Gustav: Unverzichtbare Klassikaufnahmen

  • So einfach der Titel klingt, so schwierig ist der Beginn!


    Mein Schwerpunkt ist der Gesang (Callas, Wunderlich, Schwarzkopf). Aber keine Bange, ich werde nicht nacheinander sämtliche Einspielungen mit MC hier vorstellen.


    Später habe ich mich der sinfonischen Musik, dann den Instrumentalkonzerten, den Soloinstrumenten, v.a. Violine und Klavier und nun auch der Kammermusik zugewandt. Schwerpunkt dabei ist sicherlich das 19. Jhrdt., von dem aus ich zeitlich in jede Richtung wandere.


    Aber beginnen möchte ich mit dem Gesang.


    Kathleen Ferrier (* 22. April 1912 in Preston, Lancashire, England; † 8. Oktober 1953 in London)



    Weit entfernt ein HIPpie zu sein, singt die Ferrier hier mit einer Stimme, die nicht mehr an einen Körper gebunden zu sein scheint. Für mich erklingt ein Gesang von orphischer Qualität. (Es tut mir leid, hier muss ich pathetisch werden.) Es ist ein Gesang, der die Zeit still stehen lassen kann und der beides ist: Große Klage und die Zusicherung, "dass man nicht tiefer fallen kann, als in die Hand Gottes " (Gorch Fock).


    Während dieser Aufnahme erhielt die Ferrier übrigens per Telefon die Nachricht ihrer Krebserkrankung. Nach dem Telefonat ging sie zurück zum Mikrofon und nahme die letzte Arie auf.


    Zum 50igsten Todestag erschien folgender Artikel in der Zeit:


    http://www.zeit.de/2003/42/M-Ferrier


    :hello: Gustav

  • Bleiben wir bei den etwas dunkleren Damenstimmen.



    Christa Ludwig (* 16. März 1928 in Berlin) ist eine deutsche Opern- und Konzertsängerin (Mezzosopran).



    Ihre berühmte Einspielung von 1964 unter Heinrich Hollreiser mit Arien und Szenen aus: Elektra, Ariadne, Frau ohne Schatten, Iphigenie auf Aulis, Barbier von Sevilla, Götterdämmerung.


    Welch eine Schönheit des Timbre! Welch eine musikalische Intelligenz! Welch eine Sensibilität! Und gerade diese Sensibilität bekommt meinem Lieblingsausschnitt auf dieser CD besonders gut, der Elektra (hier die Wiedererkennungsszene mit Walter Berry). Das ist eine Sternstunde tiefster Empfindung, wie ich es noch von keiner Hochdramatischen so gehört habe.


    Welch ein Unglück, dass die Ludwig die Elektra und die Brünnhilde nie vollständig gesungen hat - und welch ein Glück für uns, dass sie diesen Schritt nicht gemacht hat. So konnte man diese einzigartige Stimme noch lange genießen.


    :hello: Gustav

  • Nun muss es ja langsam mal sein:



    Maria Callas (* 2. Dezember 1923 in New York; † 16. September 1977 in Paris, Frankreich)


    Etwas zu Maria Callas zu sagen, hieße Eulen in die Stadt ihrer Ausbildung zu tragen. Egal wie man zu ihr steht, sie bleibt die berühmteste Opersängerin des 20. Jhrdts, deren Name ebenso wie der von Caruso und Karajan zu einem Synonym für geworden ist.


    Wer die Wahl hat, hat die Qual (aber es wird ja nicht bei einer bleiben).



    Hier enthalten, ihr berühmtes erstes, noch für die Cetra aufgenommenes Recital von 1949, mit dem sie sich sofort als Assoluta präsentierte: Norma, Puritani, Isolde.


    Die Silbermedaille würde ich hierbei der Norma zuerkennen. Die Callas befreite diese Musik von all den "Verismoschichten", die sich in der ersten Hälfte des Jhrdts. unter dem Einfluß dieser Musikrichtung und dem von Caruso über die Gesangsdarbietungen des Belcanto gelegt hatten.


    Gold geht zweifelsfrei an die Puritani. Hier litten entsprechende Belcanto-Opern unter einem anderen Problem. Jahrzehntelang hatten leichtgewichtige Soprane, die noch über die Agilita für solche Musik verfügten, diese Opern gesungen und der Begriff des Ziervogelgesangs tauchte immer wieder auf.


    Erst die Callas war in der Lage, die technischen Schwierigkeiten zu meistern und sie gleichzeitig dramatisch zu füllen und somit dem Belcanto die (wie aus Berichten bezeugte) Intensität und Expression der großen Diven des 19. Jhrdts. wieder zu geben. Aus ahnungslosen wurden ahnungsvolle Jungfrauen. Dass dies in einer Zeit, in der das Frauenbild noch durch Kinder und Küche geprägt war, nicht auf totale Gegenliebe stieß, ist klar.


    Bronze für die Isolde. Diese Aufnahme ist sicherlich immer noch ein schwer zu schluckender Brocken für an stimmgewaltige, Klangfluten ausströmende Sängerinnen gewöhnte Ohren. Ich liebe sie aber.


    Jedenfalls wurde mit dieser Aufnahme eine Tür geöffnet, hin zu einer Kunst, die so vergessen war. Die Einlösung des Versprechens erfolgte dann in den kommenden Jahren.


    :hello: Gustav

  • Nun zu meinem nächsten "Hausgott":



    Fritz Wunderlich (* 26. September 1930 in Kusel; † 17. September 1966 in Heidelberg)


    Beginne ich mal hiermit:



    Hier kann man die Orchestrierungskunst Richard Strauss' bewundern. Karl Böhm entrollt zusammen mit den Wiener Symphonikern einen silbrig schimmernden Klangteppich. Fritz Wunderlch und die grandiose Hilde Güden sind mit ihrer sängerischen Vollkommenheit und in ihrem Zusammenspiel und Zusammenklang überwältigend. Dazu James King und Paul Schöffler - ein Fest!


    Wer mehr will: Es gibt eine TV-Aufzeichnung aus München, hier allerdings mit Stefania Woytowicz und Gottlob Frick unter Keilberth.


    :hello: Gustav

  • Auf einem Bein kann man ja nicht stehen:



    Lady Harriet Anneliese Rothenberger
    Nancy Hetty Plümacher
    Lord Tristan Georg Völker
    Lyonel Fritz Wunderlich
    Plumkett Gottlob Frick
    Richter Robert Koffmane


    Chor der Deutschen Oper Berlin
    Berliner Symphoniker
    Berislav Klobucar 1960


    Eine Aufnahme, die sofort gute Laune verbreitet, aus einer Zeit, in der die deutsche Spieloper noch einen Stellenwert hatte. Alle Beteiligten nehmen die Musik ernst, haben Spaß und ergänzen sich fabelhaft.


    Trotz aller Geschlossenheit des exzellenten Ensembles, für mich an der Spitze: Fritz Wunderlich :jubel: :jubel: :jubel:


    :hello: Gustav

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  • Auch bei Wagner wird es nicht bei einer Empfehlung bleiben!


    Ich beginne mit einer Legende:


    Der Beginn einer Gesamteinspielung, die Fragment bleiben musste, da aufgrund der politischen Umstände die Protagonisten Deutschland verließen.


    Eine Interpretation von großer Eindringlichkeit und vor allem großer Menschlichkeit, ohne falsches Pathos. Walter wählt ideale Tempi (recht zügig im ersten Teil), so dass das Geschehen unaufhaltsam voranschreiten kann. Dabei trägt er die Sänger durch alle Fährnisse hindurch auf einem Klangteppich, der wunderbar warm und gleichzeitig schlank ist. Die Wiener setzen alle seine Intentionen und sein nuancenreiches Musizieren mit großem Können um. :jubel: :jubel:


    Die Lehmann ist sicherlich kein junges Mädchen, Melchior aber auch kein junger Mann, daher passen sie wunderbar zusammen. Beide haben ihre Erfahrungen gemacht und beiden nimmt man es ab, dass sie das Geschehen ganz aktiv bestimmen. Und beide singen wunderbar! :jubel: Dabei kosten sie die Phrasen in all ihrer Schönheit aus, ohne dass sie den Bogen, ihr musikalisches Ziel aus den Augen verlieren.


    List ist ein auch stimmlich bedrohlicher Hunding, der von Anfang Unruhe und Angst verbreitet.


    Ein Muß!!!


    _____________________


    Dazu gibt es eine wunderbare Ergänzung:


    Marta Fuchs war eine stimmlich wunderbar schlanke Brünnhilde, sehr jugendlich und eher das Gegenteil zur heroischen Flagstad. Der jugendliche Überschwang, das Kindlich-Unbedarfte kommt wunderbar in ihrer Antrittsarie zum Ausdruck, wobei die beiden Triller eher ein stärkeres Vibrato sind. Sie ist sich immerhin noch bewusst, dass sie geschrieben sind und eigentlich auch gesungen werden sollten.


    Kernstück der Aufnahme ist das große Duett/Duell Wotan - Fricka. Ich kenne kaum eine spannendere und wortdeutlichere Einspielung wie diese. Beide Sänger (Hotter und Klose) sind auf dem Höhepunkt ihrer stimmlichen Möglichkeiten. Hotter ist ein noch sehr junger Gott, der vielleicht auch deshalb das Verhängnis nicht aufhalten kann. Und die Klose ist eine Klasse für sich, fern aller Zickereien.


    Seidler-Winkler ist sicherlich kein Walter, aber begleitet und unterstützt die Sänger in bester deutscher Kapellmeistertradition.


    Auch diese Aufnahme ein Muss!!!


    :hello: Gruß

  • Nun einmal weg von Wagner (wogegen der folgende Komponist wohl nichts gehabt hätte):



    Igor Stravinsky; * 5. Juni 1882 in Oranienbaum, Russland; † 6. April 1971 in New York City)


    Und von ihm eine Aufnahme aus klassischen Radiotagen:



    Martha Mödl, Peter Pears, Heinz Rehfuss und Jean Cocteau als Sprecher unter Igor Strawinsky, NWDR 1954


    Eine faszinierende Aufnahme mit einer großen Besetzung, voller Strenge, Pathos und großer Geste.


    :hello: Gustav

  • Gleich wieder zurück! Und nun zu Fu:



    Wilhelm Furtwängler (* 25. Januar 1886 in Schöneberg (heute: Berlin-Schöneberg); † 30. November 1954 in Ebersteinburg bei Baden-Baden)


    Aus der Winifred Wagner/Heinz Tietjen-Aera:


    Die einzig erhaltenen Ausschnitte des legendären Lohengrins von 1936 und die Studio-Aufschnitte, ein wenig später unter Heinz Tietjen eingespielt.
    Wer Bayreuther Pathos der Nazi-Zeit erwartet, wird nur noch bei dem Radio-Ansager auf seine Kosten kommen.


    Selten habe ich v.a. die Brautgemachsszene so sensibel dirigieren und gesungen gehört. Man achte nur einmal darauf, wie die Musik bei "zum erstenmal allein" fast zum Stillstand kommt oder wie Völker die Phrase "meine süße, reine Frau" beendet und wie Maria Müller im selben Ton antwortet. Und wie Furtwängler hier mit seinen Sängern atmet, auf sie hört und immer genau bei ihnen ist. Groß! :jubel: :jubel: :jubel:
    (Eigentlich ist ein lauter Jubel bei der Zartheit des Gesangs gar nicht angebracht.)


    Zum Vergleich gibt es Tietjen mit den selben Sängern und dem Unterschied zwischen Genie und Hausmannskost. Das Konzept ist dasselbe, aber welch ein Unterschied. Allein das Tempo spricht Bände. Der Alltag hat uns wieder! (Immerhin die vollständige Gralserzählung!)


    Als Beigabe gibt es noch die Strausssche Olympia-Hymne von 1936. Nun gut, es sind auch nur 3,56 Minuten und es gibt ja die Track-Einrichtung.


    Die Tonqualität entspricht einer live-Aufnahme von 1936 :(, aber die künstlerische Qualität entschädigt.


    :hello: Gustav

  • Bei Furtwängler fällt mir natürlich sofort die neue RIAS-Edition ein:


    Von den Originalbändern übertragen, werden hier erstmalig sämtliche Konzerte, die Furtwängler beim RIAS zwischen Mai 1947 und Mai 1954 gegeben hat, vorgelegt.


    Bach, Beethoven, Blacher, Brahms, Bruckner, Fortner, Gluck, Händel, Hindemith, Mendelssohn, Schubert, Schumann, Strauss, Wagner, Weber


    Teilweise gibt es Doppelungen und somit wunderbare Vergleichsmöglichkeiten, wie unterschiedlich seine Interpretationen von Mal zu Mal waren.


    Die Aufnahmen haben nicht mehr den geradezu verzweifelten Expressionismus der Kriegsaufnahmen, aber sie sind ein Zeugnis seines Subjektivismus, der aber IMO immer im Dienst des Komponisten stand. Das ist weit von HIP entfernt, das ist im Vergleich zu den meisten Dirigenten z,B, weit von herkömmlichen Tempi entfernt, aber es ist immer faszinierend und eine Möglichkeit, altbekannte Werke völlig anders zu hören. Anders und mit einer fast körperlich spürbaren Sogwirkung.


    Nicht nur altbekannte Werke! Hindemith, aber v.a. Blacher und Fortner mit dem unglaublichen Gerhard Taschner im Violinkonzert!


    Und dann gibt es noch Yehudi Menuhin mit dem Beethoven Violinkonzert.
    Einen Monat nach der großen Versöhnungsgeste in Luzern tritt Menuhin im September 1947 erneut an. Und im Vergleich zur berühmten Studioaufnahme von 1953 ist er IMO viel erregter und erregender. Man spürt, was für ein Schritt es für ihn als Jude war, zwei Jahre nach Ende des Krieges in Deutschland wieder zu spielen. Nie habe ich Menuhin und auch Furtwängler so spannend beim gemeinsamen Musizieren erlebt.


    Für alle Furtwängler-Fans und solche, die es werden wollen ein unbedingtes MUSS!!!


    :hello: Gustav

  • Und nun eine weitere meiner Hausgöttinnen:



    Dame Olga Maria Elisabeth Frederike Legge-Schwarzkopf, DBE (* 9. Dezember 1915 in Jarotschin, Posen; † 3. August 2006 in Schruns, Vorarlberg, Österreich)


    Etwas für die Hardcore-Fans:



    Das ist natürlich überhaupt kein HIP. Es ist live 1953 mit allen Nebengeräuschen. Es ist auf deutsch. Es ist toll!!!


    Mir ist klar, das Furtwänglers Mozart heftig umstritten ist, nein, eigentlich gar nicht, sondern eher einhellig abgelehnt wird. Ich mag ihn trotzdem. Er kostet die Partitur bis ins Extreme aus. Wenn es langsam ist, dann ist es aber auch langsam. Wenn es schnell ist, dann ist es aber auch schnell. (OK, er ist meistens langsam.) Wenn es laut ist, ... usw. Aber es ist unglaublich vital, ganz persönlich, hier durchlebt ein Dirigent seinen Mozart. Und stellt sich nie in den Vordergrund. Er ist immer bei den Sängern.


    Die Schwarzkopf auf dem Höhepunkt. Mit ihrem wunderschön silbrigen und aristokratischen Timbre, ihrer Diktion und ihrer Ausdrucksfähigkeit erschafft sie eine ideale Gräfin. "Gott der Liebe, hör meine Klage" ist fern jeder Sentimentalität, ist die Klage einer Frau, die ihres Standes sich bewusst, immer die Haltung bewahrt. "Wo Susanna nur bleibt" ist makellos bis hin zum perfekt durchgeführten Triller gesungen und das Briefduett mit Irmgard Seefried: ein Traum!!! :jubel: :jubel: :jubel:


    Überhaupt die Seefried und die Güden und der Kunz und der Schöffler! Welch eine Besetzung und welch ein Ensemble! Auch wenn es hier und da Abstriche gibt, auch wenn Schöffler IMO nicht die Agilita für den Grafen besitzt, auch wenn ich für den Chrerubin einen Mezzo bevorzuge - es ist das berühmte Gesamtpaket, was stimmt, die Aufeinanderbezogenheit aller Sänger.


    Eine Sternstunde, aber wie gesagt, man muss es mögen.


    :hello: Gustav

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  • Auf meinem Hausaltar ist viel Platz:



    Giuseppe Di Stefano (* 24. Juli 1921 in Motta Sant’Anastasia, Italien; † 3. März 2008 in Santa Maria Hoè)




    Ausnahmsweise gleich zwei Aufnahmen.


    Der wirklich blutjunge di Stefano in Aufnahmen von 1944/1945 und 1950. Eine der schönsten Tenorstimmen überhaupt, ein Timbre, so weich und samtig, eine Stimme, die aus ihm herausströmte, ein wortbezogenes Singen, eine Phrasierungskultur, ein Piano und Pianissimo - und leider eben auch schon das sehr offene Singen. Aber trotzdem, wer sich von einer ehrlichen Unmittelbarkeit überwältigen lassen möchte oder wer auch nur seine Erinnerungen an den letzten Sommerurlaub in Italien bei einem Abendessen mit Freunden auffrischen möchte - hier ist er bestens bedient.
    Für mich immer Momente für die Gänsehaut!


    :hello: Gustav

  • Wenn ich schon bei (Haus)-Göttern bin:



    Hans Knappertsbusch (* 12. März 1888 in Elberfeld (heute: Wuppertal); † 25. Oktober 1965 in München)


    Noch nicht sein Parisfal, sondern:



    Varnay, Aldenhoff, Uhde, Höngen, Pflanzl, Weber, Mödl, Schwarzkopf, Töpper, Siewert, Malaniuk


    Den Satz: "Was für eine Besetzung!" kann man sich natürlich sparen.


    Knappertsbusch 1951 bei der Neueröffnung der Bayreuther Festspiele alternierend als Ring-Dirigent mit Karajan. (Na,wenn schon, denn schon.)


    Kna beginnt langsam (was auch sonst) und erschafft sofort eine unheimlich, verstörende Atmossphäre, nicht ist sicher, alles schwankt und droht wegzukippen. Er kostet und dehnt jede Prase aus, verliert dabei aber nie den Bogen und die Spannung. Dann plötzlich zieht er an und läßt das ganze Pathos Wagnerscher Musik erklingen. Aber der "Moll"-Charakter bleibt. Es ist eben eine Götterdämmerung.


    Das ganze Stück wird als ein langer, ruhiger Fluss dargeboten, in dem immer wieder einzelne Melodien auftauchen und vergehen,dargeboten in einer musikalischen und mit einer menschlichen Tiefe, die die Schönheit dieser Musik offenbart - und die einen süchtig macht.


    Für alle die Wagner - und Knappertsbusch verfallen möchten!


    :hello: Gustav


  • Hallo Gustav,
    Danke für die Erinnerung an große Aufnahmen der Schallplattengeschichte.
    Zur Vielseitigkeit Deines Geschmacks, wie auch der Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Kompositionen, kommt noch ein dritter wichtiger Faktor hinzu, das ist der einer mehrfachen Komplexität.
    Diese Komplexität begeistert und beunruhigt mich zugleich.
    Als kleines Gegengewicht zu der künstlerischen Qualität und der besonderen Botschaft solcher herausragenden Aufnahmen, möchte ich ergänzend auf einige weniger schöne Beigeschmackstöne hinweisen.
    Ich möchte NIEMANDEN belehren, aber für mich ist es nunmal ein großer Unterschied ob ich die Ferrier höre oder einen 200 % zigen Nazi wie Herrn Manovarda. Wir existieren als ein Ganzes und nicht aus einem Sammelsurium von Teilaspekten. Ich hatte einen gynäkologischen Kollegen, dem ich türkische Patientinnen überwies, etliche sind bei ihm auch jahrelang geblieben, so dass ich von einer Zufriedenheit bezüglich seiner fachlichen/beruflichen Qualitäten ausgehen konnte. In dem Moment, wo ich einen schriftlichen Beitrag von ihm im Rahmen einer rechtsextremen Postille erhielt, gab es eine neue Ausgangssituation für mich, denn es enthielt rassistische Aüßerungen von ihm.
    Es gab einen bekannten Deutschen Wagner-Bassisten, den ich selbst auf der Bühne gehört und bewundert habe als Hagen und Daland. Nachdem ich von seiner rechtsextremen Gesinnung erfuhr, zu der er stand.....gab es ebenfalls eine neue innerliche Ausgangsposition für mich. Als ich ihn noch einmal LIVE hörte, konnte ich nicht so tun, als ob sich bewußtseinsmäßig und gefühlsmäßig für mich nichts geändert hatte. Der Sänger sang seine Rolle unverändert gut....., doch ich als Hörer bin nicht aufteilbar in verschiedene Teilpersönlichkeitsaspekte. Ich bin eine Einheit von vielen Teilen, natürlich auch von Widersprüchen.
    Aber gerade deswegen darf ich und kann ich nicht die berufliche Leistung eines Mitmenschen trennen von seinen menschlichen Qualitäten.
    Gustav, es ist nicht meine Absicht Dich zu kritisieren, sondern meine Position soll für Dich eine ergänzende und vielleicht auch bereichernde sein.


    Gruss..................."Titan"

  • Lieber Titan!
    Zunächst einmal danke für deine lange Stellungnahme.


    Du kannst mir glauben, dass ich diese Aufnahme sicherlich nicht wegen Maowarda hier gepostet habe. Auch ich habe und hätte Schwieigkeiten in den Fällen, die du geschildert hast. Aber wenn wir alle Aufnahmen streichen, in denen Künstler beteiligt sind (Wer kennt schon die Überzeugungen aller Orchestermitglieder auch in heutigen Aufnahmen?), die charakterliche Mängel bis hin zu schweren Fehlern aufweisen, hätten wir, denke ich, ein großes Problem - und nur noch ein kleines CD-Regal. Ich will damit sagen: Wo ziehen wir die Grenze?


    :hello: Gustav

  • Auch wenn es wirklich nicht hier her gehört, muß ich mich doch auch kurz dazu äußern:


    Muß ich jetzt die Furtwängler-"Meistersinger" entsorgen, weil Prohaska den Sachs singt? Muß ich Ridderbuschs Aufnahmen alle verscherbeln? :wacky:


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Das Thema bewegt die besten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts -- und das wird wohl, das muss wohl auch immer so bleiben. Zum Glück. Vergessen darf man nichts.


    Für diejenigen, die das nicht kennen, möchte ich hier kurz auf den Furtwängler-Film des Oscar-gekrönten ungarischen Regisseurs István Szabó hinweisen (den Oscar hat er für den Film "Mephisto", nach dem Roman von Klaus Mann, erhalten - ein paralleles Thema).


    Eine ausführliche Beschreibung des Furtwängler-Films "Taking Sides. Der Fall Furtwängler" ist hier zu lesen (mit Handlung):


    http://www.dieterwunderlich.de/Szabo_Furtwangler.htm#cont


    Das besonders tragische persönliche Moment, das uns Zuschauer bei den Filmen von Szabó nun immer wieder bewegen wird, ist ein Faktum, das erst in letzter Zeit bekannt wurde: dass nämlich der Regissuer Szabó selbst auch gezwungen wurde, als angehender junger Filmemacher für die Staatssicherheit Berichte abzugeben. Da denkt man mit feiger oder zumindest schamhafter Dankbarkeit daran, wie gut, dass ich keine solche Situation erleben musste.


    :hello:

  • Um 'mal weg von den "ollen" Schinken zu kommen:



    Gar nicht süß und zuckrig:



    Magdalena Kozena und Simon Rattle präsentieren Arien von Mozart. Ich liebe das leicht herbe Timbre der Kozena mit der sie hier unterschiedlichsten Mozart-Frauen und auch drei Konzertarien interpretiert. (Figaro, Cosi, Tito, Idomeneo, KV 505, KV 578, KV 583)


    Mit dabei: "Deh vieni, non tardar" aus dem Figaro und "Al desio chi t'adora" KV 577, die die erste Arie bei der Wiener Wiederaufnahme 1978 erstzte. Dazu ein "Voi, che sapete" mit Verzierungen von Domenico Corri, eine so aufregende Fassung, dass mir bei Mozarts Originalfassung jetzt etwas fehlt. Traumhaft auch KV 505 mit einer einfühlsamen, ganz zarten Unterstützung durch Jos van Immerseel am Piano.


    Alles sehr HIP und (trotzdem ;) toll!


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Auch wenn es wirklich nicht hier her gehört, muß ich mich doch auch kurz dazu äußern:


    Muß ich jetzt die Furtwängler-"Meistersinger" entsorgen, weil Prohaska den Sachs singt? Muß ich Ridderbuschs Aufnahmen alle verscherbeln? :wacky:


    Hallo Joseph II
    WARUM soltest Du das tun............unsere subjektiven Blickwinkel unterstehen doch keiner einer Rangordnung...........Deine und meine Ansichten müssen doch keine Widersprüche sein und sind weder richtiger noch falscher. Dies Forum lebt von unserer Vielschichtigkeit und nicht von den "Teilaspekten" unserer Persönlichkeitstruktur. Ich esse auch ein Praline /Schokolade obwohl es genug Gründe dagegen gibt. Wenn ich ein Gewichtsproblem habe , mußt Du noch lange keins haben....anders ist es bei unserer lebensphilosophischen Ausrichtung beim Musikhören doch auch nicht.
    Mein Lieblings-Wotan ist neben dem Ehemann von der Braun (mein Name fällt mir gerade nicht ein, sorry)......bis heute Bockelmann. Das ist mein Problem und nicht Deins, wenn ich mich schwer tue mit ihm wegen seiner nachweisbaren braunen Ideologie......und ihn trotzdem höre und schätze.


    Gruß..............."Titan"

  • Zitat

    Original von kopiroska
    Da denkt man mit feiger oder zumindest schamhafter Dankbarkeit daran, wie gut, dass ich keine solche Situation erleben musste.


    Völlig richtig! Was haben wir es gut! Aber wie leicht fällen wir auch manche Urteile, die wir diese Situationen und diesen Druck zum Glück nicht erleben mussten. Wobei ich aber durchaus einen Unterschied zwischen Furtwängler und Maowarda mache.


    :hello: Gustav

  • Für alle, die mit dabei sein konnten (und für die anderen natürlich auch):



    Vladimir Horowitz (* 1. Oktober 1903 in Berdytschiw, Ukraine; † 5. November 1989 in New York)


    Das nun auch schon legendäre Berliner Konzert:


    Seine eigentliche Rückkehr auf deutschen Boden fand eine Woche vorher in Hamburg statt, dort, von wo aus seine internationale Karriere 1926 startete. Das Programm war identisch und ich hatte das Glück eine Karte ergattern zu können (letzte Reihe, ganz oben).


    Leider brach die NDR-Übertragung recht schnell zusammen, so dass von diesem Konzert nur ein privater Mitschnitt existiert, der aber noch nicht veröffentlicht wurde.


    Also Berlin:


    Dass was mich auch in Hamburg faszinierte, ist auch hier zu hören. Die Spannweite zwischen einem ganz stillen, fast privaten Klavierspiel bei Scarlatti bis hin zur donnernden "Pranke des Löwen" in der As-Dur Polonaise von Chopin.


    Ich bin kein Klavierfachmann, kann nicht die einzelnen Horowitz-Aufnahmen z.B. der Kreisleriana genauestens vergleichen, sondern kann immer nur meine Eindrücke schildern. Damals hat mich vor allem sein Liszt, Rachmaninov und Skrjabin angesprochen, ja überwältigt. Dieser singende und warme, in allen Farben schillernde Ton, diese Eindringlichkeit, diese Eleganz des Spiels, diese fast unaufgeregte Beiläufigkeit (als wäre es alles nichts und kinderleicht).


    Jahrelang musste ich mich mit meiner x-mal überspielten und abgenudelten MC begnügen. Nun ist es endlich da. Für alle, die ... (siehe oben): Zugreifen!!!


    :hello: Gustav

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  • Aus aktuellem Anlass (ich höre gerade die live-Übertragung der Lucia aus Hamburg):



    Neben zwei Studio-Aufnahmen und diversen live-Mittschnitten sind sicherlich die beiden Karajan-Aufnahmen aus Mailand (1954) und Berlin (1955) die besten. Trotz grauenhafter Tonqualität wäre sogar dem Mailänder Mittschnitt der Vorzug zu geben, der liegt aber im Moment meines Wissens nicht vor.


    Deshalb also Berlin.


    Die Callas ist auf dem Höhepunkt ihres Könnens. Das Jahr 1955 brachte u.a. die legendären Visconti-Produktionen der Traviata und der Sonnambula an der Scala unter Giulini und Bernstein. Sie ist auf dem Höhepunkt, sicher richtig, aber vor allem auf dem Höhepunkt ihrer Ausdrucksfähigkeit mit einem zwar dünner gewordenen Organ, dass ihr aber in dem meisten Fällen noch gehorchte. Zeichnet man ihren stimmlichen Verfall (erste Zeichen gab es schon 1953) als eine Kurve und genauso der Zuwachs an großer Ausdruckskunst, so trafen sich beide Kurven sicher im Jahr 1955.


    Nicht alles in dieser Berliner Aufführung ist stimmlich noch so perfekt, wie wenige Jahre zuvor z.B. in Mexiko. Aber die Ausdrucksfähigkeit, ihre wirklich körperliche Intensität, ihr fast manischer Wille, jeder Phrase den ihr gebührenden Ausdruck zu verleihen, keine Note, keine Verzierung zu singen, deren musikalischer Sinn nicht genauestens hinterfragt wurde, selbst jede Pause noch mit Ausdruck und Wahrhaftigkeit zu füllen - all das kann man hier bewundern und bestaunen.


    Aber stimmliche Grenzen sind spürbar. Nicht jedes dreigestrichene Es kommt als runder Ton oder wird überhaupt gesungen. Im Sextett ist sie stimmlich am Ende, was Karajan aber nicht hindert, das gesamte Stück zu wiederholen.


    Trotzdem eine Jahrhundertleistung, da sie es schafft, die zunächst für uns doch fremden Formeln des Belcanto so mit Leben zu erfüllen, dass sie für uns Hörer des 20. Jhrdts./21. Jhrdts. lebendig werden können.


    Di Stefano ist ihr, was die Leidenschaft und die Wahrhaftigkeit des Ausdrucks angeht, ein ebenbürtiger Partner. Sein einstmals in seiner Wärme und Fülle überwältigendes Timbre ist nun härter, abgenutzter. Die Höhe wird nicht organisch entwickelt, die Spitzentöne brauchen ein vorgehendes Ansetzen. Aber all das kann ich vergessen, wenn ich ihm zuhöre. Er verzaubert mit seiner Mischung aus Sensibilität und Männlichkeit.


    Panerai und Zaccaria zeichnen adequate Rollenportraits ohne den belcantistischen Feinheiten der Partitur vollständig gerecht zu werden. Aber auch sie reißen den Hörer mit.


    Und Karajan? Auch hier ist er da, der berühmte Klangteppich, edel und kostbar. Karajan läßt die Musik aufleben, läßt sie erblühen und erstrahlen.


    Insgesamt auch diese Aufnahme ein Muss, wenn auch mit leichten Kratzern - aber man wird entschädigt!!!


    :hello: Gustav

  • Eigentlich hatte ich die folgende Aufnahme anpreisen wollen, bevor mir die Lucia dazwischen kam.



    Mächtig kommt er daher, der Schumann. Das ist nicht Hip und schon gar nicht ist es zurückhaltend in irgendeiner Form. Es ist aber auch kein Parsifal, was die Tempi angeht. Zügig und zupackend wirkt es.


    Kna: 9:48 / 4:31 / 5:41 / 6:27
    Fu: 11:48 / 5:20 / 5:57 / 7:51
    HvK: 10:37 / 4:42 / 5:47 8:48


    Es gibt sicherlich schnellere Einspielungen (z.B. Szell), aber das finde ich schon erstaunlich.


    Also zügig und zupackend. Gewaltig erscheint das Werk, voller Pathos im besten Sinne. Leidensfähigkeit wird hier erlebt. Kna liebt die Musik spürbar und hörbar und er geht mit Schumann mit in einer sehr existenziellen Weise. Heitere Gelassenheit ist auch dabei, so ist es nicht, freudige Aufschwünge, dann ein fast verwzeifeltes Ankämpfen, gegen die dunklen Töne - ein ständiges Kämpfen.


    Gleiches gilt für den Strauss. Auch hier ist er alles andere als langsam (mit 22:00 gut 3 Min. schneller als z.B. Dohnanyi), auch hier wird alles ausgelebt, bis in die Exreme hinein. Aber die Musik verkraftet es, weil nie gegen sie dirigiert wird.


    Spannende Dokumente eines großen Künstlers.


    :hello: Gustav

  • Gleich nochmal zurück zu der linken Göttin:





    Eine Aufnahme, die ich immer besonders geliebt habe:



    Mitschnitt eines Konzertes aus dem Shrine Auditorium, Los Angeles vom 29.11.1958.


    Gerade die Jahreszahl macht diese Aufnahme so wertvoll. 1958 war die Callas, wenn auch nur wenige Jahre, trotzdem schon weit von ihrer stimmlichen Glanzzeit entfernt. Davon ist erstaunlicherweise bei diesem Konzert wenig zu spüren.


    Das Programm ist in seiner Mischung von dramatischen und Koloraturarien typisch für die Konzerte dieser Jahre:


    Spontini: La Vestale - Tu che invoco
    Verdi: Macbeth - Nel di della vittoria...Vieni t'affretta
    Rossini: Barbiere - Una voce poco fa
    Boito: Mefistofele - L'altra notte
    Puccini: Bohème: Quando m'en vo
    Thomas: Hamlet - A vos jeux


    Dirigent: Nicola Rescigno


    Auch wenn sie zart und fast verhalten beginnt, ist es trotzdem Gesang der großen Geste und des großen Einsatzes. Phasen der Ruhe und des Tumultes wechseln sich ab, bis im Allegro-Teil der Arie letzterer siegt und die Callas die ganze Szene mit einem eingelegten C beendet, einen Ton, den sie weder in der Studioaufnahme derArie noch in den diversen Konzerten dieser Zeit gewagt hat. Zugegeben, er ist nicht schön, aber sie wagt ihn und deutet damit an, dass sie sich an diesem Abend sehr sicher fühlte.


    Vieni t'affretta (ohne Cabaletta) ist, wie immer bei ihr, eine sich langsam in einen Todes- und Machtrausch hineinsteigernde Selbsthypnose. So führt diese Arie zwangsläufig zum Shakespeare'schen "Unsex me now" der zweiten Arie und dem Zusammenbruch in der Wahnsinnszene. Die Stimme wird dabei sicher und voll geführt, wunderbar dunkel gefärbt.


    Und danach gleich das Kontrastprogramm. Rosina, das junge Mädchen, aber beileibe kein kleines Mädel. Das Auskosten der Verzierungen deutet daraufhin, dass diese Rosina durchaus Gefallen an der ganzen Situation findet und sich noch lange kein x für ein u vormachen lässt. Die Cabaletta wird sehr zart und verführerisch dargeboten, kein brilliantes Koloraturfeuerwerk, aber jede Note hat Sinn und verdeutlicht Rosinas Charakter.


    Dann wieder Kontrastprogramm mit einem großen Nachtstück. Aus einem von Rescigno glänzend dirigierten Vorspiel taucht ganz leise die Stimme der Callas auf und steigert sich dann zum ersten verzweifelten Höhepunkt. Die gesamte Arie wird mit einer unglaublichen Fülle an Ausdruckschattierungen dargeboten. Aufschreie wechseln mit Phasen weltabgerücktem Singens. Wunderbare Triller lassen alle Sehnsucht, aber auch den näherkommenden Wansinn aufleuchten.


    Und wieder Kontrast. Musettes Walzer ist kein Showpiece, hier tritt kein hüftschwingendes, den Rock lüftendes Vergnügungsgeschöpf auf. Plötzlich ist Musette eine ganz andere, eine Frau mit Sehnsüchten und auch eine gewisse Verzweiflung scheint durch.


    Zum Schluss die große Arie der Ophelia. Wunderbare schwebende Piani, Trillerketten und fallende Scalen. Der Wahnsinn wird greifbar. Auch hier fällt wieder ein sehr breites Tempo auf, dass ihr den Raum gibt, all den Stimmungen der Partitur genauestens nachzugehen. Trotzdem zieht sie dann immer wieder das Tempo an und steigert sich zum verzweifelten Schluss.


    Natürlich ist das alles technisch von ihr schon besser dokumentiert. Aber es sind trotzdem sechs große, beeindruckende und erschütternde Portaits.


    :hello: Gustav

  • Nach all den tobenden Leidenschaften:



    Pablo Casals (* 29. Dezember 1876 in El Vendrell, Spanien; † 22. Oktober 1973 in San Juan de Puerto Rico)



    Die Gambensonaten von Johann Sebastian Bach, in einer wunderbar schlichten, aber tiefmenschlichen Interpretation. Ich habe den warmen, runden Ton Casals immer besonders geliebt. Er scheint mir wirklich der Ausdruck einer großen Seele zu sein.


    Diese drei Sonaten sind hier eine anrührende Unterhaltung zwischen Cello und Klavier.Jeder läßt dem anderen Raum und Zeit für seine Meditationen, für seine Gedanken und Gefühle. Man höre nur einmal den 2. Satz der Sonate 1027 und dann den Übergang zum Tänzerischen des 3. Satzes.


    Und dann der 1. Satz von 1028. Wie eine Abschiedsmusik an die Welt, die sich noch einmal aufrafft, in der Erinnerung an vergangene Freuden, um im Andante des 2. Satzes die stille Klage fortzuführen.


    Das ist alles groß und gleichzeitig ganz schlicht und zart präsentiert.


    :hello: Gustav

  • Von einer Seele zur nächsten:



    Irmgard Seefried (* 9. Oktober 1919 in Köngetried bei Mindelheim; † 24. November 1988 in Wien)



    Eigentlich würde ich gerne diese CD vorstellen, aber es schent sie im Handel nicht mehr zugeben (daher auch das kleine Bild):



    Eine Zusammenstellung verschiedener DGG-Aufnahmen.


    Arien von Mozart, Strauss, Händel, Weber, Lortzing, Beethoven, Respighi, Bizet, Thomas


    Fischer-Dieskau, Sardi, Merriman, Haefliger, Schech, Streich, Steingruber, Böhme


    Leitner, Fricsay, Jochum, Baumgartner, Fournet, Stepp, Böhm


    Ich bin nicht immer ganz glücklich mit dem Klang ihrer Stimme. Vor allem die Höhe erscheint mir oft nicht voll und rund genug, ein wenig flach und nicht leicht erreicht.


    ABER: Man muss sie kennen. Welch ein seelenvoller Klang, welch ein Ausdruck. Hier singt eine große Küsntlerin mit ihrer ganzen Seele. Welch eine ausdrucksvolle Mittellage, welch eine Intensität des Gesangs. Dabei immer schlicht und natürlich. Jedes Portrait auf diesem Rezital ist erlebenswert. Genau, man erlebt diese Portaits und hört sie nicht nur.


    Die Seefried gehört unbedingt in jede Sammlung hinein. Deshalb als Empfehlung einige weitere Aufnahmen, die noch zu erhalten sind, die ich aber nicht kenne.




    "Blindbuchungen" sind bei der Seefried aber kein Problem!


    Leider gibt es bei einer meiner Lieblingsaufnahmen nicht einmal mehr als Bild:



    Schumann - Wolf - Heine - Mörike


    Irmgard Seefried - Oscar Werner - Erick Werba


    Hier treffen zwei faszinierende, völlig eigene Stimmen aufeinander. :jubel:


    :hello: Gustav

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  • Von der Seefried direkt zu dieser Aufnahme:


    Seefried, Schwarzkopf, Schock, Streich, Dönch, Prey, Unger und...und...und...


    Alles unter Karajans wunderbar einfühlsamer, das Orchester herrlich aufblühen lassender, die Sänger exzellent begleitender Leitung.


    Seefrieds Komponist ist der ältere Bruder Cherubins, spätpubertäre Trotzreaktionen sind mit dabei. Herrlich diese Alles-oder-nichts-Haltung. Man nimmt ihr jederzeit ab, dass sie ihre Partitur lieber ins Feuer, denn vor diese Meute schmeißen würde. Und dann das Verstörende des ersten Verliebtseins. Dieses Vorspiel hört man immer wieder, alleine der Seefried wegen.


    Man würde es nur hören, käme nicht diese Opernaufführung hinterher. Die Schwarzkopf ist eine überragende Ariadne, voller Pathos, Größe, Noblesse, ganz Diva. Und stimmlich ein Traum.


    Übrigens Diva: Niemand konnte "Abstand...ha...ha...ha...eine Welt hoffe ich" so zickig-divenhaft singen wie sie. Woher das wohl kommt? :stumm:


    Schock in einer seiner Glanzpartien, auch das etwas zum Immerwiederhören.


    Streich mit Prey oder ohne eine herrlich neckische, kecke, aber auch nachdenkliche Zerbinetta, ohne die vokale Perfektion der Gruberova ganz zu erreichen, aber (dafür) immer ein Mensch.


    Und all' die anderen! :jubel: :jubel: :jubel:


    Unbedingt eine Aufnahme für die Insel!


    :hello: Gustav

  • Und nun etwas anderes:



    Hans Erich Pfitzner (* 5. Mai 1869 in Moskau; † 22. Mai 1949 in Salzburg)




    Die 3 Cello- Konzerte spannen einen großen Bogen. Das 1. (a-moll) ist noch ein Jugendwerk von 1888, das 2. in G-Dur von 1935 und das letzte wieder in a-moll von 1943. Damit hat man die Möglichkeit einen interessanten Überblick über die Phasen des kompositorische Schaffen Pfitzners zu erhalten. Zunächst ist das Solo - Instrument noch sehr in die Orchesterlinie eingebunden und befreit sich erst später in den nachfolgenden Werken daraus.


    Gerade das 3. Konzert ist IMO äußerst faszinierend. Eine schwebende, fast körperlose Linie ist es, die das Cello beschreibt. Selten ist es fassbar, sozusagen mit der Erde verbunden. Rückwärts gewandt ist die Musik (sicher auch in kompositorischer Hinsicht), sie hat kaum eine Verbindung in die Gegenwart hinein, ist Erinnerung, Beschwörung vergangener Tage.


    Natürlich ist Pfitzner (extrem) problematisch und einige Äußerungen von ihm von nach dem Kriege sind schlichtweg :kotz:.


    Trotzdem finde ich seine Musik sehr berührend und gerade auch in dieser Aufnahme sehr persönlich - und menschlich.


    Geringas spielt das alles mit einem äußerst sensiblen und gefühlvollen Ausdruck und wird sehr zurückhaltend von den Bambergern unter Werner Andreas Albert begleitet.


    Ein, wie ich finde, zu Unrecht kaum gespielter Komponist, woran er allerdings selber ein gerüttelt Maß an Schuld trägt.


    :hello: Gustav

  • Gerade gekauft, reingehört und nun schon hier:



    Berta Geissmar, Edwin Fischer, Georg Kulenkampff, Paul Hindemith feiern Furtwänglers 47. Geburtstag im Januar 1933.


    Paul Hindemith (* 16. November 1895 in Hanau; † 28. Dezember 1963 in Frankfurt am Main)


    Ende der 50iger Jahre dirigierte Hindemith sich selber:


    + Konzert für Orchester op. 38
    + Konzertmusik op. 49 für Klavier, Blechbläser und Harfen
    + Symphonie "Mathis der Maler"
    + Symphonische Tänze
    + Thema und Variationen "Die vier Temperamente"
    + Symphonische Metamorphosen nach einem Thema von Weber
    + Ballet - Ouvertüre "Amor und Psyche"
    + Symphonie "Die Harmonie der Welt"
    + Interview


    Um es vorweg zu nehmen, ist ja eigentlich klar: Ich bin total begeistert.


    Hindemeith ist kein Komponist, mit dem ich mich bisher besonders beschäftigt hätte. Das wird sich nun ändern, dank dieser CD-Box. Es mag bei den einzelnen Werken bessere Interprationen geben, das kann ich mangels Vergleich nicht beurteilen. Aber es erscheint mir eine wunderbare Möglichkeit zu sein, den Komponisten in wirklich exzellenten, auch klanglich guten, Interpretationen kennenzulernen, vor allem, da die vorgestellten Werke einen guten Überblick über seine verschiedenen Kompositionsepochen geben. Angefangen mit dem op.38, dass für mich eine grandiose musikalische Epochenbeschreibung der zwanziger Jahre ist, hin bis zur späten "Harmonie der Welt" aus seinen letzten Lebensjahren.


    Hindemith hatte sich als Motto seines Dirigierens auf die Fahnen geschrieben, die Werke möglichst selber sprechen zu lassen, ohne sie durch zu subjektive Interpretationen zu entstellen. (Wie er auf die Wiedergaben seiner Werke durch Furtwängler reagierte, ist mir leider nicht bekannt.)


    So ist diese CD-Box ein wunderbarer Einstieg in die Welt Hindemiths und sie macht Lust auf mehr. Versprochen!


    :hello: Gustav

  • Von Hindemith wieder zu Furtwängler, passt ja irgendwie.



    Ludwig van Beethoven


    5. Sinfonie, Berliner Philharmoniker, 30.06.1943
    7. Sinfonie, Berliner Philharmoniker, 03.11.1943


    Am 30.01.1944 wurde die alte Berliner Philharmonie durch Luftangriffe zerstört. Bis dahin fanden die Konzerte unter teilweise lebensgefährlichen Bedingungen statt. Während der Aufführungen gab es Luftalarm und das Publikum musste die angrenzenden Luftschutzeinrichtungen aufsuchen, um danach dem Konzert weiter zu folgen.


    Aber nicht nur deshalb zwei Interpretationen "in extremis". Furtwänglers Berliner Kriegsaufnahmen atmen ja alle dieses "in letzter Sekunde". Hier wird Beethoven bis zum Zerreißen aufgeladen mit Emotion. Kein Tempo ist so, dass Furtwängler es nicht noch breiter oder schneller nehmen könnte, deine Dynamik so, das es nicht noch leiser oder eben lauter gehen könnte. Und so fort. Hier dirigiert ein Künstler, als gehe es um alles. Und es ging eben auch um alles. Es war aber nicht nur die äußere Situation, die ihn meines Erachtens zu diesen extremen Positionen drängte, sondern auch dass Bewusstsein, dass die von ihm über alles geliebte musikalische Tradition nicht gegen die Barbarei bestehen könnte.


    Politisch hochgradig naiv war er ja der Meinung gewesen, durch seine Kunst Schlimmeres verhüten zu können und die Kunst, sprich die Musik, unbeschadet durch diese Zeit hindurchführen zu können. In diesen Kriegsaufnahmen wird nun deutlich, dass auch in ihm das Bewusstsein reifte, dass das ein tragischer Trugschluss gewesen war.


    So verstehe ich diese Interpretationen als ein letztes, verzweifeltes Aufbäumen, ein letztes Mal dem Hörer mit aller "Gewalt" vorführen wollen, dass Hitler nicht die Antwort bleiben dürfe, dass Kultur über Barbarei triumphieren müsse.


    Besonders deutlich wird dies in der 5. Sinfonie, die mit einem so rasenden Finale schließt, als wolle er alles Zerstörerische von dannen fegen.


    Keine HIP-Aufnahme, kein Schönklang, purer Existenzkampf.


    :hello: Gustav

  • Ja, Kathleen Ferrier ist wunderbar, auch Christa Ludwig, aber MEINE absolute Favoritin unter den tiefen Frauenstimmen ist Janet Baker. Bei der EMI gibt es eine 5 CD-Box, die Aufschluss gibt, was das für eine grandiose Sängerin war. Besonders wesentlich ist die CD mit Mahlers Orchesterliedern und die "Sea Pictures" von Elgar, beides mit John Barbirolli. Ganz toll sind auch das "Lied von der Erde" und Verdis Requiem, beide mit George Szell, aber beide zur Zeit nicht auf dem Markt.


    Einen großen Platz in meinem Musikherzen hat auch Peter Anders. Besonders liebe ich seinen Salzburger Tamino von 1941 (gibt es bei Cantus-Lin, aber die Tonqualität ist schlecht). Das ist ein wirklicher junger Mann und kein Hänfling! Und schön singt er, man versteht jedes Wort

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer

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