Beethoven-Sinfonien - - Sergiu Celibidache - Suche nach Perfektion

  • Ein weiterer Thread, der sich Beethovens Sinfonien widmen will, diesmal unter Sergiu Celibidache mit den Münchner Philharmonikern. Es ist meines Wissen kein ganzer Zyklus vorhanden, nur einge Einzelveröffentlichungen, Dennoch genug Material um sich ein (Klang) bild zu machen.
    Wie bekannt, hat Celi, der eigenwillige Maestro und gewissermassen "Antikarajan" (den er mit "Coca Cola" verglich) sich zu Lebzeiten der Veröffentlichung von Aufnahmen, die er dirigiert hat mit Erfolg widersetzt. Gegner meinen, weil er die Konkurrenz gefürchtet habe - er selbst argumentierte völlig anders. Er meinte, die Getränkeuntersetzer (gemeint war die CD) würden sein Werk zerstören, der Zauber des Klange könne sich nur live entfalten, Musik liesse sich nur live hören, das was er als Gesamtklang erarbeite sei nicht konservierbar.
    Seine Konzerte in München waren gut besucht, er war eine schillernde Persönlichkeit die polarisierte. Manche meinten, er dirigiere an den Werken vorbei - und sei hierin wenigstens Karajan ähnlich.


    Ich habe mir immer die Frage gestellt, ob Celis Aussage stimme, daß sein Zauber nicht auf CD festzuhalten sei.
    Als ich das erste Mal eine Aufnahme mit ihm hörte (es war Beethovens 4.) wurde mir bewusst, daß er Unrecht hatte - zumindest dann, wenn man seine Livemitschnitte aus München über (erstklassige) Kopfhörer hört.
    Im Moment - wärhrend ich diesen Beitrag schreibe höre ich Beethovens 5., die ich vor ca einer Stunde in der Einspielung unter David Zinman gehört habe. Welch ein Unterschied !!!


    Mir geht es bei diesen Threads nicht darum, festzustellen welche der Aufnahmen besser, oder gar die Beste sei, sondern, darum sich einen Eindruck zu verschaffen, welche Unterschiede überhaupt vorhanden sind, und welche subjektiven Eindrücke dabei entstehen.


    Celibidache wurde immer wieder vorgeworfen, er verschleppe, oder zerdehne gewisse Werke . aber das stimmt meiner Meinung nach nicht,
    Er lässt den Klang aufblühen und erreicht teilweise "Spannung durch Langsamkeit" Der Klang der Münchner Philharmoniker bei der fünften (andere Aufnahmen werden auch noch besprochen) Sinfonie op 67 ist geradezu blühend und unübertroffen schön, aber Celi kanns wenn nötig auch fanfarenhaft schneidend werden lassen, wenns angebracht ist.
    Nie versucht er Spannung durch forciertes Twempo zu erzielen - im Gegenteil. Der Brucknerdirigent Celibidache ist auch bei Beethovens 5. stets präsent. Wenngleich diese monumentale (und trotztdem gut durchhörbare) Aufnahme stets majestätisch und wuchtig daherkommt, so ist eine latente Spannung unüberhörbar. Mit Karl Böhm (den Celi nicht mochte, aber wenn mochte erschon ?) teilt er übrigens eine einzige Eigenart: Seine Lesart hat zeitweise einen triumphierend, strahlenden Ton. Allerdings fehlt das tänzerische von Böhm, Celi ist wesentlich strenger - und das bei voller Klangschönheit. Stellen, wo ander Dirigenten glauben, mit Tempo punkten zu müssen, gestaltet Celi eindrucksvoll, durchdringend. Die Piano-Stellen setzt er in perfektem Kontrast zu den manchmal strengen und lauten Stellen, in diesen Momenten entwickelt sich der Klang zu überirdischer Schönheit.




    Zu meiner Überraschung dürfte es diese Aufnahme derzeit nur im Rahmen einer 10 CDs umfassenden Kassette geben, einzeln scheint sie nicht erhältlich zu sein, die Tonträgerindustrei weiß offenbar wie man Käufer abschreckt.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Offenbar gibt es die Einzelaufnahmen z. T. wirklich nur noch gebraucht, hier eine kleine Auflistung, was es überhaupt von Celibidache an Beethoven-Symphonien gibt bzw. gab:



    II & IV



    III



    IV & V



    VI



    VII & VIII



    IX


    Gibt also scheinbar jede außer die 1. Symphonie, und die 4. muß man sich wohl oder übel doppelt kaufen. :no:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    ...
    Celibidache wurde immer wieder vorgeworfen, er verschleppe, oder zerdehne gewisse Werke . aber das stimmt meiner Meinung nach nicht,
    Er lässt den Klang aufblühen und erreicht teilweise "Spannung durch Langsamkeit"
    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred


    Tut mir leid, Alfred, das kann ich persönlich so nicht stehen lassen. Ich habe Celis 9. in den 80ern (oder Anfang der 90er) in München live gehört und war nur entsetzt. Damals war Beethovens 9. "meine" Sinfonie und ich war total entsetzt, als er die in dem Konzert auf über eineinhalb Stunden regelrecht breitgeklopft hat.


    Ich hatte damals zwar in erster Linie die gängigsten HIPianer im Ohr (Hogwood, Norrington), aber selbst wenn man dies relativiert war Celis Konzert eine echte Qual. Auch wenn Celi eher sich selber interpretiert als das Werk ... nee, das passte überhaupt nicht zusammen. Dieses Konzert hat meine Sympathie für Celibidache sehr nachhaltig (negativ) beeinflußt.


    Edit: Allerdings kenne ich die entsprechende CD nicht...

  • Ich glaube, wenn man aus der HIP Szene komm, dann tut man sich mit "breiten" Tempi relativ schwer, ach dann, wenn man noch relativ jaunf ist, oder ein hektisches Temperament hat.
    Ich erinnere mich, wie zäh ich Klemperers Tempi in meiner Jugend empfand, und wie wenig ich das heute tute. Ein unter Dauerspannung stehender Norrington macht mich regelrecht nervös, weniger bei Beethoven - der das verträgt, als bei anderen Komponisten.


    Aber es nischt der Sinn dieser Threadserie "Überzeugungsarbeit" zu leisten - in die eine oder die andere Richtung, sondern subjektive Eindrücke zu schildern, gelesenes zu bestätigen oder zu verwerfen (was Du ja in aller Form getan hast)


    Was mich noch interessieren würde: Wie war denn die ALLGEMEINE Reaktion des Publikums ? Eher ablehnend, lasch, freundlich oder begeistert ?


    Die neunte Beethoven unter Celi habe ich übrigens auch nicht in der Sammlung....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Guten Morgen Alfred,
    in gewissen Sinne geb ich Dir recht ... die damalige HIP-
    Szene hatte einem erst vollkommen neue Töne "ins Ohr gesetzt" und vielleicht war mein Ohr auch schon in gewissem Sinne"versaut" :pfeif: Aber letztendlich gehts doch auch um die immer wieder aufs neue gestellte Frage der Werktreue - zumindest halbwegs. Und auch wenn man sicher keinen allgemein gültigen Maßstab ansetzen kann, so war doch das, was Maestro Celibidache hier bot, (für mich!) jenseits von allem Genießbaren. Das passte in keiner Art und Weise...


    Das Münchner Publikum huldigt meist recht kritiklos ihren Göttern (über Celi hab ich nie ein kritisches Wort gehört) und insofern geh ich davon aus, dass die Reaktion des Publkums eher eine wohlwollende war (Ist aber zu lange her, um mich daran zu erinnern).


    Grüße aus dem gaaanz leicht weißen München
    Thomas

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