Ist Beethovens Musik unzerstörbar ?

  • Lieber Forianer


    Eigentlich hätte dieser Thread ja: "Sind Beethovens Sinfonien unzerstärbar ?" heissen sollen - aber als ich mich näher mit dem Thema befasste, bekam ich den Eindruck, daß diese "Unzerstörbarkeit" beinahe auf alle Werkgruppen zutrifft und nicht auf Sinfonien beschränkt ist, also zumindest auch auf die Konzerte, ebenso wie auf die Klaviersonaten, bei Kammermusik habe ich noch nicht sao genau recherchiert - vielleicht macht das jemand andrer ?


    Was meine ich überhaupt mit "unzerstörbar" ?


    Es gibt klassische Musikstücke, auch von "großen Meistern" die sehr interpretationsabhängig sind (ob das ein Vor- oder Nachteil ist vermag ich nicht einzuschätzen ) - soll heissen sie blühen unter gewissen Interpreten auf - und verwelken unter anderen...


    Andere Stücke wieder kann man in gewisser Weise als unzerstörbar bezeichnen - auch auf dem Kamm geblasen - selbst vom Kunstkritiker der "Winzer Zeitung" - behalten diese Stücke noch Reste ihrer ursprünglichen Schönheit und ihren unverwechselbare Eigencharakter.


    Beethovens Werke jedoch gehen IMO noch einen Schritt weiter: Was immer man mit ihnen anstellt (ich übertreibe an dieser Stelle ein wenig)- heraus komm etwas geniales, wobei der Eigencharakter durchaus wechsel, wie die schillernden Farben einer Seifenblase - das Ergebnis ist stets bewundernswert.


    Soll heissen, während viele andere Werke mittelmäßige Interpretationen entlarven - oder sie nicht gut vertragen, hat man bei Beethovens Werken stets den Eindruck IMMER einen Geniestreich der Interpretation vor sich zu haben - was zweifellos an den Werken liegt - und nicht an den Interpreten....


    Anders wären die vielen hervorragenden Einspielungen der Sinfonien, Klavierkonzerte und Klaviersionaten überhaupt nicht denkbar.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Alfred sagt:


    Zitat

    Beethovens Werke jedoch gehen IMO noch einen Schritt weiter: Was immer man mit ihnen anstellt (ich übertreibe an dieser Stelle ein wenig)- heraus komm etwas geniales, wobei der Eigencharakter durchaus wechsel, wie die schillernden Farben einer Seifenblase - das Ergebnis ist stets bewundernswert.


    Ich habe einmal ein Arrangement von Beethovens 7. Sinfonie von James Last gehört: Beethovens Musik kann zerstört werden! Und wie!!! :kotz:


    Außerdem möchte ich an die vom Komponisten selbst angefertigte Fassung der selben Sinfonie für neunteilige Harmoniemusik erinnern, bei der der Meister selbst seiner Schöpfung den Strick um den Hals gelegt hat.



    Ob Beethoven selbst auch noch das Arrangement der mit angefügten Fidelio-Ouvertüre verbrochen hat, weiß ich nicht, genau so wenig, wie ich jetzt weiß, wie diese Ouvertüre in der Bearbeitung klingt. Was ich aber weiß, ist, dass diese Bläserfassung der 7. definitiv nicht zu Beethovens besseren Einfällen gehört, von den genialen ganz zu schweigen. :hahahaha:


    Viele Grüße
    John Doe

  • Zitat

    Original von John Doe


    Ich habe einmal ein Arrangement von Beethovens 7. Sinfonie von James Last gehört: Beethovens Musik kann zerstört werden! Und wie!!! :kotz:


    Genau die (das Scherzo wars) hat mich aber zur Klassik gebracht...


    :untertauch:



    Zitat


    Ob Beethoven selbst auch noch das Arrangement der mit angefügten Fidelio-Ouvertüre verbrochen hat, weiß ich nicht, genau so wenig, wie ich jetzt weiß, wie diese Ouvertüre in der Bearbeitung klingt. Was ich aber weiß, ist, dass diese Bläserfassung der 7. definitiv nicht zu Beethovens besseren Einfällen gehört, von den genialen ganz zu schweigen. :hahahaha:


    Also ich höre die Siebente überwiegend in der Bläserfassung oder in der Fassung für 2 Klaviere:


    ...


    Gefällt mir beides irgendwie besser als das Original... :pfeif:


    Und ich kann beide Versionen nur bestens Empfehlen!


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli,


    genau dieses James Last-Arrangement des Scherzos hat mir definitiv beigebracht, dass die permanente Wiederholung einer schönen Melodie bzw. einer Themas oder Motives meilenweit von einem guten Musikstück entfernt sein kann. Oder anders gesagt, dass Beethoven doch ein besserer Musiker war, als James Last. :D


    Und das Bläserarrangement der 7. kenne ich nur von dem Ensemble Octophorus, welches nach sämtlichen mir bekannten Feuerschutzrichtlinien interpretiert: Es mag und mag und mag beim besten Willen kein Funken überspringen.


    Klavierarrangements dagegen sind ganz etwas anderes, genau so wie Streicherarrangements:
    Z. B. eine Streichquitettfassung der Kreutzer-Sonate, die es durchaus in sich hat.



    Viele Grüße
    John Doe

  • Wirklich großes Kunstschaffen zeichnet sich dadurch aus, dass es zeitlos
    ist und auch durch die kuriosesten Interpretationsversuche letztlich nicht zerstört werden kann. Die Genialität wird immer durchschimmern. Genau das ist bei Beethovens Musik und vielen anderen großen Werken der Fall.
    Herzlichst
    Operus
    :hello: :hello: :jubel:

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Ich weiß nicht ob ich mußverstandern wurde, oder ob man mich mißverstehen wollte - gemeint waren nicht Bearbeitungen und Verballhornungen - egal von wem auch immer - sondern Interpretationen - in all ihrer Bandbreite selbstverständlich....


    mfg
    aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich sehe hier keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Musik Beethoven und anderer. Graduelle Unterschiede gibt es sicher. Interpretationen von Barockmusik vor ca. 1960-70 sind heute für viele nicht mehr genießbar (anderen geht es umgekehrt).
    Bei Beethoven hat man dagegen seit jeher ein breites Spektrum von Interpretationsrichtungen (angefangen mit Mendelssohn vs. Wagner), so daß man sich an eine Vielfalt gewöhnt hat. Und es wird immer Aspekte, auch von anerkannten Interpretationen geben, die mancher als Verzerrung wahrnehmen wird (z.B. die mitunter irrwitzigen Temposchwankungen bei meist zu langsamen Grundtempi bei Furtwängler).


    Es gibt zumindest einige Werke Beethovens, die in meinen Ohren relativ leicht kaputtzukriegen sind und wo ich selbst anerkannte Interpretationen "großer Namen" ziemlich unbefriedigend finde (und es m.E. nur wenige angemessene oder überragende Deutungen gibt). Allen voran das Violinkonzert, dessen erster und zweiter Satz sehr häufig verschleppt und verschmalzt werden.


    Es gibt außerdem, was hier in Einzelthreads auch immer wieder angesprochen wurde, auch bei sehr guten Interpreten und Interpretationen ziemlich fragwürdige Praktiken, etwa ausgelassene Wiederholungen, die strukturell von großer Bedeutung sind. Vom Tempoproblem gar nicht erst anzufangen. Gewiß bleibt immer noch viel von Beethovens Musik übrig, aber ein bißchen ärgerlich ist es trotzdem, wenn man 10 oder so Aufnahmen der Mondscheinsonate im Schrank hat und die älteste davon, Schnabels, ist noch immer in vieler Hinsicht die beste (z.B. was das Tempo im ersten Satz betrifft).
    Vielleicht haben wir uns durch die Überpräsenz von Beethovens Musik in oft mittelmäßigen oder jedenfalls suboptimalen Interpretationen so daran gewöhnt, daß es uns gleichgültig ist, "Hauptsache man kann's erkennen" ;)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von John Doe
    Und das Bläserarrangement der 7. kenne ich nur von dem Ensemble Octophorus, welches nach sämtlichen mir bekannten Feuerschutzrichtlinien interpretiert: Es mag und mag und mag beim besten Willen kein Funken überspringen.


    Von Octophorus kenne ich nur 'Wellingtons Sieg' - der mir in der Janitscharenfassung sehr gut gefällt. Versuche doch mal die Winde von Montréal...


    Zitat


    Z. B. eine Streichquitettfassung der Kreutzer-Sonate, die es durchaus in sich hat.




    Garnichtmal so günstig zu haben :wacky: - von wem stammt denn diese Quintettfassung der Kreutzersonate?


    Ist das eine zeitgenössische Bearbeitung oder eine zeitgenössische Bearbeitung?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Ulli,


    bei diesem Kreutzer-Quintett handelt es sich um ein zeitgenössisches anonymes Arrangement möglicher Weise von Ferdinand Ries nach der A-Dur Sonate für Klavier und Violine op. 47 und veröffentlicht wurde es das erste Mal 1832 oder 33 bei Simrock.


    Es ist eine höchst gelungene Transskription, die den musikalischen Gehalt des Ausgangswerkes bewahrt, gleichzeitig aber das typische Zusammenspiel eines Streichquintetts entwickelt.
    D. h. es ist keine Transskription für Violine und Streichquartett, sondern wirklich ein echtes Streichquintett.
    Von dem her gesehen verdiente es eigentlich schon etwas mehr Aufmerksamkeit, zumal Beethovens Quintettschaffen schmal genug ist und auch Bearbeitungen beinhaltet.


    Viele Grüße
    John Doe

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  • Ich finde,daß Beethovens Musik unzerstörbar ist,weil es ihm gelungen ist,Melodien zu komponieren,die eingängig sind und in Erinnerung bleiben.Das betrifft alle seine Werke.Ob Sinfonien,Konzerte,selbst seine einzige Oper."Fidelio" ist zumindest die Lieblingsoper im deutschsprachigen Raum und nimmt es mit Verdis "La Traviata" auf,wie man es aus einer TV-Umfrage kürzlich vernehmen konnte.
    Fast immer,wenn ich eine seiner Sinfonien oder Klavierkonzerte höre,frage ich mich,warum sie mich heutzutage noch so begeistern.Das schafft bei mir weder Brahms,Bruckner,Tschaikowsky oder Shostakovich. Mahler vielleicht.
    Aber Mozart ganz bestimmt,denn dessen Musik würde ich auch als unzerstörbar bezeichnen.

    mfG
    Michael