Allzuviel ist scheinbar ungesund - Vom Ruhm und vom Nachruhm

  • Liebe Forianer und Mitleser


    Im Laufe der Threads über Herbert von Karajan und Karl Böhm -und auch in anderem Zusammenhang ist mir aufgefallen, daß speziell jene Künstler die im Leben eine "Vormachtsstellung genossen haben, im Tode oder auch nur nach Ablauf der Karriere ganz besonders in den Dreck gezogen wurden, quasi als Rache für die "überzogene Präsenz" und den "allumfassenden Einfluß" zu Lebzeiten.
    Spontan fallen mir etwa, wie schon gesagt, Herbert von Karajan, Karl Böhm und Georg Solti ein, ebenso wie Dietrich Fischer-Dieskeu und Elisabeth Schwarzkopf. Auch Wilhelm Backhaus und Wilhelm Kempff seien an dieser Stelle genannt. Luciano Pavarotti musst sich in den letzen Lebensjahren hinter vorgehaltener Hand "Mampferotti" nennen lassen..und Otto Schenk der begnadeter Regisseur der Wiener Staatsoper (und nicht nur) musste sich von diversen Kritikern unbestimmter Güte (ich hab die Namen vergessen) verspotten lassen.


    Umgekehrt werden heute Leute, deren hauptsächliche Leistungen darin bestanden, "schönste Hoffnungen" wegen eines zu frühen Todes nicht erfüllt zu haben - in den Himmel gehoben.
    Auch jene Künstler, die stets Absagen erteilten, bzw jene deren Diskographie nur 3 bis 5 CDs umfasste - die werden heute posthum anerkannt.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    Teils fühle ich mich angesprochen. Darum reagiere ich auch. Ich versuche immer objektiv und ehrlich zu sein.
    Und wenn das ggfs sogar Streit bedeutet, willkommen heißen tue ich es nicht. Aber vermeiden auch nicht.


    Laß ich zuerst das Beispiel HvK nehmen. An sich interessiert er mich als Dirigent nicht so. Denn seine Leistungen auf "meinem Gebiet"... Davon kenne ich viel bessere Einspielungen.
    Was mich bei HvK stört, ist daß regelmäßig Karajans Vergangenheit wird manipuliert, oder verharmlost. DAS kann ich nicht akzeptieren. Laß sie dann darüber schweigen.


    DFD. Ich bin ein sehr großer Fan von ihm (von Schwarzkopf übrigens auch). Darum habe ich auch eine Biographie über ihn geschrieben. Dabei habe ich seine guten Seiten sehr stark hervorgehoben. Aber auch fand ich etwas, das mir nicht so gefiel. Ich hätte es verschweigen können, finde aber, daß man auch die Makel nennen muß. Und wurde sofort dafür getadelt durch einige Taminos. Die meinten, ich wäre damit einverstanden.
    Meine Reaktion war "Man soll unterscheiden können zwischen Botschafter und Botschaft".


    LG, Paul

  • Lieber Paul,


    Danke für Deinen Beitrag über DFD.


    Er war mein hero. Durch ihn habe ich Schubert kennengelernt. Nach wie vor höre ich Aufnahmen von ihm, die sind für die Ewigkeit geschaffen. Ob es nun Schubert, Schumann, ja das Lied insgesamt oder sein Bach-Gesang ist. Was hat er uns da für Kostbarkeiten hinterlassen.


    Auf der anderen Seite: ich machte einmal ein Interview mit ihm, für Radio Bremen zu seinem 65ten Geburtstag. Es war ein Schock. Diese Kälte. Diese Arroganz. Ich habe es nachher bereut. Wäre ich doch nur mit ihm als Künstler in Kontakt geblieben !


    Schöne Grüsse



    Hans

  • Das ist nicht nur in der Musik ein Problem. Nehmen wir zum Bespiel den römischen Politiker, Philosophen und Rechtsanwalt Cicero. Hätte der nicht so viele Briefe geschrieben bzw. wären nicht so viele Briefe von ihm erhalten, käme er als Mensch heute wesentlich besser weg.


    So hart es klingt - ein früher Tod oder eine schlechte Quellenlage hat unbestreitbar Vorteile.


    Ich finde daher, dass es keineswegs falsch ist, den Rang eines/r Musikers/in anhand seiner besten Leistungen zu bestimmen, wenn auch Personen bei einem Vergleich einbezogen werden, von denen nur ein oder zwei Werke/Aufnahmen etc. bekannt sind.


    Da ich keine Probleme damit habe, Werk und Leben eines Menschen von einander getrennt zu beurteilen, finde ich es schon in Ordnung, wenn auch Schattenseiten/negative Aspekte bekannt sind und nicht verschwiegen werden. Für mich ist es kein Problem, wenn jemand als Mensch ein "Schwein" war, aber als Künstler wirklich Großartiges geleistet hat. Nur finde ich nicht, dass das Versagen als Mensch durch großartige Werke gerechtfertigt wird. Ich würde beides getrennt bertrachten (oder es zumndest versuchen).


    Was die negativen Seiten eines berühmten Menschen betrifft, finde ich nicht, dass sie verschwiegen werden sollten, sie gehören zu ihm ebenso wie seine postiven Seiten. Allerdings finde ich, dass auch die positiven Seiten dieselbe Beachtung verdienen.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Aus meiner Sicht verträgt ich "großer Künstler" mit "angenehmer Mensch" nur schlecht.


    Zum einen steht der Künstler in gewisser Weise unter Dauerstress, er muß seine Leitung erbringen, in der Öffentlichkeit immer eine gute Figur machen und eine Art "Übermensch" sein. Daran muß man nicht unbedingt zerbrechen - Schaden mimmt man allemal.


    Die Protagonisten der neuen Künstlergeneration werden indes gerne als "einer von uns" verkauft. Das wirkt im ersten Moment auf viele ungeheuer sympathisch, aber zum einen ist es eine Lüge, zum andern verhindert es das Aufkommen eines "Nimbus" der den Künstler besser vermarktbar macht.


    Der "Kumpel von nebenan" der sich von Fast food ernährt, Billigjeans trägt, und in Mathe stets eine fünf geschrieben hat lässt sich nun mal nicht als "überirdisches Wesen " verkaufen, das die ganze (Musik-)Welt bewundert.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • @alfred

    Zitat

    "Aus meiner Sicht verträgt sich "großer Künstler" mit "angenehmer Mensch" nur schlecht."


    Da möchte ich aber widersprechen und zwei Künstler nennen, bei denen beides zutraf. Zum einen Rudolf Schock, trotz schwerer Schicksalsschläge in der eigenen Familie, ich habe ihn persönlich gekannt., immer ein angenehmer Mensch war. Zum zweiten Georg Solti, der in einer Fernsehsendung erklärt hat, dass es keinen Tag gab, egal auf welchem Kontinent er sich aufhielt, mit seinen beiden Töchtern telefoniert zu haben. Das letzte Konzert, das ich mit ihm gesehen habe, war in der Berliner Philharmonie Tschaikowskys Sechste. Grandios. Applaus wollte nicht enden. Orchester war schon gegangen und Solti wurde immer wieder rausgerufen, bis er endlich sinngemäß sagte: Ihr habt das Konzert gehört und spendet nun schon solange Beifall. Jetzt ist es aber gut, ihr müsst nach Hause gehen." Ich war dabei.



    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Zum letzten Beitrag von sagitt:


    Mir ging es ähnlich mit Karl Erb. Natürlich habe ich mit dem kein Interview gemacht, aber ich war im Karl Erb Archiv zu Ravensburg und hatte ein interessantes Gespräch dort. Gleichzeitig kam ich in den Besitz des kleinen Büchleins der Autorin Maria Müller-Gögler (Karl Erb - Das Leben eines Sängers).


    Seit vielen Jahren schätze ich Karl Erb mit seiner natürlichen Stimme als Liedsänger, auch wenn JMF aussagt: "Sein Timbre war von seltener Reizlosigkeit".
    Nun war ich der Auffassung, dass, wer so Schubert singt, auch ein gütiger Mensch sein müsse. Gespräche in Ravensburg und die erwähnte Lektüre belehrten mich eines Besseren.
    Aber wie dem auch sei, eine künstlerische Darbietung muss die Seele ansprechen können, alles andere ist dann eigentlich zweitrangig.

  • Ein inzwischen verstorbener Dirigent aus meiner Heimatstadt hatte als junger Korrepetitor mit Georg Hann zu tun und beschrieb ihn als "arrogant und besserwisserisch" gegenüber allen Kolleginnen und Kollegen - von dem jungen Korrepetitor ganz zu schweigen: "Er nahm mich nicht tatsächlich wahr."


    Das unterstreicht doch nur, daß auch Sänger "nur" Menschen sind, mit Fehlern und Schwächen. Wobei auch hier Ausnahmen die allgemeinen Regeln bestätigen können.


    Sagte einmal jemand zu mir: "Der Mensch an sich ist gut - aber die Leute...."

    .


    MUSIKWANDERER

  • Natürlich gibt es bescheidene und angenehme Künstler - aber die Regel ist das nicht.
    Eigentlich sind wir aber vom Thema abgekommen.
    Die eigentliche Frage war, ob Künstler die eine gewisse Zeit lang die Klassikszene über Gebühr beherrschten, nachdem diese Phase vorbei ist, dafür doppelt und dreifach bezahlen müssen. Der Künstler selbst kann währenddessen durchaus noch am Leben sein - sein Ruhm indes ist es nicht.


    Ich frage mich, was beispielsweise Alfred Bendel noch zu Lebzeiten über sich wird lesen müssen, zur Strafe dafür, daß er im Bereich der "Wiener Klassik" einst sp prägend war - und es - betrachtet man seine Aufnahmen - immer noch ist.


    Dietrich Fischer Dieskau - einst "DIE" Kunstlied-Stimme (und nicht nur das) wird ja schon teilweise "demontiert", ebenso wie Elisabeth Schwarzkopf.


    Auch an Karl Böhm, Herbert von Karajan und Karl Richter wird ja kein gutes Haar gelassen. Und selbst der ach so beliebte Leonard Bernstein, müsste über sich lesen, sein Haydn wäre historisch unkorrekt, sein Mahler indes weichgespült.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred Schmidt,
    was heißt hier "einst"? Klar, ich weiß, was damit gemeint ist; in den 60er Jahren war Dietrich Fischer-Dieskau ein "Sängergott" und der positiven Kritik gingen so langsam die Superlative aus...
    Irgendwann war man dessen überdrüssig geworden und begann mit der Montage des Denkmals.
    Aber dieses Denkmal wird so lange Bestand haben, wie es technisch möglich ist, diese Aufnahmen zu hören. Fischer-Dieskau hat Recht, wenn er sagt:"Ich habe meine eigenen Maßstäbe".


    Im Prinzip könnte man da viele Namen nennen, denen das widerfahren ist, die von einem Sockel gestürzt wurden, den sie ja nicht selbst errichtet hatten. Sie hatten sich auch nicht selbst drauf gestellt, sie wurden von anderen drauf gehoben.
    Der Künstler bringt "nur" eine künstlerische Leistung.


    Das sind doch meist nur lausige Spielchen, weil irgendwelche Leute das Bedürfnis haben sich interessant zu machen. Im übrigen finden solche Verschiebungen in der Beurteilung auch auf anderen Gebieten statt.
    Da meckert ein Enzensberger an klassischen Schillergedichten herum, die zu meiner Schulzeit unabdingbares Bildungsgut waren...


    Wichtig ist allein, dass hochkünstlerische Leistungen konservierbar sind. Was wirklich Qualität hat, wird immer mal wieder eine Renaissance erleben.
    Man muss ja nicht alles nachmachen, aber ich setze auch auf "eigene Bewertungsmäßstäbe", modische Tendenzen, kurzlebige Trends - mich interessiert das eigentlich nicht.

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  • Zitat

    Im Prinzip könnte man da viele Namen nennen, denen das widerfahren ist, die von einem Sockel gestürzt wurden, den sie ja nicht selbst errichtet hatten. Sie hatten sich auch nicht selbst drauf gestellt, sie wurden von anderen drauf gehoben.


    Genau DAS ist das Thema dieses Threads.
    Und natürlich bedeutet das auch ein wenig "Gegenwind", soll heißen wir unterwandern mit Threads wie diesem diese unerfreuliche Tendenz,
    Dieskau wurde hier ja schon in seiner bis dato UNERREICHTEN Bedeutung fürs Kunstlied gewürdigt.
    Karajan und Böhm habe ich versucht in den Focus des allgemeinen interesses zu stellen.
    Es geht in diesem Zusammenhang ja nicht darum, schun zu Lebzeiten unterschätzte Künstler zu rehabilitieren (Auch das geschieht im Forum gelegentlich), sondern das Besudeln und die Demontage einstiger "gottähnlicher Grössen"
    Man hat dieen Menschen stets vorgeworfen, arrogant- unnahbar etx zu sein, ich möchte auch das relativieren.
    Wenn ein Künstler skrupolös ist, in der Hinsicht, daß er mit nichts, aber auch mit gar nichts zufrieden ist, wenn es diesem Künstler letztlich gelingt, seinem eigenen Anspruch nahezukommen, er ferne von allem wie ein Papst gefeiert wird - dann ist es möglich, daß er für all die anderen, die seinen Maßstäben nicht entsprechen nur noch Verachtung empfindet und dies gelegentlich - wenn auch nicht wissentlich - durchschimmern lässt. Diese Menschen - Perfektionisten - hassen alles was nicht perfekt ist - somit in letzter Konsequenz auch sich selbst, Aber alles was UNTERHALB ihres Levels ist - das nehmen sie gar nicht wahr. Ich weiß in diesem Zusammenhang , wovon ich rede...


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schon in der Josephsgeschichte ist in der Bibel beschrieben, wie das mit dem Beleibtsein ist, wenn man eine Führungsrolle übernimmt; die Träume in denen dessen Brüder sich vor ihm verneigen, kommen auch nicht gerade gut an, bei den Brüdern.Soviel zum Charakter, der Aroganz und den Umgang mit anderen bei herausragenden Persönlichkeiten.
    Nun aber zum Sockel. Sind diese Verehrungen nicht immer Wellenbewegungen ausgesetzt, und um so größer der Künstler umso häufiger die "Wiederauferstehung". Es ging auch mir so, dass ich in bestimmten Zeiten nach neuen Stimmen lechzte und andere auch mit überwundenen Zeiten verbunden habe. Anneliese Rothenberger war mir in ihrer Fernsehzeit regelrecht verhasst, weil sie so ein spießiges Bügerbild vermittelte. Erst in den letzten Jahren konnte ich ihre Stimme wieder entdecken. Karl Richter steht doch auch gerade wieder auf und Gardiner ist plötzlich wieder mehr Kritik ausgesetzt.Und FiDi, Karajan und Böhm haben doch inzwischen ihre Sitze im Olymp sicher.
    Herzliche Grüße :hello:
    Wenzeslaus

  • Ich glaube, da müssen wir uns gar nicht so viel Gedanken machen - bei allen, die zu ihren Lebzeiten die ganz Grossen waren , kamen nach dem Tode die Kritiker aus ihrer Deckung . Das ist ja im Prinzip auch nicht schlimm, nur müssen die Kritiken fundiert sein. Es reicht nicht, zu sagen, der oder die waren "arrogant" , "eitel" , "unangenehm" usw.
    Es gab und gibt Kritiker, die genau begründen, warum sie was an den bisherigen "Giganten" falsch finden. Das muss man dan hinnehmen oder mit Gegenargumenten versuchen zu entkräften.
    Fast immer ist es dann aber so, dass nach einiger Zeit die Hyper-Kritiken verstuummen und langsam wieder eine gegenläufige Meinung entsteht.
    So ist es doch bei HvK, Schwarzkopf und so wird es bei FiDi auch sein !


    zu dem Attribut "arrogant" möchte ich noch sagen, dass es für die ganz großen Stars ja auch schwierig ist, mit ihren Fans und auch mit der Presse umzugehen. Ost versuchen sie sich dann mit einer Aura der Unnahbarkeit zu schützen und werden als arrogant bezeichnet.
    Da gibt es dann die verschiedensten Gründe, je nachdem, wie der einzelne Künstler "gestrickt" ist. Manche zeigen ganz persönlich ihre Abneigung, andere wieder spielen den konzillianten , haben aber im Hintergrund einen Partner, Agenten o.ä., der die "Drecksarbeit" macht und sich unbeliebt macht.
    Jeder Veranstalter von Konzerten oder Betriebsbüromitarbeiter eines Opernhauses könnte Romane über die Eigenarten der Künstler oder ihrer Beauftragten schreiben - Gott sei Dank sind die meisten diskret !

  • Zitat

    Von "hart":
    Der Künstler bringt "nur" eine künstlerische Leistung.


    Dazu paßt eine interessante Briefstelle, die ich hier zitierend einschiebe:


    Entsinne Dich, wie ich Dich in Deiner besonderen Kunst schon früher glücklich pries, eben weil Du unmittelbar Künstler(...) warst. Ich wollte Dir somit keineswegs schmeicheln, sondern ich sprach (halb noch unbewußt) mein Wissen davon aus: Daß nur der "Darsteller" der eigentlich wahre Künstler sei. Unser ganzes Komponisten- und Dichterschaffen ist nur Wollen, nicht aber das "Können"! Erst die "Darstellung" ist das Können - die Kunst!


    Ein Briefzitat von Richard Wagner an Franz Liszt vom 20. Juli 1850.


    Was will uns das sagen (berühmteste und häufigste Frage eines Lehrers an seine Schüler)?


    Damit ist doch zunächst einmal, ganz platt, durch Wagner formuliert worden, daß man den ausübenden Künstler (hier geht es um den Pianisten Franz Liszt, aber der Sinn der Worte ist m.E. auf alle ausführenden Künstler anzuwenden!) nicht "hintanstellen" sollte! Der nämlich überbringt erst die Botschaft des Autors.


    Verachtet mir also die "Meister" nicht!


    Im übrigen kann ich der hier überwiegend geäußerten Meinung nur beipflichten: Die Pendel schlagen mal so, mal anders aus. Ich bin auch der Auffassung, daß die "Fachleute" auch nur "Leute" sind, mit ihren Vorlieben, Schwächen, gar Fehlern, und somit auch in Kritiken oft daneben liegen. Wer Fischer-Dieskaus (oder wer auch immer) Stimme nicht mag, wird ihn immer ablehnen, den "Fan" kann nichts erschüttern.


    Zitat

    von Alfred Schmidt:
    (...)sondern das Besudeln und die Demontage einstiger "gottähnlicher Grössen" Man hat dieen Menschen stets vorgeworfen, arrogant- unnahbar etx zu sein, ich möchte auch das relativieren. Wenn ein Künstler skrupolös ist, in der Hinsicht, daß er mit nichts, aber auch mit gar nichts zufrieden ist, wenn es diesem Künstler letztlich gelingt, seinem eigenen Anspruch nahezukommen, er ferne von allem wie ein Papst gefeiert wird - dann ist es möglich, daß er für all die anderen, die seinen Maßstäben nicht entsprechen nur noch Verachtung empfindet und dies gelegentlich - wenn auch nicht wissentlich - durchschimmern lässt. Diese Menschen - Perfektionisten - hassen alles was nicht perfekt ist - somit in letzter Konsequenz auch sich selbst, Aber alles was UNTERHALB ihres Levels ist - das nehmen sie gar nicht wahr. Ich weiß in diesem Zusammenhang , wovon ich rede...


    Also ich kenne keinen ausübenden Künstler, der arrogant und somit ungerecht gegenüber anderen wäre. Diese Behauptung könnte ich nur dann aufstellen, wenn ich mit einem privat bekannt wäre. Andererseits bin ich bezüglich von "Meinungsäußerungen" in den Medien sehr, sehr skeptisch. Lange Zeit habe ich selber dazu gehört und weiß, wie einfach, schnell und dann auch sehr langlebig solche Meinungen zu lancieren sind. Das es auch hier im Forum Mitglieder gibt, die mit dem ein oder anderen ausübenden Künstler bekannt sind, habe ich verschiedenen Beiträgen auch entnehmen können: Es gibt da so hin und wieder Andeutungen in den Beiträgen.


    Wie dem auch sei: Ich bin mir über Alfreds Vermutung, daß aus dem Streben nach Perfektionismus auch "Haß" werden kann, nicht sicher. Weil ich, wie schon gesagt, privat keinen solcher Art gestrickten Künstler kenne.
    Gäbe oder gibt es ihn, dann wäre er MENSCHLICH, nicht jedoch KÜNSTLERISCH disqualifiziert! Man sollte man ihm/ihr vielleicht folgendes Zitat vorhalten:
    Kein Künstler muß den andern tadeln, es setzt die Kunst so sehr herab!

    .


    MUSIKWANDERER

  • Durch über 50jährige Beschäftigung mit Musik, 45 Jahre davon als Programm-Mitverantwortlicher bei einem Sinfonieorchester und einer der Organisatoren des jährlichen Künstlertreffens bei der Gottlob-Frick-Gesellschaft hatte ich das Glück, unzähligen Künstlerinnen und Künstlern zu begegnen. Ganz im Gegensatz zu Alfred erlebte ich die meisten Künstler privat als hochgebildete, aufgeschlossene. sensible, äußerst angenehme Menschen, besonders im persönlichen Einzelkontakt. Die Situation ist anders, wenn der Künstler im Probenraum, auf der Bühne, oder im Konzertsaal um das perfekte Ergebnis ringt. Hier gibt es natürlich Auffassungsunterschiede mit Regisseuren und Dirigenten. Auch im Ensemble fliegen manchmal die Fetzen. Aus künstlerischer Verantwortung heraus darf auch der angenehmste Künstler hier keine Konflikte scheuen und faule Kompromisse eingehen. Das Dilemma heute ist doch gerade, dass junge Solisten aus Existenzgründen Regisseuren und Intendanten fast schutzlos ausgeliefert sind.
    Jede Form der Darstellung, des sich Selbstoffenbarens auf der Bühne hat eine gewisse narzißtische Komponente. Besonders die prominenten Künstler müssen sich aus Selbstschutz abgrenzen und gewisse Distanzen wahren. Oberflächlich gesehen können diese Verhaltensweisen arrogant wirken. Nicht zu vergessen, dass viele Fans wirkliche Plagegeister sind. Wie oft habe ich Künstler, die nach einem schweren Auftritt noch geduldig Autogramme gaben, aus den Fängen der Autogrammjäger befreit, wenn es wirklich zu viel wurde.
    Besonders ein Künstler wird zwangsläufig in eine öffntliche Rolle gedrängt. Fallen diese Rollenzwänge weg wird die echte Persönlichkeit sichtbar und dann ist die Begenung meist hochinteressant, inspirierend und bereichernd.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

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