Tradition Kapellmeister eine Errungenschaft? oder nur gestrige Nostalgie?

  • Definitionen und theoretische Erörterungen über den "Kapellmeister", dieses Phaenomen, "deutsch" aber deshalb noch lange nicht als "nationalistisch" abzutun, sind sicherlich sehr komplex und schwierig. Mir liegt dieses Thema am Herzen, weil ich den Kapellmeister als eine Art Sachwalter in uneigennütziger Art und Weise sehe. Ich werde konkret, um mit Namen von Dirigenten, die ich selbst gehört habe oder von der Platte kenne, diesen Begriff zu füllen. Mit 16 Jahren habe ich Schmidt-Isserstedt zum ersten Mal erlebt. Unpraetentiös, kein eitles Gehabe, klar und schnörkellos und mit vollem Engagement. Ich erinnere mich an seine Pastorale, die ich kurz darauf mit Cluytens und den Berliner Philharmonikern im Radio hörte. Das war nicht nur eine völlig andere Interpretation die da aus dem Äther erklang, nicht schlechter oder besser, aber eher gewebt und duftig und nicht so angepackt wie "Schmisserstedt" das tat. Für mich damals allerdings auch nicht so packend und überzeugend. Sawallisch war auch in Hamburg, zur damaligen Zeit Chef der Philharmon. Konzerte des Opernorchesters (Leopold Ludwig war Opernchef). Ihn habe ich damals nicht mit diesem klaren Zugriff erlebt (wie Isserstedt). ....später auf Platten eher, denn er hat ja durchaus auch einen geerdeten Interpretationsstil. Falls dieses Thema interessant ist, so komliziert es wegen dem damit verbundenen (subjektiv sicherlich sehr unterschiedlich) "Klischee" auch sein mag, würden mich andere Meinungen sehr interessieren. Ich erinnere mich an den Ausspruch einer älteren Konzertbesucherin, als Isserstedt mit einem jungen aufstrebendem Pianisten musizierte. Sie sagte : "wenn der junge Mann abhebt, bringt ihn Isserstedt wieder runter." Da es so schwierig ist sich diesem "Kapellmeister-Phaenmen" zu nähern, schmeiße ich einfach mal ein paar Namen aus Vergangenheit und Gegenwart hin, die meiner Meinung nach diese Kriterien erfüllen. Abendroth, Busch, Keilberth, Konwitschny, Schuricht, Bongartz, Leitner, Ludwig, Stein,............ Welser-Möst, Zagrossek, Gielen, Metzmacher, Marc
    Albrecht, Sebatian Weigle, .......


    Es grüßt "Titan"

  • Zitat

    Original von Titan
    Definitionen und theoretische Erörterungen über den "Kapellmeister", dieses Phaenomen, "deutsch" aber deshalb noch lange nicht als "nationalistisch" abzutun, sind sicherlich sehr komplex und schwierig. Mir liegt dieses Thema am Herzen, weil ich den Kapellmeister als eine Art Sachwalter in uneigennütziger Art und Weise sehe. Ich werde konkret, um mit Namen von Dirigenten, die ich selbst gehört habe oder von der Platte kenne, diesen Begriff zu füllen. Mit 16 Jahren habe ich Schmidt-Isserstedt zum ersten Mal erlebt. Unpraetentiös, kein eitles Gehabe, klar und schnörkellos und mit vollem Engagement. Ich erinnere mich an seine Pastorale, die ich kurz darauf mit Cluytens und den Berliner Philharmonikern im Radio hörte. Das war nicht nur eine völlig andere Interpretation die da aus dem Äther erklang, nicht schlechter oder besser, aber eher gewebt und duftig und nicht so angepackt wie "Schmisserstedt" das tat. Für mich damals allerdings auch nicht so packend und überzeugend. Sawallisch war auch in Hamburg, zur damaligen Zeit Chef der Philharmon. Konzerte des Opernorchesters (Leopold Ludwig war Opernchef). Ihn habe ich damals nicht mit diesem klaren Zugriff erlebt (wie Isserstedt). ....später auf Platten eher, denn er hat ja durchaus auch einen geerdeten Interpretationsstil. Falls dieses Thema interessant ist, so komliziert es wegen dem damit verbundenen (subjektiv sicherlich sehr unterschiedlich) "Klischee" auch sein mag, würden mich andere Meinungen sehr interessieren. Ich erinnere mich an den Ausspruch einer älteren Konzertbesucherin, als Isserstedt mit einem jungen aufstrebendem Pianisten musizierte. Sie sagte : "wenn der junge Mann abhebt, bringt ihn Isserstedt wieder runter." Da es so schwierig ist sich diesem "Kapellmeister-Phaenmen" zu nähern, schmeiße ich einfach mal ein paar Namen aus Vergangenheit und Gegenwart hin, die meiner Meinung nach diese Kriterien erfüllen. Abendroth, Busch, Keilberth, Konwitschny, Schuricht, Bongartz, Leitner, Ludwig, Stein,............ Welser-Möst, Zagrossek, Gielen, Metzmacher, Marc
    Albrecht, Sebatian Weigle, .......


    Es grüßt "Titan"


    Liebe Taminoeaner/innen
    Einen Monat nach Eröffnung dieses THREADs durch meine Wenigkeit....
    bin ich eben beim Lesesen eines Artikels über die Radioausstrahlung (WDR) vom Barbier von Bagadad (Cornelius) am morgigen Sonntag, auf den Namen eines für mich besonders wichtigen "Kapellmeisters" Deutscher Tradition gest0ßen: auf
    Ferdinand LEITNER


    Gibt es jemand, der LEITNER noch im Konzert/Oper (LIVE) gehört hat?


    Ich hab ihn nur einmal in Zürich (am Tag des Einmarsches der Russen in Prag) mit der Zauberflöte gehört.


    "Kapellmeister" ist zwar ein "Deutscher Begriff"...aber ihn gab es bereits VOR dem tausendjährigen Reich.......und löst zwar vielleicht auch (ob bewußt oder unbewußt) in uns nationale/nationalistische Phantasien oder gar Ängste und Vorurteile aus.
    Trotzdem ist er meines Erachtens eine kulturspezifische Bezeichnung, die für mich einen Stellenwert bezüglich einer werkgetreuen, handwerklich hervorragenden Interpretation (vorallem) des Deutschen Repertoirs beinhaltet.


    Ich mag halt auch viele dieser Selbstdarsteller in Sachen Musik nicht, was nicht heißt, daß Subjektivität für ein Dirigat verpönt sein soll.


    Wenn wir Keilberth und Busch einerseits....und Furtwängler, sowie Clemens Krauss, andererseits vergleichen.......dann mag zwischen diesen "Kapellmeistern" Deutscher Tradition zwar bereits ein gewaltiger Unterschied bestehen...........
    doch würde ich als Priorität bei allen Vieren die Verpflichtung dem Werk zu dienen, als glaubwürdig bezeichnen.....auch wenn die Erstgenannten viel uneitler ihre Arbeit verrichtet zu haben scheinen als die doch mehr egozentrisch ausgerichteten Herren Furtwängler und Krauss.


    Ohne Dirigenten anderer kultureller Prägung als "Scharlatane" und primär als Selbstdarsteller bezichtigen zu wollen....so ist es doch nicht nur ihre andere Herkunft oder Temperament............welches Anlaß gibt über ihre Selbstbverliebtheit/bezogenheit nachzudenken.


    Primär dem Werk dienenden inneren Ausrichtung, in relativ uneitler Weise, sehe ich bei Dirigenten wie Jurowski junior, Michael Tilsson Thomas (früher), Kent Nagano, Riccardo Muti, Roberto Benzi, auch bz.T. bei Karajan und Bernstein NICHT !!!! Natürlich gibt es "Selbsrdarsteller", die musikalisch durchaus ihre Meriten haben. ABER ist manchmal die Grenze nicht überschritten.(?) So sehr ich Bernstein schätze, gibt es auch Interpretationenbei denen ich das Gefühl habe, mehr Berstein als die Eigengesetzlichkeiten der Partitur zu hören. (Beispiel: Mozart große Messe, "Titan" (1. Mahler" aus Amsterdam und Tschaikowsky Pathetique, auch "die Schöpfung"). Bei HvK könnte ich bei späten Aufnahmen auch einige Beispiele finden.


    Es gehr also um FLIESSENDE ÜBERGÄNGE zwischen werktreuer, uneitler Interpretation, die durchaus ihre ganz subjektiven Meriten haben kann, einerseits.....und Interpretationen, bei denen die selbstdarstellerische Interpretation zu weit gehen kann und das Werk "benutzt" wird um die eigene Genialität zu demonstrieren. (was nicht immer ganz "bewußt" sein muß)


    Ich würde mich über Beiträge zum Phaenotypus des Kapellmeisters (im positiven, wie negativen Sinne) sehr freuen


    Gruß....."Titan"



  • Liebe Taminoeaner/innen


    Von Abendroth, Ackermann, Albert (Herbert u. Rudolf)
    Brückner-Rüggeberg, Böhm, von Benda, Blech, Bongartz
    bis Zanotelli


    gibt es ein Phaenomen der musikalisachen Ausrichtung, Ausbildung und Auffassung, das in dem Begriff KAPELLMEISTER seinen Ausdruck findet.


    Gibt es jemand auf dem TAMINO-Forum, für den dieses Phaenomen des KAPELLMEISTERs (noch) einen Stellenwert hat???


    In meiner Auseinandersetzung mit mir, dem Stellenwert den die Musik für mich hat,.... dem, WAS mich in Punkto Klassische Musik seit Ende der fünfziger Jahre mehr oder weniger bewußt geprägt hat.....welchen Stellenwert und auch welchen Veränderungen in fünfzig Jahren kulturspezifische Phaenomene, wie z.b. die Musiktradion im deutschsprachigen Raum unterliegt....
    und in dieser Tradition von Bach bis Henze, existiert meines Erachtens unverändert dieser Phaenotypus eines Dirigenten in einer ganz eigenen Tradition in unserem Kulturkreis, den ich als eine Art (relativ) uneigennützigen Sachwalter (Diener der Musik) im Sinne einer Verpflichtung dem kompositorischen WERK gegenüber sehe und verstehe.


    Dirigenten von Gierster über Eichhorn, Wallat, Horst Stein, Hans Schmidt-Isserstedt, Arthur Rother, Clemenss Krauss, Bruno Seidler-Winkler, Wilhelm Schüchter, Schuricht, Georg-Ludwig Jochum, Münchinger, Hans Müller-Kray, Karl Ristenpart, Fritz Rieger, Heinz Bongartz, Winfried Zillig, Steiner, Tennstedt, Rudolf Moralt, Otto Matzerath, Leopold Ludwig, Fritz Lehmann bis zu Zender, Prick, S.Weigle, Hofstetter, Meister etc....


    Sind wir in unsererm Kulturverständnis und (Er)Leben von Musik immer mehr bei der Konserve gelandet...gibt es den Bezug und das Erlebnis vor Ort mit dem städtischen Orchester und dem Staatsorchester immer weniger?
    Hat das vor Ort erlebte Kulturereignis oder das LIVE-Erlebnis im Opernhaus oder Konzertsaal der weiteren Umgebung dermaßen an Stellenwert verloren....daß auch der Bezug zum vermittelnden Künstler zunehmend verloren geht.
    Die Kapellmeistertradition hat nichts mit Untertangeist sondern mit dem Versuch der sich der Werktreue zu verschreiben zu tun.


    Oh holde Kunst....................................
    und nicht
    "schaut her ich bins" (der große Künstler)


    Gruß.............................."Titan"



  • Lieber Tanoeaner/innen


    Rudolf M O R A L T, geboren 1902 in München, gestorben 1958 im Alter von 56 Jahren an einem Herzinfarkt.
    Diesem Dirigenten verdanken wir den
    ersten(!) kompletten RING
    1948/49 gab es diesen per Radio-Übertragung aus dem großen Sendesaal der Wiener Ravag. Bei MYTHO ist dieser RING erschienen und bis heute für mich eine der wichtigsten Gesamteinspielungen dieses Zyklus'.
    Ähnlich wie der fast gleichaltrige Karajan 4 Jahre später in Bayreuth, erreicht Moralt eine unglaubliche Souverenität an Klarheit und transparenter Dramatik
    Zupackend aber niemals die Sänger zudeckend, klingt seine RING -Interpretation.
    Das Gleiche gilt auch für seine SALOME mit Walburga Wegner und Josef Metternich.
    Dieser uneitle Dirigierstil, ganz im positiven Sinne der Deutschen Kapellmeistertradition, kommt besonders seinem
    DON GIOVANNI zu Gute.
    Transparenz, rhytmische Präzesion und vorallem eine nie nachlassende Spannung zeichnen MORALTs geniales Dirigat aus.
    Das Ensemble war mit George London, Hilde Zadek, Sena Jurinac und Leopold Simoneau gerade zu ideal besetzt...... ich habe kaum je wieder ein so spannnendes und gut klingendes Ensemble (Schluß 2. Akt!!!) gehört.


    Wagner, Mozart und R. Strauss sind meine Lieblings-Opernkomponisten und Rudolf MORALT in bester Kapellmeistertradition für alle DREI ein genialer Sachwalter und Interpret.
    WARUM taucht er auch auf TAMINO ( fast? ) nicht mehr auf.
    Ist er noch ein Begriff?


    Gruß........................"Titan"

  • Ich gehe die Sache mal etwas anders an. Verstehen wir unter "Kapellmeister" nicht eigentlich eher eine Funktion als jenen "geerdeten" Dirigierstil, der bis jetzt in diesem Thread im Mittelpunkt steht?
    Für mich ist ein Kapellmeister ein Dirigent, der regelmäßig mit einem bestimmten, "seinem" Orchester arbeitet, vor allem an einem Opernhaus. Beispiele hierfür wären natürlich "Schmisserstedt" (50er) und Ludwig (60er) in Hamburg, aber auch Kertesz (70er) in Köln oder Sawallisch (80er/90er) in München. Nun waren diese Herren gleichzeitig auch GMD, und da kommt die Nostalgie ins Spiel. Wer heute in Deutschland an einem großen Haus GMD ist, ist international bereits so gefragt, dass er am eigenen Haus, wenn es ganz hoch 'rauskommt, 40 Abende dirigiert. Zudem stürzt er sich in der Regel ausschließlich auf das spätromantische Repertoire, hier und da erweitert um die klassische Moderne und die Wiener Klassik. Um das Orchester zu betreuen und weiterzuführen - gerade auch in den anderen, nicht unwesentlichen Bereichen des Repertoires -, braucht es dann einen oder zwei gute zweite Männer, die auch das Sängerensemble im Blick haben, die Entwicklung einzelner Sänger und Orchestersolisten begleiten, in Besetzungsfragen zu Rate gezogen werden usw. Diese Funktion wird heute häufig nicht mehr wahrgenommen. Das Ergebnis ist häufig: Verfall.
    Ich versuche es mal am Beispiel zu erklären: Die Kölner Oper. Nach dem Zerwürfnis zwischen Ex-Ex-Intendant Krämer und EX-GMD Conlon war das Orchester lange führerlos. Seit vier Jahren heißt der GMD Markus Stenz, der im Bereich der deutschen Sinfonik und der musikalischen Avantgarde m.E. gut mit dem Orchester arbeitet und in anderen Bereichen auch für ordentliche Gastdirigenten sorgt. Er dirigiert in der Regel drei Neuproduktionen an der Oper, dazu zwei "Ringe". Ansonsten gibt es nur Gastdirigenten. In dieser Spielzeit dirigiert er von Mitte Oktober bis Ostern keine Vorstellung am Haus. Opernensemble und-orchester werden also nicht kontinuierlich geführt. Das Ergebnis kann man leider sehr deutlich hören und sehen.


    Man braucht den Kapellmeister! Er wird gebraucht, der kompetente Musiker, der die Alltagsarbeit macht, auch mal einem Sänger am Klavier was zeigt wie "Früher". Als positives Beispiel nenne ich mal die Deutsche Oper am Rhein, wo neben dem GMD (der jetzt übrigens Axel Kober heißt und lange selber "Kapellmeister" war) stets zwei Kapellmeister in Lohn und Brot sind. Besonders das Sängerensemble profitiert enorm davon. Die Ensembles in Düsseldorf und Köln kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen, zu groß ist der Unterschied (wofür es auch noch andere Gründe geben mag). Die Düsseldorfer Symphoniker, eigentlich nicht so gut wie das Gürzenich Orchester, spielen in der Oper zur Zeit besser.
    Also, zahlt sich "Kapellmeister-kontinuität" vielleicht heute auch noch aus?

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer

  • Zitat

    Original von Grillparzer
    Ich gehe die Sache mal etwas anders an. Verstehen wir unter "Kapellmeister" nicht eigentlich eher eine Funktion als jenen "geerdeten" Dirigierstil, der bis jetzt in diesem Thread im Mittelpunkt steht?
    Für mich ist ein Kapellmeister ein Dirigent, der regelmäßig mit einem bestimmten, "seinem" Orchester arbeitet, vor allem an einem Opernhaus. Beispiele hierfür wären natürlich "Schmisserstedt" (50er) und Ludwig (60er) in Hamburg, aber auch Kertesz (70er) in Köln oder Sawallisch (80er/90er) in München. Nun waren diese Herren gleichzeitig auch GMD, und da kommt die Nostalgie ins Spiel. Wer heute in Deutschland an einem großen Haus GMD ist, ist international bereits so gefragt, dass er am eigenen Haus, wenn es ganz hoch 'rauskommt, 40 Abende dirigiert.
    Seit vier Jahren heißt der GMD Markus Stenz, der im Bereich der deutschen Sinfonik und der musikalischen Avantgarde m.E. gut mit dem Orchester arbeitet und in anderen Bereichen auch für ordentliche Gastdirigenten sorgt. Er dirigiert in der Regel drei Neuproduktionen an der Oper, dazu zwei "Ringe". Ansonsten gibt es nur Gastdirigenten. In dieser Spielzeit dirigiert er von Mitte Oktober bis Ostern keine Vorstellung am Haus. Opernensemble und-orchester werden also nicht kontinuierlich geführt. Das Ergebnis kann man leider sehr deutlich hören und sehen.


    Man braucht den Kapellmeister! Er wird gebraucht, der kompetente Musiker, der die Alltagsarbeit macht, auch mal einem Sänger am Klavier was zeigt wie "Früher". Als positives Beispiel nenne ich mal die Deutsche Oper am Rhein, wo neben dem GMD (der jetzt übrigens Axel Kober heißt und lange selber "Kapellmeister" war) stets zwei Kapellmeister in Lohn und Brot sind. Besonders das Sängerensemble profitiert enorm davon. Die Ensembles in Düsseldorf und Köln kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen, zu groß ist der Unterschied (wofür es auch noch andere Gründe geben mag). Die Düsseldorfer Symphoniker, eigentlich nicht so gut wie das Gürzenich Orchester, spielen in der Oper zur Zeit besser.
    Also, zahlt sich "Kapellmeister-kontinuität" vielleicht heute auch noch aus?


    Hallo Grillparzer,
    Dein Ansatz bezüglich der geerdeten Funktion des Kapellmeisters, seiner Kontinuität in der Arbeit mit dem Orchester...und vorallem auch seiner "Zeitlichen Präsenz",
    sehe ich auch so....und dieser der Realität und Vernunft verpflichtete Ansatzpunkt, scheint mir die passende Ergänzung zu meinen Beiträgen zu diesem Thema zu sein.


    Ein nostalgisches, wie auch philosophisches Moment (da wirds dann subjektiver und manchmal auch unklarer) teibt mich bei diesem Thema wohl an.


    Es ist zwar schwer zu fassen dieses Phaenomen des KAPELLMEISTERs..........aber machts das nicht gerade interessant, in einer Zeit des JET-Set, wo eine Sängerelite und auch Dirigentenelite weltweit herumgereicht wird und sich ja doch von der Tendenz her (vorallem)ein "internationaler" Gesangsstil entwickelt hat, der in etlichen Punkten den Kriterien der unterschiedlichen traditionellen Gesangsstile der Deutschen, Italienischen und Französischen OPER nicht mehr gerecht wird. ????
    Ich habe vor einigen Monaten mit Cluytens von 1950 einen "Hoffmann" (Offenbach) gehört und "Perlenfischer" mit Rosenthal (von 1947?) Nicht nur diesen ganz eigenen französischen Gesangsstil habe ich bewundert, den es in dieser Art nicht mehr gibt...sondern auch die Dirigate entsprachen einem "französischen Idiom", das man nur noch vereinzelt antrifft. (z.B. vor 2 Jahren bei LES TROYENs unter Plasson, hatte ich das große Glück....dafür fehlte es dem Gesang in vielerelei Hinsicht an diesem speziellen Gesangsstil und Gesangskultur der französischen Tradition.


    Zurück zum "Deutschen Kapellmeister"


    Ich nehme mal Dirigenten, die durch regelmäßige Anwesenheit und kontinuierliche Arbeit mit dem Orchester einen verläßlichen Job verrichten. In der Frankfurter Oper war das bis vor einem Jahr CARIGNAGNI und davor CAMBRELING, in Dresden war es jetzt LUISI, in München z.Zt. Kent Nagano und davor Zubin Mehta.
    Ich bin zwar Laie und "nur" Musikliebhaber......aber die Kriterien die sie als GMD erfüllen, scheinen mir trotzdem nicht identisch mit denen des "Kapellmeisters", bzw kompatibel zu sein. Da alle genannten Dirigenten keine Deutschen Dirigenten sind, stimmt mich das einerseits nachdenklich, hat aber bei mir ganz sicher keinen "nationalüberhöhten" Hintergrund.
    ALSO: Die Assoziationen, die sich durch meine Beschreibung von Dirigenten wie Moralt, Isserstedt, Busch(!)......beim Lesen ergeben haben könnten, passen zB. auch zu Keilberth, Leitner oder jungen Dirigenten wie Meister (Heidelberg) und Kober (Düsseldorf). Ich glaube. daß die unbestechliche Akribie als Diener des Werkes eine besondere Rolle spielt. Damit zusammenhängend passt zum Deutschen Opern-Repertoire ein Charakter-Phaenomen, das vorallem als Synthese von (Spech)-Gesang und sinfonischem Part einer anderen Schwerpunktsetzung unterliegt, als z.B. die italienische Oper. Die Stretta braucht sicherlich auch die Disziplin des Dirigenten, doch scheint sie mir einen anderen Stellenwert zu haben und rangiert vielleicht hinter Emotion, Temperament, etc . Bei den Opern von Mozarts Figaro, Beethovens Fidelio, Webers Freischütz, Marschners Hans Heiling, den Opern der beiden großen RICHARDs, Pfitzners Palestrina, Alban Bergs Wozzeck u. Lulu, Hindemiths Mathis, Reimanns "Lear", Henzes Prinz von Homburg, oder B.A. Zimmermanns "Soldaten", geht es nicht nur anders zu als beim Rigoletto, der Boheme, dem Barbier, der Carmen oder dem Werther........sondern gilt es zum Opernstoff adäquat zur kompositorisch-musikalischen Diktion der genannten Komponisten, ein Moment von Ernsthaftigkeit und humanistischer, teils idealistischer Attitüde, auf dem Hintergrund einer philosophischen und literarischen Tradition des Deutschsprachigen Raumes umzusetzen.
    Geht das ohne "die Mutter der Kompanie" und den "Feldwebel, "???
    Ist der "Kapellmeister" nicht auch ein Begriff der Eigenschaften wie Verläßlichkeit und Fürsorglichkeit neben Kompetenz und natürlich gewachsener Autorität in sich vereint.
    Kann es aus genannten Gründen mit eine Rolle spielen, daß ich mit GMDs wie Nagano, Carignagni, Mehta, etc mich schwer tue ihnen
    den Titel "K A P E L L M E I S T E R" zu verleihen.???


    Gruß......................."Titan"

  • Zitat

    Kann es aus genannten Gründen mit eine Rolle spielen, daß ich mit GMDs wie Nagano, Carignagni, Mehta, etc mich schwer tue ihnen
    den Titel "K A P E L L M E I S T E R" zu verleihen.???


    Sie sind eben keine! A) aus den von dir genannten Gründen, wobei ich ihnen nicht die Seriösität absprechen will, die Carignagnis Dirigat etwa im italienischen Fach und Naganos Arbeit an der Moderne ja durchaus durchziehen, aber sie sind auch das halbe Jahr woanders unterwegs, und ein Mehta hat dem Müchner Orchester nun nicht gerade seinen Stempel aufgedrückt, oder?
    Und - das mit dem Idealismus gefällt mir gut, das von nationalen Kultur geprägte Element, das gehört vielleicht dazu. Deswegen hören wir Debussy gerne von einem Franzosen oder Mussorgskij gerne von einem Russen dirigiert, glaube ich. (Und ich Dvorak so gerne von Kubelik, den Prinzen in Rusalka gesungen am allerliebsten von Ivo Zidek und Janacek am liebsten dirigiert von Vaclav Neumann)


    Grüße
    Grillparzer

    Der Jugendtraum der Erde ist geträumt
    Grillparzer
    Macht nix!
    grillparzer