Beethoven-Sinfonien - - David Zinman - Ritter vom Metronom ?

  • Liebe Forianer, liebe Beethovenfreunde


    Mit diesem Thread beginnt eine neue Serie über das Thema Beethoven Sinfonien, welche als langfristiges Projekt geplant ist, soll heißen es wird vermutlich Phasen des Interesses und des Desinteresses geben- auf lange Sicht sollte das kein Thema sein


    Diese Serie wird jeweils die Interpretation eines bestimmten Dirigenten der Beethoven Sinfonien beleuchten, wobei wir uns nich nur auf "berühmte" Einspielungen beschränken wollen Es können, bzw sollen subjektive Eindrücke berichtet werden. Es ist weder nötig, daß ein ganzer Zyklus unter dem genannten Dirigenten existiert, noch daß man ihn komplett gehört hat.


    Gesucht wird lediglich ein Bericht über eine bestimmte selbstgewählte Sinfonie aus einem Zyklus, oder Torso eines Zyklus heraus. Subjektivität ist durchaus erwünscht - Objektiv sind ohnedes die professionellen Kritiker (wers glaubt wird seelig)
    Es kann über Tempi, Grundstimmung, Eigenwilligkeiten,Orchesterklang, Tonqualität und vieles andere mehr geschrieben werden.....


    Ich beginne diese Seria nicht mit einem Zyklos von Karajan, Böhm oder einem anderen Pultstrategen, der schon quasi seit Menschengedenken als Beethoven-Ikone gilt, sondern mit einer Aussenseiteraufnahme zumindest war sie das ursprünglich.


    .


    (zwei Verpackungen - eine Aufnahme)



    Eigentlich war der Mißerfolg schon vorprogrammiert:
    Ein Billigpreislabel, ein (damals) eher unbekanntes Orchester (Tonhalle -Orchester -Zürich) im NICHT-HIP Sound , guter Dirigent, aber keine "Klassikikone" - zudem mit zwei oder drei Aufnahmen in relativer Zeitnähe in Konkurrenz, welche schon hochgelobt waren,
    schlechtere Gegebenheiten kann man sich kaum noch vorstellen.


    Dennoch wurde die Aufnahme relativ rasch bekannt, die Kritik überlub sich nur so von Begeisterung, ja sie wurde sogar gelegentlich als "Jahrhunderteirgnis" gefeiert - aber welch Aufnahme der Beethoven Sinfonien wird das eigentlich nicht ????


    Mein persönlicher Eindruck war beim Kauf ein anderer als er es heute ist . Ich besitze derzeit nur die Sinfonien Nr 5, 6, 7 und 8 aus diesem Zklus werde aber, sobald sich der Thread entwickelt einige Eindrücke dazu schildern


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wegen guter Kritiken hatte ich mir diese preiswerte GA seinerzeit auch zugelegt. Wie Alfred schon schrieb wurde Zinman als "Jahrhundertereignis" gefeiert.


    Was in Ordnung ist, ist die klangqualität, die das Tonlhalle Orchester Zürich präzise, räumlich und klar abbildet.
    Das Zinman sich den beethovenschen Metronom-Angaben nähert ist begrüßenswert. Aber das Ergebnis der Interpretation wirkt auf mich befremdend. Zu viele Eigenständigkeiten, als wolle er Beethoven "mal ganz modern" erklingen lassen, machen das Projekt zwar ganz interessant.
    Aber in der Praxis möchte dann doch meine Hör-Zeit lieber mit angenehmeren Beethoven-Aufnahmen nutzen.


    8) Ich muß ehrlich zugeben, dass das solche sind, durch die man von Anfang an geprägt wurde: Karajan - Solti - Szell - Bernstein, um nur einige zunennen.
    ;) Aber erfreulicherweise auch seit ein paar Tagen - Leibowitz.



    Seltsamerweise schätze ich Zinman´s Aufnahme vom Beethoven- Violinkonzert (ARTE) aber aufs Höchste.
    Meine Eindrücke liegen aber bei mir am Werk selbst, das mir in "normalen Aufnahmen" zu "klassisch nach fiedelndem VC" klingt. Hier wirkt die "Modernisierung" Zinman´s bei mir Wunder und ich finde es so umwerfend.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Ich besitze den Zyklus auch schon seit längerem und habe mir heute die fünfte wieder einmal angehört. Das ist schon rasant, was Zinman da abliefert. Im einleitenden Satz fand ich das straffe Dirigat auch durchaus interessant, in anderen Sätzen war es doch ein wenig zu zügig, ich hatte schon den Eindruck, dass es eine Spur langsamer vielleicht doch noch stimmiger gewesen wäre - man muss ja nicht gleich im Zeitlupentempo im Schönklang baden, allerdings auch nicht so rasch durch die Partitur stürmen, da bleibt sonst einiges unweigerlich auf der Strecke.

    Ich habe jedoch mehrfach gelesen hier im Forum, dass manche Musikfreunde die Aufnahmen mit Bausch und Bogen ablehnen, dass sie die Aufnahmen als kalt und seelenlos empfinden.

    Ganz so weit würde ich nicht gehen, ich denke schon, dass Zinman auch ein feines Gespür für den Empfindungsreichtum der Musik hat, auch in den langsamen Sätzen, indes ist er natürlich ein Getriebener, durch den unbarmherzigen Pulsschlag des Metronoms, und bisweilen hat man schon den Eindruck, er versucht hier die Quadratur des Kreises, indem er den Vorgaben folgt, aber dennoch versucht, irgendwie das Ganze nicht überhastet und kurzatmig erklingen zu lassen.

    Alles in allem ein durchaus hörenswerter, interessanter Ansatz, wiewohl ich dennoch in den meisten Fällen anderen Einspielungen den Vorzug geben würde -Barenboim, Leibowitz, Karajan-, um nur ein paar zu nennen.

  • Mir geht es so wie meinem geehrten Vorschreiber Don_Gaiferos. Auch ich habe mir die Gesamtausgabe seinerzeit zugelegt, war auch gespannt, was Zinman mit seinem Zürcher Orchester aufgenommen hat. Kurz gesagt, fand ich es - wieder wie der Don - in vielen schnellen Sätzen wie abgehetzt. Dennoch möchte auch ich die Einspielungen nicht in Bausch und Bogen ablehnen, halte sie im Gegenteil durchaus für Diskussionswürdig und wegen der guten Klangqualität auch nicht für die sprichwörtliche Tonne geeignet. Die beiden Karajan-Einspielungen (Mono aus den Fünfzigern und die aus den Sechzigern), halte ich für hörendwerter, wie auch Wand, Cluytens und Blomstedt. Wahrscheinlich bleibt Zinman in der Reihe von gefühlt hunderttausend Aufnahmen als ein Exot bestehen...


    :hello:

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    MUSIKWANDERER

  • Zwar habe ich nur 1-4 und 9 mit Zinman, aber die langsamen Sätze sind doch viel auffallender "schnell" als die schnellen, oder? Ich vermute, dass es für nahezu jeden "schnellen" Satz eine Aufnahme vor Zinman in ähnlichem oder schnelleren Tempo (Toscanini, Scherchen, Leibowitz, Norrington...) gab, aber bei einigen "langsamen", wie etwa dem adagio der 4. Sinf. wäre ich mir nicht so sicher. Allerdings ist inzwischen mit zahlreichen HIP-Aufnahmen oder anderweitig schnellen (Gielen, Järvi, Chailly) das insgesamt noch weniger ein Alleinstellungsmerkmal Zinmans. Eher sind das (aber auch das hatten evtl. schon andere HIPisten und noch mehr seither) die textuellen Unterschiede aufgrund der Del-Mar-Ausgabe, zumal Zinman hier anscheinend teilweise noch eigene Verzierungen hinzufügt, etwa in der Einleitung dem larghetto der 2. Sinfonie. Besonders auffällig ist etwas das Solostreichquartett am Beginn der Variationen im Eroica-Finale. Ich finde ungeachtet oder vielleich manchmal wegen der schnellen Tempi Zinman oft zu "leicht". (Irgendjemand schrieb mal dazu, es klänge oft eher nach Mendelssohn als nach Beethoven, das sei mal dahingestellt...)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)