Sinn und Sinnlosigkeit klassischer Musik

  • Johannes Roehl * stellte in einem anderen Thread - über das Kunstlied - die Frage:


    Zitat

    Trotzdem bleibt die Frage, was ich denn mit so einer frisch erworbenen CD mache? Ich setze mich zu Hause hin und lausche den Tönen - nur wozu eigentlich ??


    Ich hatte dort über die Frage nach dem Sinn des Kunstliedes nachgedacht - und man kam - im Gegensatz zu anderen Mitgliedern - zu dem Schluss, daß das Kunstlied im Laufe der Jahrhunderte jeweils versciede Aufgaben zu erfüllen hatte.


    Die Frage die hier JR stellt ist beispielsweise für mich leicht zu beantworten:


    WEIL ICH MICH UNTERHALTEN WILL


    Dies ketzerische Ansinnen wird man mir geleich wieder vorwerfen, weil viele der Meinung sind, klassische Musik habe andere Aufgaben - oder wie JR implizit behauptet: gar keine.


    Ich bin jedoch der Meinung, daß UNTERHALTUNG speziell in unserer Zeit - jedoch wahrscheinlich schon immer - wenn man es sich lesiten konnte - die HAUPTBESCHÄFTIGUNG ger Menschheit darstellte, und immemse Energien hineingesteckt wurden um diese zu gewährleisten.


    Man kann es aber auch anders sehen: Musik ist ein Stimulans, dessen Wirkung auf den Einzelnen von dessen persönlicher Disposition abhängt,
    bzw Emotionen und Stimmunmgen hervorrufen, betonen, oder dämfen kann.


    Die CD setzt und in die Lage zu jeder Zeit und an (fast) jedem Ort ein beliebiges Musikstück zu hören - in eine mir genhmen Besetubg uind Interpretation - unabhängig davon ob die Ausführenden noch leben oder nicht.


    Hier schwingt ein Hauch von Göttlichsein, ein Sieg über Zeit und Raum mit - etwas, was sich vor hunderten Jahren selbst Fürsten nicht leisten konnten.......



    mfg aus Wien


    Alfred

    *) sorry, es war Glockenton
    Der Hinweis wird von mir nachträglich eingefügt,
    auf debn Hinweis von Johannes, daß er selbst das NICHT geschrieben habe...


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ok, dann könnte man auch die Frage stellen, ob es sinnvoll ist ein Buch zu lesen. Wenn man gerne liest, dann greift man zum Autor seines Vertrauens oder in die Kategorie seines Interesses (Schnulze, Krimi, Biographie ,Thriller, Doku, etc) setzt sich hin und genießt.
    Nun kann man (klassische) Musik auch bei einer anderen Tätigkeiti hören, während man beim lesen zumeist auf einen Sitzplatz gefesselt ist. Aber wenn ich nun mal davon ausgehe, dass ich Musik hören genau so konzentriert betreibe wie ein Buch lesen, dann stellt sich die frage nach dem Sinn nicht mehr. Denn ansonsten würde ich so ziemlich jedes ernst gemeinte Hobby des Menschen in Frage stellen.

  • Zitatverweis oben ist defekt. Ich glaube auch nicht, dass ich das geschrieben habe, jedenfalls finde ich es nicht in dem rezenten Thread (auch nicht bei einem anderen Teilnehmer.) ?(


    In besagtem Thread zitierte jemand die paradox scheinende Formulierung, dass die Funktion von Musik ihre Funktionslosigkeit sei. Eine vielleicht weniger mißverständliche Version wäre, dass Musik ihr eigener Sinn und Zweck ist (oder jedenfalls sein kann).
    Manche Dinge kann man nur dann wirklich erreichen, wenn man sie um ihrer selbst willen erstrebt und nicht um eines anderen Zwecks willen. Wenn ich ein Freundschaftsverhältnis eingehe, um mir z.B. berufliche Vorteile zu verschaffen (oder in der Hoffnung darauf), kann man wohl mit recht sagen, dass das keine "echte Freundschaft" ist. Die müsste Selbstzweck sein.


    Ebenso kann man sagen, dass Kunst und Musik ihren "erhebenden" Charakter nur dann haben, wenn man sie als Selbstzweck ansieht.


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo, Alfred,


    ich halte deine Ansicht gar nicht für "ketzerisch", sondern stimme dir vollinhaltlich zu, auch wenn mich vielleicht einige Forianer für geistig unterbelichtet halten sollten.Mit "unterhalten" meine ich allerdings nicht einfach nur Zeit totschlagen und sich berieseln lassen. Die Motivation zum Hören oder auch sehen kann ja vielfältige Motivationen haben: Ich bin neugierig auf ein mir bis dahin unbekanntes Werk, einen neuen Interpreten oder ich höre ein Werk/Interpreten wieder, weil es/er mich besonders angesprochen hat. Ich höre ein Werk , um eine Stimmung, in der ich mich befinde zu untermalen oder auch, um meine Stimmung gezielt zu verändern, besonders wenn ich mal deprimiert bin,um dasnn auf andere Gedanken zu kommen. Und ich denke, diese Einstellung ist genauso legitim wie die derjenigen, die die Musik als Startrampe für geistige Höhenflüge benutzen.


    Im übrigen denke ich, dass der größte Teil der Musik zu Unterhaltungszwecken geschrieben worden ist - man denke nur an die Zeit, als Könige und Fürsten ihre eigenen Orchester und Opernhäuser unterhielten.


    Ein letztes noch: Vielleicht sollte man das Wort "Unterhaltung" ersetzen durch "Freude an der Musik haben" - das gilt dann gleichermaßen für Ausübende und Hörer


    Viele Grüße


    Mme. Cortese

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Zitatverweis oben ist defekt. Ich glaube auch nicht, dass ich das geschrieben habe, jedenfalls finde ich es nicht in dem rezenten Thread (auch nicht bei einem anderen Teilnehmer.) ?(


    In besagtem Thread zitierte jemand die paradox scheinende Formulierung, dass die Funktion von Musik ihre Funktionslosigkeit sei. Eine vielleicht weniger mißverständliche Version wäre, dass Musik ihr eigener Sinn und Zweck ist (oder jedenfalls sein kann).


    Doch, Glockenton hat das dort geschrieben.
    :hello:

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  • Musik ist mir Erbauung im besten Sinne des Wortes. Ich höre sie, wie schon im Thread angeklungen, sowohl konzentriert ausschließlich, aber auch beim Autofahren (seit Jahren benutze ich kein Autoradio mehr - wozu, solange tausende Tracks unerhört oder lange nicht gehört auf meinem iPod schlummern), besonders auch bei der Arbeit (das schon seit meiner Diplomarbeit), um mich geistig zu sammeln und von der Umwelt und ihren Reizen abzuschotten, aber auch um mich in eine angenehme emotionale Grundstimmung zu versetzen, die mich weitaus kreativer macht, bis hin zu Musik beim Essen oder beim Unterhalten.


    Auch bei einem meiner anderen Hobbies spielt Musik bei mir eine Rolle: keine Rollenspielabende ohne passende Musik, als quasi Filmmusik zu interaktiv erarbeiteten Geschichten.


    Kurz und Gut: Musik hat für mich keinen Sinn, Musik IST für mich der Sinn. Von allem. Ohne Musik ist das alles nix mehr...

  • Unterhalten ist ein Teil von Musik. Der andere ist:


    Musik kann eine Saite in uns zum Klingen bringen, die ansonsten stumm geblieben wäre. Das ist mehr als Unterhaltung.

  • Schön gesagt. Ich glaube, dass merke ich mir...


    Noch eine Ergänzung: Musik beantwortet mir Fragen, derer ich mir gar nicht bewußt bin...

  • Was ist schon sinnvoll oder sinnlos in unserem Leben?
    Sinnvoll sind immer Dinge, die wir tun müssen, ob sie uns Spaß machen oder nicht.
    Muss ich klassische Musik hören, Opern, Kunstlieder?
    Für mich ist das ein Muss, denn ohne diese Musik bin ich unglücklich. Sie fehlt mir.


    Zitat

    Original von WotanCB Aber wenn ich nun mal davon ausgehe, dass ich Musik hören genau so konzentriert betreibe wie ein Buch lesen, dann stellt sich die frage nach dem Sinn nicht mehr. Denn ansonsten würde ich so ziemlich jedes ernst gemeinte Hobby des Menschen in Frage stellen.


    Es geht ja eigentlich darum, wie sinnvoll ist es für mich?
    Ich will mich mit Musik nicht unterhalten, sondern ich erwarte von ihr, dass sie mir irgend etwas gibt, sonst wäre sie überflüssig.


    :hello:
    Jolanthe

  • Musik kann ein Stimulans sein, das sehr differenziert und sehr speziell Einfluss auf die menschliche Gefühlslage nehmen kann.
    Mit der entsprechenden Musik kann das Wesen einer Situation so verändert werden, wie es den Veranstaltern und Teilnehmern gerade opportun erscheint. Bei entsprechender musikalischer Untermalung kann aus einer Zusammenkunft in einem 08/15-Wirtshaussaal oder sogar in einer alten Garage eine feierliche Veranstaltung werden. Oder man sitzt im Sommer auf einem belebten Platz auf einer Bank und hört via Kopfhörer Musik, wobei es nur auf die Auswahl der selbigen ankommt, ob man sich nun in einem arkadischen Sommeridyll befindet oder in einem Foyer zum ersten Kreis der Hölle.

    Unterhaltsam ist beides, wobei sich aber sofort die Frage anschließt, was eigentlich Unterhaltung ist.
    Also was ist Unterhaltung? Reicht ein "nicht langweilig" zur Definition oder braucht es noch ein "an-, auf- und erregend"?


    Wenn Alfred sagt, er hört klassische Musik zu seiner Unterhaltung, dann wertet das doch die klassische Musik nicht ab, sondern viel mehr Alfred auf.
    Und wenn Wolfram sagt,

    Zitat

    Musik kann eine Saite in uns zum Klingen bringen, die ansonsten stumm geblieben wäre. Das ist mehr als Unterhaltung.


    dann stimmt das auch, bloß gehört dieses "mehr" nicht auch zur Unterhaltung?


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

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  • "WEIL ICH MICH UNTERHALTEN WILL"


    Der Kunstlied-Freund zuckt bei dieser Formulierung etwas zusammen...


    Spontan habe ich bei Google mal den Begriff UNTERHALTUNG eingegeben - was kam?


    1. Lustige Spiele und Unterhaltung mit viel Spaß und Humor


    2. Stars, Film, Musik, TV, Games, Comedy - MSN Unterhaltung


    3. Aktuelles über Leute, Promis, Sternchen, Skandale und Enthüllungen


    So und ähnlich ist also der Begriff "Unterhaltung" besetzt, Verbindungen zum Kunstlied sind da nicht unbedingt gegeben.


    Wenn ich daran erinnern darf, das Eingangsthema war nicht Musik allgemein, sondern "der Sinn des Kunstliedes"


    Der Text (und natürlich auch die Musik) von AN DIE MUSIK (D 547) beantwortet - zumindest aus meiner Sicht - die Frage so ausführlich, dass dem eigentlich nichts hinzuzufügen ist.


    Wer mal bei You Tube reinhört, kann sich vielfältig informieren und bei der Interpretation von Victoria de los Angeles sogar noch einiges am Gesichtsausdruck ablesen.

  • Zitat

    Original von hart
    Wenn ich daran erinnern darf, das Eingangsthema war nicht Musik allgemein, sondern "der Sinn des Kunstliedes"


    Nein, das Kunstlied war nur der "Aufhänger", ansonsten meint Alfred schon die klassische Musik als Ganzes.

    Einer acht´s - der andere betracht´s - der dritte verlacht´s - was macht´s ?
    (Spruch über der Eingangstür des Rathauses zu Wernigerode)

  • Hallo hart,


    das, was du da bei Google gefunden hast, fällt eigentlich unter Vergnügen.
    Durchaus bei der Musik bleibend möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf den Begriff "Spiel" hinweisen, ein Spiel dient grundsätzlich zur Unterhaltung, trotzdem ist ein himmelweiter Unterschied zwischen dem, was in einem Sandkasten, und dem, was in einem Konzertsaal passiert.


    Zum Kunstlied speziell möchte ich anmerken, dass selbiges für mich keine Gebrauchsmusik, sondern im Idealfall die gelungene Fusion zwischen Lyrik und Musik ist und von dem her Unterhaltung auf sehr, sehr hohem Niveau darstellt.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Ein Problem scheint mir zu sein, dass "Unterhaltung" zu allgemein und unscharf ist. Wenn man stattdessen "Zerstreuung" setzt, wurde oft behauptet, dass klassische Musik gerade nicht diesen Sinn hat, sondern den entgegengesetzten der "Sammlung" oder Kontemplation. (Auch wenn "divertimento" ungefähr mit "Zerstreuung" übersetzt werden kann.)


    Wenn Bach irgendwo schreibt, dass seine Musik (konkret irgendwelche Klavierwerke, weiß nicht mehr genau, was) zur "Gemüths-Ergötzung" gedacht sei, meint er damit vermutlich mehr als "bloße Zerstreuung", sondern etwas "Tieferes", wie auch immer das genauer zu bestimmen sein mag. Einige sehr schöne metaphorische Beschreibungen dafür wurden bereits gegeben.
    Sicher kann uns auch anderes (etwa ein Krimi) packen, aber so Ergreifen wie Musik (u. evtl. andere Kunst) kann uns nur wenig. Diese Erlebnisse können m.E. weit über das, was man gemeinhin mit Unterhaltung meint, hinausgehen. (Jedenfalls sind sie anders.)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Soweit ich verstanden habe, meint JR, daß Unterhaltung flach und hohl, Musik - oder allgemeiner: Kunst - aber eher tiefgründig und mit "Sinn" ausgestattet sei, jedenfalls mit mehr Sinn als dem, einfach nur die "Zeit totzuschlagen".


    Dem würde ich gar nicht widersprechen wollen.


    So hat es aber Alfred wohl aber auch nicht gemeint. Daß er dazu allerdings das foreneigene Epitom der "Musik ist Bildung" - Fraktion fehlzitiert, könnte man ggf. als Lapsus ansehen.


    Jedenfalls kann man dem Terminus "Unterhaltung", insbesondere dann, wenn es als eine "Hauptbeschäftigung der Menschen" verstanden wird, sicherlich mehr Funktion zuordnen als nur Zeitvertreib, z.B. das Verwandeln schlechter Laune in gute, das Eintauchen in Rhythmen, Strukturen und Klangfarben, das Hineinträumen in Klangwelten, die Entwicklung von Assoziationen zu Taumwelten (brutal "Eskapismus" genannt), das erwartungsvolle Hingeben an Bekanntes, das einmal mehr bestätigt, daß die Welt noch steht.


    Was es nicht ist, ist "Bildung", welche ja durchaus ein Gegensatz zur Unterhaltung ist, wenn auch nicht vollständig orthogonal. Bildung würde ich als Funktion auffassen, die Leute "weiterbringt" in Richtung auf irgendein Ziel, wenn nicht auf ein spezielles Ziel (Gedichte rezitieren können, ein Klo richtig montieren), so doch zumindest in Form der Allgemeinbildung ein Potential darstellend, sich in angemessener Zeit in jedwede gefragte Richtung zu entwickeln, egal, ob man selbst fragt oder von anderen gefragt wird.


    Musik bringt jemanden nur dann weiter, wenn er als Musiker oder Theoretiker damit Geld verdienen kann oder allgemeine Bildungsbürgertum-Tests damit besteht (gibt es Fragen zur Musik in Einbürgerungstests ?)


    Sie wappnet nicht (wie doch der Allgemeinbildung zugeschrieben) gegen Manipulationsversuche oder schieren Wahnsinn (die Frage ist immer noch unbeantwortet, wie denn das selbsternannte Volk der Dichter und Denker mit all der kumulierten Allgemeinbildung der "besseren Kreise" in die tiefsten Tiefen der Unmenschlichkeit abrutschen konnte). Sie erklärt nicht. Sie prognostiziert nicht. Sie verbindet nicht die Vergangenheit mit Gegenwart oder Zukunft. Musik ist Emotion, nicht Information.


    Daher würde ich die von Alfred eingangs aufgeworfene Frage, ob Musik im Wesentlichen unterhalten soll, mit einem schlichten "ja" beantworten.

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  • Lieber m-mueller,


    du sagst:


    Zitat

    Musik bringt jemanden nur dann weiter, wenn er als Musiker oder Theoretiker damit Geld verdienen kann oder allgemeine Bildungsbürgertum-Tests damit besteht


    Meines Erachtens ist diese Aussage ein bißchen zu materialistisch, um nicht zu sagen zu kaufmännisch, ist mir persönlich doch aufgefallen, dass man im Umgang mit klassischer Musik lernt, Qualität zu erkennen unabhängig vom eigenen Geschmack und zwar so, dass man dieses dann auch auf anderes übertragen kann.
    Dass einen diese Fähigkeit weiterbringen kann, das - glaube ich - dürfte jedem klar sein. Ob man diese Fähigkeit dann aber auch nutzt, das ist eine andere Sache, wobei das aber auch für die Bildung gilt.


    Zitat

    Sie wappnet nicht (wie doch der Allgemeinbildung zugeschrieben) gegen Manipulationsversuche oder schieren Wahnsinn (die Frage ist immer noch unbeantwortet, wie denn das selbsternannte Volk der Dichter und Denker mit all der kumulierten Allgemeinbildung der "besseren Kreise" in die tiefsten Tiefen der Unmenschlichkeit abrutschen konnte). Sie erklärt nicht. Sie prognostiziert nicht. Sie verbindet nicht die Vergangenheit mit Gegenwart oder Zukunft. Musik ist Emotion, nicht Information.


    Wenn erworbenes Wissen bzw. Bildung nicht umgesetzt und angewandt wird, wenn es ohne jegliches Verständnis nur angehäuft wird, dann trifft das zu, was du da sagst. Wird es angewandt, wird es umgesetzt, dann verwandelt sich das "ist nicht" doch in ein "kann sein".


    Ansonsten kann ich auch nur sagen: ja, Musik ist Unterhaltung.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:


    P.S.
    Zum Inhalt deiner Klammer möchte ich noch anmerken, dass das so unklar schon lange nicht mehr ist, vorausgesetzt man geht diese Problematik interdisziplinär und von einer absolut neutralen Warte auch dem Heute gegenüber an, d.h. unter neutraler Anwendung von Soziologie, Psychologie, Ökonomie und was sonst noch notwendig ist, kann doch das aus der damaligen Zeit heraus nachvollzogen und verstanden werden, wobei die moralische und straf- und völkerrechtliche Bewertung der Sache erst im Schlusswort zu erfolgen hat.
    Was die Sache für den Rezipienten dagegen sehr erschwert, ist, dass es keine Zusammenfassung, keine Bündelung dieser Erkenntnisse gibt.

  • Zitat

    Original von m-mueller
    Soweit ich verstanden habe, meint JR, daß Unterhaltung flach und hohl, Musik - oder allgemeiner: Kunst - aber eher tiefgründig und mit "Sinn" ausgestattet sei, jedenfalls mit mehr Sinn als dem, einfach nur die "Zeit totzuschlagen".


    Da ich eben nicht meinte, dass das unbedingt mit Unterhaltung gemeint sei, sondern dieser Ausdruck schillernd, verwendete ich "Zerstreung", um das noch deutlicher zu machen. Allerdings ist in Komposita wie "Unterhaltungsliteratur" dieser Sinn von "flach" durchaus drin, den habe ich mir sicher nicht ausgedacht...


    Zitat


    Was es nicht ist, ist "Bildung", welche ja durchaus ein Gegensatz zur Unterhaltung ist, wenn auch nicht vollständig orthogonal. Bildung würde ich als Funktion auffassen, die Leute "weiterbringt" in Richtung auf irgendein Ziel, wenn nicht auf ein spezielles Ziel (Gedichte rezitieren können, ein Klo richtig montieren), so doch zumindest in Form der Allgemeinbildung ein Potential darstellend, sich in angemessener Zeit in jedwede gefragte Richtung zu entwickeln, egal, ob man selbst fragt oder von anderen gefragt wird.


    Musik bringt jemanden nur dann weiter, wenn er als Musiker oder Theoretiker damit Geld verdienen kann oder allgemeine Bildungsbürgertum-Tests damit besteht (gibt es Fragen zur Musik in Einbürgerungstests ?)


    Ich verstehe nicht recht, warum Du den Begriff überhaupt in die Diskussion bringst. Es hat bisher ja niemand behauptet, dass Musik etwas mit "Bildung" oder "Weiterbringen" zu tun habe. Allerdings bin ich schon der Ansicht, dass das der Fall ist, wenn auch eher als Nebeneffekt. Eine halbe Stunde lang konzentriert zuhören und musikalische Verläufe verfolgen, trainiert nämlich ziemlich sicher Aufmerksamkeit, Differenzierungsvermögen, Konzentration usw. (Für aktives Musizieren gibt es meines Wissens deutlich empirische Hinweise, dass das bei Kindern alle möglichen anderen intellektuellen Fähigkeiten verbessert.) Es ist natürlich kein "Weiterbringen", das man unbedingt direkt in klingende Münze umsetzen kann, aber darum geht es ja auch nicht.
    (Freilich könnte man das alles auch als Erwerb "symbolischen Kapitals" betrachten. Ist mir aber auch zuwider, selbst wenn man diesen Aspekt nicht unterschätzen sollte.)


    Kontemplation ist etwas, was unserer Zeit so zuwiderläuft wie kaum je zuvor. Es ist für uns kaum nachvollziehbar, dass in vielen Kulturen und auch im Abendland jahrtausendelang die "vita contemplativa" als ein oder gar das höchste Ideal eines guten menschlichen Lebens galt. Selbst Reformation und Calvinismus, die uns dieses Ideal mit ihrer Arbeitsethik ausgetrieben haben, kennen noch (religiöse) Kontemplation.
    Klassische Musik ist eine der wenigen kontemplativen Inseln, die es heute noch gibt. Auch darin besteht ein Teil ihrer Widerständigkeit, auf die in dem Adorno-Zitat anderswo hingewiesen wird.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • :hello:

    Zitat

    Original von John Doe
    ist mir persönlich doch aufgefallen, dass man im Umgang mit klassischer Musik lernt, Qualität zu erkennen unabhängig vom eigenen Geschmack und zwar so, dass man dieses dann auch auf anderes übertragen kann.


    Ich bin da etwas skeptisch - die Diskussionen hier entfalten sich doch meist daran, daß der eine meint, Qualität erkannt zu haben und der andere diese Qualität bestreitet. Ich bin z.B. auch nicht in der Lage, einen perfekt gespielten Henze oder einen überraschenden Schostakovitsch würdigen zu können, da geht das Visier runter, wenn die ersten Töne erklingen, egal, wie gut sie ausgeführt worden sind.


    Die Beschäftigung mit klassischer Musik in diesem Forum hat mich natürlich insofern weitergebracht, als ich jetzt mehr von klassischer Musik weiß (keine Ahnung, ob ich jetzt auch mehr davon verstehe), aber ich zweifele doch sehr, ob ich dadurch auch eine besserer (oder auch nur anderer) Mensch geworden bin.


    Ich bin jedenfalls nicht hier, um meine Vorurteile über Bord zu werfen, sondern allenfalls auf der Suche nach Tips von Leuten, die ähnliche haben. Angewandt oder umgesetzt habe ich jedenfalls von dem, was ich hier erfahren habe, allenfalls insofern, als ich mir für nicht gerade wenig Geld einen Haufen neuer CDs zugelegt habe. Und sie machen mir reichlich Freude.


    Aber das würde ich nun nicht unbedingt als "weiterbringen" in Hinsicht auf irgendein imaginäres Ziel bezeichnen.


    :hello:

  • Hallo m-mueller,


    du sagst:


    Zitat

    einen perfekt gespielten Henze oder einen überraschenden Schostakovitsch


    Alleine zu erkennen, dass ein Henze perfekt gespielt ist und ein Schostakowitsch überraschend, ist doch schon etwas, da hat doch schon ein Lern- bzw. Erfahrungsprozess stattgefunden. Ob dir die Musik als solche dann auch gefällt oder nicht, das ist doch eine ganz andere Sache, das hat doch mit ersterem nichts zu tun.


    Zitat

    die Diskussionen hier entfalten sich doch meist daran, daß der eine meint, Qualität erkannt zu haben und der andere diese Qualität bestreitet.


    Natürlich, aber in 99,+++ % ist das doch auf die Interpretation bezogen und nicht auf das Werk als solches. Bei den vielen tausend Beiträgen in diesem Forum, ist doch bestenfalls eine Hand voll dabei, die einem Werk den künstlerischen Wert als solchen absprechen, also das Werk in seiner Substanz angreifen.


    Zitat

    aber ich zweifele doch sehr, ob ich dadurch auch eine besserer (oder auch nur anderer) Mensch geworden bin.


    tempora mutantur, nos et mutamur in illis. Quomode? Fit semper tempore peior homo. (Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen. Wie? Es wird der Mensch mit den Zeiten immer schlechter.)
    Klassische Musik macht aus guten Menschen keine besseren und ein Klassikforum schon gleich gar nicht.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

  • - Leben ohne Musik ist ein Irrtum. - Fr. N. - so ist es - Sinnlosigkeit ist hier fehl am Platz B.-G.


    "Gott hat uns die Musik gegeben, damit wir erstens, durch sie nach oben geleitet werden. Die Musik vereint alle Eigenschaften in sich, sie kann erheben, sie kann tändeln, sie kann uns aufheitern, ja sie vermag mit ihren sanften, wehmütigen Tönen das rohesten Gemüt zu brechen. Aber ihre Hauptbestimmung ist, daß sie unsre Gedanken auf Höheres leitet, daß sie uns erhebt, sogar erschüttert. ... Auch gewährt die Musik eine angenehme Unterhaltung und bewahrt jeden, der sich dafür interessiert, vor Langeweile. Man muß alle Menschen, die sie verachten, als geistlose, den Tieren ähnliche Geschöpfe betrachten. Immer sei diese herrlichste Gabe Gottes meine Begleiterin auf meinem Lebenswege und ich kann mich glücklich preisen, sie liebgewonnen zu haben. Ewig Dank sei Gott von uns gesungen, der diesen schöen Genuß uns darbietet!"


    Nietzsche 1858 als knapp Vierzehnjähriger "Über Musik" (in: "Aus meinem Leben")


    Wenn ich mich unterhalten will, spreche ich mit meiner Frau. Wenn ich Musik hören will, denke ich an den knapp 14-jährigen Nietsche.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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