Mozart: Don Giovanni - London 2008

  • Don Giovanni
    Dramma Giocoso von Wolfgang Amadeus Mozart und Lorenzo da Ponte






    Don Giovanni - Simon Keenlyside
    Leporello - Kyle Ketelsen
    Commendatore - Eric Halfarson
    Donna Anna - Marina Poplavskaya
    Donna Elvira - Joyce DiDonato
    Don Ottavio - Ramon Vargas
    Zerlina - Miah Persson
    Masetto - Robert Glaedow


    The Royal Opera Chorus
    The Orchester of the Royal Opera House
    Conductor: Charles Mackerras


    Stage Director: Francesca Zambello
    Set & Costume Designer: Maria Björnson
    Ligthing Designer: Paul Pyant


    Opus Arte, 2 DVDs, aufgenommen in London am 8 & 12. September 2008


    Wie einige vielleicht schon hier gemerkt haben, ist „Don Giovanni“ mein großer musikalischer Liebling unter den Opern. Dementsprechend bin ich auch neugierig auf so ziemlich jede Neuerscheinung, die auf DVD präsentiert wird. Unter der wachsenden Anzahl findet sich eine, die immer wieder meine Aufmerksam genießt, da sie mich in fast allen Belangen komplett zufrieden stellt.


    Da wäre zunächst das 3dimensional nutzbare Bühnenbild von Maria Björnson, das seine volle Wirkung nur über die Aufführung hin entfalten kann. Am Anfang wundert man sich noch über die recht schmucklose graue, leicht gewölbte Wand, die die Bühne in seiner Breite und Höhe ziemlich beherrscht. Zu den folgenden Szenenwechsel wird diese Wand leicht gedreht, so dass immer wieder ein neuer Eindruck entsteht. Wenige Requisiten reichen aus, um die Szene dann zu vervollständigen. Zum Finale des ersten Aktes sieht man, was sich vorher schon angedeutet hat, dass diese Wand auch oben bespielbar ist, ein Innenleben voller Treppen hat, die auch im zweiten Akt noch sinnvoll zum Einsatz kommen.
    Auch die Farben und Zeichen in dieser Wand, Handabdrücke und Kreuze, sowie eine Madonna, kommen im Laufe der Aufführung immer mehr zur Geltung.


    Genial bespielt wird das Bühnenbild in der Personenführung von Francesca Zambello. Wie man schon beim Bühnenbild gemerkt hat, ist das alles andere als eine moderne Inszenierung und auch kein Kostümschinken (trotzdem fallen die recht farbenfroh und personenbeschreibend aus). Allerdings reißt Zambello die Handlung nicht aus einem historischen Kontext heraus. Man hat schon das Gefühl, sich so um 1800 zu befinden.
    Man hat den Eindruck, dass Zambellos Personenführung viel mit der Musik zusammenarbeitet, so dass weder das Drama noch das Giocoso zu kurz kommen. Sie versucht auch nicht, die Personen neu zu erfinden, sondern folgt einfach der Beschreibung Mozarts und DaPontes. Don Giovanni ist ein wirklich ungezügelter Adliger, der in seinem Freiheitsdrang so manche Grenze überschreitet. Leporello ist dagegen ganz klar als Mann aus der Unterschicht gezeichnet. Ebenso auch Masetto und Zerlina, ein junges, energiegeladenes Paar mit entwaffnender Herzlichkeit. Donna Elvira tritt auf mit Fernrohr und Gewehr, ganz auf der Suche nach dem Mann, der sie so ärgert und fasziniert, Donna Anna eine selbstbewusste junge Dame, die auch in ihrem Rachegedanken glaubhaft aufgeht. Don Ottavio ist zweifellos auch ein Adeliger, aber ein ganz anderer Schlag als Don Giovanni. Am Ende der Ouvertüre zeigt ihn Zambello in der Verabschiedung vom Commendatore, der Vater hat von seinem zukünftigen Schwiegersohn durchaus ein hohes Ansehen. Im Finale des zweiten Aktes erscheint er – ganz Deus ex machina – mit erhobenem Arm, dessen Zeigefinger immer auf Don Giovanni deutet. Der bekommt eine Höllenfahrt der optischen Extraklasse in Feuerfontänen. Das Schlussbild der „Übrigen“ zeigt ganz deutlich, dass Zambello die irdische Moral gut findet, das allerletzte Bild, nackte Giovanni mit einer nackten Frau auf dem Arm und hönischem Blick nach oben, aber zeigt auch, dass sich das von der Moral höherer Mächte durchaus unterscheiden kann.


    Gänzlich zur Kaufempfehlung helfen die sängerischen Leistungen, da keiner aus einem guten Rahmen fällt, auch wenn man durchaus differenzieren kann.
    Simon Keenlyside ist ein überragender Don Giovanni mit sehenswerter Langhaarperrücke, voller Kraft und Vitalität, der seinen Körpereinsatz für ein gelungenes Rollenportrait einsetzen kann. Rein stimmlich mag er nicht das Allerbeste aus seinen fantastischen Stimmbändern rausholen. So merkt man schon, dass er sich an der Chamapgner-Arie etwas festsingt. Dagegen ist das Ständchen ein Mezza-Voce-Genuss und in den Rezitativen ist jedes Wort präsent. Das merkt man vor allem im kongenialen Zusammenspiel mit Kyle Ketelsen. Die gute Kameraführung fängt sehr schön ein, wieviel Spass die beiden an ihrer Sache haben und beim Schlussvorhang hat man das Gefühl, dass die beiden mehr als gute Kollegen sind. Ketelsen selber singt den Leporello ebenso ebenbürtig, mit viel Gefühl und Raffinesse. Es ist einfach nur schön ihm zuzuhören.


    Als Donna Anna ist Marina Poplavskaya (noch) am Ende ihrer Möglichkeiten angelangt. Sie singt sehr kontrolliert und kontrolliert ihre schöne stimme sehr gut. Dennoch wirkt die am Ende ihrer ersten Arie „Or sai chi l'onore“ ziemlich angestrengt, was sich besonders auf die Höhen auswirkt.
    Roman Vargas ist im ungewohnten Mozart-Fach durchaus hörenswert, auch wenn es sicherlich bessere Rollenvertreter gibt als ihn. Szenisch gibt er zwar nicht das Weichei (was auch Zambello zu verdanken ist), aber dennoch könnte er noch mehr aus der Rolle herausholen. Rein darstellerisch ist er wohl der schwächste auf der Bühne (was jetzt aber meckern auf hohem Niveau ist.) Ähnlich impulsiv wie die Poplavskaya wirft sich auch Joyce DiDonato in die Rolle der Elvira, feuert aus allen stimmlichen Rohren und kann sich wie als Rosina einen vollen Erfolg ersingen.
    Eric Halvarson klingt als Commendatore wirklich urgewaltig, verschafft sich allemal den nötigen Respekt, da stört es auch nicht großartig, dass seine Stimme auch etwas mehr Klangschönheit vertragen könnte. Miah Persson verkörpert den Typus junges Bauernmädchen sehr glaubhaft, singt dafür aber etwas zu herb und Robert Glaedow ist ein energischer, frischer Masetto.


    Dass Sir Charles Mackerras ein Mozart.Spezialist ist, merkt man ihm und dem fabelhaften Orchester jede Minute an. Nur sehr wenige Ungenauigkeiten stören den schlanken Klang und Mackerras ist zudem ein sehr aufmerksamer Begleiter der Sänger, der genau weiß wann er das Orchester in der Lautstärke von der Leine lassen darf. Rhythmus, Tempi und Akzentuierungen sind ganz bewusst gewählt (man höre sich unbedingt genau die beiden ersten Arien von Donna Elvira an), die Finali sind in ihren Steigerungen dramatisch effektvoll.


    Unterm Strich kommt dabei ein Mozart-Abend raus, den ich gerne im Theater live erlebt hätte.
    Mit ein paar Extras und Interviews ist die DVD nett ausgestattet, das Photoreiche Booklet stellt ebenfalls zufrieden.