Felix Mendelssohn-Bartholdy: 3. Sinfonie a-Moll – die Schottische

  • Hallo, liebe Musikfreunde,


    im Vergleich mit Werken wie Mahlers 6. Sinfonie fragt sich, welche Sinfonien können ein Gegengewicht bilden? Wie hat Mitropoulos nach seiner „dämonischen“ Aufnahme dieser Sinfonie weiter gemacht? Im August 1960 gab er mit den Berliner Philharmonikern ein Konzert in Salzburg, das mit Mendelssohns 3. Sinfonie begonnen wurde, und das passt ja gut zu den vielen anderen Mendelssohn-Threads, die hier im Moment laufen. Tatsächlich gibt es einige Gemeinsamkeiten:


    Beide Stücke stehen in der gleichen Stimmung, a-Moll. Wie Mahler war Mendelssohn ein hervorragender Dirigent, der das Musikleben reformieren wollte. Er mied das intrigante und bürokratische Berlin und begründete in Leipzig eine neue Tradition, nicht ohne seinen großen Vorgänger Bach gebührend zu würdigen, dessen Renaissance er einleitete.


    Er kam aus dem aufgeklärten Judentum (der Philosoph Moses Mendelssohn war sein Großvater), hörte in Berlin Hegel über die Ästhetik und scheint mir in seiner Grundhaltung Heinrich Heine verwandt. So wie Heines „Florentinische Nächte“ und die „Italienische Sinfonie“ wunderbar zueinander passen, so auch die „Nordsee“ von Heine und die „schottischen“ Werke von Mendelssohn.


    Zu dieser Sinfonie wurde er bei einer Reise 1829 nach Schottland in die Highlands und auf die Hebriden angeregt, die Sinfonie wurde dann allerdings erst 1842 fertig.



    Die 3. Sinfonie gehört meiner Meinung nach zu den großen Werken der Sinfonie-Literatur. Mitropoulos, Münch und Klemperer zeigen in ihren völlig unterschiedlichen Einspielungen das ganze Spektrum, das in diesem Werk verborgen ist. Mitropoulos geht es ganz aus der Stimmung an, die auch seine Mahler-Aufnahmen getragen hat. Nebel und Sturm ziehen sich im ersten Satz schwarz zusammen (auch ein Beispiel für das Thema „Wetter in der Musik“).


    Dann folgt das Dudelsack-Treiben des 2. Satzes. Das ist es, was trübe Gedanken vertreiben kann. Leider hat es in Deutschland nur wenige Nachfolger gefunden, dafür aber unverkennbar die französische Musik beeinflusst. Niemand trifft es daher für meinen Geschmack besser als Charles Münch, dessen Aufnahme ich den Vorzug gebe (wie auch bei der 4. Sinfonie).


    Großartig das abschließende Finale, das freie und befreite Gefühl nach allen Stimmungshochs und –tiefs. Spätestens hier ist Klemperer zu nennen, der die Sinfonie nicht ohne innere Berechtigung in die Nähe von Beethoven rückt.


    Damit ist bestimmt noch nicht alles gesagt über diese Sinfonie und wie sie gespielt werden kann. Freue mich auf weitere Anregungen.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Lieber Walter ,
    ich habe in meinen jungen Jahren Boult in London erlebt . einmalig . Boult wird leider grausamerweise auf englische Komponisten beschränkt . So beschränkt können nur einige "Macher" sein !
    M e i n e allen empfohlene Aufnahme ist mit Herbert von Karjan und den Berliner Philharmonikern ( dau noch die "Hebriden"-Ouvertüre und die "Italienische" ) .
    S c h w a c h - sensationell schwach - sind Bernstein und Szell !
    Eine Affinität zwischen mendelssohn-Bartholdy und meinem so hoch geschätzten Heinrich Heine kann ich aber nicht sehen , lesen , hören .
    Dein Textbeitrag verdient aber alle Achtung . Danke .
    Grüsse
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo Frank Georg Bychyna,


    zu Deiner Aussage mit Karajan / Berliner Ph mit der Mendelssohn: Sinfonie Nr.3 kann ich Dir nur bepflichten. Eine in die Tiefe gehende hervorragende Spitzen-Aufnahme, die auch mein Favorit ist.


    Nicht unerwähnt lassen möchte ich die Decca-Aufnahme mit C.v.Dohnanyi / Wiener Ph, die mir auch sehr gut gefällt und der zudem eine Italienische (Nr.4) bringt, die viele andere Aufnahmen hinter sicht läßt - aber das wäre ein neuer Thread !


    ;) Warum Bernstein und Szell schwache Aufnahmen sein sollen, sollte von Dir aber noch näher erläutert werden !


    :hello:

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Frank,
    meinen Sie die Karajan-Aufnahme, die jetzt in der DGG-Originals-Serie zu haben ist?
    Und: können Sie etwas dazu sagen, warum Sie Bernstein so schwach finden?

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Lieber teleton ,
    Szell durchrast die Tempovorschriften , so das alles , was wir bei Karajan hören können zugeschüttet wird von Hektik ( nicht nur schnelle Tempi , die bei Szell aber auch kontraproduktiv sind ) .
    Bernstein ( DG ) bleibt bei beiden Symphonien deutlich hinter Karjans Klang , seiner Präzision ( Beginn des ersten Satzes der "Italienischen" ist einzigartig ! ) und Stimmung zurück . Karjan ist immer , meiner Meinung nach , ein unglaublicher musikalischer Farbenvermittler der Landschaften wie der Stimmungen ( hier bei beiden Symphonien ) gewesen . Höre auch seinen Tschaikowsky oder seinen (frühen ! ) Brahms an . Du findest dort einfach die einzelnen Instrumente , Instrumentengruppen wie des gesamten Orchesterklang ( Berliner und Wiener Philh. ) wie sonst nur bei Giulini .George Szells Beethoven dagegen ( oder auch sein Schumann und Schubert ) sind einen eigenen Thread wert .
    Viele Grüsse nach Bonn!
    Frank :hello: :hello: :hello:

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo, lieber Frank,


    das sind zwei interessante Fragen:


    Heine: Während seiner Studienzeit 1821 – 23 in Berlin war er regelmäßiger Gast im Salon von Mendelssohns Mutter Lea. 1821 veröffentlichte er seine ersten Gedichte und sandte sie u.a. an Goethe. Im gleichen Jahr wurden im Salon die ersten Werke des frühreifen Mendelssohn aufgeführt, und er wurde Goethe vorgestellt (während Heines Besuch 1825 sehr enttäuschend verlief). Beide waren sehr an Philosophie interessiert und haben auf eine für mich einzigartige Art Aufklärung und Romantik verbunden, so dass es sehr viele Gemeinsamkeiten gab. Mendelssohn hat auch Gedichte von Heine vertont, die ich allerdings nicht kenne.


    Vor allem aber ist es der gemeinsame „Geist“, für mich einer der wenigen positiven Bezugspunkte in der jüngeren deutschen Geschichte. Als ich die „Nordsee“ jetzt wieder las, konnte sie mich genau so begeistern wie vor vielen Jahren. Dort wird auch der fliegende Holländer erwähnt, den frühen Wagner - und natürlich Schumann - zähle ich durchaus in diese Gruppe, bis er sich dann für Bismarcks Reichskunst entschied.


    Karajan: Ja, der gehört für mich eigentlich in die Richtung, die unseligerweise mit dem späten Wagner begonnen hat. Als ich jung war, waren er und die mit ihm betriebene Publicity in einem Ausmaß allgegenwärtig („Circus Karajani“), dass ich mich nicht anders davor zu schützen wusste, als um ihn einen großen Bogen zu machen. Nun sind einige Jahre vergangen und der Abstand sollte groß genug sein, zu einem objektiveren Urteil zu kommen. Wenn ich mich dazu innerlich bereit fühle, werde ich mich zu diesem Thema wieder melden, und lese bis dahin aufmerksam, was andere an Karajan finden.


    Adrian Boult: Kann ich mir sehr gut vorstellen. Im Konzert habe ich diese Sinfonie mal von Roberto Paternostro gehört, ich weiß, ein Karajan-Schüler.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Hallo Achim,


    ja die DG_Originals-CD ist die gleiche Aufnahme von 1970/72, wie in meiner Mendelssohn-Sinfonien-Gesamtausgabe mit Karajan / Berliner PH.


    Beide DG-Versionen sind im Handel erhältlich.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton,
    vielen Dank - ich habe die Bernstein-Aufnahme (mit dem Israel PO) und war damit eigentlich immer ganz zufrieden (habe sie allerdings lange nicht gehört...).
    Da ich kein Karajan-Gegner und darüberhinaus ein Fan der DG-Originals-Edition bin, werde ich da wohl demnächst mal tätig werden...

    Herzliche Grüße
    Uranus

  • Lieber Walter ,
    herzlichen Dank für Deine Ausführungen zu Heinrich Heine ; Mendelssohn-Bartholdy und auch dass Du J W Goethe einbeziehst . Der letzte Punkt ist wahrscheinlich der spannenste ! Und hätte während meiner Gymnasialzeit selbst unter sehr guten Deutsch-Lehreern wahrscheinlich dazu geführt , das ssieses Thema - wie leider viele - "umgangen" worden wäre .
    FMB war ein im besten sinne genialer Komponist, Mitbegründer der Bach-renaissance . Wir beide wissen dies . Leider wurde er eigentlich immer unterschätzt ( z.B. Klavierkonzerte , die ich ich nie besser und feinsinniger geört habe als in den 1960er Jahren als Schüler in London mit Peter Katin , den hier wohl kaum jemand kennt . Das Klavierkonzert passt im übrigen viel logischer und besser zu Schumanns a-Moll-Konzert als das von Grieg ! ) .
    Dass das Treffen Heines mit Goethe nicht positiv verlief , dürfte - wie so vieles - an Goethes Omnipotenzdenken gelegen haben . Im Bereich Lyrik ( und vieler anderer Werke von Heinrich Heine ) war er dem sich auch als Naturwissenschaftler ( s.: Farbenlehre ) masslos überschätzenden Goethe hochüberlegen . Um es salopp zu formulieren : Goethe kommt zwar in der Spoarte "Lyrik" aufs "Treppchen" , aber die Krone gebührt Heinrich Heine vor Hölderlin und dem Goethe gleichwertigen Benn ! ( Deutschlands Literatur(Pseudo)Allwissender , Marceli Reich - ranicki umgeht solch heiklen Fragen mit immensem Wortschwall nur zu gerne .
    Deine Hinweise zu den von FMB vertontenb texten heines werde ich versuchen , mir unbedingt zu beschaffen .
    W e r ist von Goethe nicht irgendwie "abgestraft" worden ? Goethe war keinesweg sder charkaterlich erlauchte über allen und allem schwebende Dichterfürst ! Siehe aus seiner ständigen Umgebung den "Fall Eckermann" !
    Als ich das erste Mal in Weimar war und in dem kleinen Mausolum mit den recht gut erhaltenen Gebeinen Schillers und Goethes ( Quelle: DER SPIEGEL ) , habe ich mich gefragt , w a s mag Goethe wirklich dazu bewogen haben , ausgerechnet Schiller die Gnade der letzten Ruhe neben ihm zuzuteilen ??? Ich kann es nur vermuten .
    Mit Sicherheit nicht , weil Goethe Schiller so herausragend verehrte / bewundert hätte .
    Mit besten Grüssen
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo zusammen,


    es müssen nicht immer die ganz großen Namen sein,die uns zu musikalischen Leckerbissen verhelfen können.
    Am 19.Nov.2005 konzertierten die Jungen Münchner Symphoniker unter ihrem Gründer und Dirigenten Bernhard Koch im Herkulessaal der Residenz München mit dieser Symphonie.Vor der Pause gab es die Titus-Ouverture und das Violinkonzert von Tschaikowski.


    Die JMS gibt es seit nunmehr 25 Jahren.Es ist eine Gruppe begeisterter Laienmusiker,je nach Besetzung zwischen 30 und 50 Mitglieder stark.Meist aus Studenten der verschiedenen Fakultäten bestehend,trifft sich das Orchester regelmäßig und gibt ca.10 Konzerte pro Jahr.


    Wer in München oder Umgebung lebt,sollte sich mal vom Engagement dieses beachtenswerten Klangkörpers überzeugen und eines der Konzerte besuchen.Es wird dann mit Sicherheit nicht das letzte gewesen sein.

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Hallo Siegfried,


    Dieses Orchester ist während meiner Schulzeit (die letzten Sommer zu Ende gegangen ist), regelmäßig auch in unserem Gymnasium aufgetreten, allerdings waren diese "Außentermine" stets vorgeschaltet zum Herkulessaalauftritt, auch läßt sich unsere Aula-Akkustik, nicht mit der des Herkulessaals vergleichen. Allerdings waren es lobenswerte Auftritte engagierter junger Musiker.


    Damit Grüße,
    Daniel :hello:

  • Hallo Daniel,


    du sprichst sicherlich das Franz-Marc-Gymnasium in Marktschwaben an,dort habe ich diesem Orchester auch schon beim Konzertieren zugehört.Die Generalprobe findet dort meist eine Woche vor München statt.
    Mein Sohn Christian spielt übrigens als Klarinettist bei den JMS mit.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • Hallo,


    So berühmt mein ehemaliges Gymnasium? :D


    Ja, aber ich denke in Erding oder Vaterstetten gibt es auch "Vortermine" oder nicht?


    Dann habe ich ja vielleicht Ihren Sohn schon gehört und gesehen.


    Grüße,
    Daniel

  • Kann jemand (Teleton?) etwas Näheres zu Dohnanyis Aufnahme der Mendelssohn - Symphonien auf Decca sagen?


    Ich habe bislang nur die 7 CD-Box von Brilliant Classics, die mich aber weder klangtechnisch noch interpretatorisch richtig befriedigt. Der Klang ist in meinen Augen etwas dumpf und der Pegel zu niedrig. Die Interpretation bleibt schwung- und lieblos. Mich interessiert neben der Schottischen und Italienischen auch die Reformationssymphonie.


    Karajan und die Berliner stehen schon auf der Suchliste.

  • Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Kann jemand (Teleton?) etwas Näheres zu Dohnanyis Aufnahme der Mendelssohn - Symphonien auf Decca sagen?


    Ich habe bislang nur die 7 CD-Box von Brilliant Classics, die mich aber weder klangtechnisch noch interpretatorisch richtig befriedigt. Der Klang ist in meinen Augen etwas dumpf und der Pegel zu niedrig. Die Interpretation bleibt schwung- und lieblos. Mich interessiert neben der Schottischen und Italienischen auch die Reformationssymphonie.


    Kann zu Dohnanyi nichts sagen. Sehr gut (die LP geht zu horrenden Preisen) ist Peter Maags Decca-Aufnahme der Schottischen (erhältlich einmal mit dem Sommernachtstraum, einmal mit der Hebriden-Ouv.). es gibt auch neuere Einspeilungen Maags der 3. und 4. mit einem Schweizer Orchester (Bern?), auch nicht schlecht, aber nicht so herausragend wie diese ältere. Ich sehe gerade, dass es auch nochmal alle 5 mit einem spanischen Orchester von Maag dirigiert gibt. Bei der Reformationssinfonie schätze ich auch die weiter oben genannte mit Maazel. Von ihm gibt es (war die Rückseite?) auch die 4., leider offenbar nicht einzeln erhältlich. Sowohl Maazels als auch die alte Maags sind klanglich ausgezeichnet.



    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Johannes, danke für den Tip!!! Die Decca-Aufnahme gibt es für schlappe US-$10 bei cduniverse.


    Die Aufnahmen aus der Schweiz sind mit dem Berner SO (1995) und ebenfalls spottbillig (US-$7.50). Maazels Reformationsymphonie ist gekoppelt mit der Franckschen d-moll und in der The Originals - Serie erhältlich.


    Aber ich denke, Karajan und Maag sind erstmal ganz oben auf der Liste.

  • Hallo Johannes,


    das freut mich aber, die gute alte Peter Maag-Aufnahme hier zu sehen! Die Platte gehört zu meinen absoluten Lieblingen. Habe sie mal auf Vinyl in der Erstpressung gehört und bin seitdem einerseits dem Decca-Sound der späten fünfziger Jahre und andererseits ebendieser Symphonie verfallen. Kenne eigentlich kaum eine Aufnahme, bei der man so hearushört, dass Mendelssohn wirklich in Schottland und nicht in den böhmischen Wäldern unterwegs war. Kenne zwar nicht allzuviele Einspielungen, aber Masur verwirrt mich geografisch in höchstem Maße.


    Wäre auf der Maag-CD noch die Hebriden-Ouvertüre - dann wäre mein Glück perfekt!



    Gruß
    B.

  • Ich habe heute im Konzerthaus eine grandiose Schottische erlebt.
    Das Gewandhausorchester Leipzig unter Chailly gab eine sogenannte Londoner Fassung. Einzige Dinge in den Ecksätzen waren anders als gewohnt.
    Wer kann mir zu dieser Fassung etwas sagen und gibt es Aufnahmen davon?



    Lg
    Georg

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Hallo Barbirolli,


    die CD-Koppelung mit der Hebriden-Ouvertüre ("Fingal´s Cave") von Maag und dem LSO gab es mal in der relativ kurzlebigen Decca-Serie "The Classic Sound" (erschienen 1995):



    Momentan aber leider nur zu den amazonüblichen Mondpreisen auf dem marketplace erhältlich... :wacky:


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Auch die Hanover Band und Roy Goodman haben die Schotische mit der Hebriden-Ouvertüre kombiniert - werde sie nachher mal wieder hören.


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  • Es ist neuerdings eine seltsame Mode und wohl eine Begleit-Erscheinung des Gedenkjahres, das immer neue Fassungen von Mendelssohns Werken auftauchen.
    :D


    Tatsache ist: Mendelssohn war als Dirigent eben auch Interpret seiner eigenen Werke und hat anlässlich verschiedener Aufführungen viele Werke immer wieder umgearbeitet, mitunter auch nur auf andere klangliche Verhältnisse angepaßt (z. B. das größere Londoner Orchester gegenüber dem damals nur kleinen Gewandhausorchester) - ein Stapel von Quellen mit immer neuen, widersprüchlichen Angaben (insbesondere auch Tempo-Änderungen und fallweise immer neue Metronom-Angaben).
    :no:


    So hat der Dirigent nunmehr die Qual der Wahl - bei der Hebriden-Ouvertüre etwa zwischen den von Christopher Hogwood herausgegebenen Fassungen Rom 1830 und London 1832 mit jeweils zwei Untervarianten, also vier Fassungen im Stimmenmaterial und eine praktisch nicht zu gebrauchende Dirigierpartitur -- ob Mendelssohn mit so etwas gedient ist?
    :stumm:



    Hogwood dirigierte kürzlich in Bremen die Rom-Fassung der "Hebriden", und mein Eindruck war, Mendelssohn war in diesem Fall mit der Umarbeitung bestens beraten... In anderen Fällen ist das anders. Die nicht zuende geführte Revision der "Italienischen", die J. E. Gardiner eingespielt hat, wirkt beispielsweise auf mich weniger schlüssig als die bekannte, bisher gespielte Erstfassung.
    :untertauch:

  • Also was die Fassungen betrifft, kann ich nur sagen was ich gehört habe.


    Die sogenannte Erstfassung des Violinkonzerts ist eine reine Geldmacherei. Da hört man keinen Unterschied, einzig einige unorganische Tempoänderungen sind neu.


    Bei der schottischen kann man aber schon von einer eigenständigen Fassung sprechen, da der Schluss des Kopfsatzes und das Finale rauer, wilder und farbiger wirken. Von daher hätte es mich interessiert, was es mit dieser Version auf sich hat (auch wenn bei anderen Komponisten das Fassungsvergleichen sicherlich interessanter und lukrativer ist).

    Früher rasierte man sich wenn man Beethoven hören wollte. Heute hört man Beethoven wenn man sich rasiert. (Peter Bamm)

  • Es handelt sich hier um die Ausgabe der Sinfonie von Thomas Schmidt-Beste im Rahmen der Leipziger Mendelssohn-Ausgabe (Breitkopf und Härtel).
    Bei der "Londoner Fassung" handelt es sich um eine Arbeitsphase, die kurz nach der Leipziger Uraufführung erfolgte, hinsichtlich der Aufführung im Juni 1842 in London. Freilich hat Mendelssohn auch nach dieser Londoner Aufführung weiter an dem Werk gefeilt. Es handelt sich also lediglich um eine "Zwischenfassung", die man nur festhalten kann, weil inzwischen eine Abschrift davon zugänglich wurde... Es ist halt so, daß im Mendelssohn-Jahr diverse sogenannte kritische Ausgaben miteinander konkurrieren. Schon aus Marketing- ud Copyrights-Gründen möchte jeder Herausgeber was neues herausbringen. Der Kunde hat nurmehr die Qual der Wahl, und in der Tat ist mancher Etikettenschwindel dabei ...

  • Der Fairneß halber muß noch dazu gesagt werden, daß die "Londoner Fassung" nur aus dem großen Band der Gesamtausgabe I/5 explizit hervorgeht; die Studienpartitur enthält jedoch lediglich die neu edierte Letztfassung und nicht die alternativen Seiten der "Londoner Fassung". Der Revisionsbericht zur Partitur mit allen Details ist auf der Breitkopf-Homepage (breitkopf.com) als Download verfügbar.

  • Inzwischen sind Jahre ins Land gegangen und die Frage (die ich 2005 nicht gesehen habe) hat sich vielleicht schon für RobertStuhr zufriedenstellend erledigt:

    Zitat

    Kann jemand (Teleton?) etwas Näheres zu Dohnanyis Aufnahme der Mendelssohn - Symphonien auf Decca sagen?


    **** Dohnanyis Decca-Aufnahmen der Mendelssohn-Sinfonien sind mir als GA gesehen die Liebsten.
    Dohnanyi gestaltet die Sinfonien frisch, spnannend mit Biss und Verve, bei größtmöglicher Tranzparenz und ausgezeichnetem Klangbild (Winer PH und Cleveland Orchestra).
    Betrachtet man die Werke einzeln, wie es vernünftig ist, so schlägt bei den Sinfonien Nr.3 und 5 mein Empfinden klar zu Karajan (DG) aus, der für mein Empfinden dort tiefer geht.
    :yes: Aber die Italienische ist für meinen Geschmack von keinem zu toppen - Dohnanyi einsam an der Spitze - das ist Italien-Amore-Brio.



    Inzwischen möchte ich mich auch Frank Georg Bechyna´s Beitrag von 2005 in diesem Thread anschließen, der etwas über Bernsteins Mendelssohn schreibt:
    Diese Aufnahmen habe ich in der Zwischenzeit auch auf CD erworben.
    Aber auch hier darf man nicht pauschal die GA betrachten (hier Nr.3-5).
    Während Bernstein mit den NewYorkern die Sinfonie Nr.3 in hier wirklich amerikanisch wirkendem Klanggewand spielen läßt, es gefällt mir, hat aber nicht die Klasse und Präzision von Karajan und Dohnanyi. So ist seine Italienische mehr als langweilig einzustufen. Da hat nichts das italienische Feuer; erst im letzten Satz kommt etwas Leben in die Bude.
    Ja, das ist eine der wenigen schwachen Aufnahmen Bernsteins !


    Die Hedriden-Ouvertüre mit Bernstein auf den SONY-CD´s ist allerdings eine der besten Aufnahmen die ich kenne - so briomäßig (neue Wortschöpfung) hätte ich mit seine Italienische gewünscht.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Auch wenn mich keiner gefragt hat

    Zitat

    Kann jemand (Teleton?) etwas Näheres zu Dohnanyis Aufnahme der Mendelssohn - Symphonien auf Decca sagen?

    ;):


    Bei Mendelssohns Symphonie Nr. 3 ist Dohnanyi meines Erachtens eine echte Referenz. Wunderschöne, geheimnisvolle Nebelstimmung im ersten Satz, kraftvoller, späte Beethovenscher Schönklang im Adagio und breites und doch elegant-präzises Schwelgen in den Melodien des Finales.
    Und dann dieser zweite Satz, der für mich allein wegen einer Stelle auschlaggebend für den Kauf dieser Einspielung war. Wenn die zuerst von den Holzbläsern vorgetragene (angeblich von Dudelsackweisen inspirierte) Melodie des Scherzos vom Orchester aufgenommen wird und in kraftvollem Blech erklingt, donnern bei Dohnanyi dazwischen die Pauken einfach hervorragend die gedeckte Stimmung des ersten Satzes beiseite und verleihen dem vorwärtsdrängenden Gestus des zewiten Satzes deutlichen Ausdruck.
    Hier reichen für mich weder Karajan noch Abbado auch nur annähernd heran, von Masurs uninspirierter Deutung ganz zu schweigen.

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Hallo novecento,


    ich habe auf Grund deines Beitrages die CD mit Mendelssohn 3 mit Dohnanyi / Wiener PH (Decca) gehört und kann Deine euforischen Zeilen nur allzugut nachvollziehen. :angel:


    Es ist wie mit Mendelssohns Sinfonie Nr.4 und Dvorak´s Sinfonie Nr.8 mit Dohnanyi. Diese Werke aus der Romantik scheinen ganz die Welt von Dohnanyi zu sein. Auch hier kenne ich mit Abstand keine Interpretation, die diese an zupackendem Gestus, bei Wahrung aller Präzision und Spannung, übertreffen könnte.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Hallo,


    3 Wochen Urlaubsaufenthalt d. J. in Schottland sind der Anlass für diesen Beitrag.


    Ich bin nicht so sehr für Interpretationsvergleiche, dennoch setze ich Infos aus den bisherigen Beiträgen als bekannt voraus.


    Mendelsohns Schottische, a-Moll = 3. mit Beethovens 6. zu vergleichen, wäre nicht ganz korrekt - die 6. hat z. T. schon programmatische Züge, ohne jedoch reine Programmmusik zu sein. Wenn ich aber die 3. mit der Italienischen, A-Dur = 4. vergleiche - schon in den Anfangstaken beider Sinfonien werden die unterschiedlichen Wirkungen von Landschaft und Menschen auf den Betrachter musikalisch deutlich hörbar, sind Beide dennoch mehr als die 6. von Programmmusik entfernt.
    Wenn ich oft in meinem Beitrag die Musik mit Landschaftseindrücken in Verbindung bringe, dann ist es für mich kein Programm, sondern meine Emotionen verbinden sich mit Bildern.
    Der Aufenthalt Mendelsohns in Schottland und die Entstehung der 3. liegen viele Jahre auseinander, es dürfte aber sicher sein, dass Mendelsohn sich in Schottland musikalische Skizzen gemacht hat.


    1. Satz
    a) Andante con moto: Der Septakkord auf der V.Stufe in Verbindung mit dem punktierten zweiten Akkord (verzögernd) und den Streichern ohne 1. Violinen und dem zurückhaltenden Blech gibt den melancholisch, nicht leichtfüßigen Klang, den visuellen Eindruck, der über Schottland witterungsbedingt liegen kann.
    b) Allegro un poco agitato: Wenn dann der volle Orchesterklang kommt mit Contrabässen und Pauke - das steigert sich durch die mehrmaligen Wiederholungen (und auch durch Akkordrückungen), ist das Anbranden des Meeres auf die Felsküste vorstellbar. Dann wieder nehmen die Anfangsakkorde die Wildheit, eine scharfe Dissonanz erinnert jedoch daran. Eine rhythmische veränderte Variation des Themas bringt Leichtigkeit, aber bevor sich Fröhlichkeit breit machen kann, kommt wieder das stürmische Meer (und ich assoziiere die sich 10 -15 m an den Felsen hoch schäumende Atlantik-Brandung).
    c) Assai animato: Rhythmische Veränderungen in der Themaverarbeitung bringen noch mehr Dramatik- die Anfangsakkorde beenden leise ausklingend (wie versöhnend) den Satz,


    2. Satz Vivace non troppo: Ein völlig anderer Charakter, F-Dur und eine eingängige, fröhliche, auch vom wechselnden Rhythmus geprägte Melodie, der die Bläser (Holz und Blech) und die Pauke später das festliche Gepräge geben. (Ich könnte damit das Bild einer festlichen Veranstaltung in einem der herrlichen und herrschaftlichen Schlösser und Landsitze verbinden.)


    3. Satz Adagio: A-Dur (? ich habe keine Noten) - mit häufigen Tongeschlechtwechseln. Der anfängliche Bläsersatz (in Moll) und das Pizzicato lassen bei mir die Einsamkeit der Nordküste aufkommen und die beängstigende Trostlosigkeit, die bei Herbst-, Winterstürmen entstehen kann. Der anschließende Dur-Orchestersatz (mit Moll-Einschüben) mit seinen, durch's Horn, majestätischen Klängen, charakterisiert bei mir die zentralen Highlands, mit ihren hoch aufragenden, abgerundeten Bergkuppen und weiten Landschaftsausblicken, was mir ein befreiendes Gefühl vermittelt, wenn sich die Dramatik der Musik etwas legt und der sich langsam auf- und abwärts bewegende volle Streichersatz ertönt.


    4. Satz Allegro vivacissimo - Allegro maestoso assai: Und zurück nach a-Moll: Der pochende Rhythmus bringt Unruhe in Verbindung mit den unerwartet heftigen Einwürfen der Streicher. Die Trompete(n?) in hoher Lage wirkt/en auf den vollen Orchesterklang wie zur Ruhe mahnend, was dann die Oboe aufnimmt. Nach den vielmaligen Wechseln zwischen pochendem Rhythmus, vollem, machtvollem Orchestertutti, der Oboe und in Verbindung mit Tongeschlechtwechsel kommt das wie lange erwartet und sehr spannungsreich aufgebaute, mächtige, prachtvolle, stolze Hauptthema der 3. in A-Dur (im1. Satz eingeführt, im 2. Satz daran erinnert, aber ohne die Pracht hier). Ich weiß nicht ob Mendelsohn in Edinburg war - vor meinem inneren Auge sehe ich das imposante, auf einer Felsnadel hoch aufragend gebaute Schloss von Edinburg.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Otto Klemperer hatte 1960 die 3. Sinfonie a-Moll op. 56 mit dem Philharmonia Orchestra eingespielt. Gekoppelt war die Sinfonie mit der Hebriden-Ouvertüre op. 26 (Fingal's Cave). Die ursprüngliche Zusammenstellung ist auf dieser durch Tontechniker restaurierten Neuveröffentlichung zu hören. Man erhält auf dieser SACD die bestmögliche Stereo- Wiedergabe. Der Booklet-Text gibt Auskunft über Klemperers Verhältnis zu Mendelssohn-Bartholdy und Änderungen im Notentext, die der Dirigent vornahm, wenn er es für nötig erachtete. Davon blieb die "Schottische" in dieser Veröffentlichung verschont. (In der 4. Sinfonie "Italienische" hat er einzelne Stimmen verdoppelt.) Die Tempi sind langsamer als die Angaben der Partitur.


    (Die zweite Scheibe enthält Felix Mendelssohn-Bartholdys 4. Sinfonie op. 90 "Italienische" und Robert Schumanns 4. Sinfonie d-Moll op. 120.)
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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