der Vergleich zu meinen Aussagen über daen Stoff zu Tristan und Isolde . Ja ich halte den Hinweis für grundsätzlich falsch .


    Richard Wagner hat bewusst und konsequent eine bestimmte Thematik aus den zahlreichen Möglichkeiten herausgegriffen und in Worte und Musik umgesetzt .



    Das ist es dann auch, was Wagners Oper so einzigartig macht .


    Wir müssten dann im konkrten Einzelfall diskutieren , welche Aufgaben eine eine Inszenierung und eine Interpretation ( hier des " Tristans " ) haben bzw. in Düsseldorf am 22. Mai 2010 hatten .


    In meinen Ausführungen zuvor habe ich einige meiner Grundsätze über Operninszenierungen dargestellt .


    Beste Grüsse


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    danke für die Antwort!


    Ich hatte mich mit meinem Statement auf folgenden Satz von Dir bezogen: "es erstaunt mich immer wieder, wenn ich Rezensionen lese , dass fast nie mehr auf die Intentionen des Komponisten eingegangen wird . Falls diese den Schreiber(innen ) in Feuilletons überhaupt bekannt sind, woran es berechtigte Zweifel geben muss. - Gleichgültig wie die Regieaufassung auch jeweils sein mag: Grundlage muss immer das Werk des Komponisten sein."


    Ich hatte diese Aussagen so verstanden, dass sie Deiner Meinung nach allgemein gelten, unabhängig vom konkreten Fall des Tristan und dazu Stellung genommen.


    Mozart und da Ponte haben sich den politisch brisanten Stoff von Beaumarchais ja ausgesucht. Er wurde ihnen nicht vorgegeben. Alleine in der Wahl des Stoffes und in dem Wissen um die brisanten Inhalte liegt schon eine Aussage. Eine Aussage, die im Übrigen zu meinem Mozartbild sehr gut passt - Wolfgang Amadé Mozart war wenig obrigkeitshörig, im Gegensatz zu seinem Vater.


    Bei Wagners Tristan wird (unter anderem) das Thema der gesellschaftlich nicht erlaubten Liebe implizit diskutiert. Nun, heute ist diesbezüglich sicher viel mehr "gesellschaftlich erlaubt" als zu Wagners Zeiten. Die Frage ist also, wie man das von Wagner gewählte Grundthema menschlichen Daseins in Kontexten unserer Zeit neu diskutieren kann.


    (Wenn Tristan und Isolde in unseren Zeiten nachts in flagranti erwischt würden, was wäre denn schon dabei? Heute eine Schlagzeile in der Regenbogenpresse, morgen vergessen. Warum soll man darum also eine vierstündige Oper aufführen? Das wäre Quatsch. - Zum Anlass: Frau Wesendonck würde heute einfach die Scheidung einreichen und gut.)


    Ergänze: Neu diskutieren, ohne dabei den Komponisten und Textdichter Richard Wagner hintenan zu stellen - das wäre mir schon wichtig. Ein schwieriger Spagat, der mal gelingt und mal nicht.

  • Lieber Wolfram :


    Das sind direkt zwei sehr spannende Themen !


    Die von Dir sehr zu recht angesprochene Obrigkeitshörigkeit ( wenn wir darunter auch die " Vorgesetzten" einbeziehen ) besteht unverminderts fort . Vielleicht unter einem veränderten Blickwinkel . ber oft mit derselben Konsequenz .


    ich denke, dass die menschen sich im Grunde nicht wirklich verändert haben . Da wird ( zu ) viel an zeitgeist und Modeströmungen hineininterpretiert .
    Die " Liberalität " in Bezug auf Sexualität und was damit zusammenhängt , war meines Wissens in Romanen wie " Kin Ping Meh "
    ( das ist immerhin Weltliteratur ) oder in Berichten über die Lebensstile im sog. Alten Griechenland ( das von dem CDU - Politiker und Jesuitenschüler aus St. Blasien Dr. iur. Heiner Geissler , früher sogar einmal Familienmiinister , als die unverrückbare Weige unserer heutigen Kultur gespriesen wird ) sehr viel " umfangreicher, freier ( immer bezogen auf das derzeitige Sexualstrafrecht in Deutschland , nachzulesen in : Fischer : StGB. Kommentar . C. Beck ) ; im sog alten Rom , das uns als jungen Gymnsiasten ob seiner hehren Dichtungen als geradezu Idealzustand angespriesen worden ist , gab es nur einen (!!) der Kaiser, der nicht mindestens bisexuell gewesen ist .


    Sexuelle aktivste Beziehungen waren die regel unter nahen verwandten .


    Über die diskutierten beziehungen etwa zwischen tristan und isolde in der überlieferten Literatur hätte ein römischer Caesar nicht einmal milde gelächelt . Diese extremen restriktionen sind eine Erfindung der Kirche des Mittelalters . Vor allem mit der völligen Erniedrigung der Frau und ihrer Würde . Die Missbrauchsstrattaen , die jetzt bekannt werden, sind eine konseqeunte Fortsetzung des Allmachtsgedankens der Kirchenmänner .


    Und der Klerus war immer " dabei " .


    Mozart / da ponte mussten schon sehr achtgeben, was sie in ihrem genialen " Figaro " der Öffentlichkeit mitgeteilt haben .


    Auch im " Giovanni " handelt es sich um eine nicht ungefährliches Opus .


    Heute wird die enorme Brisanz in beiden Mozart - Opern gar nicht mehr im Opernpublikum wahrgenommen !


    Insofern sind mindestens diese beiden opern mozarts von bleibender Aktualität , weil sie sehr scharsinnig Misstände blosslegen .


    Wohl an keinem der sog. grossen Aufklärer können wir die Doppelmoral in ihrer heuchlerischen Ausprägung so intensiv verfolgen wie bei J. J. Rousseau . Schon als Schüler hat es mich immer gewundert, wie sehr diese Protagonisten einer " neuen weltsicht" sich selbst ganz anders verhalten haben und geradezu das gegenteil dessen praktiziert haben, was sie geradezu als " ideal " vorgeschreiben haben .


    Und die Phrase von " Liberté! , Égalité ! Fraternité ! " hat jedenfalls eines als Kerninhalt : Diese drei angeblichen Idealzustände schliessen sich völlig aus ( so auch Egon Friedell in seiner " Kulturgeschichte der Neuzeit " ) .


    Wagners " tristan und Isolde " war nicht nur zum zeitpunkt des Erscheinens auch inhaltlich brisant gewesen . Die Musik ist dann reavolutionär .


    In der Literatur kommt Isolde ( französisch Iseut ) übrigens sehr schlecht weg, um es salopp zu formulieren . Ich denke, dass Richard Wagner dies genau wusste . Die Überhöhung der Isolde als " reine Liebende " ist ganz bewusst so gewählt worden . Was wäre sie sonst ?


    Und um auf Frank Martinas Oratorium noch einmal zu kommen . War dies nicht die Idealform als Musik , um die zugrundeliegende Problematik darzusetllen ?


    Und eines kommt hinzu : in einem Oratorium ( wie auch einem requiem ) gibt es nicht die Schweirigkeit(en) einer " richtigen " oder " verwerfelichen " Regie bzw. Inszenierung . Bühnenbilder könnte man hinzufügen - doch wär täte dies ? Dies zu unternehmen, waäre sicherlich eine gigantische herausforderung . Und liesse wahrscheinlich wieder alle Möglichkeiten der Darstellung offen !


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Er habe die Liebe, wie sie ihm im Leben versagt geblieben sei, einmal so recht und ganz in einem Werk zum Ausdruck bringen wollen.


    Schon diese Aussage schwankt eigentümlich zwischen Biographischem und ideal-phantasmagorischem Reißbrettmodell im Medium der Kunst.


    Keine Oper ist so schlecht in ihrem setting verankert wie diese, wo die Protagonisten seitenweise gezwungen werden, sich über die Natur ihrer Gefühle philosophisch abgründig und psychologisch abwegig im klaren zu werden.


    Keine Opernhandlung hängt stellenweise so durch wie diese anstrengende parforcetour.


    Während die Musik des Liebesduetts schon auf die Kopulation abzielt, verhandeln die Liebenden noch über den Sinn der Kopula ("dies süße Wörtlein und").


    Isolde, bei Gottfried von Straßburg ein junges, schillerndes, sirenenhaftes Wesen, hochgebildete Prinzessin und Lockspeise der Minne zugleich, bildet mit Tristan, dem vom Patienten zum Hauslehrer avancierten Jüngling, eine ebenso ideale wie fatale Symbiose, natural born lovers, die auf der Überfahrt zu Marke längst das Lotterbrautbett teilen.


    Wagners Intentionen in bezug auf Isolde hat er einmal unter Hinweis auf die berühme Assunta formuliert, er könnte keinen größeren Abstand zur mythischen Isolde ausweisen. Die dramaturgische Akzentverlagerung beginnt bei den Affekten, dem Umschlag von Haß in Liebe, von verletztem Liebesstolz in tödlichen Haß und bei der drogengesteuerten Metamorphose dieses Hasses in eine halluzinatorische Liebesraserei.


    Die Sebstdeutung dieser Passion durch die Protagonisten macht Anleihen bei Schopenhauer; doch anders als in dessen Werk wird der nimmersatte Wille nicht über die Selbstverleugnung, die Askese und die sublimierte Kunstanschauung erlöst. Die Liebe, zur Neige ausgekostet, befreit körperlich und seelisch aus den Grenzen der Individuation und öffnet sich lustvoll selbstzerstörerisch dem Tod und einem transzendenten Liebes-Weltall ozeanischer Gefühle - der Wille erlöst sich quasi selber.


    Isolde ist aber musikalisch keine lolitahafte Cranach-Madonna, sondern eine vergrätzte Liebes-Megäre, der man seine Harfe besser nicht anvertrauen sollte. Amors Augenbinde ähnelt in ihrem und Tristans Fall stellenweise einer Psychose, fieberschubartige Realtätsverluste münden in hellsichtige Mystik, während die Musik eine keinen Aufschub mehr duldende Sexualität durchscheinen läßt, die den Subtext verquaster Philosopheme bildet.


    Wagners Oper ist gewiß faszinierend, aber m.E. keineswegs so geschlossen und klassisch, daß sie all diese Gegensätze in ein Bild packt und aufhebt. Der Schluß etwa, wenn Isolde zu spät anlegt und bloß noch den toten Tristan vorfindet, ist dramaturgisch schwach, eine Anleihe übrigens an Romeo und Julia, das ohnedies das bessere Drama bietet, die Verschmelzung von tragischer Ausnahmeliebe, ironischem Hochdiskurs und erotischer Glaubwürdigkeit des jugendlichen Paars.


    Damit verglichen, wirken Isolde und Tristan oft allzu abstrakt, sie stehen gleichsam neben ihren gewitterartig sich entladenden Gefühlen wie Personen einer Versuchsanordnung. Und ähnelt nicht die Liebestrankfinte einem Placebo-Experiment, einer Doppelblindstudie für Hysteriker?


    Mein lieber Frank, so einfach ist das nicht mit Wagners Intentionen!


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Ich weiß, daß ich mich wiederhole.


    Aber wozu worden Opern wirklich geschireben ?


    Um die Welt zu verbessern ?
    Um Gesellschaftliche Konflikte aufzuzeigen ?


    Mitnichten ! Um zu unterhalten.


    Natürlich haben mitunter Autoren versucht unterschwellig ihre Lebensanschauung in die Stücke einzuflechten, auch die Kirche hatte hier stets ihre Interessen und wachte, daß da nichts Ungehöriges auf die Bühne kam - aber der Grund in die Oper zu gehen war - sich zu unterhalten.


    Die Opern wurden bewusst in ferne Zeiten an ferne Orte verlegt um alle Register damaliger Dekoratines und Ausstattungskunst spielen lassen zu können.


    Nehmen wir hier den oft zitierten Figaro her.


    Ludwig XVI erkannte die Gefahr des Stückes und wollte es verbieten, soweit ich weiß durfte es durch eine Intervention von Maria Antoinette dann doch veröffentlicht werden.


    Am Wiener Hof war man in Sachen Zensur besonders erfahren und geübt. Die Wiener Zernsur wasr eine der schärfsten und unnachgiebisgsten, Um sie zu umgehen verhandelte der gewiefte Da Ponte gleich mit dem Kaiser persönlich und gab eine Garantie ab, daß die neue Oper nichts enthalten werde, was Seiner Majestät Mißfallen erregen könnte.


    Ich glaub nicht, daß der durchnittliche Opernbesucher an die französiche Revolution denkt, wenn er den Figaro siehr.
    Die Bandbreite "konventioneller" Inszenierungen ist groß genug - das Publikum wil sich unterhalten - kein Revolutionsdrama sehen, vieleicht zu allem Überfluss mit Anspielungen an irgendeine Diktatur ......


    Das ist es , was die Oper tötet......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Lieber Farinelli,


    danke für Deinen Worte! Hochinteressant, kenntnisreich. Bitte mehr davon ...


    Trotzdem: In diesem Thread geht es um die Frage, was eine Inszenierung leisten soll.


    Wir hatten hier ein paar Antwortversuche:


    - sie soll Anregungen, aber keine Antworten geben
    - die Ohren für die Musik noch weiter aufmachen
    - Achtung des Publikums/keine oberlehrerhafte Attitüde
    - Grundlage muss immer das Werk des Komponisten sein
    - sie soll Voraussetzungen für die Entstehung berührender Momente schaffen


    Ich möchte noch ein paar Fragen stellen:


    - soll sie das Werk in seinem vom Komponisten und Librettisten genannten zeitlichen Kontext belassen? (Man denke z. B. an Verdis Ballo in mascera, der von Komponist und Librettist wegen der Zensurbehörde in einen anderen Kontext verlegt wurde - dann darf doch ein Regisseur auch, oder?)


    - soll sie auf schwer wahrnehmbare Informationen der Handlung hinweisen? (Ich sah mal einen Don Carlo, da wachte Fillippo II. vor seinem großen Monolog im Lotterbett mit Eboli auf - dass da etwas war, steht sogar im Libretto, ich hatte es nur nicht wahrgenommen)


    - darf sie vom Publikum die Kenntnis des Werkes voraussetzen?


    - was ist bei Opern mit widersprüchlicher bis abstruser Handlung (Zauberflöte, Troubadour) erlaubt - im Gegensatz etwa zu den Meistersingern?

  • Ich denke auch, daß die Französische Revolution Mozarts (da Ponte und Beaumarchais einbegriffen) spielerischen Umgang mit gesellschaftlichen Thrills vorübergehend (und nachträglich) unmöglich machte.


    Eine Folge davon war z.B. eine Oper wie Fidelio (die einem Mozart weder zuzutrauen noch zuzumuten gewesen wäre).


    Giunse alfin il momento heißt eben nicht: Ha, welch ein Augenblick!


    Wenn ich allerdings an die Umstände der Oktoberrevolution 1917 denke - da gab es alles gleichzeitig - das Blutbad in Rußland, das Elend des Exils, das politische Agitationsstück, Shaw, Schnitzler, Hauptmann, den ersten Weltkrieg und was er heraufbeschwor.

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  • Ich lese recht gerne Deine Ausführungen auch zu anderen Themata .


    Hier geht es um ein konkretes Thema , das ggf. in Verbindung mit dem Beitrag von Engelbert über das oratorium von Frank Martin gesehn werden sollte .


    Dein durchgängiger Aufbau Deiner texte ist interessant auch hinsichtlich Deine Sprache anlysiert zu werden . Hier jedenfalls hat mich dies nicht dem eigentlichen Thema näher gebracht .


    Es erinnert ( zu ) stark an ein Aneinanmderreihen von Sprach- und Bezugsblasen , die nicht durch einen roten Faden verbunden sind .
    Dies macht einen kurzen Reiz aus wie mehrere ungleiche Nadelstiche , aber verändert völlig das eigentliche Thema .


    Ein nicht neues Stilmittel .


    Inhaltlich substantiell bringt es uns nicht nur nicht weiter . Es wirft uns in der Diskussion zurück und lenkt - geschcikt gewollt im übrugen - weit weg von dem Kern der Diskussion .


    Nur Gottfried von Strassburg zu erwähnen wird dem Tristanstoff nicht gerecht ( obwohl sich solch eine Diskussionseinlage sicherlich gut macht wie die eingestreuten Verwendungen von Fremdwörtern ) .
    Auch die bei Dir als Stilmittel immer weider zu findende heranziehung von festen Redewendungen , besonders aus dem Englischen und Amerikanischen , ist interessant , bribt uns in der Thematik aber nicht weiter . Dieses Stilmittel verwirrt vor allem den, der es nicht von vornherein streicht .


    Das Hinzufügen von immer neune Nebenthemata füllt Zeilen . Aber ich kann keine direkten Zusammenhang etwa zwischen Beethovens eher idealisierender Bürger - Oper " Fidelio " und dem Inszenierungszweck erkennen .


    So einfach ist das , mein lieber " Farinelli " !


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    verzeih bitte, wenn ich mich so unklar ausgedrückt habe; ich wollte aber keinen Nebel streuen.


    Meine Ausführungen zum Tristan ranken sich um Deinen Appell, Werktreue an den Intentionen des Dichter-Komponisten auszurichten. Im Kern - z.B. daß Wagner die mythische Isolde zu einer reinen Liebenden stilisierte (die Tizian-Assunta) - decken sich unsere Interpretionen sogar. Ich habe all das im Hinblick darauf geschrieben, wie absurd letztlich der biographische Wesendonck-Ansatz in Düsseldorf ist bzw. was alles er nicht erfaßt.


    Zu Mozart habe ich bloß aufzeigen wollen, wie weit ein Figaro (se vuol ballare) bei aller gesellschaftlichen Brisanz vom Pathos einer Revolutionsoper entfernt ist (die man gleichsam zwischen den Zeilen heraushören und auch inszenieren möchte).


    Mein eigentlicher Schreib-Anlaß war aber die Idee, daß gesellschaftliche Einschnitte die Wahrnehmung unwiderruflich ändern (und Mozarts Musik quasi ab 1789 ihre spielerische Unschuld verloren hat).


    Du hast sicher recht, daß all das vom Kern der Diskussion wegführt, zusammenhanglos und assoziativ ist. Ich danke Dir, daß Du bei meinem ungereimten Stilmix den Finger in die Wunden legst.


    Du könntest Dir - im Gegenzug - etwas mehr Mühe bei der Orthographie geben.


    Einen schönen Abend nach Düsseldorf!


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


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  • Lieber Farinelli :



    Ich finde Deine Stilmittel überall wieder . Manche Autoren sind gerade auch deswegen bekannt geworden .


    Die aktuelle Düsseldorfer Tristan - Deutung halte ich für sehr künstlich . Weit entfernt von den uns bekannten literarischen Vorgaben wie auch von dem , was Du über Wagner selbst hier geschrieben hast . Wer sich nicht intensiv mit dem Stoff beschäftigt ( hat ) , der musss ein völlig falsches Bild bekommen .


    Das Publikum ist keine Spielwiese für vielleicht sogar ambitionierte Regisseure . Pretre und Giulini haben dies in scharfer Form schon vor 40 Jahren klar dargestellt und begründet . Für jeden heute noch nachlesbar .


    Die Pianistin M. Uchida hat über W A Mozart schlicht gesagt , dass er ein " italienischer Komponist gewesen sei " bezüglich seiner Kompositionstechniken .


    Die einzige " Revolutionsoper " , die ich kenne und die auf Fakten beruht , ist " Andrea Chénier " von Giordano .


    Auch Ludwig van Beethoven war kein Revolutionär im politischen Sinn .
    Es sei hier dahingestellt , warum er sich letztlich mit den herrschenden Fürstenhäusern seiner Zeit so komplikationslos arrangiert hat . Im Vordergrund gestanden haben dürften rein wirtschaftliche wie soziale Überlegungen .


    Im grösseren Zusammenhang ist leider der Beitrag von Engelbert ( = real name ) untergegangen über Frank Martins Oratorium . Hier sehe ich einen interessante Möglichkeit , einmal darüber zu diskutieren, ob es möglich ist , neue Bahnen zu gehen , um ein Requiem oder ein Oratorium auch mit den modernen Techniken der Bilddarstellungen aufzuführen .


    Aber dies hier näher auszuführen hiesse , dass ich mich selbst vom Kernthema entfernen würde .


    Viele Grüsse Dir und nach Köln !




    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Gustav
    Liebe Knusperhexe!


    Frank wies in dem Thread "Die wirklich wahre Geschichte..." von Engelbert gerade darauf hin, dass der Wagnersche Tristan mit dem mittelalterlichen Sagenstoff relativ wenig zu tun hat. Also lagen die Intentionen Wagners nicht in einer reinen Nacherzählung der Geschichte. Muss dem eine Inszenierung nicht Rechnung tragen?


    :hello: Gustav


    Lieber Gustav,


    die meisten Geschichten werden immer wieder neu erzählt. Jüngst im Kino "Robin Hood". Diesen Stoff könnte man auch beliebig in jede andere Zeit versetzen. Tut aber keiner. Was Wagner wirklich mit seinen Werken wollte, das werden auch nicht die Regietheaterjünger rauskriegen, auch wenn sie glauben, den Stein der Weisen gefunden zu haben.


    Ich finde es traurig, dass das Regiethater die traditionellen Sichtweisen auf ein Werk diffamiert und ausgerottet hat. Dennoch rechne ich mich weiterhin zu jener unmodernen Spezies, die sich lieber selbst Bezüge herstellt als sich das von einem Regiesseur vorkauen zu lassen. Dieser düsseldofer Tristan war ein unfreiwillig komisches, auf eine Soap reduziertes Spektakel.


    :hello:
    Knuspi

  • Lieber Frank, lieber Farinelli!


    Dank für euren wirklich interessanten "Exkurs". Aber ich versuche dann mal wieder ein wenig zum Thema zurück zu kommen. Aber es wäre schön, wenn die Diskussion an einem anderen Ort weiter geführt werden könte. Lasst sie nicht unter den Tisch fallen.


    Zitat

    Mutatis mutandis gilt dies genauso für Inszenierungen. Die unglaubliche Infragestellung der Ständehierarchie in "Se vuol ballare, Signor Contino" (Mozart, Figaro) geht völlig verloren, wenn man sich - partiturgerecht - in historischen Kostümen an die Rampe stellt und schön singt. Man bedenke: Wir befinden uns am Vorabend der Französischen Revolution.


    Lieber Wolfram!


    Vielleicht ist eine Aufgabe von Inszenierungen auch, das Publikum ernst zu nehmen. Meine Güte, ich bin durchaus in der Lage, wie die meisten auch, die Brisanz dieser Arie in den richtigen historischen Kontext einzuordnen und für mich selber Lösungen für das Heute zu finden. Ich möchte eben durch Inszenierungen zum Denken und nicht nur zum Nachvollziehen angeregt werden. Um es platt zu sagen, das Publikum ist nicht so doof, wie die meisten Regiesseure offenbar denken.


    Übrigens sehe ich durchaus einen Unterschied darin, Stichwort "Ballo", ob ein Komponist den Zeitrahmen verändert oder ein Regiesseur.


    Und auch bei den schwer wahrnehmbaren Momente bevorzuge ich immer die Andeutung, was in der Regel auch viel spannender ist. Warum immer dieser Holzhammer? Und auch hier wieder die Frage des Ernstnehmens. Ist es nicht aufregender, einen Blick, eine Geste zu interpretieren, vielleicht noch eine Unklarheit bestehen zu lassen, als alles z.B. durch das "Lotterbett" klar zu machen?


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von Knusperhexe
    Dennoch rechne ich mich weiterhin zu jener unmodernen Spezies, die sich lieber selbst Bezüge herstellt als sich das von einem Regiesseur vorkauen zu lassen.


    Liebe Knusperhexe!


    Da haben sich unsere Beträge fast überschnitten. Jedenfalls las ich deinen erst, als ich meinen gerade gepostet hatte.


    Zunächst einmal ist das ja auch mein Punkt. Ich schätze es aber auch, wenn der Regiesseur Bezüge andeutet, die nicht unbedingt im Libretto zu finden sind. Wohlgemerkt andeutet. Ich will in einer Aufführung eben auch denken dürfen, nicht nur konsumieren. Wobei ich gute musikalische Darbietungen auch gerne konsumiere, aber die werden uns im Regietheater ja oft vorenthalten.


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav,


    witzig, bei mir ist es genau anders herum: Regietheater empfinde ich als reinen Konsum. Da wird mir genau vorgekaut, was ich zu denken und zu fühlen habe. Das eigene Hirn kann man getrost an der Garderobe abgeben. Ich langweile mich dabei jedesmal zu Tode - in besonders krassen Fällen kämpfe ich auch mal mit Wut- oder Ekelattacken. Besonders dann, wenn auch noch in die Partitur oder das Textbuch eingegriffen wurde oder wenn neckische Geräusche dazuerfunden werden. In Köln war eine Zeitlang das Tippen auf Schreibmaschinen ein Trend, der mich zur Weißglut gebracht hat: Ob Rodolfo, Hoffmann oder Don José. Alle bildeten sich plötzlich ein, ihren Gesang mit Tip und Tap untermalen zu müssen. Grausam.



    Beim traditionellen Theater habe ich Spaß daran, eigene Bezüge herzustellen, zu abstrahieren, allgemeingültiges abzuleiten, umzudenken, das Stück zu zerhacken und wie ein Puzzle zusammenzusetzen, daneben mich dem schwelgerischen der Musik hinzugeben. Es ist doch auch komisch, dass diese Form der Inszenierungskunst jahrhundertelang ihre Gültigkeit hatte und erst unser Zeitalter sich anmaßt, darüber den Stab zu brechen.


    :hello:
    Knuspi

  • Zitat

    Regietheater empfinde ich als reinen Konsum. Da wird mir genau vorgekaut, was ich zu denken und zu fühlen habe. Das eigene Hirn kann man getrost an der Garderobe abgeben. Ich langweile mich dabei jedesmal zu Tode.


    Liebe Knusperhexe!


    In 90% der Fälle, nein vielleicht in 95% der Fälle gebe ich dir recht. Aber manchmal hat man doch Glück und wird positiv aufgerüttelt. Aber es hängt wohl immer davon ab, ob ein Regisseur seine Eitelkeit bremsen kann und das Stück inszeniert oder eher sich selbst.


    :hello: Gustav

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