Subjektivität im Klassikforum - ein Privileg

  • Liebe Forianer


    Wenn man in einem Internetforum mit Thema "Klassische Musik " 6384 Beiträge unterschiedlicher Qualität verfasst hat, dann kann es sein, daß einem die Themen ausgehen.


    Glücklicherweise sind solche Phasen jedoch nur von kurzer Dauer, denn andere Mitglieder legen einem neuen Threads geradezu mundgerecht aufbereitet vor....


    Im speziellen Fall war es das Urteil einiger Mitglieder über die Callas, welches nicht gerade schmeichelhaft ausfiel - im Gegensatz zu "allgemeinen Meinung"


    Und genau hier ist der Vorteil eines Internetforums gegenüber einer Zeitung mit professionellen Rezensionen: Wir dürfen SUBJEKTIV sein - allerdings sollte die Subjektivität des Urteils immer betont werden und nicht als einzige Wahrheit verkauft werden.


    Man kann schreiben welche Stimmen, Pianisten, Dirigenten etc man nicht mag, bzw nicht ertragen kann - und warum.


    Das ist zwar nicht unbedingt objektiv - aber gibt es in der Kunst denn überhaupt objektiv messbare Kriterien, bzw selbst wenn es sie gibt - was sagen sie über das Endergebnis aus ? Wenig bis nichts - möchte ich meinen.


    mgf aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es stimmt, ich möchte auch Subjetkiv sein können !
    Was ist in der Musik Objektiv messbar ? Die Ohren jedes Menschen sind verschieden (nicht nur im Aussehen) und ich möchte Musik, die mir gefällt bzw. mich anspricht auch hochheben können und dürfen.
    Ohne jedoch das Gegenteil herunterzumachen !


    Meint Euer


    Operngernhörer :hello:

  • Seit wann sind Rezensionen, was klassische Musik betrifft, denn objektiv? Natürlich versucht der Rezensent einer Zeitung, wenn er seine Meinung zu einer CD oder einem Konzert niederschreibt, seine Eindrücke zu belegen bzw. zu begründen. Aber letztendlich ist ein Eindruck stets ein subjektiver.


    Der Vorteil dieses Forums ist, dass wir hier vielleicht etwas ungezwungener formulieren dürfen und weniger auf politische Randbedingungen Rücksicht nehmen müssen.


    Gruß enkidu2

    Nach Schlaganfall zurück im Leben.

  • Ich bin IMMER grundsätzlich subjektiv, wenn ich über Musik schreibe, denn erstens glaube ich nicht an das Vorhandensein objektiver Kriterien (wie in vielen Threads dargestellt) und zweitens ginge mir ggf. auch die Theorie ab, anhand derer Musik zu beurteilen wäre.


    Aber mal ein Rundumschlag zur Subjektivität:
    - Wagner ist mir ein Graus (außer die Tannhäuser & Lohengrin-Vorspiele), Haydn finde ich langweilig, genauso wie Telemann oder Buxtehude, die in diesem Forum für mich völlig unnachvollziehbar teilweise über Bach gestellt werden
    - Musik ohne eine erkennbare Melodie würde ich erst gar nicht als Musik bezeichnen (von Ausnahmen abgesehen)
    - Beethoven ist mir zu sprunghaft, er ändert Tempi, Themen, Lautstärke derart schnell und willkürlich, daß ich häufig nicht mitkomme. Nichtsdestotrotz hat er ein paar unglaublich schöne Stücke geschrieben, wie z.B. das Klavierkonzert in Es-Dur.
    - Mozart ist zum Teil zu sehr "Schema F", also eher das Gegenteil von Beethoven, zu gut ausrechenbar, hat aber auch viele absolut atemberaubende Stücke komponiert (Requiem - zusammen mit Süßmayr).
    - Brahms vermeide ich, wo es geht (außer Ungarische Tänze Nr. 5), um nicht vor der Zeit die Hilfe einer psychiatrischen Klinik in Anspruch nehmen zu müssen - kenne kaum einen Komponisten, der mehr "Depri" ist...
    - Auch Liszt wird vermieden (abgesehen von der h-moll-Sonate)
    - andererseits ist Chopin ganz gut, man kann ihn sich aber leid hören
    - Dvorak hat tolle Stücke geschrieben (Neue Welt), auch Mahler (Sinfonien), Rachmaninov (Vocalisé), Mussorgky (Bilder), Bruch (Kol Nidrei) u.a. gefallen mir überwiegend
    - der Größte ist Bach, weil ich ihn stundenlang hören kann, ohne daß er mir zu den Ohren herauskommt
    - auf dem Fuß gefolgt von Händel, der mir auch im tiefsten Demotivationstal zu guter Laune zurück verhilft
    - dito Albinoni, der Händel ähnelt, auch wenn man die Musik der beiden nicht verwechseln könnte - aber dieselbe Art, ein Lächeln auf die Mundwinkel zu zaubern
    - Vivaldi ist ganz Klasse, aber (aufgrund der geschichtlichen Umstände) musikalisch ein wenig eingeschränkt
    - meine letzte Neuentdeckung heißt Fauré, noch nicht viel von ihm gehört, aber das, was ich gehört habe, hat Lust auf mehr gemacht
    - die vorvorletzte heißt Pärt, die vorletzte Rutter


    etwa 70% der im letzten Jahr erworbenen CDs geht auf das Konto Tamino, ich weiß aber bald nicht mehr, wo ich all die CDs stellen soll.


    So, genug Subjektivität, um mal wieder in der Luft zerrissen zu werden - nehmt aber durchaus keine Rücksicht, ich bin es gewöhnt....

  • Zitat

    Vivaldi ist ganz Klasse, aber (aufgrund der geschichtlichen Umstände) musikalisch ein wenig eingeschränkt


    das versteh ich nicht - was meinst Du ?

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Meinung ist m.E. IMMER subjektiv.


    Hab ich von Wein keine Ahnung, kann ich nach einem Glas immer noch entscheiden: schmeckt mir oder schmeckt mir nicht.
    Hab ich von Wein mehr Ahnung, kann ich differenzieren und beschreiben, was mir ge- oder mißfällt. Aber auch hier bleibt letztendlich über: schmeckt mir oder schmeckt mir nicht. Ich kanns dann aber begründen.


    Nicht anders ist es in der Musik (bzw in der Kunst überhaupt): Gefällt oder gefällt nicht.
    Höre ich als Unbeleckter ein erstes mal ein Musikstück, so kann ich sagen ob mir das Stück (!) gefällt oder nicht. Bin ich aber mit dem Thema Musik, seiner zeitlichen Einordnung und seinen Hintergründen etwas firmer, so kann ich idR genauer beschreiben, was mir taugt oder eben nicht. Und hier reden wir immer noch NUR über das Stück und gerade dieser Ingterpretation), nicht eine 'absolute' Interpretation. Ein Urteil hierüber kann ich mir erst fällen, wenn ich mehrere Vergleiche habe.
    Bin ich wirklicher Fachmann, ist diese Meinung dann sicherlich recht fundiert. Aber letztendlich bleibts auch hier sicher recht subjektiv: mag ich (Aufgrund meines Erfahrungsschatzes) oder mag ich nicht.


    Problematisch und unsäglich wirds m.E., wenn ... siehe meine Signatur ....

  • Ich möchte immer subjektiv sein können und dürfen, wenn ich über ein geliebtes Thema schreibe...und die Oper, die Musik liebe ich nunmal!
    Zudem gibt es ohne Subjektivität keinen lebendigen Austausch und dann könnte dieses Forum auch gleich dicht gemacht werden.


    Der Mensch ist ein durch und durch subjektives Wesen...ohne sie gäbe es keine Kunst, denn niemand hätte die Chance zur eigenen Wahrnehmung und deren Verbreitung....außerdem ist Objektivität sterbenslangweilig!!!


    Einen schönen Tag an alle hier


    LG


    Fides :hello:

    La vita è bella!

  • Zitat

    Original von Fides
    Der Mensch ist ein durch und durch subjektives Wesen...ohne sie gäbe es keine Kunst, denn niemand hätte die Chance zur eigenen Wahrnehmung und deren Verbreitung....außerdem ist Objektivität sterbenslangweilig!!!


    Vollkommen d'accord...

  • Natürlich muß Meinung subjektiv sein können, und wenn man sie nicht mehr pointiert und bisweilen auch überspitzt ausdrücken darf, kann man Foren wie dieses gleich ganz begraben. Eine mehr oder weniger objektive Analyse kann sich doch eigentlich auch nur aus dem Vergleich verschiednener subjektiver Meinungen formen, wie soll das sonst gehen?
    Aber damit einhergehen muß schon eine kultivierte Art der Auseinandersetzung; ich erschrecke manchmal, wenn ich lese, wie schnell, heftig und gnadenlos manche kontroversen, vielleicht spontanen Beiträge von Mit-Forianern mit vernichtenden Adjektiven belegt werden. Da kann einem das Drauf-los-Diskutieren bisweilen vergehen....


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt



    Und genau hier ist der Vorteil eines Internetforums gegenüber einer Zeitung mit professionellen Rezensionen: Wir dürfen SUBJEKTIV sein - allerdings sollte die Subjektivität des Urteils immer betont werden und nicht als einzige Wahrheit verkauft werden.


    Alles, was ich hier von mir gebe, ist rein subjektiv und das wird vielen hier auch so gehen. Deshalb bin ich auch immer bereit andere Meinungen zu respektieren und von diesem Austausch lebt ja ein Klassikforum.


    Auch professionelle Rezensionen können eigentlich nur subjektiv sein, denn wie sonst könnte es vorkommen, dass zwei Kritiker genau gegensätzliche Meinungen haben.


    Die Subjektivität beginnt ja schon bei unseren persönlichen Vorlieben. Für den einen ist Bach das Non plus Ultra, für den anderen Mozart und für den nächsten Beethoven. Wenn ich persönlich Schubert liebe, kann ich doch keinen aburteilen, der Händel liebt usw.


    Liebe Grüße
    Jolanthe

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Ich nutze die Summe der Subjektivitäten zur Erlangung eines objektiven Bildes... :pfeif:

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo Alfred,


    bin gerade auf deinen eröffneten Thread mit dem Thema "Subjektivität" gestossen.
    Den Grund für diesen berechtigten Thread findet jeder in meinem Beitrag , in dem es um die überschätzten Sänger geht.
    Auch hier möchte ich nochmals zum Ausdruck bringen, dass ich nur mein persönliches Gefühl als meine Meinung für mich darstellen kann.
    Auf das Rechthaben kann ich nicht pochen und andere können das auch nicht.
    So gesehen finde ich es gut, dass Du nochmals darauf hinweist.


    Herzlichst
    Orpheus 2

    Einmal editiert, zuletzt von Orpheus 2 ()

  • Zitat

    Original von Ulli
    Ich nutze die Summe der Subjektivitäten zur Erlangung eines objektiven Bildes... :pfeif:


    Herrlich, Ulli! :D


    Freundliche Grüße,


    Melisma :hello:

  • Zitat

    Original von der Lullist


    das versteh ich nicht - was meinst Du ?


    Vivaldi war aber in erster Linie Musiklehrer in einem Mädchenpensionat (Waisenhaus). Er hat seine Kompositionen also hauptsächlich für ein Waisenhaus-Orchester geschrieben, das zwar recht berühmt war und mit dem er Geld für das Waisenhaus verdienen konnte, das aber andererseits sicherlich nicht die technischen Möglichkeiten eines professionellen Orchesters hatte.


    Das mag vielleicht auch das Bonmot erklären, Vivaldi habe im Prinzip nur 1 Stück geschrieben, das aber 650 mal, was natürlich stark übertrieben ist, aber doch wohl ein Körnchen Wahrheit enthält.

  • Zitat

    Original von m-mueller
    Das mag vielleicht auch das Bonmot erklären, Vivaldi habe im Prinzip nur 1 Stück geschrieben, das aber 650 mal, was natürlich stark übertrieben ist, aber doch wohl ein Körnchen Wahrheit enthält.


    Das Bonmot ist von Strawummsky ...

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von miguel54


    Das Bonmot ist von Strawummsky ...


    Der gute Strawummsky wusste aber noch nichts von den gut 50 Opern Vivaldis, von denen wir heute wissen, und die ganz sicher nicht für eine Waisenhauskapelle geschrieben wurden...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Der gute Strawummsky wusste aber noch nichts von den gut 50 Opern Vivaldis, von denen wir heute wissen, und die ganz sicher nicht für eine Waisenhauskapelle geschrieben wurden...


    :hello:


    Du meinst La finta plagiata, die er rund 50 mal unter anderem Titel verhökerte...?


    :D

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • und er wusste wahrscheinlich auch nicht das viele der Sammlungen - gerade "L'Estro Armonico" für den Internationalen Markt produziert wurde, "La Cetra" ist für die kaiserliche Hofkapelle in Wien konzipiert, ebenso wie die Concerti per l'Orchestra di Dresda für die weltberühmte Hofkapelle unter Pisendel geschrieben wurden (ganz abgesehen von der Sonatensammlung die speziell Pisendel gewidmet wurde)



    Zitat

    Vivaldi war aber in erster Linie Musiklehrer in einem Mädchenpensionat (Waisenhaus). Er hat seine Kompositionen also hauptsächlich für ein Waisenhaus-Orchester geschrieben, das zwar recht berühmt war und mit dem er Geld für das Waisenhaus verdienen konnte, das aber andererseits sicherlich nicht die technischen Möglichkeiten eines professionellen Orchesters hatte.


    kennst du die sakralen Werke die er für die Pieta schrieb ?


    Weder bei den Instrumentalkonzerten noch bei der sakralen Musik kann man von "geringen Anforderungen" sprechen.
    Zumal gerade die musikalischen Darbietungen unter Vivaldis Leitung einen europaweiten legendären Ruf hatten.
    Mancheiner reiste genau deswegen nach Italien!
    Ich denke man sollte dieses Orchester nicht unterschätzen.


    Nur weil keine "Profis" im Heutigen Sinne musizierten, heißt das noch nichts.
    Albinoni war auch ein "Dilettant" (diese Bezeichnung hatte nur damals eine völlig andere Bedeutung als Heute)



    Zitat

    Das mag vielleicht auch das Bonmot erklären, Vivaldi habe im Prinzip nur 1 Stück geschrieben, das aber 650 mal, was natürlich stark übertrieben ist, aber doch wohl ein Körnchen Wahrheit enthält.


    an solchen Bonmots merkt man häufig doch das Niveau des Urhebers, wärend jene z.B. von Voltaire noch Heute amüsieren, ist dieses einfach nur ebenso unlustig wie dumm.


    Eine andere Erklärung für dieses Bonmot:
    Stravinsky beschäftigte sich oberflächlich mit einer Musik er nicht verstand und für die er auch nichts übrig hatte.
    Mann muss nur hier im Forum stöbern und man wird ähnliche Aussagen zu anderen Themen - siehe Regietheater - finden.
    Das dann als Bonmot zu bezeichnen ist nur mit folgendem Begriff zu beschreiben:


    "Adelung der Ignoranz und Dummheit"



    Meiner Meinung nach ist jedes der Konzerte von Vivaldi etwas völlig eigenes.
    Und ich bedaure jeden, der mit dieser Musik nichts anfangen kann.

  • Abgesehen davon, daß Vivaldi z.B. auch einzelne Konzerte für das berühmte Dresdner Orchester geschrieben hat, war die "Waisenhauskapelle" überregional bekannt und es wenig Hinweise darauf, daß sie üblichen Ensembles der damaligen Zeit unterlegen gewesen wäre, von denen viele eher semiprofessionell gewesen sein dürften. Wie auch immer halte ich es für unwahrscheinlich, daß die Leistungsfähigkeit dieses Ensembles ein wesentlicher Faktor bei seinen Kompositionen gewesen ist.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Was hier im Forum die Subjektivität betrifft so kommt es drauf an. Man kann sich immer nur so weit aus dem Fenster mit seiner subjektiven Meinung lehnen, soweit man bereit ist eventuell auch in Kauf zu nehmen beleidigte Gegenangriffe eingefleischter Fans bestimmter Werke bzw. Komponisten einzustecken bzw. sich dafür rechtfertigen zu müssen. Meist verlaufen Diskussionen über Meinungsverschiedenheiten aber sachlich ab, nur stellenweise find ich es etwas überzogen klassische Werke zB als Mist zu titulieren bzw. Kotzsmileys dafür zu verwenden oder andersrum auf sachlich geäußerte negative Beurteilungen (insofern sie nicht als objektive Wahrheit verkauft wird) den Beurteilenden aus Zorn Kompetenz abzusprechen wenn man gerade sein Lieblingswerk erwischt hat.
    Hab ich zwar schon hin und wieder solche Diskussionen/Auseinandersetzungen lesen müssen, passiert aber in Relation zum Glück doch eher selten.
    Ich bin aus Erfahrung auch schon seit längerem so vorsichtig bei negativen Urteilen bestimmter Werke geworden, das ich oftmals extra dazuschreibe "Meiner Meinung..." oder "...spricht mich persönlich nicht an" oder "Meinem Geschmack nach..." usw. sicher ist sicher ;)
    (und selbst da kann man dann manchmal zynische Kommentare lesen oder "...und was bringt uns das jetzt zu wissen das du xy langweilig empfindest?") Aber gut, wir diskutieren hier ja meist über Geschmäcker und eher die Ausnahme das es um konträre Diskussionen über die kompositorische Anlage bzw. Satztechnik eines Werkes geht und der emotionale Aspekt ist ja ein sehr wichtiger, wesentlicher Teil von daher find ich es schon interessant zu erfahren wie andere Klassikhörer dieses und jenes Werk empfinden und wahrnehmen, was auch immer dabei rauskommt (solang wie gesagt keine Kraftausdrücke verwendet werden).
    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von âme
    Aber gut, wir diskutieren hier ja meist über Geschmäcker und eher die Ausnahme das es um konträre Diskussionen über die kompositorische Anlage bzw. Satztechnik eines Werkes geht und der emotionale Aspekt ist ja ein sehr wichtiger, wesentlicher Teil von daher find ich es schon interessant zu erfahren wie andere Klassikhörer dieses und jenes Werk empfinden und wahrnehmen, was auch immer dabei rauskommt (solang wie gesagt keine Kraftausdrücke verwendet werden).


    Cher âme,


    Sänger sind sowieso eine Ausnahme. Wenn wir diskutieren über das Phänomen Callas, daß laut mehreren Taminos einzigartig ist wegen ihrer "performance", dann befinden wir uns doch eher in einem grauen Gebiet.
    Ob das Timbre einer Stimme einem gefällt, ist persönlich. Die Technik eines Sängers ist wieder etwas, worüber man sachlich reden kann.


    LG, Paul

  • Nun mal den Ball flachhalten,


    ich habe geschrieben, Vivaldi sei musikalisch etwas eingeschränkt gewesen. Ich habe nicht behauptet, er habe keine schwierigen oder für Profis konzipierte Stücke geschrieben.


    Aber so ist das hier manchmal, der Aussage "Nicht alle A sind B" (nicht alle Stücke Vivaldis glänzen durch gesteigerte Originalität) wird sofort heftigst widersprochen mit Beispielen für "es existieren etliche B".


    Beide Aussagen können richtig sein, sie stehen eben NICHT in einem Widerspruch.


    Ich habe mich zugegeben nicht intensiv mit italienischer Waisenhausologie des angehenden 18. Jahrhunderts beschäftigt, sondern bin mal implizit davon ausgegangen, daß die jungen Damen vielleicht bis zum reifen Alter von 14 oder 15 Jahren dort verblieben sind - da hat man meist noch nicht den Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens erreicht. So gab es also wohl ein ständiges Kommen und Gehen in Vivaldis Orchester, und es wird Zeiten gegeben haben, da gab es große Talente und wird Zeiten gegeben haben, da gab es sie nicht (oder weniger). Ich halte es daher für durchaus wahrscheinlich, daß die Leistungsfähigkeit seines Orchesters bei vielen (nicht allen!!) Werken der Maßstab war, den er in Bezug auf die abverlangten Schwierigkeiten anlegen konnte.

  • Zitat

    Original von der Lullist


    Meiner Meinung nach ist jedes der Konzerte von Vivaldi etwas völlig eigenes.
    Und ich bedaure jeden, der mit dieser Musik nichts anfangen kann.


    Manchmal, lieber Lullist, scheinst Du doch eine etwas selektive Wahrnehmung zu haben, es sei denn, der letzte Satz war, anders als die vorhergehenden, wo ich ja nun Deiner Meinung nach Dummheit und Ignoranz geadelt habe, nicht mir zugedacht. Ich habe ja nun ausdrücklich geschrieben, daß ich Vivaldi mag. Überhaupt nichts habe ich davon geschrieben, ich könne mit seiner Musik nichts anfangen.


    Auch wenn Du mich nicht magst und mit mir nichts anfangen kannst: demnächst einfach mal versuchen, etwas objektiver (sic!! - paßt doch gut zum Threadtitel) zu sein.


    :hello:

  • :D da hast Du mich falsch verstanden - damit war NUR Stravinsky gemeint :hahahaha:




    dass Du Vivaldi, Albinoni etc. sehr magst, weiß ich ja - nein nein, ich habe mich nur über Stravinsky ausgelassen - und seine verbale Entgleisung wird ja allgemein als Bonmot angesehen - das ist ja keine Erfindung von Dir :D



    Ne, das hast Du in den falschen Hals bekommen.
    Aber gut, dass Du das mit dem Waisenhaus noch mal etwas differenziert hast - so kann ich dem Gedanken schon eher folgen.



    :hello:


  • Es geht nicht um prinzipielle logische Verträglichkeit zweier Aussagen, sondern um eine Hypothese, die Du geäußert hast. Nämlich daß Vivaldi "aufgrund der geschichtlichen Umstände ein wenig eingeschränkt" gewesen sei. Genauer soll diese Einschränkung in der Tatsache bestanden haben, daß er viele Werke für die Mädchenkapelle des Ospedale geschrieben habe.


    Ich bin auch kein ausreichender Vivaldi-Kenner, um das beurteilen zu können, ich habe diese Vermutung aber noch nie vorher gehört, und die Virtuosität und der Abwechslungsreichtum seiner Konzerte spricht auch nicht gerade für die Vermutung. Auch Bach schrieb viele seiner Werke für Ensembles, die hauptsächlich aus Chorknaben usw. bestanden und es hat noch nie jemand behauptet, daß habe ihn musikalisch eingeschränkt.


    Man mag alle möglichen Begrenzungen Vivaldis ausmachen, aber es ist ziemlich sicher falsch, daß, wenn wir seine Musik (vielleicht nicht ganz zu unrecht) heute manchmal als etwas eindimensional empfinden, dies an den wackeren Waisen gelegen haben sollte. Sondern vielleicht eher daran, daß wir den mehr oder minder "reinen" italienischen Stil eben als etwas oberflächlich gegenüber Bach oder Händel wahrnehmen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    [ich habe diese Vermutung aber noch nie vorher gehört, und die Virtuosität und der Abwechslungsreichtum seiner Konzerte spricht auch nicht gerade für die Vermutung. Auch Bach schrieb viele seiner Werke für Ensembles, die hauptsächlich aus Chorknaben usw. bestanden und es hat noch nie jemand behauptet, daß habe ihn musikalisch eingeschränkt.


    JR


    Erstaunlich, daß die Musikwissenschaft dazu bisher anscheinend nichts gesagt hat (mal stillschweigend vorausgesetzt, Du hast die Erkenntnisse der Musikwissenschaft zum Thema at hand rezipiert).


    Meines Erachtens liegt es auf der Hand, daß ein Komponist, der ein Werk aufführen will, die Grenzen der Aufführenden kennen sollte.


    Händel - nur als Beispiel - hat ja auch die Chandos Anthems für genau das Orchester und seine Eigentümlichkeiten geschrieben, das er beim Duke of Chandos vorfand. Und Bach hat sich - soweit überliefert - häufig mit den Ausführenden gestritten, da sie offensichtlich nicht seinen Vorstellungen entsprechend funktioniert haben. Er hat also erwartet, daß sie bestimmte Dinge konnten, die sie dann aber wohl nicht gut genug konnten.


    Ein Komponist wäre ja auch mit dem Klammerbeutel gepudert, schriebe er in voller Absicht Stücke für Leute, die diese dann nicht aufführen könnten. Und da Vivaldi wohl recht häufig Musik verfaßt hat mit dem Ziel, sie durch SEIN Orchster aufführen zu lassen, scheint es logisch anzunehmen, daß er die Musik in Kenntnis der existierenden Beschränkungen verfaßt hat.


    Und zu vermuten, Vivaldis Orchester sei technisch auf allerhöchstem Niveau gewesen, ist m.E. etwas gewagt. Aber vielleicht hat ja jemand gegenteilige Erkenntnisse...

  • Zitat

    Original von Ulli
    ...
    Du meinst La finta plagiata, die er rund 50 mal unter anderem Titel verhökerte...?


    :D


    Ähhh, von einer Vivaldischen Finta weiß ich nichts... ;)


    Aber der gute Vivaldi behauptete ja von sich, mehr als 90 Opern komponiert zu haben. Man tut sich nur a bissale schwer, die auch alle zu finden. Aber immerhin sucht man ja noch nicht lange danach und weiß dennoch schon recht viel. Und in Turin gibt es eine Reihe von Autographen...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von m-mueller


    Erstaunlich, daß die Musikwissenschaft dazu bisher anscheinend nichts gesagt hat (mal stillschweigend vorausgesetzt, Du hast die Erkenntnisse der Musikwissenschaft zum Thema at hand rezipiert).


    Meines Erachtens liegt es auf der Hand, daß ein Komponist, der ein Werk aufführen will, die Grenzen der Aufführenden kennen sollte.


    Im Prinzip ja. Aber so einfach ist es nicht. Es gibt genügend Beispiele für Werke, die zunächst als "unspielbar" zurückgewiesen wurden, freilich meist erst ab dem 19. Jhd.
    Es gibt hier einfach zu viele Unsicherheitsfaktoren: Wir können doch z.B. auf die Fähigkeiten der Ensembles und Solisten nur anhand der Musik schließen, von der wir wissen, daß sie sie gespielt haben. Wir kennen die Tempi nicht genau, wir wissen nicht, welche Anforderungen an die Präzision usw. gestellt wurden. Aus der Zeit Beethovens wissen wir ein wenig mehr und das läßt vermuten, daß die Toleranz gegenüber halbwegs erkennbaren Aufführungen zwangsläufig ziemlich hoch gewesen sein muß. Stücke wurden mit unzureichenden Proben aus in höchster Eile kopiertem Stimmmaterial aufgeführt, 2. Vl. und Bratschen mit mittelprächtigne Aushilfen oder Laien aufgefüllt (beides dürfte für Vivaldi wohl weniger ein Problem gewesen sein) usw.


    Zitat


    Und Bach hat sich - soweit überliefert - häufig mit den Ausführenden gestritten, da sie offensichtlich nicht seinen Vorstellungen entsprechend funktioniert haben. Er hat also erwartet, daß sie bestimmte Dinge konnten, die sie dann aber wohl nicht gut genug konnten.


    Eben. Und er hat wohl kaum alles geändert oder die Vorstellung abgesagt, wenn etwas nicht gut genug herauskam. Er muß einige sehr gute Solisten gehabt haben, über die Qualität der restlichen Chorsänger beschwerte er sich, aber auch da weiß man nicht, welchen Maßstab er anlegte.


    Zitat


    Ein Komponist wäre ja auch mit dem Klammerbeutel gepudert, schriebe er in voller Absicht Stücke für Leute, die diese dann nicht aufführen könnten. Und da Vivaldi wohl recht häufig Musik verfaßt hat mit dem Ziel, sie durch SEIN Orchster aufführen zu lassen, scheint es logisch anzunehmen, daß er die Musik in Kenntnis der existierenden Beschränkungen verfaßt hat.


    Und zu vermuten, Vivaldis Orchester sei technisch auf allerhöchstem Niveau gewesen, ist m.E. etwas gewagt. Aber vielleicht hat ja jemand gegenteilige Erkenntnisse...


    Es hat niemand behauptet, das Waisenhausensemble sei auf dem höchsten Niveau gewesen. Der Punkt ist ein ganz anderer: Das Niveau des Ensembles hat bei weitem nicht die Bedeutung, die Du vermutest. Es reichten einige hervorragende Solisten für die meisten Zwecke aus. Das mag of Vivaldi selbst oder eben die besten Schülerinnen gewesen sein. Ein Blick in die Tutti-Stimmen vieler (nicht nur) barocker Konzerte zeigt, daß hier keine Supervirtuosen notwendig gewesen sind. Es gehört mit zum Stil des seinerzeitigen Solokonzerts, daß der/die Solisten dominieren.
    Schließlich muß man bedenken, daß viele der gedruckten Konzerte und Triosonaten usw. auch von Amateurensembles gespielt wurden; die Musikszene war noch nicht in dem Maße professionalisiert. Sie durften damit nicht so schwierig sein, daß sie sich diesem Markt entzogen hätten.


    Was Du machen müßtest, wäre z.B. folgendes: Vergleiche nachweislich für die professionelle Dresdner Kapelle geschrieben Werke mit nachweislich für das Waisenhaus gedachten. Selbst wenn sich Unterschiede ergeben, könnten die nur in der Virtuosität der Parts bestehen und angesichts der stilistischen Gemeinsamkeiten (und der Unterschiede zu z.B. Bach oder Couperin) völlig zweitrangig scheinen (wäre meine Vermutung).


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)