Haydn, Joseph: Symphonie Nr. 49 f-moll "La Passione"

  • Joseph Haydn - Symphonie Nr.49 f-moll "La Passione"


    Die „Passione“ ist wahrlich in verschiedensten Aspekten eine ungewöhnliche Sinfonie Haydns.
    Zum einen die Satzreihenfolge, indem der langsame Satz statt an 2. Stelle, wie meist in der Klassik-Periode, gleich zu Beginn steht (Womit hier der Bezug zum alten Kirchensonaten-System gezogen werden kann) Zum Anderen ist es die einzige Sinfonie Haydns wo alle Sätze ausnahmslos in
    einer Molltonart stehen, also genauer gesagt in der gleichen Tonart, nämlich in f-moll.
    Außerdem ist diese teils düstere, teils wilde, expressive Tonsprache bei Haydn meiner Meinung nach eher selten anzutreffen.
    Sie entstand 1768 und der Grund dafür ist nicht genau bekannt, es werden lediglich Vermutungen angestellt. Es könnte z.B. sein das er diese für die Schauspielmusik "II quakuo di bel humore" (Der gutgelaunte Quäker ) schrieb. Der Beiname ist nicht authentisch und wurde erst später gegeben da man angeblich in dieser Musik die musikalische Deutung der Passion Christis sah - vielleicht wegen dem Kirchensonaten-System?
    (Ich dachte vorher eher an das italienische Wort für Leidenschaft)


    Die Besetzung besteht aus 2 Oboen, 2 Hörner in F, 2 Violinen, Viola, Cello und Kontrabass.


    1. Satz – Adagio f-moll
    Der im 3/4-Takt gehaltene 1.Satz beginnt mit vorwiegendem Einsatz der Streicher in nachdenklicher, leiser Stimmung. Die Hörner zu Beginn noch in ausgehaltener Begleitung dabei, dann auch diese genauso wie die Oboen vorerst ganz ausgespart. Das eingeleitete Thema wird somit nochmal in einer Art Variation wiederholt, moduliert dann ab T.25 nach As-Dur (Dominante)
    Eine Zunahme an schnelleren Notenwerten bzw. Bewegungen mit abwechselnd einsetzenden Fortes. Die Bläser kommen erst wieder zu diesem Zeitpunkt so richtig in Erscheinung. Danach bremst Haydn wieder das ganze wieder ein, wird wieder leiser, ruhiger bis hin zur Einstimmigkeit, die nochmals in einen Ausbruch mündet und die Exposition dann schließlich vom Rythmus her in eine Art langsamen Trauermarsch in Dur mit sehr spärlich instrumentierten auf- und abwärtsbewegenden Sechzentelfiguren endet.
    Die Durchführung wird mit dem zuvorgehenden As-Dur-Thema eingeleitet. Diesmal wird aber im Gegensatz zur Exposition das Achtelmotiv nicht alleine von den 1. sondern nach 2 Takten von den 2.Violinen gleichzeitig mit dem ausgehaltenen Einsatz der Hörner übernommen. Gegen Ende moduliert er in der Df. kurz wieder nach As-Dur und schließt
    schließlich wieder in f-moll mit dem Trauermarschähnlichen Thema mit den Sechzentelfiguren.
    Ich glaube ich muß mich in dem Moment erst dran gewöhnen das die Haydn-Durchführungen nicht die Länge ab der Frühromantik aufweisen, war ich jetzt überrascht das die Reprise gleich so schnell wieder einsetzt (T.62). Nach dem Anfangsthema beläßt er es wie in Reprisen so üblich bei dem folgenden sonst zuvor As-Dur erklungenen Forte in f-moll baut zudem weitere kleine Varianten und Auszierungen der einzelnen Motive ein.


    2. Satz – Allegro di molto
    Der im 4/4-Takt gehaltene 2.Satz sticht erstmal besonders wegen der großen Intervallsprünge der Violinen, begleitet durch aufbrausende Achteln (teilweise Staccati) der tieferen Streicher und Oboen hervor. Auffällig sind
    dann in der 2.Periode dieses Themas die Synkopen - diesmal aber die Oboen unisono zu den Violinen.Darauf bilden die Violinen (Staccati) mit den tieferen Streichern einen energisch, temperamentvoll welchselnden
    Dialog (Achtelfiguren).Das Seitenthema ab T.14 in As-Dur noch ganz lebendig aber gegen das Hauptthema schon fast entspannend wirkend,
    im piano wobei nur anfänglich die Violinen mit den tieferen Streichern, ansonsten nur die 1.Violinen mit den restlichen Streichern ebenso in eine Art Dialog treten. Danach nehmen meine Ohren wieder ein Forte wahr (T.22), in der Partitur seh ich das dieses Thema wieder die Intervallsprünge vom Anfang aufnimmt jedoch zuvorgestellten punktierten Achteln, also man könnte sagen eine Variation davon.Das folgende Thema ist aber neu, klingt sehr beschwingt (zum. in Dur)und hat von der Stilistik etwas von Mozart wie ich finde. T.52 beginnt die Durchführung mit dem Eingangsthema der Exposition diesmal in As-Dur, lange bleibt er da nicht und moduliert noch während des energischen Dialogs zu b-moll und gleich darauf nach c-moll und leitet hier dann zu einem neuen Motiv über das er auch gleich schließt um darauf erneut das Seitenthema zu beginnen das diesmal in Es-Dur steht, aber dann ebenso nach c-moll moduliert wird. Es folgt schließlich nach einem neuen Variationsthema das "beschwingte" Thema, diesmal in c-moll, wiederum hin- und hermodulierend (c-moll nach As-Dur nach f-moll)
    Ich nehme mal an das die darauf wiederkehrenden Intervallsprünge die Reprise einleiten (T.101) - das wäre ja mal eine für Haydn überraschend relativ lange Durchführung. ;) Hier werden die Themen aber diesmal gegenüber der Exposition stellenweise stark variiert (bis zum Ende in f-moll gehalten)


    3.Satz – Menuett - Trio
    Eigentlich bin ich ja überlicherweise nicht so für Trios der Klassik-Epoche zu begeistern. Dieses hier in 3/4 läßt sich aber gut aushalten weil er ebenso in f-moll steht und bis auf das Trio eine ernste Charakteristik besitzt.
    Was ich jetzt nur mal vom hören wahrnehmen kann ist eine langsame Legatidurchzogene Violinen-Oboen-Melodie die von den tieferen Streichern mit einem etwas behebig wirkenden Rythmus in Vierteln begleitet wird, die Hörner spielen dazu stellenweise längere Haltenoten. Das Trio in F-Dur, ist einer der wenigen helleren, positiven Momente in dieser Sinfonie, der Einzige in dieser Tonart. Etwas Interessantes das vielleicht nicht auf den 1.Blick aufzufallen scheint, das dieses von den Oboen vorgetragene Thema eine leicht abgeänderte Dur-Variation des Menuett-Themas darstellt.


    4.Satz – Finale: Presto
    Wiederum im 4/4-Takt, diesmal Alla breve. Mir gefällt der leidenschaftliche Ton - nach dem 2.Satz wieder so ein mustergültiges "Sturm & Drang"-Beispiel. Begonnen wird mit einem rythmischen Motiv das 3 mal wiederholt wird, in den 1.Violinen zuerst von c aus, dann cis und dann wieder von c. Die 2.Violine dazu in großen Terzabständen.
    Die restlichen Streicher im Vierteltremolo, die Bläser wiederum in langen Haltebögen begleitend.
    Das ganze Thema für sich ist damit noch nicht abgeschlossen, folgt noch ein von den 1.Violinen energischer punktierter Forte-Dreiklang und nach ein paar aufwärtssteigenden Achteln/abwärtsführenden Vierteln
    (das man als 2.Motiv ansehn könnte) ein etwas verhalteneres, fast schon rythmisch tänzerisches, ziemlich homophon angelegtes 3. Motiv in piano das innerhalb dieses Themas im Ganzen gesehn als guter Kontrast wirkt.
    Danach folgt ein 2.Thema in As-Dur, wobei die melodieführenden Stimmen zuerst in Ganze einleiten, darauf allein die Violinen sich einem fetzigen Achteltremolo-Rythmus hinschmeissen der es bei einzelnen größeren
    Intervallsprüngen auch in sich hat, mit den Oboen kurz in Halben
    (große Sextintervalle) ausholen um dann wieder in einem etwas kürzeren Achteltremolo zu schliessen.
    Die Durchführung beginnt das Hauptthema in As-Dur, das aber nicht lange beibehalten wird - es passieren einige harmonische Rückungen, zuerst wieder nach f-moll bis nach c-moll wenn die Oboenstimmen das Hauptthema übernehmen (T.79), die Violinenstimmen wieder in f-moll antworten und hiermit wohl meiner Wahrnehmung nach die Reprise zu beginnen scheint. Das Seitenthema wird wie üblich in der Sonatenhauptsatzform wieder zur Grundtonart f-moll transponiert. Haydn wendet noch ein paar kleinere Änderungen an wie zB Dynamikveränderungen die es in der Exposition noch nicht gab als auch kleinere Rückungen wie sie in der Durchführung zu hören sind.


    Diese Sinfonie zählt auf jeden Fall zu meinen Lieblingssinfonien Haydn´s -
    leider habe ich aber bislang nur 1 Einspielung, nämlich aus der "Sturm & Drang"-Box v. Trevor Pinnock. Somit kann ich leider bezüglich Interpretationen keine Vergleiche ziehen und überlasse dieses Feld gerne Anderen.
    Ich könnte mir vorstellen das zB Thomas Fey diese Sinfonie auch ganz gut
    hinbekommen würde, falls er denn diese überhaupt schon mal eingespielt hat. Das was ich bislang von ihm kenne kann sich wirklich mit dem Besten messen lassen.


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Zitat

    Original von âme
    Joseph Haydn - Symphonie Nr.49 f-moll "La Passione"


    Zum Anderen ist es die einzige Sinfonie Haydns wo alle Sätze ausnahmslos in einer Molltonart stehen, also genauer gesagt in der gleichen Tonart, nämlich in f-moll.


    Das scheint eine Folge der Form mit dem langsamen Satz am Beginn zu sein. In der barocken Kirchensonate steht gewöhnlich dann der zweite langsame (3.) Satz in einer anderen Tonart; das Menuett in der Klassik aber fast immer in der Grundtonart, höchstens mal in der gleichnamigen Durtonart (wie in Haydns 45, 78 oder 83). Der langsame Satz steht dagegen fast immer in einer kontrastierenden Tonart, das geht freilich nicht, wenn das Werk mit ihm beginnt. (Ich vermute, daß das ein Grund für das Verschwinden dieser Sonderform gewesen sein dürfte. Außerdem paßt es auch besser für Kammersinfonien)


    Zitat


    Es könnte z.B. sein das er diese für die Schauspielmusik "II quakuo di bel humore" (Der gutgelaunte Quäker ) schrieb. Der Beiname ist nicht authentisch und wurde erst später gegeben da man angeblich in dieser Musik die musikalische Deutung der Passion Christis sah - vielleicht wegen dem Kirchensonaten-System?
    (Ich dachte vorher eher an das italienische Wort für Leidenschaft)


    Ich dachte jetzt zuerst, du habest Dir den Quäker ausgedacht?!? :untertauch: Das Stück hat es aber tatsächlich gegeben, wobei für mich die Musik kaum wie eine Schauspielmusik (schon gar nicht zu einer Komödie?) klingt. Die Passion Christi paßt gut zum Kopfsatz, der Rest ist eigentlich etwas zu wild dafür.


    Zitat


    1. Satz – Adagio f-moll


    Ich glaube ich muß mich in dem Moment erst dran gewöhnen das die Haydn-Durchführungen nicht die Länge ab der Frühromantik aufweisen, war ich jetzt überrascht das die Reprise gleich so schnell wieder einsetzt (T.62).


    Nun ist ein langsamer Satz (für den die Sonatenform nicht obligatorisch ist) kein gutes Beispiel für die Länge der Durchführungen. Proportional sind viele Durchführungen ungewöhnlich lang, ganz klar verglichen mit Mozart, aber auch mit späteren Komponisten.


    Zitat


    3.Satz – Menuett - Trio
    Eigentlich bin ich ja überlicherweise nicht so für Trios der Klassik-Epoche zu begeistern. Dieses hier in 3/4 läßt sich aber gut aushalten weil er ebenso in f-moll steht und bis auf das Trio eine ernste Charakteristik besitzt.
    Was ich jetzt nur mal vom hören wahrnehmen kann ist eine langsame Legatidurchzogene Violinen-Oboen-Melodie die von den tieferen Streichern mit einem etwas behebig wirkenden Rythmus in Vierteln begleitet wird, die Hörner spielen dazu stellenweise längere Haltenoten. Das Trio in F-Dur, ist einer der wenigen helleren, positiven Momente in dieser Sinfonie, der Einzige in dieser Tonart. Etwas Interessantes das vielleicht nicht auf den 1.Blick aufzufallen scheint, das dieses von den Oboen vorgetragene Thema eine leicht abgeänderte Dur-Variation des Menuett-Themas darstellt.


    Das Menuett gefällt mir sehr gut! Der recht getragene Hauptteil ist nötig als Kontrast zwischen den beiden extrem hektischen schnellen Sätzen und das Oboen/Hörner-Trio tatsächlich der einzige (etwa bukolische) Lichtblick im gesamten Werk.


    Zitat


    Diese Sinfonie zählt auf jeden Fall zu meinen Lieblingssinfonien Haydns -
    leider habe ich aber bislang nur 1 Einspielung, nämlich aus der "Sturm & Drang"-Box v. Trevor Pinnock. Somit kann ich leider bezüglich Interpretationen keine Vergleiche ziehen und überlasse dieses Feld gerne Anderen.


    Vielen Dank für Deine ausführliche Vorstellung!


    Pinnock ist wie fast immer solide bis sehr gut, bei weggelassenen Wiederholungen der zweiten Satzteile. Ich habe jetzt auch nur diese gehört aus Zeitgründen. Außer Fischer habe ich noch Solomons mit sehr kleiner Besetzung und allen Wiederholungen. Mit dieser habe ich das Werk kennengelernt; gegenüber diesem kargen Klang klingt Pinnock wie Karajan :D Leider nicht leicht zu finden, aber eine interessante Alternative. Ebenso Scherchens historische Aufnahme (ultralangsamer Kopfsatz, extrem stürmisch in den schnellen Sätzen).


    Ich schätze das Werk ebenfalls sehr. Es wirkt auf mich noch düsterer, "eckiger" und widerborstiger als die 3-4 Jahre später entstanden 44, 45 oder 52. Kommt natürlich auch auf die Interpretation an; bei allen Meriten klingt Pinnock verglichen mit Solomons (oder Harnoncourt und Fey in 45 eher glatt und wohltönend. Die Moll-Dominanz hast Du schon genannt: die anderen Moll-Sinfonien haben ja alle gewichtige Dur-Sätze und Abschnitte.
    Teils trägt dazu auch die oft sehr "dünne" Satzweise bei. Weite Strecken sind de facto zweistimmig (etwa der Beginn des 2. Satzes) Geigen+ Oboen und tiefe Streicher jeweils unisono mit ein paar liegenden Horntönen als Hintergrund. Im Kopfsatz wird es, wie Du oben ja schreibst teils noch weiter ausgedünnt bis zu 1. Geigen mit sparsamer Begleitung.


    Zitat


    Ich könnte mir vorstellen das zB Thomas Fey diese Sinfonie auch ganz gut
    hinbekommen würde, falls er denn diese überhaupt schon mal eingespielt hat. Das was ich bislang von ihm kenne kann sich wirklich mit dem Besten messen lassen.


    Habe sie noch nicht gehört, aber es gibt sie:



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl


    Ich dachte jetzt zuerst, du habest Dir den Quäker ausgedacht?!? :untertauch: Das Stück hat es aber tatsächlich gegeben, wobei für mich die Musik kaum wie eine Schauspielmusik (schon gar nicht zu einer Komödie?) klingt. Die Passion Christi paßt gut zum Kopfsatz, der Rest ist eigentlich etwas zu wild dafür.


    Also, was man mir so alles zutraut 8o:evil: - also zur Beruhigung Allerseits,
    so infantil bin ich glücklicherweise doch nicht ganz :yes:
    Ich hab mich lediglich beim smiley aufgrund des kuriosen Titels...inspirieren lassen. Leider gibt es keine genauen Angaben über diese Schauspielmusik (bzgl. Inhalt und dergleichen), zum. konnte ich noch nichts finden.
    Ergänzend habe ich aber noch folgende Informationen gefunden:
    "Il quakuo di bel humore" soll damals zeitweise als Beiname zu dieser Sinfonie verwendet worden sein - angeblich aber genauso wenig authentisch wie der "Passione"-Beiname. Was ein Quäker ist? Wohl nicht das was man sich heute drunter vorstellen würde. Bei Haydn 107 heißt es
    "Moralisierende Quäker waren in mitteleuropäischen Dramen ein beliebtes Thema. man vermutete, dass die vorliegende Symphonie, gleich anderen von Haydn aus dieser Periode, vielleicht als Musik in einem Theaterstück gespielt oder sogar dafür komponiert wurde."
    Ich glaube das aber auch weniger, die Stimmung der Musik ist für mich nicht mit dem Titel "gut gelaunt" vereinbar.


    Das Gerücht mit der Vertonung der Passionsgeschichte kam auch deswegen auf weil Haydn diese Sinfonie zur Karwoche schrieb. Kritiker entgegnen das Haydn schon bei der Nr.26 dieses Thema herangezogen habe, keinen Choral enthält sowie sich sonst wenig Religiöses in der Musik hineindeuten läßt.



    Danke für die Tips, ich werde mal schaun ob es irgendwo im Netz zu den Genannten Hörbeispiele gibt. Das was ich von Pinnock so kenne würde ich auch irgendwie als gemäßigten HIP bezeichnen. Er achtet wohl mehr auf den gesamteinheitlichen Fluß, geht weniger in die Extreme als bei Anderen die viel Wert auf gewisse Akzentuierungen legen. Ich habe gerade in die Hörbeispiele von Fey hineingehört, klingt wirklich noch eine Ekce zusätzlich schlanker und temperamentvoller, beim 2.Satz vielleicht weniger, aber beim Finalsatz merkt man es dann schon deutlich. Von Harnoncourt gibt es bei jpc nur den Finalsatz zum anhören, der ist etwas langsamer als Fey, somit würde ich eindeutig Letzteren bevorzugen da er mit schnellerem Tempo mehr Wirkung erzielt.


    lg
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Ich möchte diesem verdienstvollen Projekt der Haydn-Symphonien gerne den ein- oder anderen Gedanken hinzufügen. Staunenswert, dass diese so besondere Symphonie schon so lange nicht mehr hier im Forum aufgegriffen worden ist, und zumindest dieser Thread hier schlummert.
    Tatsächlich ist Haydn hier, wie so oft, für eine Überraschung gut; dass ein Symphonie so in sich gekehrt, niedergeschlagen und betrübt beginnt ist schon außerordentlich.
    Dennoch fesselt dieser Satz beim ersten Hören bereits, er ist in seiner Getragenheit nie larmoyant oder erdrückend; Haydn versteht es immer wieder, ein Aufbäumen in die Musik zu bringen, ein Lichtstrahl durch die dunklen Baumkronen fallen zu lassen. Ein tröstliches, aufheiterndes Moment blitzt immer wieder auf inmitten all der Trauer, in der englischen Literatur kennt man so etwas als "mock relief" oder "comic relief", als komische Entlastung sozusagen. Shakespeare war ein Meister darin.
    Auch Haydn nimmt immer wieder neuen Anlauf, um sich der Trauer zu entwinden, bis dann schließlich im zweiten Satz endgültig die schnelle, tänzerisch-wirbelnde Dynamik zum Tragen kommt, die alle Schwermut hinter sich lässt. Zwar auch nicht ganz frei von jeglicher Trübsal, ist diesem Schwung auch etwas Unwirsches, Resolutes, fast schon Schroffes eigen. Dennoch ist hier eine stark vorwärts drängende, lebhafte Bewegung zu spüren.
    Der dritte Satz ist auch ungewöhnlich: ein Menuett in einer moll-Tonart, was dem sonst so sorglosen, tänzerischen-beschwingten Treiben eine sehr herbe Note verleiht; dennoch kann man sich dem rauhen Charme hier nicht entziehen.
    Der vierte Satz bringt dann wieder ein wildes Presto, dessen straffer, schroffer rhythmisch federnder, überbordender Energie man sich wiederum kaum verschließen kann.
    Eine mitreißende Symphonie, die gerade nicht nur lieblich und gut gelaunt ist, sondern tatsächlich so etwas wie große Leidenschaft zum Ausdruck bringt, von daher ist der Beiname "La Passione" , auch wenn er nicht von Haydn stammt, durchaus recht zutreffend und gut gewählt.

  • Da der Beiname ohnehin von zweifelhafter Herkunft ist, kann man ihn sicher auch im Sinne einer "leidenschaftlichen" Sinfonie deuten. Nach meinen Informationen soll er sich aber auf die Passion Christi beziehen.
    Es wird von einigen anderen Sinfonien vermutet, dass Einzelsätze daraus zuerst als Begleitmusik für Gottesdienste komponiert wurden (zB auch 30 "Alleluia" und 26 "Lamentatione") und dass Haydn die dann mit zusätzlichen Sätzen zu eigenständigen Sinfonien abgeschlossen hat. Das ist aber wohl auch spekulativ und gerade beim vorliegenden Werk noch weniger gestützt als bei 26 und 30.

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  • Ich meine schon; ich bin im Gegenteil immer etwas überrascht, wenn wie bei Haydns Sinfonien 78 und 83 (oder auch dem "Reiterquartett") das Menuett in Dur steht. Dito bei den Moll-Menuetten/Scherzi in Schuberts 5. und Schumanns 1.

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  • Ich finde bei La passione sehr große Ähnlichkeit zur Trauersinfonie (44). Von beiden gibt es sehr unterschiedliche, aber brillante Interpretationen: die von Hogwood aus seinem Haydnzyklus und eine Aufnahme mit der Capella Coloniensis (Weil/Linde oder Wich). Beide Sinfonien gehören zu meine absoluten Lieblingssinfonien; ich weiß nicht, wie oft ich sie gehört habe (zwischen 50 und 100 mal).

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Auch für mich zählt die 1768 entstandene Sinfonie Nr. 49 zu meinen Lieblingssinfonien von HAYDN. Obwohl der Beiname "La Passione" wohl erstmals im frühen 19. Jahrhunderts erschien, trifft die schwermütige und von düsterer Leidenschaft geprägte Musik - vor allem im ersten Satz - sehr gut den Charakter dieses Werkes. Solche nachdenklichen Töne hätte man bis dahin dem sonst so spritzigen HAYDN wohl kaum zugetraut. Und in dieser Zeit entstanden ja noch weitere Sinfonien in moll, die in d-moll, g-moll, e-moll und fis-moll. Ob für diese Werke in moll eine seelische Krise im Leben HAYDNs die Ursache war, oder ob diese für bestimmte feierliche Anlässe, wie die Karwoche oder auch Trauerfeiern komponiert wurden, ist nicht genau bekannt, wahrscheinlicher ist wohl letztere Annahme. Jedenfalls haben solche Sinfonien in moll bei HAYDN ihren ganz besonderen Reiz.


    Es gibt von dieser Sinfonie unzählige Einspielungen unterschiedlichster Orchester, oft wohl auch in zu großer Besetzung gespielt.
    Unter den vielen Aufnahmen höre ich am liebsten die alte Einspielung durch das NIEDERLÄNDISCHE KAMMERORCHESTER unter DAVID ZINMAN. Diese Aufnahme ist aber wohl nur noch antiquarisch zu bekommen. ZINMAN, der dieses Orchester 12 Jahre lang leitete, läßt sein höchst kultiviert musizierendes Orchester natürlich, transparent und äußerst subtil mit kleiner Streichrgruppe und ausgezeichnet disponierten Bläsern aufspielen und trifft genau den richtigen Ton für diese frühe Sinfonie HAYDNs.


    Die Qualitäten von DAVID ZINMAN wurden wohl erst sehr spät erkannt, und erst nachdem er zunächst die ROTTERDAMER PHILHARMONIKER, und ab 1985 das BALTIMORE SYMPHONY ORCHESTRA geleitet hatte, und er auch als Gastdirigent mit verschiedenen Orchestern in den USA und in Europa auftrat, erlangte er wirklichen internationalen Ruf, und schließlich auch Berühmtheit, im Grunde erst durch seine Ernennung zum Chefdirigenten des TONHALLE-ORCHESTERS in Zürich 1995 im späten Alter von 60 Jahren!


    wok

  • Zusätzlich zu meinem Hörprojekt, alle Haydn-Sinfonien in der Reihenfolge ihrer Opuszahl zu hören, gesellt sich nun eine weiteres dazu, nämlich - wenigstens einige - Sinfonien zu hören, die quasi "schon dran waren" - nämlich jene, die erst heuer meine Sammlung erweiterten, unter den Dirigaten con Thomas Fey und Giovanni Antonini.

    Ums überaschter war ich, als ich bei Haydns Nr 49 keinen Beitrag von mir fand. Das Rätsel löste sich bald, offenbar habe ich diese '"Sturm und Drang" Sinfonie ausgelassen weil sie mir (wie ich bem jetzigen Hören festgestellt habe) durch und durch zuwider war.

    Die englische Bezeichnunge von "Sturm und Drang" -"Storm and Stress " ist IMO geradezu entlarvend.

    Die „Passione“ ist wahrlich in verschiedensten Aspekten eine ungewöhnliche Sinfonie Haydns.

    Das ist zutreffend und geschmeichelt zugleich. In meinen Ohren ist sie ein Monster

    Zum Anderen ist es die einzige Sinfonie Haydns wo alle Sätze ausnahmslos in
    einer Molltonart stehen

    Wie passend.


    An dieser Sinfonie gibt es in der Tat wenig was einem empfindsamen Schöngeist gefallen könnte. Man könnte depressiv werden - so man es nicht schon ist - oder aber aggressiv. Der Finalsatz klinft wie "Lützows , wilde verwegene Jagd"

    Vermutlich kommt die Machart diese Sinfonie dem Dirigenten Thomas Fey entgegen, der ja nicht gerade im Ruf steht ein "Behübscher" oder "Glätter" zu sein...


    mfg aus Wien Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zwar kenne ich Feys Aufnahme nicht, aber du könntest eine "gemäßigtere", wie evtl. Pinnock ausprobieren; wobei ich fürchte, dass es an dem Stück liegt. Den insgesamt düster-tragischen Charakter wird keine Interpretation zum Verschwinden bringen können.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mir gefällt die Sinfonie gut,


    aber sie ist wahrlich nicht leicht verdaulich, wenn ich gerade nicht in bester Stimmung bin möchte ich sie nicht hören.


    Ich habe zwei Aufnahmen, beide finde ich bei JPC nicht, einmal Franz Brüggen mit dem Orchestra of the Age of Enlightment und und Tim Koopman mit dem Amsterdam Baroque Orchstra. Beide sind für meinen einfachen Hörverstand gut mit leichten Vorteilen für Brüggen.

    Beide sind "woanders" neu und gebraucht erhältlich. Vielleicht kennt sie jemand der mehr dazu sagen kann. Ich benötige jedenfalls keine weitere Aufnahme.


    Gruss


    Kalli

  • wobei ich fürchte, dass es an dem Stück liegt. Den insgesamt düster-tragischen Charakter wird keine Interpretation zum Verschwinden bringen können.

    Das glaube ich auch.

    Fey - und vermutlich auch Antonioni in Zukunft - betonen lediglich das was im Kern schon vorhanden ist.

    "Gemäßigtere" Einspielungen dämpden dies Grundtendenz zwar - was aber nicht unbedingt zum Vorteil gereichen muß.

    Nicht Fisch - nicht Fleisch - - so könnte man in etwa sagen.

    Aber es ist eben eine Frage der Erwartungshaltung: Vor etwa 17 Jahren habe ich inder Anfangszeit des Forums einen Thread (Nr 839) gestartet:

    Was erwartet Ihr von einer "Haydn -Sinfonie" ?

    der sich mit dem Cliché "Haydn Sinfonie" befasst hat. Er lief etwa 4 Jahre lang und brachte es auf bislang 55 Beiträge und 23.000 Seitenaufrufe.

    Interessant, was damals von Ex-Mitgliedern dazu geschrieben wurde...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !