Sibelius-Symphonien-Ranking

  • Es gibt zwar im Thread Jean Sibelius als Sinfoniker bereits einige Bemerkungen bzgl. der Vorlieben innerhalb der Sibelius-Symphonien, aber ein echtes Ranking steht bislang aus.


    Ich will mich mal dran versuchen:


    IV – V – I – II – VI – VII – III


    Die "Kullervo"-Symphonie kenne ich noch nicht.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Lieber Joseph II
    Ich weiß, das RANKING ist üblich, an diesem Forum beliebt, vom "Boss" gewollt, modern, "in", einfach, bequem, unpersönlich, eine Aufzählung...sonst eigentlich fast nix, zumindest fehlt für mich das ENTSCHEIDENDE!!!!!


    Mich würde interessieren und zwar brennend WARUM Deine Lieblingssymphonie von Sibelius die VIERTE ist !!!!!! (?)
    Interessant sind für mich DEINE subjektiven Aspekte für die Reihenfolge und nicht nur die Aufzählung.


    Es ist ist nicht Deine Erfindung mit dem RANKING....


    Ich schreibe Dir weil ich neugierig bin WARUM Du diese Reihenfolge gewählt hast..............(?)


    Gruß..........."Titan"

  • Und da ich noch wach bin und rein zufällig auch vorm Rechner sitze schreibe ich mal mit: So eine Rankingbegründung wäre in der Tat nicht schlecht.


    Als Liebhaber der Musik von Sibelius tue ich mich da ein wenig schwer. Und zwar insofern, als meine Wertschätzung nicht unbedingt dem Sinfoniker Sibelius gilt. Kennen im Sinne von mehrfach gehört tue ich alle 7 Sinfonien. Auf Platz 1 steht da die Nr. 3. Lief in den 1970ern öfters im Radio, zumeist in der Bernstein Einspielung. Die hatte ich auch auf Band mitgeschnitten. Als Weihnachtsgeschnk bekam ich das Werk dann dirigiert von Okko Kamu. Und das Bernstin-Band wurde nur noch selten eingfädelt. Alternativen: John Barbirolli oder Gennadi Roshdestwenski.


    Auf Platz 2 steht die Nr. 2. Habe sie unter Hiroshi Wakasugi kennengelernt (klar, Einzugsgebiet des WDR). Wie bei der 3. so zeigt sich Sibelius in der 2. Sinfonie als Meister des Beschreibens von Stimmungen, getarnt durch die traditionelle Abfolge von Sätzen, die er allerdings hier beim Übergang von Satz 3 zu Satz 4 auflöst (sie gehen ineinander über). Empfehlenswert hier: Okko Kamu, Paul Kletzki, Jascha Horenstein.


    Auf Platz drei liegt die Nr. 5. Die fasziniert durch den Finalsatz, auf den das Werk - wie bei der 2. - quasi erzählerisch hinarbeitet. Karajan ist hier meine Empfehlung, ebenbürtig der live-Mitschnitt mit Jascha Horenstein. Und auch hier: John Barbirolli oder Gennadi Roshdestwenski.


    Die 7. gefällt mir noch recht gut. Ohne Aufnahmeempfehlung. Ansonsten die sinfonischen Dichtungen. Ungeschlagen dort: Karajan. Aber für die übrigen Sinfonien...nunja, vielleicht höre ich mal wieder rein.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Titan,


    gern will ich was dazu schreiben, wie ich zu dieser Reihenfolge kam, gestern kam ich bloß nicht mehr dazu.


    Zunächst sei betont, daß meine Reihung auf Ersteindrücken beruht. Ich kenne die Werke erst seit kurzem überhaupt.


    Ich habe sie mir chronologisch angehört, also mit der I. begonnen, die mich gleich sehr ansprach. Gerade der Finalsatz ist eine Wucht. Wie am Ende der "Sturm des Trommelwirbels" zu einem "lauen Lüftchen" verkommt, ist ein grandioser Einfall, zumal für so ein Frühwerk. Auch die II. gefiel mir sehr gut. Man sagt ja, diese beiden Symphonien wären noch kein "echter" Sibelius. Kann ich so nicht ganz nachvollziehen. Es wird doch ein recht eigener Stil bereits hier erkennbar. Und der Naturbezug ist m. E. auch schon gegeben.


    Daß die III. ganz hinten ist, hat wenig zu bedeuten. Die muß ich mir vielleicht öfter anhören. Ich habe sie gekoppelt mit der "König Christian II."-Suite unter N. Järvi, und dieses Werk gefiel mir ebenfalls sehr, gehört aber hier nicht herein. Von daher also liegt es bestimmt nicht am Dirigat, das sehr gelungen ist.


    Die IV. und V. würde ich bei mir ganz vorn sehen. Die IV. hat einen sehr düsteren Kopfsatz, den ich für phänomenal erachte, daher ist sie noch etwas vor der V., die vielleicht insgesamt betrachtet Sibelius' bedeutendste Symphonie ist (die Karajan-Aufnahmen der DGG sind wirklich sehr, sehr gut).


    Was nun die letzten beiden Symphonien, die VI. und VII., angeht, so habe ich mir diese noch nicht recht erschlossen, von daher liegen sie derzeit ganz hinten. Das heißt aber, wie gesagt, nichts.


    Die "Kullervo"-Symphonie würde mich noch interessieren. Das ist ja so ein Fall wie Bruckners "Nullte".


    Jedenfalls sind diese Symphonien eine echte Entdeckung gewesen. Ich danke von daher all jenen, die hier im Forum dankenswerter Weise darauf hingewiesen haben.


    Liebe Grüße an alle Sibelius-Freunde
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich kenne die Kullervo-Sinfonie zwar nicht gut, aber die ist m.E. überhaupt nicht mit Bruckners "Nullter" zu vergleichen. Sie ist nämlich keine später als unreif verworfene Variante des danach gepflegten Sinfoniemodells, sondern eine ausufernde spätromantische Tondichtung, mit Chor und Solisten, die sich von der Kargheit, die man später mitunter bei Sibelius findet, stark abhebt.


    Obwohl ich die Sinfonien seit ca. '96 einigermaßen kenne, höre ich sie nicht oft und kenne einige davon im Grunde zu schlecht, um sie einordnen zu können. Die beste ist m.E. die düstere 4. 6 und 7 kenne ich zu schlecht, 6 fand ich ebenso wie 3 immer eher langweilig und "distanziert" (Karajan hat angeblich behauptet, er habe 3 "nicht verstanden" und deshalb nie dirigiert; warum er zuerst bei der DGG nur 4-7 eingespielt hat, weiß ich nicht). Die oft als plakativ verschrieenen 1 u. 2. gefallen mir dagegen recht gut, ebenso 5 (obwohl ebenfalls plakativ). Seit ich Nielsens Sinfonien kennengelernt habe, scheinen mir die jedenfalls interessanter als Sibelius' zu sein (selbst wenn ich einzeln betrachtet, vielleicht die ersten beiden des Finnen den entsprechenden Werken Nielsens vorziehen würde).


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Wir hatten ja bereits im Jahre 2007 den Thread [EMAIL=http://www.tamino-klassikforum.at/thread.php?threadid=5817]Sibelius-Sinfonien ordnen[/EMAIL].
    Dort wurde aber nur "Stur Heil" die Reihenfolge der Beliebheit aufgezählt, ohne eine Begründung mitzuliefern. Daher finde ich den Vorschlag von TITAN höchst angemessen bei diesem erneuten Durchgang für Sibelius auch ein paar Worte der Begründung aufzuzeigen.


    Schaue ich meine Rankingfolge der Sinfonien im Thread von 2007 an, so gilt diese auch heute noch. Nun aber mit eine paar Worten dazu:


    Die Sibelius-Sinfonien stehen bei mir in meiner Wertschätzung ganz weit oben und gehören zu den Lieblingswerken des 20.jahrhunderts.


    Sinfonie Nr.2
    Ich kann schon nachvollziehen das Johannes die Sinfonien 1,2,5 als plakativ bezeichnet. Aber ist das ein Werturteil ? Für mich nicht ! Es sind aber genau die, die bei mir an der Spitze stehen.
    Ich kenne kaum ein Werk in dem der Spannungsbogen von Satz zu Satz immer wieder neu so umwerfend aufgebaut wird, wie hier in der II. Für mich ist das in jeder Beziehung ein Musterbeispiel, wie eine Sinfonie aufgebaut sein soll. Das ist nicht diese "romanische Geplänkel", das einige Mitstreiter aus dieser Zeit produzierten ( :D;) Einige wissen was ich meine !).
    Meine Favoriten, die diesen Wahnsinn optimal umsetzen und die Spannungsbögen richtig ziehen können sind - Bernstein (SONY und DG); Ashkenazy (Decca) und Szell (Philips).


    Sinfonie Nr.1
    Manche sagen ja, dies sei Tschaikowsky-Nachfolge. Ich sehe das nicht so.
    Das Werk ist für mich Sibelius-Pur. Das Werk haut mich genau so um, wie die II. Ganz toll finde ich die zahlreichen Paukenstellen, die nirgens besser rüberkommen als bei Ashkenazy´s (Decca) audiophiler Glanzaufnahme. Ganz groß auch Bernstein (DG) und Bernstein (SONY), die jugendlich frischer wirkt, weil die Tempi "normaler" sind und Bernstein hier noch "loslassen" konnte.


    Sinfonie Nr.5
    Für mich ist es das "Ohrwurm-Werk" des 20.Jahrhunderts. Einfach wunderbar mitreissend dieser 4.Satz... Favoriten, die dieses Werk kaum besser wiedergeben können sind Karajan (EMI und etwas etwas einfühlsamer aber nicht besser auf DG); Bernstein (SONY) - die DG-Aufnahme ist auch Klasse, von großer Wucht gekennzeichnet, hat aber hat etwas ungewohntes hineininterpretiert, das in seiner SONY-Aufnahme noch frischer klingt. Auch Ashkenazy (Decca) wieder einsame Spitze.


    Sinfonie Nr.6
    Die nordische Stimmung ist es die mich hier anzieht, ohne deshalb gleich langatmiges zu bieten. das ist "reines Quellwasser". Karajan (EMI), Ashkenazy (Decca), Bernstein (SONY) aber auch Blomstedt (Decca) sind hier meine Liebsten.


    Sinfonie Nr.4
    Die wunderbare Stimmung die dieses für Sibelius höchst persönliche Werk ausstrahlt sucht ihresgleichen. Vielleicht ist es diese Sinfonie die Sibelius mit Karajan hörte und sagte: "Er versteht mich von allen am Besten !"


    Sinfonie Nr.3
    Diese Sinfonie steht etwas im Schatten der Anderen. Die einen sagen "zu langweilig". Ich finde nicht, wenn ich diese wunderbare geschmeidige knappe Musik in meiner Aufnahme mit Ashkenazy (Decca) heranziehe.


    Sinfonie Nr.7
    Das diese von den Zählsinfonien nun zum Abschluss steht besagt nicht, das ich diese weniger schätze. Es ist Sibelius epischer Höhepunkt seines Lebenswerkes. Bernstein (DG und SONY), Karajan (DG und EMI) wissen wie man so etwas zum klingen bringt.


    Kullervo-Sinfonie
    Johannes hat vollkommen Recht mit dem was er im ersten Absatz dazu schreibt. Das ist eine fertige auskomponierte spätromantische Tondichtung in 5 Sätzen/Teilen. Ein Werk das hohe Wertschätzung verdient hat, wenn mir die Vokalsätze auch nicht ganz so liegen. Eine ganz große Aufnahme ist vor Salonen (SONY) die Paavo Järvi-Aufnahme (Virgin).

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • [quote]Original von teleton
    Wir hatten ja bereits im Jahre 2007 den Thread [EMAIL=http://www.tamino-klassikforum.at/thread.php?threadid=5817]Sibelius-Sinfonien ordnen[/EMAIL].
    Dort wurde aber nur "Stur Heil" die Reihenfolge der Beliebheit aufgezählt, ohne eine Begründung mitzuliefern. Daher finde ich den Vorschlag von TITAN höchst angemessen bei diesem erneuten Durchgang für Sibelius auch ein paar Worte der Begründung aufzuzeigen.



    Hallo teleton


    Auch bei mir steht die SINFONIE Nr2, D-Dur, op.43 an erster Stelle. Aber bei mir steht sie nicht nur an erster Stelle, nein auch an 2. und 3. Stelle.......was nicht heißt, daß ich die anderen Sinfonien nicht schätze. Ich bin wohl schlichtweg 1.) ein Wiederholungstäter und 2.) ein vernarrter mit Suchtcharaktertendenz ......Es gibt eine spezielle Melodie (Hauptmotiv im 3. Satz), die gibts dann manchmal ein Dutzend mal hintereinander. Der unterschiedliche Stellenwert den diese Melodie bei verschiedenen Dirigenten hat und die gravierenden atmosphärischen Varianten faszinieren mich. Da gibt es Tschaikowsky-ähnliches Pathos bei Kristian Järvi (ca 52 min) straffe Linien und unsentimentalen klaren Fluss bei Horenstein (41.11 min) Meine Lieblingsaufnahme ist die von Barbirolli mit dem Royal Philharmonic (43.40 min)
    (nicht die mit dem Halle oder die alte von 1937 mit den NY Philh)


    Die weitere Reihenfolge (mit Abstand)
    Nr 5 , vorallem den Schluß find ich ganz ungewöhnlich. "Den Ohrwurm"-Effekt gibt es bei mir nicht (wie bei teleton)


    Nr 1 , Nr 7
    Nr 4
    Nr 3


    Zu den letztgenannten kann ich (trotz meinem Wunsch nach Begründung für diesen THREAD) mir im Moment nix aus dem Ärmel schütteln. Ich muß erstmal wieder hineinhören.


    Gruß....................."Titan"

  • Wolfgang hat Recht!
    Die 2. ist die Beste!
    Mit Szell in Tokio oder Oku Kamu wirds deutlich. Mit Lennie DGG etwas pastos.
    Dann die 5. (HvK), die 4 (ich bevorzuge Berglund) und die 7. (Mravinsky enorm trocken! und wiederum Berglund)
    Den Rest kannst den Hasen gebe, must es nicht mal grün anstreichen.
    Gruß S.

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Ich kenne die Kullervo-Sinfonie zwar nicht gut, aber die ist m.E. überhaupt nicht mit Bruckners "Nullter" zu vergleichen. Sie ist nämlich keine später als unreif verworfene Variante des danach gepflegten Sinfoniemodells, sondern eine ausufernde spätromantische Tondichtung, mit Chor und Solisten, die sich von der Kargheit, die man später mitunter bei Sibelius findet, stark abhebt.


    Hallo Johannes,


    Du hast natürlich recht: der Vergleich hinkte.


    Da ich dieses Werk nun auch kenne, würde ich es in meinem Sibelius-Ranking ganz vorne einordnen. Ich habe aber ohnehin ein Faible für symphonische Dichtungen, wobei sich gerade dieses Werk – wie das Booklet auch richtig vermerkt – jeder Klassifizierung entzieht und zur Bezeichnung "symphonische Kantate" rät. Wie man es auch nennen mag: es ist großartig!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Nr. 4: Die Persönlichste, Tragischste und Düsterste. Ein Jahrhundert-Werk!
    Nr. 5: Der Ohrwurm schlechthin.
    Nr. 3: Unterschätzt? Aber wieso? Dieser 2. Satz ist der Hammer!
    Kullervo: Wahnsinn, was für ein hochdramatisches Werk. So mysteriös wie wenige Kompositionen.
    Nr. 1: Ein bombenmäßiges Finale.
    Nr. 2: Vielleicht die Romantischste.
    Nr. 7: Eine Art letztes Wort des Komponisten.
    Nr. 6: Wunderschön, nur im direkten Vergleich etwas abgeschlagen.


    Ich möchte betonen, daß die Abstände sehr gering sind und ich alle sieben bzw. acht sehr schätze.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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