Interpretation - Freiheit oder Willkür ? VOL 1 - Die Vergangenheit

  • Irgendwie bin ich gestern beim Verfassen eines Beitrags auf das Thema Interpretation gestoßen, und ich habe mich entschlossen einen weiteren zu kreieren.
    Obwohl - es gibt ja schon welche (einige werde ich heute ganz oben auf die Portalseite setzen) - jedoch jede mit anderm Schwerpunkt.


    Es ging ursprünglich darum, inwieweit der Komponist über den Interpreten zu stellen sei - bzw war das haeute vielfach anders gesehen wird - der Komponist und sein Werk als Vehiikel des Interessente zu dessen Berühmtheit (eine Parallelle dazu bietet das Regietheater , aber das ist HIER nicht das Thema - ich erwähne es nur als Anregung zum Nachdenken)


    Es gibt - und gab wahrscheinlich immer scho zwei verschieden Grundrichtungen;


    Die eine hat sich der Werktreue (was immer man darunter versteht) verschrieben un betrachtet deren willkürliche Auslegung als sakrosankt.


    Die andere meint, "gewagte" Interpretationen würden dem Werk erst die Würze verleihen, alles sei erlaubt


    Der besseren Übersicht werde ich das Thema teilen, und zwar in Interpreten der Vergangenheit, und solche der Gegenwart.


    Ich beginne erstmal mit der Vergangenheit.


    Zum einen können allgemeine Bewertungen abgegeben werden, welcher Richtung ihr den Vorzug geb. Zum anderen können Künstler aller Disziplinen (jedoch lediglich verstorbene) als Beispiel für exzessive Interporetationen herangezogen werden, bzw deren Aufnahmen vorgestell. Dazu kann eine Bewertung folgen, wie man deren Aufnahmen heute einschätzt.
    Ich glaube, man wird die Erfahrung machen, daß "goldene Regeln" nicht für alle in gleichem Maße anwendbar sind: Was bei einem bestimmten Interpreten als Verballhornung gesehen wird, gilt bem anderen als "Geniestreich" bzw wird als "Jahrhundertinterpretation über den grünen Klee gelob - von Kririk und Publikum gleichermaßen.


    Es wäre auch eine Überlegung wer, WARUM denn das so ist
    Was macht eine Interpretation unsterblich, was macht sie zeitgeistig, mit allen Vor und nachteiln, wie beispielsweise mangelnder Altersbetändigkeit.
    Und last but not least:
    Was erwarter IHR euch von einer geglückten Interpretation ?
    oder
    WARUM haben manche "verfälschenden" Interpretationen überlebt, währen viele ander auf dem Müllhaufen der Schallplattengeschichte endeten ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo, lieber Alfred,


    gerade kam dies Thema zur Sprache in einer anderen Umgebung. Und zwar ging es um Glenn Gould, der, wie jemand erwähnte, gesagt haben soll, Mozart sei eher zu spät gestorben als zu früh. Dies war schon zum wiederholten Male, dass mir Gould negativ aufgefallen war. Das erste Mal geschah dies, als ich seine "Interpretation", oder soll ich sagen, "Verballhornung" des einleitenden Variationensatzes von Mozarts A-dur-Sonate hörte und seitdem lange zeit bewusst keine Aufnahmen von ihm mehr angehört habe.
    Dann sah ich im Internet eine CD von ihm mit der Schluss-Trias der Beethoven-Sonaten, und die Hörbeispiele, Einleitung von op. 109 und Beginn der Arietta su op. 111, veranlassten mich dann doch, zuzugreifen. Als ich dann aber das ganze op. 111 hörte und dabei Goulds Kommentar las, das Stück sei "streckenweise ziemlich schwach und braucht ein etwas schnelleres Tempo. Vor allem der Kopfsatz ist so misslungen, dass ich mich zugegebenermaßen beeilt habe, zum Finale zu kommen", da war es mit meiner Toleranz vorbei. Solche unqualifizerten Äußerungen machen es mir leider unmöglich festzustellen, wie Gould weitere Beethovensonaten interpretiert hat.


    Liebe Grüße


    Willi

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ist es nicht so, daß jede Interpretation eines Werkes geprägt ist von dem jeweiligen „Nachschöpfer“? Ist es nicht auch so, daß jegliche Interpretation durch exakte Vorgaben eines Komponisten eingeschränkt wird? Soweit es, beispielsweise, bei den Tempoangaben nur italienische oder auch deutsche Bezeichnungen sind, ist einer breiten Deutung das Tor natürlich geöffnet. Was heißt schon ALLEGRO, ADAGIO oder ANDANTE? Was sagt uns MISTERIOSO oder BREIT, AUSLADEND? Da ist viel Spielraum gegeben!


    Seit der Erfindung des Metronoms allerdings sind dem Interpreten doch durchaus Grenzen gesetzt – vorausgesetzt, er hält sich daran. Ich meine mich zu erinnern, daß Norrington bei seiner Einspielung der Beethoven-Sinfonien die Vorgaben des Komponisten erstmals exakt umgesetzt hat – und damit Entrüstung und Unverständnis hervorrief. Das läßt mich auf den Gedanken kommen, daß unsere Hörgwohnheiten doch sehr durch ganz bestimmte Interpretationsansätze „programmiert“ sind. Und die sind eindeutig geprägt durch die großen Interpreten des 19 Jahrhunderts und den in dieser Tradition stehenden Nachfolgern.


    Ich kann mich bei den großen Werken der sinfonischen Literatur nicht frei machen von diesen „vorprogrammierten“ Hörgewohnheiten. Umgekehrt erkenne ich die durch die „Historische Aufführungspraxis“ neu gewonnenen Erkenntnisse bei den Interpretationen älterer Musik, sei es Renaissance- oder Barockmusik, aber auch der Wiener Klassik, als einen großen Gewinn an.


    Trotzdem würde ich keinem Interpreten unterstellen wollen, daß er sich über den Komponisten erheben will. Ich gestatte ihm die künstlerische Freiheit, ein Werk nach seinem Verständnis zu deuten. Es fällt mir aber eben schwer, Musik von, beispielsweise Beethoven oder Brahms oder Bruckner, losgetrennt von der Tradition zu hören. Das schließt meine Erfahrung ein, daß die Musik vor der Romantik anders klang, als wir es nach unserer Prägung durch das 19. Jahrhundert kennen gelernt haben.


    Vielen Forianern mag das als Verengung erscheinen, ich stecke aber immer noch so in diesem „Mantel“ drin.

    .


    MUSIKWANDERER

  • Was ich hier eigentlich besprechen wollte, wären "große Interpreten der Verangenheit", welch aus heutiger Sicht Werke fehlinterpret haben - aber dennoch - respektiert werden - bzw nicht mehr respektiert , bzw gehört werden , WEIL sie zu subjektiv interpretierten, Andrerseits gab es Deutungen, welche trotz ihrer Eigenwilligkeit, ihrem sich dem Notentext zu widersetzen, bzw ihn sehr frei auszulegen noch immer entweder als "Referenz" gehandelt werden, als "Sternstunde der Interpretationsgeschichte" oder als "Eigenwilligkeit eines genialen Künstleres."


    Spontan fällt mir hierzu Glenn Gould ein, der eigentlich so ziemlich alles gegen den Strich gebürstet hat, bzw absichtlich an den Intentionen des Komponisten vorbeigespielt hat - und heutezutage - Jahrzehnte nach seinem Tod - noch immer seine Anhänger findet.


    Aber auch vile Dirigenten haben Werk für sich umgemodelt, sie verfälscht - zur Freude des Publikums von einst und jetzt.


    Um es in Erinnererung zu rufen:


    Gesucht werden Künstler der VERGANGENHEIT, die gegnwärtigen bekommen einen eigenen Thread.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Zitat Alfred: Gesucht werden Künstler der VERGANGENHEIT, die gegnwärtigen bekommen einen eigenen Thread.


    Hallo Alfred,


    wann und wo wird das sein? Ich habe heute im Radio zwei Hörerfahrungen zum Thema "Interpretation und Willkür" gemacht, die ich hier aber nicht posten darf, weil die beiden Interpreten noch leben. Aber es juckt mich unheimlich in den Fingern...


    Zum Thema Glenn Gould möchte ich noch sagen, dass eine Kritik seiner Interpretationen, wie vorher geäußert, m.E. überzogen und zumindest z.T. ungerechtfertigt ist. Aber das wäre ein Thema für einen ganz speziellen Thread, weil Goulds (und unser aller) Problem in seiner "Philosophie" zu suchen ist, die ja erst die Eigenart seiner Interpretationen motiviert (ich hoffe, es wird verstanden, was ich meine). In diesem Zusammenhang ist auch eine Lektüre seiner beiden Bücher "Von Bach bis Boulez" und "Vom Konzertsaal zum Tonstudio" dringend zu empfehlen (es sei denn, man tut ihn von vornherein als totalen Spinner ab - dann lieber nicht!).


    Viele Grüße und schöne Pfingsten,
    harry

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  • Zitat

    Zitat Alfred: Gesucht werden Künstler der VERGANGENHEIT, die gegnwärtigen bekommen einen eigenen Thread.


    Zitat

    Zitat harry : wann und wo wird das sein? Ich habe heute im Radio zwei Hörerfahrungen zum Thema "Interpretation und Willkür" gemacht, die ich hier aber nicht posten darf, weil die beiden Interpreten noch leben. Aber es juckt mich unheimlich in den Fingern...



    Sie wünschen - wir spielen :D
    Ab sofort verfügbar:


    Interpetation - Freiheit oder Willkür ? VOL 2 - Die Gegenwart


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das Eigenartige bei Gould war ja, dass er kein richtiger "romantischer" Subjektivist (wie vielleicht noch Horowitz, Cherkassky oder andere Pianisten älterer Generationen, meist aus dem slawischen Raum) gewesen ist.
    Einerseits zwar etliche Eigenheiten, aber eben normalerweise kaum variierte Tempi, kein Pedal, extremes non legato usw.


    Aber abgesehen von der Faszination, die auch von den Eigenarten ausgehen mag, scheint Gould jedenfalls bei Bach fast so etwas wie einen "Standard" geschaffen zu haben. Mein Eindruck ist jedenfalls, dass jüngere Pianisten näher an Goulds Transparenz, eher zügigen Tempi und non legato sind als an der rudimentären Tradition, die es vorher gegeben hat.
    (Von "romantischen Pianisten" wurden bevorzugt Bearbeitungen gespielt wie die von Busoni arrangierte Chaconne oder einige Liszt-Bearbeitungen von Orgelwerken)


    Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass Gould Bach, Haydn, Brahms (mit wenigen Ausnahmen), Hindemith oder Schönberg "gegen den Strich gebürstet" habe. Das trifft eigentlich nur auf die Mozartsonaten und einige (m.E. die Minderzahl) der Beethovenaufnahmen zu. (Völlig daneben muss wohl auch die Einspielung der 3. Chopinsonate sein, die habe ich aber noch nie gehört, weiß der Henker, warum er das aufgenommen hat.) Ich persönlich finde allerdings etliche der Mozart- und Beethovensachen, die objektiv "falsch" sein mögen, ziemlich interessant. Anderes würde ich zwar als "einseitig" oder vielleicht "übertrieben" charakterisieren (z.B. einige sehr rasche Tempi wie in op.10,1 oder op.111), aber nicht als "daneben". (Gilels ist z.B. in op.10,1i mindestens soviel zu langsam unterwegs wie Gould zu schnell ist...)


    Aus der anderen Tradition, die ja hauptsächlich Pianisten betrifft, die nur auf historischen Aufnahmen vertreten sind, kenne ich zu wenig. Artur Rubinstein ist hier schon ein eher "moderner" Interpret, der sich nicht so viele Freiheiten genommen hat. Andererseits kann es eben auch sein, dass bei den bevorzugten romantischen Stücken wie Chopin, Liszt, Rachmaninoff usw. etliche der Freiheiten durchaus angemessen sind...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Alfreds Fragestellung impliziert in letzter Konsequenz die Antwortsuche auf die „Sinnhaftigkeit“, aber auch „Haltbarkeit“ einer Interpretation. Die Antwort kann doch nur sein, daß alle Interpretationsansätze keinen „Ewigkeitscharakter“ haben, also immer wieder hinterfragt und neu definiert werden müssen. Dabei ist unsere Wahrnehmungsfähigkeit aber auf einen verhältnismäßig kleinen Zeitraum beschränkt, nämnlich auf den, der die Konserve hervorgebracht hat.


    Wir können die Künstler vergangener Epochen nicht ernsthaft beurteilen, weil wir von Senesino, beispielsweise, keine solche „Konserve“ besitzen. Es gibt keine Aufnahmen von Mozarts Schwägerin Aloysia Lange oder Catarina Cavalieri, die mit der „geläufigen Gurgel“. Hätten wir sie, hätten wir auch die Orchesterbehandlung der Komponisten zur Verfügung und könnten beurteilen, wie Händel, wie Mozart ihre Werke interpretiert haben. Ich bin aber überzeugt, daß dieses Wissen keinen Interpreten davon abhalten würde, dem Publikum seine eigene Sichtweise darzulegen.


    Die Erfindung der Schallaufzeichnung gibt uns nun diese Möglichkeiten; wir können heute prüfen, hören, vergleichen - wenn es natürlich auch nicht jeder Musikfreund (und das aus den verschiedendsten Gründen) tut. Aber die bestehenden Möglichkeiten auszunutzen, ist legitim, wird aber auch immer wieder zu unterschiedlichen Beurteilungen führen.


    Von Giuseppe Verdi stammt der Satz, daß man „zum Alten zurückkehren“ solle, es werde „ein Fortschritt“ sein. Damit postuliert Verdi etwas sehr wichtiges, nämlich: Werktreue, die den Interpreten auf den Notentext festlegt. Toscanini und Mahler waren in der Folge die Apologeten dieses Diktums und Mahlers Aussage, daß Tradition nichts anderes als Schlamperei sei, unterstreicht m. E. noch Verdis Forderung.


    Dennoch muß man ja konstatieren, daß hinter künstlerischen Entwicklungen und auch technischem Fortschritt in gleicher Weise menschliche Produktivkraft wirkt, die immer wieder ausloten will, was „geht, und was nicht geht“. Diese „Reproduktionsmechanismen“ sind doch auch zeitlichem Geschmack unterworfen - und der ändert sich nun mal immer wieder. Nur eines ändert sich doch nicht: Der Text des Autors, des Komponisten! Den Willen dahinter zu ergründen und ihn zum Klingen zu bringen, ist die Aufgabe des Interpreten.

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Wir können die Künstler vergangener Epochen nicht ernsthaft beurteilen, weil wir von Senesino, beispielsweise, keine solche „Konserve“ besitzen. Es gibt keine Aufnahmen von Mozarts Schwägerin Aloysia Lange oder Catarina Cavalieri, die mit der „geläufigen Gurgel“. Hätten wir sie, hätten wir auch die Orchesterbehandlung der Komponisten zur Verfügung und könnten beurteilen, wie Händel, wie Mozart ihre Werke interpretiert haben. Ich bin aber überzeugt, daß dieses Wissen keinen Interpreten davon abhalten würde, dem Publikum seine eigene Sichtweise darzulegen.


    Letztere Aussage ist -zumindest teilweise - gut belegbar.


    Komponisten, die bereits das Medium Schallplatte miterleben durften (mussten ?) waren einerseits ihren Interpreten ebenso hilflos ausgeliefert, wie jene der Vergangenheit, bzw begaben sich freiwillig in ihre Hände.


    Richard Strauß und Carl Orff waren gelegentlich von verfälschenden, bzw modifizierenden Interpretationen regelrecht hingerissen und lobten sie über alle Maßen. Orff "authorisierte" etliche - teileweise sehr unterschiedliche Einspielungen seiner Carmina-Burana.


    Strawinsky war in dieser Hinsicht weniger tolerant, er kritisierte etliche Einspieluingen seines "Sacre" und kam zu dem Schluß, daß KEINE der vorhandenen Einspielungen brauchbar wären, weil das Stück nur LIVE seine elementare Wirkung entfalten könne.
    Insbesondere zerzauste er die Aufnahme von Herbert von Karajan, der das Werk seiner Meinung nach "mißverstanden " habe. In diesem speziellen Fall würde ich ihm ausnahmsweise beipflichten, die Karajan -Aufnahme ist eher unspektakulär, wenig räumlich und von eingeschränkter Dynamik. Und zudem - ich sage es ungern - ein wenig langweilig - es fehlt ihr jeder Ansatz von "elementarer Kraft"


    Zitat

    Die Erfindung der Schallaufzeichnung gibt uns nun diese Möglichkeiten; wir können heute prüfen, hören, vergleichen - wenn es natürlich auch nicht jeder Musikfreund (und das aus den verschiedendsten Gründen) tut. Aber die bestehenden Möglichkeiten auszunutzen, ist legitim, wird aber auch immer wieder zu unterschiedlichen Beurteilungen führen.


    Diese Möglichkeiten haben uns anhand noch lebender Komponisten gezeigt, daß sich selbst sie nicht an grundlegende Anweisungen ihres eigenen Notentextes halten. Sie lassen sich von der Stimmung des Augenblicks mitreissen und negieren sogar ihre eingenen Tempovorgaben.


    Solche Freiheitn müssen - nachdem man dies weiß - auch den Inerpreten zugestanden werden.


    Die Tonaufnahme ist nicht nur eine MÖGLICHKEIT, sie ist auch VERPFLICHTUNG und erzeugt somiit psychischen Druck. Eine geringfügigie Abweichung vom üblichen - die Schallplatte registriert das.


    WAs also für ein bestimmtes Publikum an einem bestimmten Tag gedacht war, das wird jetzt für alle Ewigkeit konserviert - egal ob es passt oder nicht.


    Warum manche dieser Eigenmächtigkeiten jedoch auch nach Jahren noch als Referent gelobt werden - anderes jedoch nicht - diese Frage scheint wohl nicht zu beanworten sein....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Richard Strauß und Carl Orff waren gelegentlich von verfälschenden, bzw modifizierenden Interpretationen regelrecht hingerissen und lobten sie über alle Maßen. Orff "authorisierte" etliche - teileweise sehr unterschiedliche Einspielungen seiner Carmina-Burana.


    Ich muß zugeben, diese Beispiele mangels Kenntnis nicht nachvollziehen zu können. Aber mir kommt, zumindest was Strauss betrifft, seine Bearbeitung von Mozarts IDOMENEO in den Sinn, die ich für "daneben" halte. In die gleiche Richtung geht für mich auch Wagners Bearbeitung der Aulidischen IPHIGENIE und Mozarts MESSIAS-Bearbeitung. Wobei ich bei Mozart immerhin sagen muß, daß "sein" Messias, von ganz wenigen Änderungen abgesehen, lediglich eine neue Instrumentierung beinhaltet. Aber: Siegt, in diesen Fällen, vielleicht der Komponist über den Interpreten?


    Zitat

    Die Tonaufnahme ist nicht nur eine MÖGLICHKEIT, sie ist auch VERPFLICHTUNG und erzeugt somiit psychischen Druck. Eine geringfügigie Abweichung vom üblichen - die Schallplatte registriert das. WAs also für ein bestimmtes Publikum an einem bestimmten Tag gedacht war, das wird jetzt für alle Ewigkeit konserviert - egal ob es passt oder nicht. Warum manche dieser Eigenmächtigkeiten jedoch auch nach Jahren noch als Referent gelobt werden - anderes jedoch nicht - diese Frage scheint wohl nicht zu beanworten sein....


    Sie ist von mir zugegebenermaßen nicht zu beantworten. Es wird wohl an meiner mangelnden Kenntnis der entsprechenden Aufnahmen liegen. Nachteil eines BREITENsammlers... der aber hier durch kompetente Leute sicherlich an Erfahrungen zulernen wird.


    Ich bin aber, wie schon mal angedeutet, fest davon überzeugt, daß die sprichwörtlichen Pendel immer wieder zur einen oder zur anderen Seite ausschlagen werden.

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Werte Leser,
    Beim Lesen dieses Threads ist mir gleich die unliebsame Begnung mit Glenn Gould und Beethovens Sturmsonate Op.31Nr.2 in Erinnerung. Ich fing gerade an, die Sonaten zu sammeln und da mir die Klavierkonzerte von Gould gefallen hatten, habe ich mir die Sturmsonate von ihm geladen.
    Oh Graus, das soll das vielgerühmte Klaviersonatenwerk Beethovens sein? Ich fühlte mich an die Hintergrundmusik von Stummfilmen erinnert. Na, dann lassen wir mal die Klaviersonaten liegen.
    Aber, Beethovens Klaviersonaten muss ich haben, sei es nur der Vollständigkeit halber.
    Also erstmal andere Interpreten antesten. Da ja schon der Anfang der Sonate sehr prägend ist, war ein Vergleichen sehr gut möglich.
    Und was taten sich dann für Klangwelten auf...
    So hat mich die Bekanntschaft mit der Interpretation Goulds beinahe ein halbes Jahr gekostet. Dafür liebe ich jetzt aber die Sonaten, und zwar alle, um so mehr.
    Viele Grüße Thomas

  • Zitat

    So hat mich die Bekanntschaft mit der Interpretation Goulds beinahe ein halbes Jahr gekostet


    Pardon - So sehi ich das nicht.
    Diese halbe Jahr war gewissermaßen ein Selbstfindungsprozess, Du kast gelernt wie verfälschend eine Interpretation sein kann . und wie Du dieser Verfälschung stehst - es gibt ja auch Leute, die von Gould regelrecht begeistert sind...


    Aber auch die anderen Pianisten spieln ja die Beethoven-Sonaten nicht "werksgetreu" - weil das letztlich gar nicht möglich ist.
    Es gibt immer wieder Abweichungen - und oft sind gerade sie es, die einem das Werk lieb und wert machen.


    Du hat also gelernt wie Dein Geschmack beschaffen ist, und wirst bei künftigen Cd-Käufen geneu darauf achten WAS du kauft, mit WEM , du es kaust - und vor allem - von wem Du KEINE Aufnahmen kaufst....


    Da war dann das halbe Jahr letztlich doch nicht vergeudet, sondern Du hart Erfahrung dazugewonnen......


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,
    das war kein Selbstfindungsprozess, sondern einfach das Anhören eines anderen Interpreten und der sofortige "AHA"-Effekt: Das kann sich ja gaaanz anders anhören! :pfeif:
    Viele Grüße Thomas

  • Ich möchte hier noch ein weiteres Beispiel anfügen für eine m.E. verfehlte Interpretation. Es handelt sich um eine Aufnahme der Winterreise aus dem Jahre 2004 mit dem früheren großen Wagner-Tenor René Kollo und dem allerdings ausgezeichneten Liedbegleiter Oliver Pohl.



    Der Sänger, der seinen Zenit schon sehr lange überschritten hat, weswegen ich seine Aufnahme auch Aufnahmen aus der Vergangenheit zurechne, begründet seine Interpretaiton so:


    "Mit meiner Interpretaiton der Winterreise möchte ich den Hörerinnen und Hörern einen neuen Zugang zu dem Liederzyklus von Schubert öffnen. Für mich stehen in der Winterreise nicht Abschied und Todessehnsucht im Vordergrund. Die Winterreise schildert vielmehr die zornige Flucht eines Mannes, der, bedrängt von sozialen Unterschieden, den Ort seiner Liebe verlässt......
    .....Am Ende besinge ich einen neuen Anfang und nicht den Stillstand. Der Suchende findet in Gestalt des Leiermanns einen Menschen, der sicherlich einen ähnlich schicksalhaften Weg gegangen ist wie er selbst. Mit ihm singt er seine Lieder weiter. Die Stimmung ist eher hell und hoffnungsvoll...." (Originalzitat von René Kollo).


    Nun denn, ich bin der Meinung, er hätte lieber die Finger davon lassen sollen oder die Winterreise vor 40 Jahren aufnehmen sollen, aber da war er ja pausenlos in Sachen Richard Wagner mit Sir Georg Solti unterwegs.
    Damit wir uns nicht falsch verstehen, seinen großen Wagneraufnahmen stehen alle in meinem Plattenschrank.


    Liebe Grüße


    Willi :no:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • In einem anderen Thread, in dem es um diese von William gepostete Winterreise ging, habe ich mich dazu bekannt, dass sie nie hätte veröffentlicht werden dürfen. Wenn heute junge interessierte Liedhörer diese Aufnahme als erstes von Kollo zu hören bekommen, die ihn weder als als Wagnertenor noch als lyrischen Tenor aus seinen Anfangsjahren gehört haben, glauben die das nicht. Ich habe von ihm viel gesammelt, hervorragende Aufahmen bei der damaligen CBS und später bei EMI und Decca. Diese Aufnahme nutzt dem Liedgesang nichts. Vielleicht standen ja auch finanzielle Dinge im Vordergrund. Alles hat seine Zeit, auch die menschliche Stimme.


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


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  • Genau, Bernward,


    René Kollo hat sich mit dieser CD einen Bärendienst erwiesen.
    Schon, als er 1995 an der Bayerischen Staatsoper unter Zubin Metha nach der sensationellen, 25 Jahre eher entstandenen Aufnahme unter Sir Georg Solti zum zweiten Mal den Tannhäuser aufnahm,



    war ich schwer enttäuscht. ich habe es einfach nicht verstanden.


    Liebe Grüße


    Willi :no:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Da heute im Celibidache Thread durch Melante beklagt wurde, daß Celibidaches Dirigat immer wieder ihn selbst leuchten liessen, an Stelle des Werkes - hatte ich vor diesem Thema einen Thread zu widmen. Bei dieser Gelegenheit fand ich indes diesen hier, der sich mit Interpretationen der Vergangenheit befasst, und gleich einen Schwesternthread der den Interpreten der Gegenwart gewidmet ist....


    Interpetation - Freiheit oder Willkür ? VOL 2 - Die Gegenwart


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !