Kultur und Gesellschaft

  • Liebe Foristen und Leser,


    wäre es nach eurer Vorstellung denkbar, dass die Konzerthäuser der großen Städte, wie Wien, München, Frankfurt, Berlin etc. mindestens ein Mal im Jahr eine Konzertveranstaltung geben, damit auch die finanziell Minderbemittelten - kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Schüler aus Arbeiterfamilien, Harz4-Empfänger - die Möglichkeit haben, hochkarätige Kultur zu erleben? - Der Eintrittspreis sollte gratis sein, die Konzertbesucher müssten entsprechenden Nachweis über ihre finanzielle Lage erbringen.
    Ich denke dabei an die Stadt München, die ja schon seit geraumer Zeit an den Sonntagen ihre Museen und Schlösser bei freiem Eintritt belässt, zu Gunsten eben dieser Gesellschaftsgruppe. - Allerdings muss man dort keinen Nachweis erbringen.
    Die Vorteile für die Konzertbesucher liegen auf der Hand: Finanziell Minderbemittelte können wenigstens ein Mal im Jahr am kulturellen Leben der Stadt teilnehmen. -
    Die Finanzierung des Konzertes müsste aus einem besonderen Fundus erfolgen. -
    Wie seht ihr die Dinge?


    Verregnete Grüße aus München,


    Melisma :hello:

  • Hallo Melisma,


    in Anbetracht der Tatsache, dass in dieser brave new world die Klassengrenzen vor allem nach unten immer durchlässiger werden, ist dein Vorschlag grundsätzlich zu begrüßen.
    Jedoch sollte kein Nachweis über die Bedürftigkeit erbracht werden müssen, denn als ALG II - Bezieher, bzw. als sonstiger Empfänger staaltlicher Transferleistungen, muss man eh schon oft genugl die Hosen runterlassen und das Hemd heben.


    Unter Weglassung der Bedürftigkeitsprüfung wäre die ganze Aktion nicht nur eine nette Geste gegenüber zwei Drittel unserer Gesellschaft, sondern auch ein deutliches Zeichen gegen die Entbildung bzw. Idiotisierung unserer Gesellschaft als Ganzes.


    Die Finanzierung dürfte einem Boomland wie Bayern keine Probleme bereiten, denn wenn man Milliarden in der Landesbank versenken kann, sollte ein Bruchteil von dem doch auch für die Kultur da sein.


    Eine Bedürftigkeitsprüfung dagegen fände ich angebracht, wenn die entsprechenden Menschen zu dem in ihren staatlichen Transverleistungen für vorgesehen Betrag am regulären Konzertleben teilnehmen könnten. Wenn mich nicht alles täuscht, sind diesbezüglich für einen ALG II - Bezieher 0,75 EUR pro Monat vorgesehen.


    Viele Grüße aus der vereisten Oberpfalz
    John Doe

  • Hier in Hannover gibt es m.W. eine Art Hartz IV-Karte, die dazu berechtigt, Karten fürs Staatstheater für 4€ zu erwerben.
    Ich finde das ausgesprochen begrüßenswert und würde mich freuen, wenn das Angebot stärker genutzt würde.
    Denn es gibt gerade in diesen Zeiten, wo viele Hochqualifizierte gerade aus dem Kulturbereich immer wieder mal in prekären Verhältnissen leben, eine auseinanderklaffende Schere bei den Rezipienten von Hochkultur.
    Platt und zugespitzt gesagt: Immer mehr Parvenus mit hohem finanziellen und geringem kulturellen Kapital hocken im Theater und Konzert - und mengenmäßig werden das nicht mehr, wenn es auch Musicals und Ähnliches gibt.
    Dem steht die Schwierigkeit der Nachwuchsarbeit gegenüber. Verarmte Eltern können ihre Blagen nicht ins Theater schicken, selbst, wenn die Schule vergünstigte Karten erwirbt. Mit einer Hartz-Karte ginge das.
    Allerdings sehe ich eine gewisse Gefahr der Stigmatisierung. "Alle zahlen 12, aber der Kevin kriegt`s für vier, weil seine Mama nix verdient!"

  • Zitat

    Original von Alberich
    Allerdings sehe ich eine gewisse Gefahr der Stigmatisierung. "Alle zahlen 12, aber der Kevin kriegt`s für vier, weil seine Mama nix verdient!"


    Ja. Oder 95% der Klassikhörer sind 'plötzlich' Hartz-IV-Empfänger...


    :beatnik:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Ulli


    Ja. Oder 95% der Klassikhörer sind 'plötzlich' Hartz-IV-Empfänger...


    :beatnik:


    Wenn's mal so leicht wäre.
    Vielleicht stiftet der Erfinder der gleichnamigen Armut ja mal einen Konzertsaal. :D

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  • Vielen Dank für die Beiträge! - Der Idealfall wäre freilich, auf die Ehrlichkeit der Konzertbesucher zu setzen und den Eintritt ins Opernhaus oder den Konzertsaal - ohne Überprüfung - zum Null-Tarif anzubieten. - Wer aber wird dann das Haus füllen? - Wahrscheinlich nicht diejenigen, für die das Konzert bestimmt war, sondern die Leute in der Abendrobe oder im Pelzmantel. :yes:
    Ja, eine gute Idee, was Hannover sich hat einfallen lassen. Es sollte Schule machen! - Um die Stigmatisierung zu vermeiden, könnte man vielleicht das ganze Jahr über ein Kontingent für die finanz. Minderbemittelten zurück legen. - Werden die Karten nicht an die Richtigen verkauft, dann sollten sie zum normal teuren Preis an die "Reichen" weiter gegeben werden. -
    Wäre das vorstellbar?


    Musikalische Abendgrüße,


    Melisma :hello:

  • Ich habe mal nachgefragt.
    Es ist so, dass die 4€-Karten am Vortag der Veranstaltung erworben werden können, falls es noch welche gibt. Und zwar nur, wenn man den ALG II-Bescheid vorlegen kann.
    Also alles nicht ganz so rosig, aber immerhin!

  • Rolf Liebermann hat als Intendant in den 80iger Jahren den 3. und 4. Rang der Hamburgischen Staatsoper für 4,- bzw. 8,- DM verkaufen lassen, egal ob Domingo oder Lieschen Müller sang! Man glaube doch nicht, dass deswegen eine nennenswerte Anzahl von damals noch Sozialhilfeempfängern diese Ränge bevölkert hätte.


    Gleiches gilt für die staatlichen Museen in Hamburg. Der Eintritt ist für Schüler bis 18 Jahre frei. Der Ansturm dieser Gruppe ist nicht gerade überwältigend.


    Meine Schüler aus einem sozial extrem schwachen Gebiet haben keinen Euro über, wenn es um eine Bücherhallenkarte geht (Was für Kommentare habe ich da schon hören müssen.) Wenn es um einen Ausflug in einen Vergnügungspark geht - ca 20 - 25 € - ist das Geld sofort am nächsten Tag da. Von allen!!!


    Ich glaube es geht gar nicht so sehr um das Geld, sondern um den fehlenden Stellenwert von Kultur in weiten Teilen (nicht nur HartzIV-Empfänger) der Bevölkerung.


    Übrigens finde ich abwertende Bemerkungen zu Abendgarderobenträgern und Personen mit gutem Einkommen, was ihr kulturelles Bewusstsein angeht, langsam ein wenig überflüssig und äußerst vorurteilsbeladen. Dummheit und Eitelkeiten gibts es überall, unabhängig vom Geldbeutel oder vom Sitzplatz in der Oper.


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von Gustav
    Ich glaube es geht gar nicht so sehr um das Geld, sondern um den fehlenden Stellenwert von Kultur in weiten Teilen (nicht nur HartzIV-Empfänger) der Bevölkerung.


    Gut gesagt! Hört, hört!
    Und ja: Nicht nur die Armen und Ärmsten.


    Zitat

    Original von Gustav
    Übrigens finde ich abwertende Bemerkungen zu Abendgarderobenträgern und Personen mit gutem Einkommen, was ihr kulturelles Bewusstsein angeht, langsam ein wenig überflüssig und äußerst vorurteilsbeladen. Dummheit und Eitelkeiten gibts es überall, unabhängig vom Geldbeutel oder vom Sitzplatz in der Oper.


    Auch das kann man nur unterstreichen.
    Tendenziell stelle ich allerdings eher fest, daß die "besseren" Schichten dann doch mehr für Kultur übrig haben (eine ganz persönliche Erfahrung, kein unumstößliches Faktum), vielleicht auch bedingt durch das Elternhaus und die oftmals bessere Bildung.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Alberich
    Vielleicht stiftet der Erfinder der gleichnamigen Armut ja mal einen Konzertsaal. :D


    Vielleicht erstmal das PHO (Peter-Hartz-Orchester) - es gibt sicher genügend Hatz-IV-empfangende Instumentalisten, die man dort unterbringen könnte.


    :beatnik:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

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  • Zitat

    Original von Gustav... Man glaube doch nicht, dass deswegen eine nennenswerte Anzahl von damals noch Sozialhilfeempfängern diese Ränge bevölkert hätte.


    Ich weiss nicht, was sie in den achtzigern gemacht haben, aber heute sitzen sie vor der Glotze und gucken "Deutschland sucht den Superstar" !


    Nein, ich denke nicht, dass ein solche Aktion eine nennenswerte Anzahl von wirklich unterprivilegierten Mitbürgern in die Konzertsääle spülen würde. Realistisch betracht ist das nun einmal nicht ihr Programm. Ketzerische Frage: wieviele dieser Leute sehen sich regelmäßig das Programm auf arte oder 3sat an. Beide sind mit den Rundfunkgebühren frei erhältlich und bieten an manchen Tagen sehr interessante Konzerte, Operm, et.


    Viele Grüße, Bernd

  • Zitat

    Original von Gustav
    Ich glaube es geht gar nicht so sehr um das Geld, sondern um den fehlenden Stellenwert von Kultur in weiten Teilen (nicht nur HartzIV-Empfänger) der Bevölkerung.


    Übrigens finde ich abwertende Bemerkungen zu Abendgarderobenträgern und Personen mit gutem Einkommen, was ihr kulturelles Bewusstsein angeht, langsam ein wenig überflüssig und äußerst vorurteilsbeladen. Dummheit und Eitelkeiten gibts es überall, unabhängig vom Geldbeutel oder vom Sitzplatz in der Oper.


    :hello: Gustav


    Völlig d'accord, daher schrub ich auch über kulturell Interessiertere, die zuweilen auf Hartz landen.
    Dennoch sollte man die "Bildungsfernen" nicht a priori aufgeben.
    Und was die Klientel betrifft, wo viel Geld sich mit wenig Bildung zu einem...naja...Sitzwärmer im Zwirn vermählt, sind wir wohl offtopic.

  • Zitat

    Dennoch sollte man die "Bildungsfernen" nicht a priori aufgeben.


    Völlig richtig. Dafür müsste aber erstmal wieder gewährleistet werden, dass es, z.B. in Hamburg einen durchgehenden Musik- und Kunstunterricht bis in die höheren Klassen geben würde. Hier hat die Politik verdammt noch mal einen erheblichen Nachholbedarf.


    Außerdem müsste Kultur auch in den Medien wieder einen anderen Stellenwert bekommen, v.a. in ARD und ZDF (wobei meine Schüler gerne von CDF sprechen, weil sie den Sender gar nicht kennen). Man vergleiche nur einmal die Anzahl der Kultursendungen mit der Anzahl der Kochshows u.Ä.


    :hello: Gustav

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  • Die Zahl der Museumsbesucher ist seither in München gestiegen, hieß es.
    Ich denke, die Eltern sollten die Gunst der Stunde nutzen und MIT ihren Kindern diese Konzerte besuchen. - Und zwar in der Zeit VOR der Pubertät!


    Melisma :hello:

  • Zitat

    Original von Melisma
    Ich denke, die Eltern sollten die Gunst der Stunde nutzen und MIT ihren Kindern diese Konzerte besuchen. - Und zwar in der Zeit VOR der Pubertät!


    Theoretisch ein guter Vorschlag.
    Aber wir diskutieren hier bei Tamino im Kreise kulturell interessierter Menschen.
    Wir sind eine Minderheit, wenn auch keine unbedeutende. Die Mehrheit der Leute hat kein Interesse an (Klassik-)Konzerten und wird auch seinen Nachwuchs nicht dazu animieren.


    Da zitiere ich immer wieder gern einen Klassiker von Schiller:


    "Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn,
    Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen."


    :pfeif:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich schliesse mich jenen an, die da einerseits meinen, daß es eine sehr einseitige Betrachtung ist, Leute in Abendroben zu verunglimpfen und als "Parvenues" darzustellen, die nichts von Musik verstünden.
    Diese Leute waren ja seit Jahren all jenen ein Dorn im Auge, die ger deren Geld hätten - aber es nun mal nicht haben.


    Ferner vertrete ich auch den Standpunkt, daß es noch nie so günstig war CDs zu erwerben - und auch Konzerte zu besuchen - es müssen ja nicht gerade die Wiener Philharmoniker sein.


    Vielleicht sollte man sich aber auch fragen, was die Spitzengaben von "Weltklasse" Opernsängern rechtfertigt.


    Keine Leistung der Welt (von Medizinern mal abgesehen) darf mehr kosten als mit ihr real einzuspielen ist.


    Ferner bin ich der Meinung, daß man nicht "Bedürftige" kulturell unterstützt - sondern dafür sorgt, daß es weniger Bedürftige gibt - also zwangsweise Arbeitsplätze schafft und Konzerne entmachtet, die ihre Profite gezielt aus der geplanten Arbeitslosigkeit weiter Teile der Bevölkerung erzielt (Es gibt ein Wirtschaftsmodell, wo BEWUSST Arbeitslose gezüchtet werden, die als zweite Garnitur in Bereitschaft gehalten wird um die Lohnforderuingen der ersten (arbeitenden) Garnitur zu beschränken.
    Wer weiß wie rigid ich dieses Forum leite kann sich vorstellen wie rigide ich meine Vorstellungen durchsetzten würde.
    Verbot von Leiharbeit, Hohe Zölle auf Waren von Firmen die in Billigländern fertigen, Arbeitslosenabgaben von Firmen die Produktionen auslagern in Milliardenhöhe. Rigorose Einschränkung von Teilzeitarbeit.
    35 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich. Oh da fiele mir vieles ein - und auch wie man "Umgehungen" bestraft.


    Aber ich schweife ab.


    Generell kann gesagt werden, daß der Anteil an klassischer Musik in der Regel bei 2-4 % liegt - in einzelnen Städten bis zu 10 % (angeblich ist Wien eine solche Stadt, aber das glaube ich nicht wirklich)


    Wer sich einen Computer leisten will, der leistet ihn sich in der Regel - egal wie angespannt seine finanzielle Lage ist - oder nicht.
    Bei klassischer Musik jedoch stellt sich die Lage so dar, daß nur wenige Leute - auch gutverdienende dafür Geld ausgeben wollen, da hat die Kneipe ums Eck eben die besseren Karten.


    Würde man Billigkarten an Bedürftige vergeben so wäre bald ein schwunghafter Handel in gang - und wir alle könnten die 4 Euro Karten um 8 Euro am grauen Markt erwerben - Billiger als 100 Euro ansonst - auch nicht schlecht......


    Wenn ich mich erinnere gibt es in den meisten Häusern Stehplätze - Jugendabonnements und was dergleichen mehr ist.


    Der Stellenwert der klassischen Musik ist im Vergelich zu anderen Vergnügungen gering - siehe unser Forum, das es in 5 Jahren nicht mal auf 1000 aktive Mitglieder gebracht hat.


    Als Automobllfanforum hätten wir 5000-20000 Mitglieder.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Man wird es kaum glauben, aber ich bin gegen noch weitere Vergünstigungen per Gesetzt. Auch Kulturbetriebe müssen von irgendetwas leben. Oper, Philharmonie und Museum sind notwendigerweise hoch subventionierte Betriebe. Eine Stehplatzkarte in der Kölner Philharmonie kostet in etwa das, was eine Kinokarte kostet.


    Und in Köln ist man nicht so unfreundlich wie in Wien oder München: wenn der Saal nicht ausverkauft ist, leiten einen die Philharmoniemitarbeiter zu Sitzplätzen, die noch frei sind. Das WDR-Orchester gibt zuweilen Gratis-Konzerte. Es war noch nie so einfach, sich -wo denn der Wille besteht- Kultur anzueignen. Es gibt Bibliotheken, in den man Bücher lesen und leihen kann. Mann kann dort auch CD's hören (gratis) und leihen (gegen Gebühr).


    Wer Bildung will, der bekommt sie hierzulande. Und zwar von wohlfeil bis zum Nulltarif.


    Es kann doch nicht sein, daß die Kulturbetriebe den Leuten den Nämlichen quasi als Zwangsbeglücker hinterhertragen. Die Leute müssen ganz einfach Prioritäten setzen: 10 EURO für eine Kinokarte oder für eine Stehplatzkarte in der Kölner Philharmonie.


    Ich weiß ja nicht, wie es in Wien oder München aussieht, in Köln wird niemand, der Kultur will, von der Kultur ausgeschlossen.


    Man bedenke bitte, was das denn für ein Signal wäre: kein privatwirtschaftlicher Kulturanbieter (Kino, Varieté, Musical etc) bietet Sozialrabatte (außer nach wirtschaftlicher Übereinkunft mit den jeweiligen Kommunen). Im Gegenteil: Nach einer Kinovorführung hat man erst einmal Probleme, über die liegengebliebene Popcornreste aus den Reihen zu stapfen. Kinobesuch=Eintritt plus die Summe xx für Popcorn, Cola, Pizza vom übelsten von allen, dem Pizzahut etc., sorry, und da soll ein Konzert für ömmesönst....??? Nee, ich wüsste nicht, warum!


    Ein bisschen was muss schon jeder tun. Und ich rede jetzt nur von Städten, wo ich's kenne, aber in Köln, Berlin, Dortmund, Essen, Weimar und Jena muss niemand, der es wirklich will, draußen vor bleiben.


    Sorry, liebe Melisma, keine gute Idee.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:


    PS: Wie ich gerade lese bin ich mit Alfred vollständig einer Meinung!!!

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ja, gut, Thomas! - Das Thema sollte ja nur einmal zum Nachdenken anregen, mehr nicht! - Ich meinte alleine den Opern- oder KonzertBESUCH, nicht die Möglichkeit des Musikhörens in den öffentlichen Bibliotheken. - Letztere sind freilich wertvolle Einrichtungen, die jeder nutzen kann.


    OT-Frage an Alfred Schmidt: Warum sollen Telzeitarbeitstellen "rigoros eingeschränkt" werden? - Gerade sie ermöglichen es all jenen, die sich für den Spagat zwischen Beruf und Familie entschieden haben, mit einem Fuß im Berufsleben zu bleiben!


    Freundliche Grüße,


    Melisma :hello:

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  • Ich wollte das Thema auch nicht abwürgen, liebe Melisma, sehe die Umsetzung aber auch entsprechend problematisch.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Ich lese gerade zufällig, dass Sebastian Hartmann (Intendant Leipzig) fordert, Theater generell kostenlos zur Verfügung zu stellen. Er geht also noch einen Schritt weiter.
    Freilich steckt bei Hartmann kein Gutmenschentum dahinter, sondern künstlerische Erwägungen.
    Tolle Idee, aber wie schon geschrieben wurde, wäre das wohl der Untergang der freien Theater. Und eine Monokultur kann man a auch nicht wollen.
    Trotzdem interessant, wie unterschiedlich auch die Kulturschaffenden an das Problem herangehen.

  • Hallo Melisma,


    Eine klassische Teilzeitarbeit in merry old Germany ist der 400.- EUR - Job, bei dem der Arbeitgeber nur zusätzliche 100.- EUR an die Sozialkassen abführen muss, der Arbeitnehmer gar nichts mehr.


    Jetzt kommen natürlich so findige Arbeitgeber auf die Idee, eine Vollzeitstelle in mehrere Teilzeitstellen zu zerlegen, womit sie den Anteil der Lohnnebenkosten von gut 40% auf 20% absenken, wobei einzig und allein der Arbeitnehmer leittragend ist, fehlt es ihm doch dann an Beiträgen zur Renten- und Arbeitslosenversicherung.


    Desweiteren kommt dann der ein oder andere Arbeitgeber dann auch auf die geniale Idee, einen als Teilzeitkraft anzumelden, ihn aber Vollzeit zu beschäftigen. Die Differenz in der Entlohnung wird dann schwarz ausbezahlt. Langfristig gerollt ist natürlich wieder der Arbeitnehmer, weil er in o.g. Versicherungen wieder Beitragsdefizite hat.


    Praktiziert wird die erst- und zweitgenannte Praxis vor allem im Dienstleistungssektor: Einzelhandel, Gastronomie, Hotelerie, Personenbeförderungsbranche, Friseure, Altenpflege und was sonst noch alles so dafür geeignet ist.


    Diese Sachen sind - obwohl Usus - kein Kavalliersdelikt und auch keine Ordnungswidrigkeit, sondern Straftaten, die in der Regel vom Zoll teilweise mit Großrazzien geahndet werden.


    Wenn Alfred also sagt, Teilzeitarbeit gehört rigoros eingeschränkt, dann pflichte ich ihm völlig bei, denn eine Einschränkung heißt nicht Verbot, sondern nur eine konsequent richtige Anwendung derselbigen.


    Ansonsten schließe ich mich der Aussage Leo Trotzkis selig an, der gesagt hat, dass für Fehlkalkulationen sog. Kleinkapitalisten weder Staat, noch Gesellschaft und schon gleich gar nicht die Belegschaft verantwortlich gemacht werden kann.


    Nichtdestotrotz würde es mich aber auch von Alfred interessieren, wie sich diese Sache in Austria felix verhält.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Zitat

    dass Sebastian Hartmann (Intendant Leipzig) fordert, Theater generell kostenlos zur Verfügung zu stellen.


    Meines Erachtens die sinnvollste Lösung, denn es geht um Kultur und Kultur ist Allgemeingut, Kultur ist aber auch Wurzel und Herkunft, Kultur ist auch Identifikation. Und mit Verlaub, mir ist jeder von hinten lieber, der auf Kultur stolz ist, als auf die technischen und militärischen Leistungen seiner Altvorderen.


    Außerdem gibt es auch noch ein schönes Beispiel aus der Geschichte:
    Das antike Stadtstaat Athen hat es sich geleistet den Theaterbesuch vorzuschreiben und für ihn auch noch zu bezahlen, also den Besuchern Geld dafür zu geben.
    Warum sollte es also eine der führenden Industrie- und Kulturnationen dieser Welt nicht schaffen, diesbezüglich eine ihrer Kultur würdige Lösung zu finden, wenn sogar das eisenzeitliche Athen mit seiner demokratisch-oligarchischen Sklavenhaltergesellschaft sogar noch einen Schritt weiter gegangen ist?


    Viele Grüße
    John Doe

  • Ja! DAS wär's noch! - Die Theaterbesucher zur Kultur zu verpflichten und ihnen dann zum Dank ein Honorar zu geben! :D
    Wie muss das Alte Athen dies finanziert haben?


    Ja, John Doe, zum Thema Teilzeitbeschäftigung: bei Missbrauch muss sowas freilich geahndet werden. - Aber aus Sicht derjenigen, die sich eine solche bewusst aussuchen, um z.B. im Beruf zu bleiben und nicht von gestern zu sein, ist eine Teilzeitbeschäftigung nur zu begrüßen.


    Prima la musica e dopo le parole! ;)


    Melisma :hello:


    P.S. Thomas, nein! Habe deinen Beitrag nicht als "abwürgend" aufgefasst! :)

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  • Zitat

    Original von John Doe


    [quote]Meines Erachtens die sinnvollste Lösung, denn es geht um Kultur und Kultur ist Allgemeingut...


    Ich befürchte, das wäre gerade nicht die sinnvollste Lösung. Ich stelle immer wieder fest, dass das, was es umsonst gibt, im Bewusstsein der Menschen auch keinen Wert besitzt. Wir leben halt in einer kapitalistischen Gesellschaft.


    :hello: Gustav

  • Hallo Melisma,


    wie genau die Finanzierung des Athener Theaterbetriebes in der Antike war, weiß ich nicht, ich weiß aber, dass sie parallel dazu noch den Ausbau der Akropolis und den Krieg gegen die Perser finanziert haben und diesbezüglich sehr erfolgreich waren, denn letzterer war ein großer Abwehrkampf, an dessen Ende keine persischen Reparationen gestanden sind.
    Auf jeden Fall hat diese antike Kulturpolitik der Welt so einiges an bleibenden Werten hinterlassen, wie z.B. die ganzen Tragödien von Sophokles und die durchaus noch immer lustigen Kommödien von Aristophanes.
    Getragen wurde die ganze Sache wohl von der Athener Bürgerschaft, die sich damit voll identifiziert hat.


    Hallo Gustav,


    Kunst und Kultur lassen sich ihrem Wesen nach nicht mit dem Kapitalismus vereinbaren, genausowenig, wie übrigens Gesundheit und das Leben als solches, welcher übrigens jeder umsonst erhält.


    Wende ich nämlich die ehernen Gesetze des Kapitalismus, die Gesetze von Angebot und Nachfrage auf Kunst und Kultur an, wende ich die Gesetze des arbeitenden Kapitals, die Gesetze der Profitmaximierung darauf an, dann wirds bloß noch bizarr, dann ist Beethovens Egmont mehr wert, als das gleichnahmige Stück von Goethe, zu dem es als Bühnenmusik geschrieben worden ist. Aber auch bloß die Ouvertüre versteht sich. Und Mozarts Zauberflöte ist mehr wert, als sein Idomeneo und Händels Messias mehr als sein Julius Caesar.


    Dieses kapitalistische Gebaren führt doch letztendlich zu dieser Verödung der Kulturlandschaft, die besonders im Bereich der klassischen Musik gar wunderbar wahrzunehmen ist:
    Mozarts Violinkonzerte gibt es in Hülle und Fülle, derweil Viotti, der für das klassische Violinkonzert das war, was Mozart fürs Klavierkonzert war, brach liegt. Oder das VK von Beethoven und die von Spohr.


    Freie Marktwirtschaft als Quintessenz des Kapitalismus und Kultur vertragen sich nun einmal nicht, da bleibt viel zu viel auf der Strecke!


    Wenn du sagst,

    Zitat

    dass das, was es umsonst gibt, im Bewusstsein der Menschen auch keinen Wert besitzt.

    dann hast du prinzipiell schon recht, aber dem könnte doch jederzeit dadurch abgeholfen werden, dass Kultur im öffentlichen Raum wieder propagiert wird. Bedenke doch bitte, welcher Mist heutzutage via Medien an den Mann, bzw. an die Frau bzw. an die Jugendlichen gebracht wird. Ich erinnere diesbezüglich nur an diese bescheuerte "Du bist Deutschland"-Kampagne dieser neoliberalen Initiative für eine neue soziale Marktwirtschaft oder dieses pausenlose Zugedröhne mit Reformnotwendigkeiten, die sich bis dato nur dadurch ausgezeichnet haben, dass sie das Rad für den sozialen Fortschritt nicht vorwärts sondern de facto um einige Jahrzehnte rückwärts gedreht haben. Und die ein gehöriger Teil der Bevölkerung auch noch geschluckt hat.


    Das Öffnen der Theater und Kozerthäuser für jeden wäre eine echte Reform, die auf jeden Fall auch mit einer echten Reform des Bildungswesens einhergehen müsste, müssten doch die Bildungsinstitute endlich auch wieder Bildung und nicht nur Wissen vermitteln. Genauso, wie sie mit einer Reform der Eigenwahrnehmung, des Begriffes Nation und Kontinent einhergehen müsste.


    Finanzierbar wäre sowohl aus dem bestehenden System heraus durch Einsparungen z.B. beim Eurofighter und bei den neuen Transport Airbussen für die Bundesluftwaffe: 10% weniger von dem Zeug und schon hätte man weit über 1 Mrd. EUR für dieses Projekt zur Verfügung oder 10% aus dem Bankenrettungsfond, da köbnnte man die Konzert- und Theaterbesucher sogar noch bewirten wie im alten Athen


    Oder man macht wirklich eine Reform, einen Systemwechsel und läßt Staat und Gesellschaft nicht mehr durch menschliche Arbeit sondern durch Arbeit absolut finanzieren, also durch die Produktivität, dann wären die Kassen auch wieder mehr als voll. Aber das gehört sich da jetzt nicht mehr her.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:


  • Zitat

    Wenn du sagst,
    dass das, was es umsonst gibt, im Bewusstsein der Menschen auch keinen Wert besitzt.
    dann hast du prinzipiell schon recht, aber dem könnte doch jederzeit dadurch abgeholfen werden, dass Kultur im öffentlichen Raum wieder propagiert wird.


    Lieber John Doe!


    Da gebe ich dir absolut recht. Natürlich darf Kultur u.Ä. nicht den kapitalistischen Markgesetzen unterliegen, natürlich brauchen wie mehr kulturelles Bewusstsein und auch wirkliche Bildung. Natürlich muss das massiv gefördert werden. Ich befürchte nur, "...die Verhältnisse, die sind nicht so." Eine kapitalistische Denkweise hat sich eben schon wie ein Krebsgeschwür in die Köpfe der meisten Menschen hineingefressen. Nicht, dass man damit irgendwie glücklich und zufrieden wäre, aber es gibt ja genügend Möglichkeiten, sich seinen Frust "wegzudröhnen", ohne dass man einmal bereit wäre, Hand an die Ursachen zu legen.


    Ich befürchte und da bin ich ganz Kulturpessimist, dass es irgendwelche Reformen in dieser Richtung nicht geben wird, da in einer globalisierten Welt der kritisch denkende und gebildete Mensch nicht nur überflüssig sonder durchaus auch gefährlich und daher unerwünscht ist. Wer würde denn sonst all den überflüssigen Quatsch kaufen.


    Bei jeder Bildungsreform geht es immer nur um eine verstärkte Aneignung von Wissen (was übrigens auch dringend notwendig ist). Den wunderbaren Satz: "Nicht für die Schule, für's Leben lernen wir." wird nun wunderbar abgewandelt in "Nicht für die Schule, für den Beruf lernen wir.". Kultur im weitesten Sinne und speziell klasische Muswik interessiert dabei nur noch als Standortfaktor, als Sahnehäubchen, um eine Region interessant zumachen, nicht aber als eine existenzielle Notwendigkeit. "Ich höre klassische Musik oder Ähnliches, also bin ich", wird wohl nur noch von ein paar "Deppen" oder "Dinosauriern" wie uns vertreten.


    :( Eigentlich wollte ich das alte Jahr gar nicht so frustiert beenden. Hoffe wir, dass das Neue Jahr meinen ganzen Sermon widerlegt. :D


    Guten Rutsch


    :hello: Gustav