Rossini: Il Barbiere di Siviglia - DVD - London 2009

  • REZENSION OPER DVD





    Rossini: Il Barbiere di Siviglia


    Libretto von Caesare Sterbini nach Pierre Augustin Caron de Baumarchais



    Aufzeichnung aus dem Königlichen Opernhaus Covent Garden 2009


    Inszenierung: Moderat modern, aber nicht verfälschend:




    Generelle Beurteilung : SEHR GUT



    Dauer 176 Minuten


    Graf Almaviava: Juan Diego Florez
    Figaro: Pietro Spagnoli
    Rosina: Joyce Di Donato
    Doctor Bartolo: Alessandro Corbelli
    Don Basilio: Fericcio Furlanetto
    Fiorello: Changhan Lim
    Berta: Jennifer Rhys Davies
    Ambrogio: Bryan Secombe
    Offizier. Christopher Lackner
    Notar: Andrew Macnair


    Chor und Orchester der Königlichen Opernhauses Covent Garden


    Dirigent und Cembalo Antonio Pappano




    Als ich VOR dem Kauf in die von cpo zur Verfügung gestellten Video- Samples hineinschaute, dachte ich an einen der heute üblichen „Regiegags“ als ich Rosina im Rollstuhl fahren sah.


    Schon die erste Minute der Übertragung wurde dieser Irrtum aufgeklärt als nämlich Antonio Pappano vor den Vorjhan trat und erklärte, Joyce DiDonato habe sich bei der ersten Vorstellung den Fuß gebrochen, und der Arzt habe ihr verboten die Bühne zu betreten.
    Sie jedoch habe sich entschlossen die Rolle dennoch, und zwar im Rollstuhl sitzend zu singen, was vom Publikum mit donnerndem Applaus honoriert wurde.


    Ein ungewöhnlicher Beginn eines ungewöhnlichen Abends, einer der beeindruckenden und mutigen Inszenierung – durch dieses scheinbare Manke noch unterstrichen, denn Rosina bewegt sich in ihrem Rollstuhl beinahe wie eine Baletttänzerin passend zu Handlung und
    Musik, als hätte sich wochelange choreographische Proben hinter sich. – Beeindruckend.


    Ich beginne mit Ausserlichkeiten, wie etwa dem Bühnenbild und den Kostümen.
    Ich würde beides zu den sogenannten stilisierenden Ausstattungen zählen, zwar im Stil der Zeit in der das Stück spielt, aber dennoch drastisch abgespeckt und auf beinahe symbolischem Wert reduziert, das meist ist nur angedeutet, wie einst auf Provinzbühnen mit geldmangel üblich, andrerseits wird der Blick auf wesentliche Details freigegeben, mich erinnern die grellen karnevalänlichen Kostüme an die „Commedia dell arte“ – was wahrscheinlich auch beabsichtigt ist. Die Protagonisten sind, von Almaviava, Rosina und Figaro mal abgesehen ,
    auch hässlich geschminkt gradezu auf Witzfiguren, und wer die Aufführung sieht, der wird mir beipflichten.Berta könnte geradezu eine Figur von Wilhelm Busch sein, nein – selbsr die Witwe Bolte ist eine Schönheit dagegen. Zudem lässt die Regie sie andauernd niesen, was den Eindruck einer unappetittlichen Person noch unterstreicht. Die Krönung ist jedoch die Figur diese Person (durch Masenbildner erzwundgen ) und das Stoffmuster. Des Kleides, das sie trägt.


    Figaro ist ein Kumpelhafter Typ in einer Mischung aus Blaumann und stilisiertem Gondoliere-Kostüm – sympatisch und überzeugend.
    Hervorzuheben sind auch die schauspielerischen Leistungen der einzelnen Protagonisten,
    begonnen von Florez als betrunkener Soldat (das hätt ich ihm gar nicht zugetraut) über
    Changham Lim, der akrobatisch-tollpatschig Agiert und der Rolle des Fiorelle ein Gewicht verleiht, das sie ansonsten gar nicht hat – oder mir zumindest bisher noch nie aufgefallen ist.
    Die Krönung des ganzen ist aber das Paar Alessandro Corbelli und Fericcio Furlanetto
    Allein die Verleumdungsarie ist ein Kabinettstück des skurrillen Humors, hier wird nichts, aber auch gar nichts ausgelassen, eine Akrobatische Meisterleistung, zu dem möchte ich anregen die Mimik des Dr, Bartolo zu betrachten während der (in dieser Inszenierung) versoffene Don Basilio ihm erklärt wie eine Verleumdung funktionier. Bartoli ist nach dieser Demonstration in der Tat „am Boden zerstört“ Die Szene, wo die Wache durch den betrunkenen Soldaten angelockt wird ist auch äusserst eigenwillig gestaltet. Hier erlaubt man sich eine der wenigen stilistischen „Ausrutscher“ und stattet sie mit weissen Helmen aus – das Londoner Publikum war hingerissen.


    Erwähnen möchte ich auch die Arie der Berta. Bevor sie beginn holt sie sich einen Schluck Whisykey aus der Falsche, die gut versteckt in einem Wandregal logiert. Wie übrigens alle Mitwirkenden zeigt auch diese Sängerin eine tänzerische Einlage, die durch den Alkohol ausgelöst und optimiert wird,. Biß dann das Rheuma gegen Ende der Arie doch seinen Tribut fordert, zudem der Alkohol vielleicht schon ein wenig des Guten zuviel war….


    Der Alkohol dürfte bei Berta bis zur Gewitterszene noch gewirkt haben, denn sie wankt während des Gewitters durch ganz e Haus und zerstört beinahe deie gesamte Inneneinrichtung. Nein das kann man nicht beschreiben, das muß man gesehen haben.


    Die Inszenierung ist mit skurill und (absichtlich) kitschig besser beschrieben al mit modern,
    denn im wesentlichen ist zu erkennen, dass die Story im 18. Jahrhundert spielt.
    Die Farben wurden „mutig“ eingesetzt so trägt beispielsweise Rosina ein Kleid das leichtendes Gelbgrün mir grellem Zyklam kombiniert, und auch Das rote Kostüm des Grafen Almaviva, gegen Ende der Oper durch einen knallig orangen Umhang ergänzt ist nicht ohne.


    Der Ablauf der Handlung ist turbulent, witzig und ohne jegliche Längen,.


    Zur Musik, Wer schon zu Beginn Pappano zuschaut, mit welcher Lust er die Overtüre
    Dirigiert, der Weiß dass nur Gutes zu erwarten ist. Die gesanglichen Leistungen sind homogen und hochkarätig. Man kann nicht einmal sagen Florez würde hier die anderen übertrumpfen,. Das ist bei diesem perfekten Ensemble auch kaum möglich, ich konnte keine
    Schwachpunkte orten – habe aber auch gar keine gesucht sondern mich – wie das Londoner Publikum auch – vom Gesamteindruck begeistern lassen


    Ein Hauch Moderne ist dennoch zu spüren, und ich würde Operneinsteigern raten VORERST
    Zu einer „konventionellen“ Einspielung zu greifen, um das Werk „original“ kennenzulernen.
    Allen aber, es bereits kennen kann ich diese Aufzeichnung dann vorbehaltlos empfehlen, wenn Humor kein Fremdwort in ihrem Vokabular ist, denn diese Inszenierung strotzt geradezu davon. Monthy Pythons Geist ist hier allgegenwärtig…..


    Ich habe zeitweise Tränen gelacht…….


    Mit freundlichen Grüßen


    Alfred SCHMIDT
    © 2010 Tamino Klassikforum Wien

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Super, dass du ausgerechnet diese DVD genommen hast, Alfred. Ich habe ein paar Ausschnitte im Internet gesehen und fand die Produktion toll. Daher hatte ich sie mir schon gestern abend bestellt. Deine Kritik lässt mich nun noch mehr erwarten.

  • Hier meine Kritik zu dieser wundervollen DVD, die sich kaum von Alfreds Meinung unterscheidet.


    Die Produktion von Moshe Leiser und Patrice Caurier ist in sich stimmig, fast minimalistisch. Die Spielorte werden im schmucklosen Bühnenkasten, der sich als ein wahrers „Überraschungsei“ entpuppt, sehr schön angedeutet. Um so mehr wurde mehr Wert auf eine schlüssige Personenführung gelegt und das sieht man um so mehr, als Joyce DiDonato verletzungsbedingt sich vor dem Bühnenkasten im Rollstuhl bewegt. Denn auf der Bühne sieht man oftmals, wo ihr Platz gewesen wäre. Oftmals muss jetzt Berta ihren Platz einnehmen. Bei der Gewittermusik befolgt sie die Anweisungen Rosinas, die ihr wütend an der Kante hin und her rollend Zeichen gibt, und zertrümmert das Mobiliar.
    Überhaupt gibt es viele Kleinigkeiten zu sehen, die wundervoll auch zu der Musik Rossinis passt: Zum Beispiel stolpert Basilio mit dem Notar in die zerstörte Wohnung Bartolos, ruft einmal nach diesem, stockt, sieht den Schrank umgekippt auf dem Boden und sieht erschrocken nach, ob Bartolo darunter begraben liegt. Und zum Finale des ersten Aktes, wo sich – typisch Rossini – Wahnsinn in die Musik drängt, da gerät der Bühnenraum völlig aus den Fugen.


    Zu den Sängern: Allgemein kann man sagen, dass dies ein Barbier ist, der mit Sängern besetzt ist, die sowohl solistisch wie auch im Ensemble einige Glanzlichter bringen.
    Die Krone gebührt natürlich Joyce DiDonato. Dass sie eine gute Rosina ist, hat sie längst bewiesen. Aber in diesem Fall rettete sie mit einem beherztem Einsatz im Rollstuhl eine ganze Produktion. Allerdings muss man auch fragen, ob es eine Einspringerin hätte geben können. Auch der Einsatz von Cecilia Bartoli als Donna Elvira auf Krücken war ja fast mehr Marketing, als wirklich künstlerische Notwendigkeit. Bei Joyce DiDonato hat man hingegen hat sie schon das Gefühl, dass sie ihren Rollstuhl in die Produktion einbindet und ihre Bewegungen fallen absolut natürlich aus, als ob sie das häufiger machen würde. Dass sie auch im Sitzen so sicher auf dem Zwerchfell singt, die Koloraturen so sprudeln lässt, zeigt einmal mehr ihre sichere Technik.


    Juan Diego Florez ist als Conte natürlich erste Wahl und das rechtfertigt er auch in dieser Produktion noch mehr als in der aus Madrid. Er lässt seine Stimme strahlen und auch seine Koloraturen sind von technischer Brillanz. Selbst darstellerisch lässt er mehr durchblicken als ich es von ihm gewohnt bin, nur halt das völlig unbekümmerte Spiel ist seine Sache nicht.
    In der Hinsicht hat es Pietro Spagnoli leichter, der als Figaro in der eines Faktotums üblichen geschäftstüchtigen Gelassenheit agiert. Sein Bariton ist etwas trocken und in der Höhe zuweilen etwas eng, kann sich aber auch mit diesen kleinen Einschränkungen einen großen Erfolg ersingen.


    Dann gibt es noch zwei Altmeister ihres Fachs, die neben den drei Stars den Wert dieser Aufnahme noch einmal verdoppeln. In seiner Ernsthaftigkeit verschafft Allessando Corbelli dem Bartolo viele heitere Momente und eine ausgesprochen geniale Mimik, so dass die Figur nicht zu einer albernen Klamotte verkommt. Auch die geläufige noch immer gut ansprechende Stimme passt zu diesem Rollenbild. Ferruccio Furlanetto kann auf viele Produktionen als Basilio zurückblicken. So kann er auch ganz einfach kompensieren, wenn seiner immer noch vulominöse, markanten Stimme mal einen Atmer mehr gebraucht als früher. Hinreißend schrullig, im Gesang tadellos ist Jennifer Rhys Davis als Berta.


    Perfekt abgerundet werden diese Sänger durch das freundliche, spritzige und detailfreudige Dirigat von Antonia Pappano und das wie immer schön klingende und konzentriert spielende Orchester of the Royal Opera House. Rossinis geniales Werk bekommt genau den parlandofreudigen Ton, den es gebraucht, so dass die Solisten ihre Fähigkeiten voll ausspielen können.


    Die zwei DVDs enthalten dankenswerter Weise auch ein paar Interviews, das zweiseitige Booklet ist dagegen doch sehr wenig. Trotzdem: Anschaffung für Rossini-Freunde ein Muss.