Sammlermanie (1) Interpretenkult zu Recht oder zu Unrecht ?

  • Ein wenig holprig ist er schon der neue Threadtitel - und zudem muß noch erwähnt werden worum es überhaupt geht.
    Ich habe gestern mit einem Mirglied dieses Forums ein wenig über das Thema "vergleichendes Hören" von Interpretationen diskutiert, wobei ich den Standpunkt vertrat, vergleichendes Hören sei eine willkommene Bereicherung für den Sammler, bzw das Vorhandensein einer Vielfalt von Interpretationsalternativen.
    Demgegenüber steht eine andere Philosophie, im Laufe seines Lebens möglichst viele verschiedenen Werke zü hören, eine Interpretation genüge, wenn man Noten lesen könne.


    Beide Standpunkte sind - bei aller Gegensätzlichkeit - "richtig"
    Man muß lediglich persönliche Prioritäten setzen.


    Auch ich lerne gerne unbekanntes Repertoire kennen -vorzugweise solches aus dem 18. Jahrhundert.
    Und wenn nun ein unbekanntes Werk beispielsweise von Vranicki aufgenommen wird, und somit erstmals für mich verfügbar wird, dann rümpfe ich nicht die Nase wenn die "Banausenphilharmonie Unterstinkenbrunn unter Vinzenz Maria Garaus-Smetnatschek spielt, sondern freue mich.
    Etwas anders verhält es sich mit unbekannten Liedern die ein unbekannter Sänger exekutiert, weil es hier sehr häufig vorkommt, daß das Wort "exekutiert" in seiner vollen doppelsinnigen Bedeutung zum Tragen kommt und sich der Vortrag ohnedies eher schwacher Werke zu einer veritablen Exekution gestaltet...... :P


    Bei "bedeutenden Werken" sprich "Kernrepertoire" oder flapsiger ausgedrückt "Mainstream" lege ich aber doch gewissen Wert darauf WER interpretiert.
    Und hier stehe ich nun vor der bangen Frage, WEM ich mien Vertrauen schenken soll.


    Soll ich Beethovens Karajan den Vorzug geben, oder Norringtons vibratolosen Kreissägenklang, soll ich mir eine Aufnahme mir den Wiener Philharmonikern kaufen, oder tun es fürs erste auch die Berliner ?
    Kann nicht ausschliesslich Klemperer den Sinfonien eherne Größe verliehen, - nein da gabs noch Celibidache. Karl Böhms Deutung der Beethoven-Sinfonien ist unerreicht - so stehts in einem Konzertführer aus dem Jahre 1976. Stimmt das ? - Muß ich also auch haben.
    Wen darf man weglassen, wer ist unverzichtbar?


    Leider ist es in meinem Falle so, daß ich mich an mir unbekannte Interpreten schwer gewöhne. Sollte es aber gefunkt haben, dann bin ich ihnen mit Haut und Haaren verfallen. Das wiederum führt dazu, daß ich möglichst viel von diesen . für mich neuen Künstlern besitzen möchte - was wiederum zu Lasten von anderen mir unbekannten führt - die ich so gar nicht kennenlerne - bis irgend ein Bosnigel ihn beispiesweise im Forum vorstellt - und mich der Teufel reitet......


    Für mich wäre es beispielsweise unerträglich Schuberts Müllerin NUR mit Fischer Dieskau, Prey oder Wunderlich zu besitzen. Selbst wenn man alle 3 besitzt, fehlten nch alle heutigen Interpreten und natürlich Hotter.......


    Wie geht es Euch in diesem Zusammenhang ?


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred,


    bis vor etwas weniger als zwei Jahren war ich ein großer Fi-Di-Verehrer und kaufte mir nur Aufnahmen, in denen er mitsang. Mittlerweile bin ich so weit, dass ich, wenn ich eine Oper kennen lernen will, die Aufnahme wähle, die hier im Forum am meisten empfohlen wird bzw. meinen Ansprüchen entgegenkommt. Diese Ansprüche sind dadurch selbstverständlich gewachsen.


    Bei Sinfonien o.ä. ist das anders- mir fehlt einfach noch das Wissen, um quasi aus dem Bauch heraus sagen zu können: "Genau die Aufnahme muss es sein!", wie das bei Opern der Fall ist; nicht, dass ich Empfehlungen nicht im Hinterkopf hätte, aber hier tut's zunächst auch ein Download, was vom Grabbeltisch (muss ja nicht zwangsläufig schlecht sein, wie du schon sagst) oder ganz unverbindlich YouTube: Wenn mir das Werk gefällt, kann ich es nach dem Hören da auch noch auf CD kaufen.


    Natürlich gibt es Werke, bei denen lechzt man nicht danach, sie mehrmals zu besitzen- früher oder später hat man dann aber doch noch eine zweite Aufnahme im Regal stehen, nach dem Motto: "Vielleicht gefällt mir das Stück jetzt ja besser."


    Anders ist das natürlich bei Stücken, die einem gefallen: Bereits jetzt besitze ich sieben Mal den "Don Giovanni". Ein Grund für Sammelei ist wohl auch das Interesse, wie bestimmte, oftmals nur sekundenlange Stellen exequiriert werden. Ich finde zum Beispiel, dass vor Wotans Feuerzauber eine kurze Pause sein muss, aber kaum ein Dirigent beherzigt das :boese2:. Die einzige Aufnahme, die mich dahingehend zufrieden stellte, war Wotans Abschied mit Cesare Siepi, den mir Milletre zukommen ließ. Orchester und Dirigent sind leider ungenannt.


    Unverzichtbar ist meines Erachtens gar nichts- gut möglich, dass auch 534 Aufnahmen des selben Werkes keine Zufriedenheit bringen, namhafte Interpreten eingeschlossen. In Teufels Küche gerät man mit Sicherheit irgendwann bei der Fixierung darauf, dass es die und die Aufnahme ist, die nicht mehr über- bzw. unterboten werden kann. Es müssen ja nicht die großen, bekannten Namen sein, die einem besonders gefallen: Genauso gut kann man auch glühender Verehrer eines unbekannten Künstlers werden. Die Enttäuschung ist dann aber meist groß, wenn er oder sie andere Stücke langweiliger aufführt.


    Erwartungen sind wohl ein Problem des Sammlers, nach dem Motto: "Wo Ghiaurov draufsteht, ist Gutes drin". Das kann sein, muss es aber nicht, denn auch große Namen enttäuschen zeitweilig (das müssen sie wohl auch: Wer ist schon frei von Fehlern?).


    Also: Interpretenkult kann Vorteile, aber auch große Nachteile (zur Folge) haben. Wer findet die Mitte?


    :hello:

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Demgegenüber steht eine andere Philosophie, im laufen seines Lebens möglichst viele verschiedenen Werke zü hören, eine Interpretation genüge, wenn man Noten lesen könne.


    Konsequenterweise wurde auch vertreten, dass man dann gar keine Interpretation benötigte... ;)
    Warum dann nur eine, erschließt sich mir jedenfalls überhaupt nicht und wird durch tausende von Musikern, Laien wie Profis, widerlegt, die mehrere Interpretationen besitzen oder gar exzessiv sammeln, obwohl sie Noten lesen können und viele der entsprechenden Werke selber spielen.
    Andererseits ist "benötigt" m.E. in jedem Falle zu stark. Auch wer nicht Noten lesen kann oder selbst Musiker ist, benötigt nicht mehr als eine Aufnahme.


    Interpretenkult kann wie jede Art von Kult schnell ausarten und wird dann peinlich. Beispiele gibt es genug, nicht nur in Internetforen...


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Tja, die Frage ist wohl so alt wie die erste hergestellte Zweitaufnahme eines Stückes. Lieber viele verschiedene Werke sammeln oder zu wenigen Werken viele Interpretationen?


    In diesem Forum habe ich gelernt, dass die typische Sammlervita so aussieht, dass man zuerst viele Werke seiner jungen Sammlung einverleibt und erst später vom Bazillus des Vergleichshörens infiziert wird. Ist ja auch nachvollziehbar. Kann ich von mir so bestätigen ...


    Ich habe das Gefühl, dass ich nach dem Hören von wenigstens zwei verschiedenen Interpretationen überhaupt erst beginne, das Werk hinter den Interpretationen zu hören. Das wäre ein Plädoyer dafür, grundsätzlich mehrere Aufnahmen zu hören.


    Im vergangenen Jahr habe ich vor allem in die Tiefe gesammelt - mehr Vergleichsaufnahmen. In diesem Jahr will ich wieder mehr in die Breite gehen, z. B. französische Oper. Alles zu seiner Zeit.

  • ich denke ich stehe auch ganz klar auf der Seite, dass man soviele Werke wie möglich kennen lernen sollte.
    Ich habe einfach daran viel größere Freude, als zum x-ten Male das gleiche Werk zu hören, das sich durch die Interpretation vielleicht nur durch Nuancen unterscheidet.


    Aber bei manchen Werken finde ich dass dann doch wieder sehr spannend, vor allem bei solchen Werken, wo es mehrere Fassungen gibt und daher jede Aufnahme ohnehin schon anders ist.
    Von Mozarts Idomeneo habe ich 6 verschiedene Einspielungen, aber das ist ein Ausnahme, von den Wiener Klassikern meist die Hauptwerke konventionell und dann nochmal richtig :D


    Aber wenn ich daran denke, was ich schon alles entdeckt habe, und immer noch soviel auf mich wartet, kann ich gar nicht anders, als mich ständig in völlig unbekannte Musik zu stürzen.


    In meine Fall ist es ohnehin so, dass es meist nur eine Aufnahme eines Werkes gibt, daher stellt sich die Frage fast nicht.
    Aber schon bei Mozart geht es los, irgendwann habe ich jene Dirigenten und Ensembles, bzw. Stilgruppe (in dem Fall HIP) ausfindig gemacht und weiß an wen ich mich wenden muss um Beethoven oder Mozart so serviert zu bekommen, wie ich mir das wünsche. ;)

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  • Aus meiner Erinnerung heraus war es so :


    Ich wollte mich schon mit etwa 17 Jahren musikalisch "verselbständigen" . Dabei hatte ich das Glück , dass zu Hause niemand etwas dagegen hatte ; dieses Unternehmen sogar förderte .


    Dem Musikunterricht in der Schule verdanke ich objektiv nichts .


    Deutlich mehr vor allem älteren Freunden und deren Familien, die sich für klassische Musik interessierten .



    Meine Hinwendung zu bestimmten Werken und bestimmten Interpretationen hatte sich schnell herauskristalliesiert, weil ich zu Hause un d bei Freunden viele verschieden Aufnahmen hören konnte .


    Dazu kame die Möglichkeiten , in bestimmten Musikzentren bedeutende Interpreten hören zu können ( etwa Krops' Mozart in Wien ; die berühmten italiensichen Sänger in Wien , Paris und Mailand oder Verona ; Wagner in Wien , Düsseldorf und zweimal in Bayreuth ) .



    Zuerst war es , von eher wenigen Ausnahmen abgesehen, so wie sich "der Lullist" das hier beschreibt : Viele Werke erst einmal kennenlernen .



    Die Anschaffung von mehreren Interpretationen einer Komposition war auch eine Frage des Geldes .



    Meine Erfahrungssumme bis heute ist dabei, dass ich mich recht bald
    für KLaviermusik - vor allem solo - konzentriert habe .


    Danach auf Kalvierkonzerte durch bestimmte Interpreten .


    Ein allgemein gültige Idallösung dürfte es nicht geben . Dazu ist der persönliche musikalische Zugang doch zu unterschiedlich .


    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Bei der Frage, ob man mehrere Interpretationen eines Werkes haben sollte, spielt doch wohl das persönliche Portomonnaie eine Rolle. Wieviele Leute können sich das finanziell tatsächlich leisten? Auch muß man entsprechende Unterbringungmöglichkeiten haben. Ich kann von mir persönlich nur sagen, daß beide Faktoren eine Rolle spielen und ich mir von daher lieber das vorhandene Repertoire erweitere.


    Unabhängig von diesen persönlichen Gegebenheiten beantworte ich diese Frage jedoch eindeutig mit einem "Ja". Jeder kennt doch Beispiele, wie unterschiedliche Interpretationen eines Werkes eigene Hörgewohnheiten verändern kann und eine Bereicherung darstellen. Und ich beglückwünsche jeden Musikfreund, der auf beide Faktoren keine Rücksicht nehmen muß. Ein Beispiel will ich an dieser Stelle aus meiner Sammlung mal nennen: Ich habe Händels "Messias" in drei Aufnahmen; da ist einmal eine preiswert erstandene Einspielung mit Price, Minton, Young, Diaz und dem Amor Artis Chorale sowie dem English Chamber Orchestra unter Johannes Somary. Irgendwann gefiel mir der Bombast herkömmlicher Prägung nicht mehr und ich habe die ebenso preiswerte NAXOS-Aufnahme mit dem "Scholars Baroque Ensemble" gekauft. Die ziehe ich der Somary-Einspielung in jedem Falle vor. Die dritte Aufnahme ist die Mozart-Fassung, die 1974 erstmals auf Platte erschien und von Charles Mackerras dirigiert wurde. Diese Fassung des genialen Klassikers muß man nicht mögen, aber sie ist, wie Andreas Holschneider zu Recht betonte, auch "schon wieder historisch" und auch "ein Stück Interpretationsgeschichte und insofern auch Wert, aus der Vergessenheit geholt zu werden".


    Und weil ich einmal dabei bin: Die Beethoven-Sinfonien habe ich mal einzeln, und von verschiedenen Dirigenten geleitet, erstanden. Da finden sich Namen wie Karajan, Klemperer, Böhm, Szell und Münchinger. Als ARTE NOVA dann die Neueinspielung mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter Zinman mit großem Werbeaufwand (New Bärenreiter Eidition von Jonathan Del Mar) herausbrachte, konnte ich nicht "Nein" sagen. Und ich gebe zu, daß es keine Offenbarung war. Die durchaus zu lobende Arbeit von Del Mar will ich nicht schmälern (kann ich auch nicht!), aber die Unterschiede sind - bis auf eine Ausnahme in der "Neunten" - nicht wahrnehmbar. Also greife ich immer wieder zu den "Altmeistern" des Taktstocks...


    Wie dem auch sei: Müßte ich nicht eingangs genannten Faktoren für mich persönlich bedenken, würde ich auch gerne mehrere Interpretationen eines Werkes sammeln. Weil das aber eben nicht geht, stimme ich gerne dem "Lullisten" voll und ganz zu!


    musikwanderer

    .


    MUSIKWANDERER

  • Zitat

    Original von musikwanderer
    Bei der Frage, ob man mehrere Interpretationen eines Werkes haben sollte, spielt doch wohl das persönliche Portomonnaie eine Rolle. Wieviele Leute können sich das finanziell tatsächlich leisten? Auch muß man entsprechende Unterbringungmöglichkeiten haben. Ich kann von mir persönlich nur sagen, daß beide Faktoren eine Rolle spielen und ich mir von daher lieber das vorhandene Repertoire erweitere.


    Finanziell und regaltechnisch ist es egal, ob man 50 CDs mit Beethovensinfonien besitzt oder nur 5-7 und dafür 45 weitere CDs mit Sinfonien von Krommer, Vorisek, Ries, Onslow, was weiß ich. In der Tat ist die Versuchung, sich 5 oder 10 Beethovenzyklen ins Regal zu stellen nicht zuletzt daher so groß, weil die nach ein paar Jahren oft sehr preiswert sind, viel preiswerter als Werke wenig bekannter Komponisten.


    Da ich selbst momentan (wegen Umzug) unter der Größe meiner Sammlung ein wenig leide, kann ich alle Überlegungen, sich hier einzuschränken gut nachvollziehen. Ich habe mir auch schon seit längerer Zeit, mehr oder minder einen Kaufstopp für Repertoire, das schon gut repräsentiert ist, auferlegt. Aber ich bin mir alles andere als sicher, ob es so viel lohnender ist, alle (oder einige) Sinfonien von Krommer gehört zu haben, als Beethoven mit Toscanini und Furtwängler gehört zu haben. Es muß jeder selbst entscheiden, was er interessanter findet. Ich sähe es als einen großen Verlust, lieber 10 Zyklen der Beethovensinfonien zu sammeln, als, sagen wir, seine Violinsonaten oder die 40 wichtigsten Haydnsinfonien gründlich kennenzulernen. Bei Onslow und Ries bin ich mir dann aber nicht mehr so sicher, ob nicht die Interpretationsgeschichte der Beethovensinfonien sogar interessanter sein könnte...


    Wenn man es nicht extrem übertreibt, ist CD-Sammeln kein allzu teures Hobby. 1000 EUR pro Jahr für CDs ist wohl nichtmal ein Skiurlaub (ich fahre kein Ski, daher weiß ich es nicht so genau). Ich meine das nicht zynisch; ich kenne die Situation, mit relativ wenig Geld auskommen zu müssen, ganz gut. Zwar habe ich keine Familie zu versorgen, aber es liegt letztlich an den Prioritäten, die man setzt: Andere kostspielige Hobbies und Urlaubsreisen, teures Auto, teure Wohnung, Kleidung usw. sind für viele ganz selbstverständlich, die stutzig werden, wenn man im Monat 100 Euro für CDs ausgibt. Was eher teuer wird, sind "Konzertreisen".


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo Alfred,


    ich glaube, die hatte ich, bis ich Mitglied im tamino-klassikforum wurde und die Frage, ob eine klassische Aufnahme, egal aus welchem Bereich, nur von Rezensenten der Zeitschriften fonoforum,
    scala, stereo usw. als anschaffungswürdig begrüßt wurden. Nach 3 Monaten tamino-klassikforum könnte ich 1/3 meiner Sammlung (6.500) abgeben, da im Forum mindestens 3 Mitglieder sind, die die jeweilige Aufnahme überhaupt nicht kennen oder davon keine gute Meinung haben. Da durch die Pensionierung das zur Verfügung stehende Budget etwas schmäler geworden ist, werde ich mir jetzt genau überlegen, ob es Sinn macht, die "So-und-sovielte" Aufnahme auch noch anzuschaffen. Die Tips aus dem Forum helfen meinem Geldbeutel und das ist auch gut so. Einen Haken hat die Sache allerdings, wenn heute nach Ablauf der 50jährigen Schonfrist alte Aufnahmen auftauchen, die ich noch aus der Zeit der Schallplattenära gut kannte und jetzt auf CD erscheinen, könnte ich wankelmütig werden.



    Grüße aus Burgdorf


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Lieber Gerlach


    An sich halte ich es für ziemlich unwichtig ob fonoforum oder aber das Tamino-Klassikforum für "gut" erachtet - oder auch nicht.


    Ich lese für men Leben gerne Tonträgerkritiken - allerdings NACH dem Kauf - und freue mich immer wieder darüber, daß man mir meinen schlechten Geschmack bestätigt. Hätte ich nach Kritiken gekauft, - ein Drittel meiner Lieblinsaufnahmen wäre nicht in meiner Sammlung


    Eine Kritik bestätig in der Regel lediglich die Übereinstimmung musikalischer Auffassungen zwischen Interpret und Kritiker - und wenn Glück im Spiel ist auch Deiner oder meiner.


    Tamino ist eine Community - soll heissen bei längerem Bestehen wächst sie in gewisser Weise zusammen, der Geschmack wird ein kollektiver.
    Wechselt von Zeit zu Zeit die Zusammensetzung der Mitglieder, ändert sich auch der kollektive Geschmack. Ein Karajan-Thread - in der Form wie er jetzt bei Tamino besteht wäre vor ca einem Jahr gar nicht möglich gewesen.....


    Wichtig ist also der eigene Geschmack - aber selbst der ist trügerisch.
    Aufnahmen die ich einst nicht mochte haben sich teilweise zu meinen Lieblings-CDs gemausert, manche von mir vor 30 Jahren als solche gesehene "Jahrhunderteinspielung" sehe ich heute allenfalls als gut durchnittlich an....


    Aber -vor allem eloquente - Kritiken - können schon eine Anregun darstellen eine Aufnahme zu hören oder zu kaufen...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Auslöser meines Postings ist der Hindemith-Beitrag von Swjatoslaw im Thread „Was hört ihr gerade jetzt“, dies vorweg, um klarzustellen, warum ich Swjatoslaw direkt anspreche, obwohl er in diesem Thread gar nicht gepostet hat.

    Ich habe die Beiträge zu diesem Thread quergelesen und möchte noch einen Aspekt hinzufügen, der bisher kaum Erwähnung fand, der aber nicht unwesentlich dafür ist, zu welchem Sammler-Typ man gehört bzw. zu welchem man sich im Laufe der Zeit entwickelt hat. Es geht um die „Prägung“, die man schon in Jugendzeiten erfahren hat. Als ich mit 21 Jahren (die liebe Bundeswehr kostete mich 2 Jahre) mein Musikstudium begann, war ich „ahnungslos“. Bei mir zuhause gab es vorzugsweise James Last und noch mehr in dieser Richtung; an Klassik gab es die 5. von Beethoven, die Unvollendete von Schubert, ein bisschen Mozart und als progressivstes den Till Eulenspiegel von Strauss. Wie einer der Vorredner schon erwähnte, brachte mir der Musikunterricht im Gymnasium fast nichts, außer der Bekanntschaft mit der Sinfonie fantastique und immerhin Bergs Lulu, mit der ich aber damals noch nichts anfangen konnte. Auch im Studium selbst wurde viel zu sehr theoretisiert und viel zu wenig an konkreten „lebenden“ (in der Musikszene lebendigen) Werken festgemacht. Wer mir dazu verhalf, über meinen kleinen Tellerrand hinauszuschauen, war mein Klavier-Prof, der mich mit so ungeheuerlichen Namen wie Debussy, Bartok oder Schönberg vertraut machte, von denen ich vorher noch nie (oder kaum) gehört hatte. So ist es eigentlich nur folgerichtig, dass ich mich zu einem Sammler „in die Breite“ entwickelte – selbst heute, mit etwas über 60, bin ich der Meinung, dass ich immer noch viel zu wenige Werke von viel zu wenigen Komponisten kenne. Das Sammeln „in die Tiefe“ ist aus diesem Grund für mich bis zum heutigen Tage auch zweitrangig.

    Die ist nun auch der Grund, lieber Swjatoslaw, weshalb ich die fragliche Gesamtaufnahme der Sonaten Hindemiths (s. Thread)
    Was hört Ihr gerade jetzt? (Klassik 2011)
    ohne Zögern und ohne nach eventuell besseren Alternativ-Aufnahmen zu suchen – und dazu noch zu einem attraktiven Preis – gekauft habe, einfach in dem Gedanken: Diese Stücke habe ich noch nicht und ich möchte sie einfach kennen lernen. Ohne die Leistung des dort tätigen Pianisten Kalle Randalu schmälern zu wollen, hast Du wahrscheinlich damit Recht, dass ich mit Svjatoslaw Richter noch zufriedener wäre. Aber darum geht es mir (jedenfalls zunächst einmal) nicht. Ich weiß aus anderen Threads, dass Du ein Richter-Fan (Richter-„Mane“ wäre vielleicht übertrieben?) bist – Dein Tamino-Name kommt ja wohl auch nicht von ungefähr – , weshalb ich vollstes Verständnis dafür habe, wenn Du Richter „in die Tiefe“ sammelst, also möglichst alle Aufnahmen von Richter zu bekommen versuchst. Da liegt eben der Unterschied zwischen uns beiden „Sammler-Typen“: Ich bin jetzt erstmal froh, diese Stücke überhaupt in meinem CD-Bestand zu haben und gebe mich – zumindest vorerst – damit zufrieden, während Du Dich gleich auf die Suche nach eventuell mehr versprechenden Alternativ-Aufnahmen begibst bzw. solche bereits in Deinem CD-Bestand hast, von denen wir anderen Taminos dann gerne wieder profitieren!

    Ein letztes Wort noch zu der in Alfreds letzter Mail angesprochenen Problematik: Ich muss hier einfach festhalten, dass während der Zeit, in der ich meine (bescheidene – u.a. aus finanziellen Gründen) CD-Sammlung aufbaute, die Kritiken in fonoforum und anderen Zeitschriften zumindest eine Entscheidungshilfe für die Anschaffung der einen oder anderen Aufnahme eines bestimmten Werks waren.


    Viele herzliche Grüße aus dem zurzeit eiskalten Odenwald
    harry