Ignaz Holzbauer (1711 - 1783)

  • Holzbauer wurde 1711 in Wien geboren, lernte in den 30ern in Italien Vivaldi, Albinoni und Galuppi kennen, wirkte dann in Mähren, in Wien, Stuttgart und dann, ab 1753 in Mannheim, dort auch als Kapellmeister und Opernkomponist ("Günther von Schwarzburg", 1777).


    Holzbauer zählt zu den bedeutendsten Vertretern des "Mannheimer Stils".

  • Im Zusammenhang mit unserem Haydn-Sinfonien-Projekt möchte ich als Vergleich die Höranalyse eines "außerwienerischen" Sinfoniensatzes vorstellen. Holzbauers op. 3 wurde 1769 veröffentlicht, in der Zeit von Haydns op. 9 und seinen frühen Sturm- und Drangsymphonien, etwa der 39. oder der 59.


    Presto


    Der Satz beginnt mit insistierenden forte-Akkorden auf Tonika und Dominante, die sich am Ende der Exposition wiederfinden, was durch die unmittelbare Konfrontation mit den Akkorden des Beginns bei der Wiederholung und mit denen am Beginn des zweiten Teiles ein reizvolles Spiel ergibt. Hierauf folgt im piano ein flächiger harmonisch und nicht motivisch dominierter Teil, der bei Haydn typisch für einen Durchführungsbeginn wäre, Spannung und Dramatik wird durch Dissonanzen und Destabilisierung der Tonart erreicht (nach der Tonika ein Quartvorhalt im Bass beim Dominantseptakkord, der sich dann in einen Sekundakkord der Tonika als Nebendominante zur Subdominante auflöst, wie man sieht, ist diese Anreicherung forciert dadurch, dass die Basstöne die dissonanten Akkordtöne zugewiesen bekommen). Typischerweise für die Vorklassik sind derlei Entwicklungen aber immer nur sehr kurzfristig. Nach Rückführung zur Tonika folgt in stürmenden Sechzehnteln eine Trivialmodulation zur Dominanttonart (die eigentlich nur durch Tonika-Dominante-Abwechslung bewerkstelligt wird). Verglichen mit Haydn-Modellen der Zeit sind die harmonisch stabilen und instabilen Partien also vertauscht - bei Haydn beginnt es stabil und dann wird entweder in der Überleitung zum Seitensatz oder innerhalb des Seitensatzes die harmonische Palette aufgefächert. Nun folgt ein beschwingt-gesanglicher Seitengedanke und eine ganze Folge einprägsamer Ideen, von denen nur eine leicht modulierend wirkt, eine mitreißende Tutti-Sequenz-Bildung.


    Der zweite Teil demonstriert, dass die Form Exposition - Durchführung - Reprise um 1770 keine Allgemeingültigkeit hatte - es wird, was das motivische Material betrifft - oder was die Folge der Ideen betrifft - der erste Teil weitgehend unverändert nachgezeichnet, nur dass statt der Entwicklung Tonika -> Dominante der umgekehrte Weg gegangen wird. Dabei verändert Holzbauer vor allem die Partien vor dem Seitensatz der "Exposition", wodurch sich doch der Hauch einer Verwandtschaft zum Modell "Durchführung-Reprise" erahnen läßt. Schon die Forte-Akkorde sind durch Ergänzung durch weitere Stufen angereichert. Der spannungsvolle "Hauptthema-Abschnitt" bleibt aber ziemlich unverändert (leicht gestrafft), erst das, was zuerst "Minimalmodulation" war, strudelt nun ambitionierter durch die Gegend und kommt auf der VI. Stufe der Haupttonart an, um dort "scheinreprisenartig" das gesangliche Seitenthema zu bringen. Nach "Tonartenkorrektur" kommt dieses nochmals in der Haupttonart und bis zum Schluss fallen mir keine besonderen Änderungen gegenüber der "Exposition" auf.


  • Ich mochte dieses Ensemble lange Zeit nicht, auch gerade die Holzbauer-CD.
    Das L'Orfeo-Barockorchester beschäftigt besonders ruppige Streicher, die insbesondere die Akkorde so hart in ihre Kisten knallen, dass man das Holz jammern hört.


    Nun, man muss sich drauf einlassen und von Passage zu Passage überlegen, ob das gerechtfertigt sein könnte. Bei mir funktioniert diese Brutalo-Variante nur, wenn ich die Anlage relativ laut aufdrehe. Man muss sich aber dann überlegen, was das bedeutet, wie das in Realakustik aussehen würde (Barockinstrumente sind ziemlich leise und das L'Orfeo-Barockorchester ist überdies sehr klein besetzt). Die Lautstärke, bei der das ausreichend "fetzt" entspräche einer Hörposition ganz knapp vor dem Orchester in einem nicht besonders riesigen Raum.


    Mit diesen Bedenken und Abstrichen würde ich die CD aber inzwischen doch sehr loben, insbesondere op. 3/1 wird schon sehr packend exekutiert.
    :hello:

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Holzbauer wurde 1711 in Wien geboren, lernte in den 30ern in Italien Vivaldi, Albinoni und Galuppi kennen, wirkte dann in Mähren, in Wien, Stuttgart und dann, ab 1753 in Mannheim, dort auch als Kapellmeister und Opernkomponist ("Günther von Schwarzburg", 1777).


    Ignaz Holzbauer wurde zunächst vom Kurfürsten Carl-Theodor als zweiter Kapellmeister hinter Carlo Grua angestellt.
    Zu seinen Kapellmeisterpflichten zählten neben dem Komponieren auch die Einstudierung und Leitung geistlicher und musikdramatischer Werke,
    sowie explizit die alleinige Direktion und Organisation des Hoforchesters.
    Er trug, um Chr. Fr.Daniel Schubert zu zitieren das meiste zur Vollkommenheit dieses großen Orchesters bey.
    Holzbauer stockte die Holzbläser auf, die Flöten, Oboen und Fagotte waren nun dreifach besetzt,
    1758 komplettierre Holzbauer das Orchester um zwei Klarinetten.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Bernhard
    1758 komplettierte Holzbauer das Orchester um zwei Klarinetten.


    Das klingt so, als hätte es vorher im Orchester keine Klarinetten gegeben. Nun gibt es aber von Johann Stamitz (gestorben 1757) ein Klarinettenkonzert - hat er da einen Gast-Star beschäftigt?
    :hello:

  • Guten Tag

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Das klingt so, als hätte es vorher im Orchester keine Klarinetten gegeben. Nun gibt es aber von Johann Stamitz (gestorben 1757) ein Klarinettenkonzert - hat er da einen Gast-Star beschäftigt?
    :hello:


    Das könnte möglich sein.
    Die Klarinettenspieler Michael Quallenberg und Johannes Hampel wurden erstmals in
    "Churfürstlichen -Pfälzer Hoff- und Staats-Calender auf das Jahr 1759"
    als Neuzugänge von 1758 erwähnt.


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Guten Abend


    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    , ab 1753 in Mannheim, dort auch als Kapellmeister und Opernkomponist ("Günther von Schwarzburg", 1777).


    Mit der Uraufführung der Favola pastorale "Il figlio delle selve" am 15. Juni 1753 im Schwetzinger Hoftheater empfahl sich der "Capell=Meister des Hernn Hertzog von Wuertemberg" Ignaz Holzbauer dem Kurfürsten Carl-Theodor für den Kapellmeisterposten mit Erfolg.
    Einen Monat später wurde er zum Mannheimer Hofkapellmeister ernannt und blieb Mannheim bis zu seinem Tode dreißig Jahre später treu.
    Genau ein Jahr später am 15. Juni 1754 wurde im Hoftheater Schwetzingen Holzbauers Oper "Lísola disabitata" und wiederum am 15. Juni 1755 die Oper "il Don Chisiciotte" uraufgeführt.
    Die Hofkapelle des Kurfürsten, weilte den Sommer über in Teilen in der kurfürstlichen Sommeresidenz Schwetzingen und war in verschiedenen Schwetzinger Häusern einquartiert.
    Holzbauer quartierte in einem Haus in der jetzigen Dreikönigstrasse 4. Neben an im "Roten Haus" logierte 1763 Vater Leopold, Sohn Wolfgang Amadeus und Tocher Maria Anna Mozart (Elisabeth und Ulli nahmen die Örtlichkeiten schon ehrfürchtig in Augenschein :D ).
    Der bekannte engliche Musikreisende Charles Burney schrieb über einen Besuch Schwetzingens:


    "Einem Jeden, der sommers durch Schwetzingen geht, muss es gänzlich von einer Colonie von Musikanten bewohnt zu sein scheinen,
    die ihre Profession beständig ausüben;
    da in einem Haus hört er einen schönen Geiger, dort in einem anderen eine Flöte;
    hier einen vortrefflichen Hoboisten, dort einen Basson, eine Clarinet, ein Violoncell, oder ein Concert von allerley Instrumenten zugleich.
    Musik scheint seiner Churfürstl. Durchl. Liebster und beständigstzer Zeitvertreib zu seyn,
    und die Opern und Concerte, wozu alle seine Untertanen Zutritt haben,
    bilden durchs ganze Churfürstenthum den musikalischen Geschmack."


    Christian Friedrich Daniel Schubert schrieb ähnlich lobendes über Schwetzingen im Sommer:


    Er glaubte in eine "Zauberinsel versetzt zu seyn, wo alles klang und sang
    [...] ja aus allen Winkeln und Hütten des kleinen Dorfes hörte man die magischen Töne seiner Virtuosen,
    die sich in allen Arten von Instrumenten übten.
    [...]
    Abend Musik im Badhaus, oder ein Concert, oder eine Oper, welch, französisch und -dem Himmel sey´s gedankt ! auch deutsch;
    das ist ohngefähr der simple Kreiß, in den die Zeit dieses weisen und guten Fürsten eingeschränkt ist."


    Da wäre man gerne dabei gewesen :yes:


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Mozart hat in der Zeit seines Aufenthaltes in Mannheim sehr viel von der "Mannheimer Schule" aufgenommen und auch auf alle Fälle in eine seiner Sinfonien verarbeitet.
    Bei der Mitwirkung der Uraufführung der Missa in C von Ignaz Holzbauer habe ich die musikalische Entwicklung zu Zeiten der Mannheimer Schule selbst in Erfahrung bringen dürfen. Seine "supito forte" ohne Crescendo bzw. "supito pianissimo" statt Decrescendo sind sehr typische Erscheinungsbilder für diese Stilepoche.
    Erst im letzten Monat habe ich im BR klassik eine Sinfonie gehört, die genau wie Holzbauer die Versiertheit von schnellen Lautstärkenänderungen an den Tag gelegt hat. Sofort habe ich an die "Mannheimer Schule" gedacht. In sich gesehen war die Musik rein in der Epoche des "Klassik" wiederzufinden, aber die abrupten Veränderungen waren eindeutig die Handschrift des Mannheimer Stiles. Leider habe ich den Opus der Sinfonie von der Sprecherin nicht verstanden. Aber es war eine Sinfonie von Mozart.
    So hat der Stil der "Mannheimer Schule" auch bei Mozart seine Spuren hinterlassen.

  • Der Komponist wurde am 17.09.1711 in Wien geboren, studierte zunächst Rechtswissenschaft und Theologie, wandte sich dann aber mehr und mehr, angeregt durch Johann Joseph Fux, der Musik zu. Der algemeinen Ansicht, daß man Musik nur in Italien studieren können, ging er nach Venedig, erhielt danach die Stelle eines gräflichen Kapellmeisters in Holesov (Holleschau) in Mähren und 1742 am Burgtheater in Wien. 1751 kam er nach Stuttgart, 1753 nach Mannheim. Von dort unternahm er mehrere ausgedehnte Reisen, vermutlich mehrere nach Paris. Auch, als der kurfürstliche Hof von Mannheim nach München übersiedelte, blieb er in Mannheim und starb dort am 7.04.1783.


    Von Holzbauer sind überliefert
    5 Streichtrios,
    24 Streichquartette,
    3 Divertimente für 5 Streicher,
    5 Quintette für Flöte,Violine, Bratsche, Cello und Cembalo,
    3 Sextette für Flöte, Oboe, Violine, Bratsche, Cello und Baß,
    29 Sinfonien (von 65) für unterschiedlichste Besetzungen,
    40 Messen, Motetten und andere sakrale Werke,
    1 Oratorium (von 4),
    mehrere Opern auf intalienische Texte, eine auf ein deutsches Libretto.


    Stilistisch geht Holzbauer von dem aus, was er von Fux übernommen hatte, arbeitete sich dann aber bis zur Mannheimer Faktur durch. Von seinen Zeitgenossen wurden in erster Linie seine Messen sehr gerühmt.


    Von Holzbauer besitze ich nur ein einziges Werk, eben jene auf ein deutsches Libretto komponierte Oper, die ich bei jpc nach einer radikalen Preisreduzierung erstand:


    auf einen Text von Anton Klein.


    ...eine Oper, die Mozart beeindruckt hat.


    Die Titelpartie singt Robert Wörle
    Rudolf, Pfalzgraf und Kurfürst Michael Schopper
    Anna, seine Tochter Claron McFadden
    Asberta, verwitwete Königin von Böhmen Clarry Bartha
    Karl, König von Böhmen Christoph Pregardien
    Vokalensemble La Stagione
    La Stagione
    Leitung Michael Schneider


    Mozart schreibt aus "Mohmheim - Dommschleim" am 14.11.1777 an seinen Vater nach Salzburg u. a.:


    (...) Nun auf die opera. ganz kurz. die Musick von Holzbauer ist sehr schön. die poesie ist nicht werth einer solchen Musick, am meisten wundert mich, daß ein so alter Mann, wie holzbauer, noch so viell geist hat; denn das ist nicht zu glauben was in der musick für feüer ist. die Prima donna war die Mad: Elisabetha Wendling, nicht die flutraversisten frau, sondern des geigers. sie ist immer kränklich und zu demm war auch die opera nicht für sie, sondern für eine gewisse Danz geschrieben, die ietzt in England ist; folglich nicht für ihre Stimme, sondern zu hoch. H. Raaf hat unter 4 arien, und beyläufig etwa 450Täct einmahl gesungen, daß man gemerckt hat daß seine stimme die stärckste ursach ist, warum er so schlecht singt (...)


    Mozarts Urteil über das Werk kann ich nachvollziehen, sowohl was die "Musick" angeht, aber auch, was den schwülstigen Text betrifft. Der Autor des Beihefttextes der cpo-Einspielung, Michael Schwarte, schreibt:


    Zitat

    Es ist beinahe verwunderlich, daß Ignaz Holzbauers einzige deutsche Oper nicht bereits 1990 wieder aus der Versenkung auftauchte; sie hätte einen durchaus passenden Beitrag zur "Wiedervereinigung" der beiden deutschen Staaten abgegeben und sensible Gemüter zugleich skeptisch gegenüber jeglicher Form von patriotischer Euphorie stimmen können. Denn von Vaterland und deutschem Heldenmut ist im Text des elsässischen Jesuiten und Mannheimer Professors der "Schönen Wissenschaften" mehr als genug die Rede - und dies schon für seine Zeitgenossen.


    Also: Musikalisch hörenswert - man muß nur in der Lage sein, den Text zu "überhören"...

    .


    MUSIKWANDERER

  • In der Beschäftigung mit den Erinnerungen macht man immer wieder schöne Entdeckungen. So konnte ich in diese Box hineinhören:



    die in einer fulminaten Einspielung sehr hörenswerte Sinfonien zeitigt. Ignaz Holzbauer starb am 7. April 1783.


    Heute ist die 232. Wiederkehr seines Todestages.



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Hallo Willi,


    Ja, diese fantastische Einspielung durch das glänzend aufspielende Ensemble L'ORFEO BAROCKORCHESTER unter der Dirigentin MICHI GAIGG kann ich auch nur wärmstens empfehlen. Unter den 5 Sinfonien befindet sich im übrigen auch mein Lieblingswerk von HOLZBAUER, nämlich seine Sinfonie Nr 1 Es-dur op. 3, die mich schon in meiner Jugendzeit beeindruckte.


    Es gibt noch eine andere sehr hörenswerte Es-dur-Sinfonie von HOLZBAUER, die der Geiger und Dirigent GÜNTER KEHR überarbeitet und herausgegeben hat. In dieser Sinfonie mit dem Titel "La tempesta del mare" für 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner und Streicher, Cembalo ad lib. kommen besonders die Bläser wunderbar zum Tragen.


    Laut Meyers Konservationslexikon hat IGNAZ HOLZBAUER u. a. 196 Symphonien komponiert (sic!!), von denen offenbar nur 29 im Druck erschienen. Außer seinen Sinfonien werden heute vor allem seine Notturni Nr. 1, 2 und 3 gespielt, wie auch seine Quintette in B-dur und G-dur. Diese Werke wurden auch vom WINTERTHURER BAROCKQUINTETTeingespielt.
    Von seinen 9 italienischen Opern und einer deutschen Oper hatte zu seinen Lebzeiten vor allem seine 1759 in Mailand komponierte Oper "Alesandro nell' Indie" glänzenden Erfolg.


    Wie schon erwähnt, schätzte der jugendliche MOZART die Kompositionen HOLZBAUERs außerordentlich, und es wird angenommen, daß sich in MOZART's Zauberflöte ein gewisser Einfluß dieses Zeitgenossen niedergeschlagen hat.


    Viele Grüße
    wok