REZENSION OPER DVD
Mozart: Die Zauberflöte
Libretto von Emanuel Schikaneder
Aufzeichnung aus dem Royal Opernra House Covent Garden 2003
Inszenierung: Kein Verfremdungstheater, jedoch mit zahlreichen kleineren Eigenmächtigkeiten und Abweichungen versehen
Generelle Beurteilung : SEHR GUT
Dauer 158 Minuten
Tamino: Will Hartmann
Pamina: Dorothea Röschmann
Papageno: Simon Keenlyside
Sarastro: Franz josef Selig
Königin der Nacht: Diana Damrau
Sprecher: Thomas Allen
Erste Dame: Gillian Webster
Zweite Dame: Christine Rice
Dritte Dame: Yvonne Howard
Papagena: Ailish Tynan
Monostatos: Adrian Thompson
Erster Geharnischter: Alan Oke
Zweiter Geharnischter: Graeme Broadbent
Die drei Knaben: Zico Shaker
Tom Chapman
John Holland-Avery
Chor und Orchester oft the Royal Opera House
Dirigent: Colin Davis
Regie
Bühnenbild und Kostüme: Gürgen Rose
Hier haben wir es mit einem Grenzfall zu tun, es handelt sich mit Sicherheit nicht um Regietheater – aber als konservativ oder klassisch würde ich diese Inszenierung auch nicht bezeichnen. Sie bewegt sich vom Zauberflötenklischee
weg – und das in vielerlei Hinsicht – ohne jedoch die Substanz des Werkes eigentlich anzutasten, einige Eigenmächtigkeiten sind an der Grenze, so beispielsweise Monostatos nicht als Mohren darzustellen – aber die gebotenen Alternativen fügen sich so nahtlos ins Stück, dass ich das tolerieren kann, wenngleich nichtverschwiegen werden soll, dass der Gesamtcharakter der Zauberflöte sich hier stark vom Gewohnten unterscheidet.
Ob das tolerabel, von Vorteil oder zum Nachteil des Gesamteindruckes ist, das muß der Einzelne für sich entscheiden, Auf jeden Fall bewegen sich aus meiner Sicht die Eigenmächtigkeiten der Regie in tolerierbaren Rahmen, derlei wurde, gemacht solange es Theaterm bzw Oper gibt.
Jede Veränderung eines Stückes erfolgt aus einer gewissen Absicht.
Oft ist es Sparsamkeit, manchmal Gigantomanie, gelegentlich Notwandigkeit, politisches Kalkül, oder der Wunsch unbedingt was Neues anzubieten.
Die im folgenden besprochen Inszenierung ist bemüht, dem Stück das Schwülstige zu nehmen, gleichzeitig das Volkstümliche zu unterdrücken und die „humanistische Botschaft“ so glaubwürdig wie möglich zu verkünden.
Es gibt einiges, was mich an dieser Lesart stört, es ist aus meiner Sicht weder eine „volkstümliche, noch fröhliche, noch freundliche Zauberflöte, sondern eine düstere, nachdenkliche, philosophische. Meine Achtung kann ich dieser Aufnahme jedoch nicht versagen, wenngleich sie mich nicht erfreut, so beeindruckt sie mich.
Kommen wir zum Anfang. Sobald sich der Vorhang hebt sieht sich der Zuschauer mit einem Riesenexemplar einer Schlange, die aus dem Nebel der die Bühne anfangs erfüllt, konfroniert. Tamino in schlichtem Jagdrock ist dagegen zwergenhaft.
Allmählich lichtet sich der Nebel und man sieht wie die Schlange von etlichen Puppenspielern bewegt wird, ähnlich wie es in China Usus ist.
Der unheimliche Eindruck wird dadurch nur unwesentlich gemindert.
Die drei Damen erscheinen auf der Bildfläche – und allein ihr düsteres Aussehen sollte Tamino schon warnen, dass er es hier nicht mit harmlosen Abgesandeten einer guten Fee zu tun hat, sondern um Vertreter einer Macht, die durchaus böse agieren kann…..
Papageno, verkörpert durch Simon Keenlyside, singt sein berühmtes Auftrittslied „Der Vogelfänger bin ich ja“ , dieweil er einen Vogel zu fangen versucht (ebenfalls durch einen Puppenspieler animiert) was nach zahlreichen Fehlschlägen letztlich doch gelingt.
Nichts Gutes ist über das Kostüm Papagenos zu sagen: Braun in Braun mit einer Wollhaube am Kopf, auf der ein Stoffvogel befestigt ist, macht er eher den Eindruck eines in die Jahre gekommenen Straßenjungen des 19. Jahrhunderts.
Die Hose schlabbert – wie die Filmfigur des Charlie Chaplin..
Will Hartmann als Tamino verleiht der Rolle Männlichkeit und Eleganz, eigentlich schon mehr Fürst als Prinz, mehr Mann, als Jüngling, und er strahlt das Wissen um seinen gesellschaftlichen Status in allen seinen Bewegungen und Worten aus…
Diana Damrau ist ein Höhepunkt – nicht nur in der Besetzungsliste dieser Aufführung – nein in der gesamten Interpretationsgeschichte dieser Rolle (soweit auf Video überliefert) – sie spielt hier nicht die „Königin der Nacht – sie ist es in Persona. Für mich persönlich übertrifft sie sogar die legendäre Gruberova – aber das ist wohl eine sehr persönliche Einschätzung.
Monostatos ist in dieser Inszenierung kein Mohr, sondern ein übergewichtiger, stark geschminkter Weisser mit Allongeperücke, die Sklaven sind zwar schlank – aber ansonst gleichen sie ihm aufs Haar. Eine Abweichung vom Libretto. zugegebenermaßen, aber mit wirkungsvollen Nebeneffekten, selten habe ich „Das klinget so herrlich“, so eindrucksvoll und theatralisch wirksam gesehen, die Balleteinlage war denn doch zu komisch. Herr Schikaneder, nicht gerade zimperlich in Sachen Publikumswirksamkeit, hätte seine helle Freude daran gehabt.“Nie hab ich so etwas – gehört und gesehn“ – ja das kann ich bestätigen…
Logischerweise – und hier liegt die Schattenseite solcher „Modifikationen“ – muß in der Arie „Alles kennt der Liebe Freuden“ der Text den Gegebenheiten angepasst werden…
Über Dorothea Röschmann habe ich erst neulich in einer anderen Rezension der Zauberflöte geschrieben. Hier wirkt sie meiner Meinung nach noch besser als in der Alternativeinspielung. Zudem passt ihre Stimme ideal zu Papageno
Mit dem Auftritt Sarastros kommt (endlich) Licht auf die Bühne. Auf einer Thronartigen Sänfte mit Säulen und Löwen dekoriert, wird er heireingetragen, wie eine Statue des „Herrschers der Welt“, gekleidet wie ein weltlicher Monarch des 18. Jahrhunderts, umgeben von einer Schar von Höflingen in Allongeperücken, selbstsicher und befehlsgewohnt, unterschwellig arrogant, im Laufe des Auftritts oft mit seinen Gefühlen kämpfend.
Hier ist nichts priesterliches zu entdecken, aber auch nichts was als Ironie gedeutet werden kann, Machtanspruch pur, elegant bemäntelt.
Franz Josef Selig gestaltet die Rolle glaubwürdig und beeindruckend, ja suggestiv, auch stimmlich würde ich ihn zu den Ausnahmeerscheinungen in dieser Rolle zählen.
Sehr beeindruckend auch in weiterer Folge, die Priester, die hier offensichtlich
Die Gelehrten der letzten Jahrhunderte verkörpern sollen.
Auch wenn sie nicht im Vorspann aufscheinen möchte ich die beiden Prister, welche den Prüflingen Papageno und Tamino zur Seite gestellt werden, hier lobend erwähnen: Sehr Individuell – mit typisch englischer Noblesse (und Akzent) – gestalten sie ihre Rolle – und werden so zum unvergesslichen Erlebnis.
Die drei Knaben, haben – wie fast alle ihre Rollenkollegen – zeitweilig Intonationsprobleme – Mozart scheint das für Knabenstimmen zu schwierig komponiert zu haben……
Aus der Rolle fällt auch eine skurille, popstarartige Papagena, die nach ihrer „Verwandlung“ auch nicht schöner ist, als vorher. Das scheint ihr auch bewusst zu sein, denn sie zieht ihrem „Engel“, sobald sich die Gelegenheit ergibt, ungeniert die Hosen runter – und Papageno schwört in Unterhosen, dass er ihr treu bleiben wird – bis er eine Schönere findet. Das dürfte meiner Meinung nach ncht allzu schwer sein… Papageno in dieser Inszenierung ist ein Looser par exemple …..
„Ich bin zum Unglück schon geboren“ – Diese Erkenntnis ist unwiderlegbar. Selbst der Baum an dem er sich aufhängen will, wäre dazu ungeeignet, käme es letzlich soweit. Aber dazu kommt es ja bekanntlich nicht.
Bei der Stelle, wo er drauf wartet, dass ihn ein Mädchen zurückhält, ist sofort zu sehen, dass er mir einer positiven Reaktion nicht mal im Traum rechnet…
Die Feuer- und Wasserprobe – wird hier – wie so vieles in dieser Inszenierung – mit Licht und Nebel - und mittels choreographischer Einlagen betont
Generell sind die Bühnenbilder relativ einfach gehalten, beziehen aber durch Nebel und Licht ihre nicht zu leugnende Suggestivkraft. Während sie zumesit in dunkelgrau und graublau gehalten sind, gibt es auch orangerot oder rot ausgeleuchtete Szenen, das Finale ist in orangeocker gehalten – mit der Sonne im Hintergrund. „Die Stahlen der Sonne….“
Wie ist nun diese Aufführung gesamt zu beurteilen?
Weit weg von jedem „Zauberflötenklischee“ wird hier aus dem eigentlichen
Singspiel „große Oper“, die Akzente werden anders als gewohnt gesetzt,
Humor wird dennoch eingesetzt, es bleibt aber immer der Schatten der Ernsthaftigkeit über dieser Inszenierung.
Das Derbe, Volkstümliche kommt in dieser Aufführung nicht zum Tragen, einige geringfügigen Abweichungen vom Librettotext fallen IMO nicht ins Gewicht und sind nicht störend. Eine Zauberflöte, die nachdenklich, besinnlich , aber nicht fröhlich macht, und dennoch – oder gerade deshalb – empfehlenswert ist.
Alfred SCHMIDT
© 2010 Tamino Klassikforum Wien