Von Sachs bis Wotan: Friedrich Schorr

  • Kaum zu glauben: Es scheint noch keinen eigenen Thread über den deutsch-ungarischen Bassbariton Friedrich Schorr zu geben. Ihm möchte ich meinen 250. Beitrag widmen.



    Zitat

    Original von Wikipedia
    Friedrich Schorr (* 2. September 1888 [nach dem zuweilen schlampigen Cormoran-Kesting laut Angaben seines Bruders 1889, Anmerkung von Basti] in Großwardein, Österreich-Ungarn, heute: Oradea, Rumänien; † 14. August 1953 in Farmington) war ein ungarischer Bass-Bariton jüdischer Abstammung.


    Der Sohn des Kantors Mayer Schorr, der ebenfalls eine ausgezeichnete Baritonstimme besaß, studierte in Brünn und Wien und debütierte 1912 in der Rolle des Wotan in Graz, wo er bis 1916 sang. 1916-1918 sang er in Prag, 1918-1923 in Köln, 1923-1931 an der Staatsoper Unter den Linden, daneben 1923 und 1929-1936 an der Wiener Staatsoper, 1924-1933 in Covent Garden, 1924-1943 an der Metropolitan Opera, 1925-1931 trat er als Wotan, Wanderer, Hans Sachs und Fliegender Holländer bei den Bayreuther Festspielen auf. 1931 wurde Schorr in den USA sesshaft, nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an und widmete sich neben seinen zahlreichen Bühnenauftritten zunehmend pädagogischen Aufgaben. 1943 verabschiedete er sich als Wanderer von der Bühne, trat aber noch in Konzerten auf. 1943 wurde er Direktor der Manhattan School of Music in New York, später leitete er ein Studio für Operngesang an der Hartt School in Hartford (Connecticut), zudem inszenierte an der New York City Centre Opera Wagner-Opern.


    Schorr besaß eine mächtige, voluminöse Stimme, ohne der Versuchung des Brüllens zu verfallen. In späteren Jahren (ab etwa 1940) machten ihm jedoch die Höhen große Schwierigkeiten; das f' wurde nur noch mit Mühe erreicht. Einziges Manko sind vielleicht die zuweilen etwas gepresst klingende Tiefe und die nicht immer deutlichen Konsonanten ("von Morgen bis Abend", "gäbst, Freund, lieber mich frei").


    Seine Interpretationen gehören zu denen, bei denen man nur schwer erklären kann, warum sie einem gefallen. Als Wolfram etwa singt er mit wunderbar lyrisch-innigem Ton und flüssigem Legato.
    Sein Wotan (ich höre momentan einen "Rheingold"-Ausschnitt") ist eine mächtige Figur, die entschlossen und autoritär klingt. Sein Holländer verleiht der Dämonie und der Verzweiflung der Figur Ausdruck


    Schorrs Paraderolle war wohl der Hans Sachs, den er über 170-mal sang. Schorr sang Wagner und deklamierte ihn nicht. An seinem Sachs ist das exemplarisch zu hören. Den Fliedermonolog beginnt er breit strömend, ohne dabei jedoch lauter zu werden. Wie er einerseits die Bedeutung hinter jedem Wort zu zeigen vermag und andererseits z. B. in "Der Flieder war's: Johannisnacht! Nun aber kam Johannistag!" die Stimme mühelos, ohne glissando, erst gleichsam auf das e' setzt und dann mühelos auf das mittlere e fallen lässt- dafür hat der Engländer ein unübersetzbares Wort: "fine".
    Soweit ich weiß (Wikipedia weiß es offenbar besser ;)), sang Schorr den Schuster nie in Bayreuth- 1937, unter Toscanini, war das geplant, aber da Schorr bei den Proben das volle Aussingen der Partie umging, wurde er von Toscanini rausgeschmissen. Für ihn sprang Hans Hermann Nissen ein: nobel, aber ohne die zwingende, ja, melancholische Lesart Schorrs.


    Kurzum: Ein zentraler Sänger- und vielleicht der beste Wagner-Bassbariton, deren Stimme je eine Aufnahme zierte.


    :hello:

  • Friedrich Schorr war natürlich mehr als Sachs und Wotan.


    Es gibt von ihm Aufnahmen aus Fidelio(Pizarro), oder sehr


    schöne Arien aus der h-moll-Messe von Bach. Natürlich hat


    er auch sonst noch viele Openrollen gesungen, die nicht


    von Wagner sind.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Ich selbst bezweifle schon teilweise die Richtigkeit der Gesangstechnik von Schorr liegen, trotz der wohlklingenden Stimmpracht kriegte er schon Höhenproblem mit knapp 50(ungefähr in den Aufnahmen aus mitte der 30ern), während heutzutage manche Baritone in diesem Alter erst mit Heldenparten anzufangn wagen.


    die Aufnahme, die sein Spitznniveau repräsentieren, ist meinetwegen zweifellos die potted Ring aus 1927-1932 und Ausschnitte aus Meistersinger (aus ende der 20ern oder anfang der 30ern?)

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

    Einmal editiert, zuletzt von xingwang ()

  • Diese CD hatte ich heute bei 2**1 in der Hand (Preis ca. 3,-- €), aber nicht gekauft...



    Friedrich Schorr singt Wagner
    aus "Meistersinger" und "Der fliegende Holländer"


    Hänssler-Serie "Living Voices"
    Label: HV , ADD/m, 1927-1929


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Wie Herbert schon so richtig bemerkt hat, hat Friedrich Schorr nicht nur Wagner gesungen, obwohl die meisten uns erhaltenen Aufnahmen aus Wagner-Opern stammen.


    Umso besser ist es, dass die Fa. Preiser in ihrer Serie "Lebendige Vergangenheit" außer den diversen Wagner-CDs auch 2 gemischte Recitals herausgebracht hat:



    1) von Mozart, Beethoven, Weber, Meyerbeer, Wagner
    Mit E. Bettendorf, O. Helgers, M. Kurt
    Pre , AAD/m, 21/22


    2) von Bach, Haydn, Mendelssohn, Beethoven, Wagner, Schumann, Wolf, Schubert, Strauss, Wolf
    Pre , AAD/m, 22-32


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Vielleicht liegt es an der antiquierten Aufnahme-Qualität, aber irgendwie verstehe ich den Rummel um Schorr nicht so ganz. Ich kenne ihn in erster Linie von den Sachs-Auszügen. Umgehaut hat es mich ehrlich gesagt nicht. Sicher kein schlechter, vielmehr ein guter Sänger. Aber eine derartige Ausnahmestellung würde ich ihm nicht zuerkennen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Mir geht es genauso. Ich kann nicht nachvollziehen, warum Schorr diese Karriere hingelegt hat. Wenn ich frühe Holländer-Aufnahmen höre, dann fällt mir vor allem eine mangelnde Tiefe auf, bei den späteren Aufnahmen aus der Met eine relativ "steife" Stimmführung und eine Höhe, die mehr an Rufen als an Singen denken läßt.


    Zu seiner Zeit gab es doch viele viel bessere Sänger in seinem Fach.


    :hello:
    M.

  • Es gab gewiss vokal besser situierte (Nissen z.B.), ja. Aber Schorr sang mit einer Mischung aus Weisheit, Wissen und Melancholie, und das macht ihn so einzigartig. Er war ein Darsteller nicht durch Effekte, sondern durch Gefühle.


    :hello:

  • Heute vor 125 Jahren im damaligen k + k -Reich geboren:


    Friedrich Schorr (* 2. September 1888 in Nagyvárad, Österreich-Ungarn; † 14. August 1953 in Farmington) war ein österreichisch-amerikanischer Bass-Bariton.




    hier mit einem reinen Wagner-Programm auf 2 CDs von Sterling.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo,


    ich möchte zu Schorr auch etwas beitragen. Ich selbst wurde vor 20 Jahren durch eine Rundfunksendung Kestings auf ihn aufmerksam. KennerInnen mögen den einen oder anderen technischen Fehler in seinem Singen finden, aber:
    Schorr hatte eine echte Baßbaritonstimme von überragender Klangqualität. Sie hatte bassiges Fundament und eine balsamisch-baritonale Mittellage. Er sang und deklamierte nicht, wie hier schon gesagt wurde. Es gibt meines Erachtens im 20. Jahrhundert nur vier Kollegen, die ein vergleichbar attraktives Timbre hatten: Otto Edelmann, George London, Karl Ridderbusch und James Morris. Der Sachs von Schorr strahlte eine Klangpracht und poetische Wärme aus, die einzigartig ist. Schorrs Parade-Partien, Holländer, Sachs, Wotan, Amfortas, müssen heute entweder von überforderten Baritonen oder zu eindimensionalen Bässen interpretiert werden. Hand aufs Herz: Wer Schorrs Aufnahmen kennt: Wünscht hier irgendjemand Otto Wiener, Thomas Stewart, Norman Bailey, Donald McIntyre, John Tomlinson, Bernd Weikl, Robert Holl oder Alan Titus an dessen Stelle ? Allerdings hat Schorr den Fehler gemacht, in seiner Karriere zu schwere Partien zu früh zu singen, was zu schnellem "Stimmverbrauch" führte.


    Gruß,
    Antalwin

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  • sang Schorr den Schuster nie in Bayreuth- 1937, unter Toscanini, war das geplant

    Das glaube ich wohl kaum, dass 1937 "Meistersinger" unter Toscanini in Bayreuth stattfanden oder auch nur geplant waren...



    Hand aufs Herz: Wer Schorrs Aufnahmen kennt: Wünscht hier irgendjemand Otto Wiener, Thomas Stewart, Norman Bailey, Donald McIntyre, John Tomlinson, Bernd Weikl, Robert Holl oder Alan Titus an dessen Stelle ?

    Nein, nicht wirklich! :)
    Vielleicht, wenn ich manche Live-Aufnahme der 1940er höre - evtl. Thomas Stewart...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das glaube ich wohl kaum, dass 1937 "Meistersinger" unter Toscanini in Bayreuth stattfanden oder auch nur geplant waren...


    Natürlich nicht. Die Meistersinger unter Toscanini fanden 1937 in Salzburg statt. Es gibt sogar einen Mitschnitt davon...

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ich habe zu Friedrich Schorrs Todestag wohl einen Mitschnitt von 1936 gefunden, lieber Theophilus, aber unter Artur Bodanzky, und von der Met in New York:




    Heute ist Friedrich Schorrs 62. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Von William B. auf den Geburtstag von Friedrich Schorr aufmerksam gemacht, fand ich nach einigem suchen folgende LP. Hier gibt es nicht nur Wagner zu hören, sondern auch Mozart, Beethoven und Weber:

    W.S.

  • Es sind nicht unbedingt meine Lieblingslieder auf dieser LP, trotzdem finde ich diese Platte sehr hörenswert. Angetan haben es mir die Lieder aus "Die Jahreszeiten H. 21/3" und "Der Wanderer, Op. 35/3":

    W.S.

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  • sang Schorr den Schuster nie in Bayreuth- 1937, unter Toscanini, war das geplant, aber da Schorr bei den Proben das volle Aussingen der Partie umging, wurde er von Toscanini rausgeschmissen.

    Kurzum: Ein zentraler Sänger- und vielleicht der beste Wagner-Bassbariton, deren Stimme je eine Aufnahme zierte.


    :hello:


    Das der fromme Jude und Kantorssohn Schorr in den Dreißigern in Bayreuth sang, ist - milde ausgedrückt - sehr unwahrscheinlich. Angeblich soll Du-Weißt-Schon-Wer schon in den Zwanzigern empört darüber gewesen sein und es als "R...enschande" bezeichnet haben, dass der "Jude Schorr" Wagner singen durfte.


    Um auf weniger düstere Gewässer zu schiffen: Schorr war in meinen Augen der großartigste Wagner-Bariton überhaupt und ist bis heute die Referenz. Die kleinen stimmlichen Defizite, die einige von euch angesprochen haben, waren zweifellos vorhanden, sind aber in meinen Augen eher belanglos. Einzigartig macht ihn für mich die besondere Schönheit des warmen, weichen Timbres und vor allem seine Subtilität und musikalische Intelligenz. Bei keinem anderen Bariton klangen Sachs, Wotan und auch der Holländer so human und berührend, ohne dabei ins sentimentale zu versinken.


    Als Referenz solltet Ihr euch als erstes Wotans Abschied unter dem großartigen Leo Blech anhören. Den langsame mittleren Teil habe ich noch nie als so schmerzvoll und ergreifend empfunden. Und wie mächtig die Anrufung Loges am Ende im Vergleich klingt!


    Wenn möglich, dann ist sein Sachs noch schöner als sein Wotan. Hört euch mal sein Schusterlied an, und achtet darauf, wie geschmackvoll und mit wie subtilen Mitteln er arbeitet.

  • Hört euch mal sein Schusterlied an, und achtet darauf, wie geschmackvoll und mit wie subtilen Mitteln er arbeitet.

    Hallo Tecumseh Valley,


    zunächst einmal habe ich mir den dankenswerter Weise von Mme Cortese eingestellten Holländer-Monolog mit Friedrich Schorr angehört. Von der bescheidenen Technik einmal abgesehen, so ganz überzeugt bin ich nicht! Einmal stört (mich) das merkwürdige, etwas fremd klingende Deutsch des Sängers, zum anderen die mangelnde Tiefe. Besonders an der Stelle "dies der Verdammnis Schreckgebot" ist das schmerzlich zu hören. Nach meinem Empfinden eine durchaus gute, aber keine außerordentliche Interpretation. Wenn ich von FiDi einmal absehe, so schätze ich dann doch weit mehr George London (unter Dorati, DECCA) oder Josef Metternich (Fricsay, DGG). Zu dem viel gelobten Hermann Uhde möchte ich mich nicht äußern, weil ich ihn seit Jahrzehnten nicht in der Rolle gehört habe, und infolgedessen ist die Erinnerung leider ziemlich verblaßt.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das der fromme Jude und Kantorssohn Schorr in den Dreißigern in Bayreuth sang, ist - milde ausgedrückt - sehr unwahrscheinlich. Angeblich soll Du-Weißt-Schon-Wer schon in den Zwanzigern empört darüber gewesen sein und es als "R...enschande" bezeichnet haben, dass der "Jude Schorr" Wagner singen durfte.

    Basti verwechselt da Bayreuth mit Salzburg. In der dortigen Neistersinger-Produktion war Schorr vorgesehen, aber Toscanini ersetzte ihn dann durch Hans Hermann Nissen.

  • Basti verwechselt da Bayreuth mit Salzburg. In der dortigen Neistersinger-Produktion war Schorr vorgesehen, aber Toscanini ersetzte ihn dann durch Hans Hermann Nissen.

    Stimmt, das habe ich auch gehört. Nissen war übrigens auch ein grandioser Sänger, als Sachs verdient er eigentlich die Silbermedaille nach Schorr. Ich persönlich kann Bockelmann (trotz seiner stimmlich superben Qualitäten) nicht wirklich viel abgewinnen. Er steht zu sehr für eine bestimmte Zeit und für einen bestimmten Wagner.

  • Der ganz große Schorr-Fan war ich auch nie (siehe bereits meinen Uralt-Beitrag von 2009), obschon ich seinen Rang mittlerweile durchaus zu würdigen weiß. Mir geht es ein wenig anders als meinem geschätzten Vorredner. Bockelmann schätze ich schon überaus, eigentlich mehr als Nissen. Mein liebster Heldenbariton dieser Zeit ist über die Jahre indes Wilhelm Rode geworden. Nicht zu vergessen (zeitlich ein wenig später) Josef Herrmann. Aber auf welch hohem Niveau nörgelt man hier eigentlich. Gäbe es auch nur einen einzigen dieses Formats im heutigen Wagner-Fach!

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Der ganz große Schorr-Fan war ich auch nie (siehe bereits meinen Uralt-Beitrag von 2009), obschon ich seinen Rang mittlerweile durchaus zu würdigen weiß. Mir geht es ein wenig anders als meinem geschätzten Vorredner. Bockelmann schätze ich schon überaus, eigentlich mehr als Nissen. Mein liebster Heldenbariton dieser Zeit ist über die Jahre indes Wilhelm Rode geworden. Nicht zu vergessen (zeitlich ein wenig später) Josef Herrmann. Aber auf welch hohem Niveau nörgelt man hier eigentlich. Gäbe es auch nur einen einzigen dieses Formats im heutigen Wagner-Fach!


    Da würde mir auf jeden Fall Michael Volle einfallen 😉


    Viele Grüße,

    Holger

    "Es ist nicht schwer zu komponieren.
    Aber es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen"
    Johannes Brahms

  • Schorr nehme ich immer auf sehr unterschiedliche Weise wahr. Stärker und Schwächen wurden in diesem Thread benannt. Die Stimme scheint mir nicht sehr belastbar, wie auf diesem Mitschnitt von 1936 deutlich wird. Die wortreichen Wotanerzählungen sind stark gekürzt, wie das seinerzeit nicht unüblich war. In dramtischen Steigerungen und Ausbrüchen gerät er schnell an Grenze und flüchtet sich in eine Art Sprechgesang. Unter Umständen kann das durchaus wirkungsvoll sein, in seinem Fall aber nicht. Seine Studioaufnahmen von Wagner-Szenen klingen in meinen Ohren etwas wie Lieder bzw. vom Liedgesang herkommend. Er singt dann sehr kultiviert, mitunter aber auch - wie ich finde - langweilig.


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Der ganz große Schorr-Fan war ich auch nie (siehe bereits meinen Uralt-Beitrag von 2009), obschon ich seinen Rang mittlerweile durchaus zu würdigen weiß. Mir geht es ein wenig anders als meinem geschätzten Vorredner. Bockelmann schätze ich schon überaus, eigentlich mehr als Nissen. Mein liebster Heldenbariton dieser Zeit ist über die Jahre indes Wilhelm Rode geworden. Nicht zu vergessen (zeitlich ein wenig später) Josef Herrmann. Aber auf welch hohem Niveau nörgelt man hier eigentlich. Gäbe es auch nur einen einzigen dieses Formats im heutigen Wagner-Fach!

    Danke für Deine netten Worte!


    Die Einwände, die gegen Friedrich Schorr erhoben werden, sind für mich alle nachvollziehbar. Insbesondere in späteren Jahren störten die leichte Brüchigkeit in seiner Stimme und die Schwierigkeiten mit den hohen Tönen den Genuss doch erheblich. Bockelmann hatte die ausgewogenere Stimme und sicherlich die bessere Technik. Seine unglaubliche Ausdauer und die (in der Tat herrlich klingenden) dynamischen Höhen sind vielleicht bis heute unerreicht.


    Dennoch hatte Schorr ein Alleinstellungsmerkmal, das seine Wunderwaffe war und ihm für mich zum größten Wagner-Bariton aller Zeiten macht: er klingt humaner als jeder andere Sachs. Hör Dir einmal die Aufnahme seines Schusterliedes an und vergleiche es dann mit der Version von Bockelmann. Schorr spielt hier ganz virtuos mit vielen Farben. Sein Lied ist wie ein Kaleidoskop, und trotzdem wackelt nichts.


    Vergleiche auch einmal den berühmten Wotan-Abschied unter Leo Blech mit der Furtwängler-Aufnahme aus London mit Bockelmann. Achte auch hier einmal darauf, mit wie vielen Klängen und Farben Schorr arbeitet. Wie schmerzlich betroffen der Abschied, und wie autoritär danach die Anrufung des Feuergottes klingt. Bockelmanns Version ist natürlich auch superb, dennoch ist sie im Vergleich ein wenig (!) eindimensional und nicht frei von leichten sentimentalen Entgleisungen.


    Nissen mag ich sehr gerne. Vor allem seine Version des Holländer-Monologs. Er klingt weniger schmerzerfüllt als Schorr, zeigt aber die düstere, furchterregende Seite des Holländers wie vielleicht kein anderer Bariton. Er ist kein Getriebener wie Schorr oder wie später Hermann Uhde (für mich der beste Holländer der Gesamtaufnahmen), sondern ist tatsächlich der Schrecken aller Meere, vor dem selbst Käpt'n Jack Sparrow die Flucht ergreift.