Legendäre Interpreten der Vergangenheit oder junge Künstler der Gegenwart ?

  • Es ist völlig klar, daß es viele Gründe gibt zu "legendären Gründen der Vergangenheit zu greifen, wenn man CDs kauft und daß die "Newcomer hier in der Regel die schlechteren Karten haben.


    Zum einen sich "große Namen" (zumeist) ein Garant für Können, guten Geschmack und hervorragende künstlerische Leistungen, das ist sicher ein Vorteil wenn ein Einsteiger, der selbst nicht allzuviel von der Materie versteht, seine Wahl treffen muss. Dazu kommt noch, daß diese Aufnahmen - in der Regel in guter Stereo-Qualität - auf Grund ihres Alters von ihrem Label bereits in den Midprice oder Budget Bereich verschoben wurden - und daher äussert günstig zu haben sind.


    Als Nachteil muß gelegentlich ein veralteter Interpretationsstil (für mich persönlich ist das jedoch ein weiterer Kaufanreiz !!) in Kauf genommen werden, und gelegentlich auch ein geringfügigies Bandrauschen - dann nämlich wenn es sich um eine Analogaufnahme vor 1983 handelt.


    "Newcomer" haben hier andere Probleme und Vorzüge.
    Zum einen können hier Einspielungen eines Künstlers erworben werden, den man selbst im Konzert LIVE erleben durfte - so etwas ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Zum andern sollte man davon ausgehen können, daß modernste Aufnahmetechnik eingesetzt wurde und last but not least werden Aufnahmen angeboten, deren Interpreten im Idealfall neue Wege der interpretation gehen (aber natürlich, solche die den Notentext nicht tangieren) - was ein ein interessantes Abenteuer sein kann.
    Man riskiert allerdings aber auch Aufnahmen von "Eintagsfliegen " zu erwerben deren Name in 5-10 Jahren total vergessen sein wird.
    Aber auch das muß kein Unglück sein, wenn man sich nämlich seiner Sache sicher ist- und solch einen Interpreten auch gegen den Zeitgeist zu verteidigen bereit ist....


    "Newcomer" werden jedoch heutzutage aggressiv promotet (nicht immer geschmackvoll -nicht immer wahrheitsliebend) und daß hat seinen Preis: man bezahlt zumeist Vollpreis.....
    Sollten die Aufnahmen eines Newcomers "verramscht" werden und im Grabbelregal zum "supergünstigen" Abverkauf bereit stehen - Dann ist die Karriere des Betreffenden Künstlers in der Regel bereit beendet...
    (sagt aber nicht notwendigerweise was über die Qaualität der Aufnahme aus -lediglich über gewesene Verkaufszahlen. Hier ist
    ein bisschen Gefühl für "gut", und "weniger gut" sicher hilfreich.


    So - und nun die Gretchenfrage:


    Wem gebt ihr im Allgemeinen den Vorzug, bzw nach welchen Kriterien wählt ihr Eure Interpreten aus....?


    Dieser Thread könnte interessant werden, da er sehr persönliche Einblicke bietet, andrerseits keine wirklichen Klassikvorkennnisse erfordert.


    mfg aus Wien


    Alfred


    PS:
    Mag sein daß das Thema schon mal behandelt wurde - Seis drum !!

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Es ist völlig klar, daß es viele Gründe gibt zu "legendären Gründen der Vergangenheit zu greifen, wenn man CDs kauft und daß die "Newcomer hier in der Regel die schlechteren Karten haben.


    Zum einen sich "große Namen" (zumeist) ein Garant für Können, guten Geschmack und hervorragende künstlerische Leistungen, das ist sicher ein Vorteil wenn ein Einsteiger, der selbst nicht allzuviel von der Materie versteht, seine Wahl treffen muss. Dazu kommt noch, daß diese Aufnahmen - in der Regel in guter Stereo-Qualität - auf Grund ihres Alters von ihrem Label bereits in den Midprice oder Budget Bereich verschoben wurden - und daher äussert günstig zu haben sind.


    Als Nachteil muß gelegentlich ein veralteter Interpretationsstil (für mich persönlich ist das jedoch ein weiterer Kaufanreiz !!) in Kauf genommen werden, und gelegentlich auch ein geringfügigies Bandrauschen - dann nämlich wenn es sich um eine Analogaufnahme vor 1983 handelt.


    Irgendwie kommt mir dies bekannt vor.


    Laß ich das Beispiel Henryk Szeryng nehmen. Der hat uns Einspielungen hinterlassen, die bis jetzt noch nicht übertroffen sind.


    Oder Fritz Wunderlich, der noch eher verstarb. Seine Interpretation von Ännchen von Tharau... GÄNSEHAUT!!


    Es gibt viel alte Aufnahmen, die nicht nur die Mühe wert sind, sondern sogar noch immer Spitzeleistungen sind.


    Für mich ist maßgebend "Finde ich es schön klingen, ja oder nein?".
    Wenn nein, dann will ich jene Aufnahme nicht haben. Ungeachtet Preis oder Künstler oder Komponist.


    LG, Paul


    PS Eine Ausnahme. Auch wenn die Aufnahme schlecht ist, die Ausführung, gelinde gesagt, mies... Wenn es ein Sonderwerk ist, daß vermutlich nur einmal aufgenommen wird, und genau in meinem Interessengebiet fällt... Ja, dann muß es wohl. Vide Mayrs Oratorium.

  • Lieber Alfred ,



    einen v e r -alteten Interpretationsstil scheint es nicht zu geben . Allenfalls einen Interpretationsstile , den die grossen Künstler aufgrund ihrer persönlichen Qualitäten heute eben s o nicht mehr am Klavier , im Gesang oder auch auf der Sprechbühne umsetzen würden .


    Es ist dann zum Beispiel für mich doch eher deprimierend , dass eine anerkannt grosse Burg - Schauspielerin wie Christiane Hörbiger an einer TV - Rolle in der "Wiener Zeitung" in einem Interview festgemacht wird . Ich konnte sie mehrfach in der Weiner "Burg" persönlich erleben . Einfach überzeugende schauspielerische Leistungen .


    In der Musik werden Namen wie Paderwesky , Josef Hofmann ( von ihm habe ich heute noch die beiden Klavierkonzerte von Chopin herausgeholt ) , Rachmaninov oder den von Paul ( Dordrecht ) erwähnten grossen Henryk Szeryng oder Nathan Milstein wie Heifetz , Elman , Rabin unvergessen bleiben . Es kommt auf die künstlerische Bedeutung einer Interpretation an ( mir jedenfalls ) ; nicht auf angebliche Superqulaität technischer Art auf einer CD ( dies LPs waren meistens deutlich besser im direkten Vergleich ) .


    Um auf Deine Ausführungen zu Karl Böhm hinzuweisen : Böhm war zumal als Mozart- , Wagner und Strauss - Interpret auch prägend für Fragen der Interpretationsästhetik und somit auch hörbildend für diejenigen , die ihn nicht persönlich erleben konnten . Diese Rückbesinnungen auf unsere eigenen , frühen Hörerlebnisse sind doch gar nicht mehr wegzudenken .



    Beste Grüsse



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Die Antwort lautet bei mir eindeutig: Erstmal sich mit den legendären Interpreten vertraut machen, danach etwaige "junge Künstler der Gegenwart" zum Zuge kommen lassen. Sicherlich ist diese Sicht auch abhängig vom jeweiligen Komponisten, mit dem man sich beschäftigt. So habe ich bei den Barockopern oft gar keine legendären Aufnahmen zur Verfügung und muß zwangsweise zu den neuesten Aufnahmen (oft die einzigen diverser Werke) greifen. Bei den "Standard-Komponisten" wie Wagner, Verdi, Puccini, Beethoven, Mozart oder Bach hingegen liegen oft eben schon z. T. legendäre Aufnahmen vor, die über (fast) jeden Zweifel erhaben sind. Da ich mich i. d. R. sowieso vorab im Forum informiere, welche Aufnahme denn empfehlenswert ist, und zumindest in meinem Kern-Repertoire fast immer auf alte Aufnahmen verwiesen wird, fällt die Wahl noch leichter. Nicht, daß ich den heutigen Künstlern nichts zutrauen würde. Aber das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten. Rattles Beethoven-Symphonien etwa sind mit Sicherheit mindestens "gut". Aber es gibt eben noch gelungenere Einspielungen aus der Vergangenheit, die ich insofern vorziehe. Heutzutage werden (leider) kaum noch Referenzaufnahmen gemacht, zumindest nicht im traditionellen Repertoire; Alte Musik ist eine Ausnahme.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Grundsätzlich bin ich gegen einen naiven Fortschrittsglauben, wenn es um das Thema Interpretation geht.


    Ja, es hat Fortschritte gegeben, und zwar:


    1. Aufnahmetechnisch


    Von so etwas Tollem wie eine mehrkanalige SACD hätte etwa Furtwängler nicht zu träumen gewagt.
    Hätte es das damals schon gegeben, dann fragt man sich natürlich, wie gut sich so manche heute entstandene Aufnahme des gleichen Repertoires dann noch verkaufen liesse. Wahrscheinlich griffen noch mehr Leute zur legendären Interpretation.


    2. Spieltechnisch


    Sowohl beim orchestralen Zusammenspiel als auch bei Solisten ( etwa Pianisten) hat es vielleicht seit den 60er Jahren eine Bewegung nach oben gegeben, behaupte ich einmal. Mir fallen beim Hören historischer Aufnahmen Dinge auf, die man heute nicht mehr tolerieren würde, z.B. auch unfreiwillige Temposchwankungen, schlechtes Zusammenspiel, schlechte Intonation...


    3. Alte Musik und HIP


    Durch die Erkenntnisse der alten Spielpraktiken wurden neue Grundlagen für die Interpretation der Alten Musik gelegt, auf die heute niemand mehr ernsthaft verzichten möchte. Diese Umwälzungen sind mittlerweile aber auch schon jahrzehntealt, so dass man auch hier schon von "legendären" Aufnahmen sprechen kann.
    Gerade im HIP-Bereich muss ich aber auch bemerken, dass ich ein Argument wie " die Forschung hat herausgefunden" nicht überzeugend finde, wenn die klangliche Realisierung beim besten Willen nicht überzeugen kann. Die Musik muss hier, aus meiner Sicht, immer vorgehen.


    Ansonsten glaube ich aber nicht daran, dass mit der Zeit immer bessere Aufführungen entstehen. Sie sind nur anders. Es muss einfach so sein, dass die Kunst immer in Bewegung ist. Bestimmte Aspekte, die man früher betont hat, geraten zugunsten neuer Aspekte in den Hintergrund.
    Dadurch müssen neue Einspielungen unbekannter Künstler aber nicht automatisch uninteressant sein.


    Man muss das immer im Einzelnen sehen.


    Demnächst würde ich gerne an Fallbeispielen verdeutlichen, dass bei mir beides zutreffen kann:


    1. ich bleibe bei der legendären Referenzeinspielung


    2. ich bevorzuge die neue Aufnahme eines eher unbekannten Musikers.


    Spontan würde ich wohl behaupten, dass Fall 1 bei mir häufiger vorkommt, aber ich müsste noch einmal etwas länger nachdenken.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Hallo zusammen !


    Wie nett - genau darüber hatte ich mir vorgestern auch einmal Gedanken gemacht. Und bin eigentlich gerade zu einem anderen Schluss als Alfred gekommen : Im Allgemeinen ziehe ich Interpreten der Gegenwart (erst einmal egal ob jung oder alt) den 'legendären Interpreten der Vergangenheit' vor.


    Angefangen hatte bei mir diese Erkenntnis mit meinem ersten (damals noch ziemlich naiven) Kauf einer Karajan-CD, nämlich des Deutschen Requiem, von der ich damals wirklich nicht besonders angetan war. Zwischenfazit für mich war damals (ich dürfte etwa 15 Jahre alt gewesen sein ?) gewesen sein : Nicht alles, auf dem große Namen draufstehen gefällt mir auch.
    Von Karajan hielt ich mich dann erst einmal einige Jahre fern, aber zugegeben: Mittlerweile habe ich auch für mich herausgefunden, dass Karajan auch durchaus sehr Gutes mit Refernzwert geschaffen hat ;).


    Wir sind letztendlich alle Kinder unserer Zeit und mir macht es den Eindruck als seien gerade die jüngeren Jahre sehr prägend für unseren späteren Musikgeschmack - was nicht bedeuten soll, dass man in höherem Alter Interpretationen jüngeren Datums zwangsweise verschlossen ist. Man schaue (als Beispiel außerhalb der Klassik) sich die Generation der heute 40- bis 60-jährigen an, die noch 'ihren' Beatles hinterhertrauern - sicherlich, auch für mich ist das gute Musik, aber eben Vergangenheit. Ähnlich verhält es sich für mich mit den 'legendären Interpreten der Vergangenheit' : Karajan und Celbidache waren natürlich großartige Dirigenten, dessen Interpretationen auch für kommende Generationen wichtig sein werden (schon allein um daran zu lernen), aber letztendlich lebe ich im Jetzt und wenn ich Musik live hören möchte, dann bleibt mir keine Wahl : ich 'muss' mit den Interpreten der Gegenwart vorlieb nehmen. Und wer möchte denn schon ständig von 'Konservendosen' leben ?


    Wahrscheinlich wird jede Zeit 'ihre' Interpreten haben, von denen einige - mal einige mehr und mal einige weniger - diese Zeit überdauern werden. Letztendlich möchte ich allerdings nicht den Interpreten einer Zeit hinterhängen, die ich selbst (*1983) nie erlebt habe. Der ein oder andere in diesem Forum mag vielleicht auch persönliche (Konzert-)Erlebnisse mit diesen legendären Interpreten verbinden. Die jüngere Generation hingegen kann nur das mit diesen Namen verbinden, was sie heute über sie in Biographien (oder von ihnen in Autobiographien) liest und was sie von ihnen hört (bzw. in Karajans Fall auch auf Video sehen kann ;)).


    Was mir übrigens genauso sauer aufstößt - wie auch schon einige vorher bemerkt haben - ist die häufig anzutreffende überschießende und übertriebene Vermarktung von jungen Künstlern, die mit Ende 20 schon den Status eines 'legendären' Interpreten erreichen sollen; in so ziemlich allen Fällen geht dieser Plan nicht auf und am Ende bleibt dann kaum etwas. Fast immer wäre wahrscheinlich mit mehr Zeit Größeres dabei herausgekommen - für alle Beteiligten ;).

  • Lieber Joseph II. ,



    was meinst Du denn woran es liegt , dass heutzutage keine "Referenzaufnahmen" mehr gemacht werden ? Oder können gar keine mehr gemacht werden ( hier meine ich unter Studiobedingungen , weiles Im konzertsaal doch noch Sternstudnen der Interpretationskunst gibt ) ?


    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Habe darüber gestern (mal wieder) mit meinem Schwiegervater diskutiert.


    Es gibt in der Musik sicher Moden. Dazu gehört - und da kriege ich jetzt sicher richtig Stoff - die historische Aufführungspraxis. Dann solche Norrington-Sachen (ist auch unter historisch zu subsumieren), wie vibratofreies Spielen.


    Ein wesentliches Problem ist sicher, dass Klassik heutzutage mit vielen anderen Musikrichtungen konkurriert und sich kaum noch jemand ein Spitzenorchester ins Studio holt um dann einen Carlos Kleiber 40 takes einer Szene machen zu lassen. Vieles wird heute einfach mitgeschnitten und dann sind vielleicht auch mal Passagen dabei, die man gern besser machen würde.


    Hinzu kommt die Psychologie. "Alt" klingt bei Klassik immer nach "besser". Ich persönlich finde es schwierig zu sagen, dass das Sibelius-Violinkonzert mit Heifetz von 1936 (oder so) besser klingt als Mutter, Shaham etc. In einer neuen, digitalen Aufnahme sitzt man gefühlsmäßig dann doch näher am Geschehen als wenn es nach Mittelwellensender klingt. Ich vertrete darüber hinaus die Ansicht, dass die Leistungsbreite heutzutage höher ist als vor 50 Jahren. Ein Ausnahmeinterpret von 1950 hatte den Status eines Popstars von heute.
    Caruso (was mehr als 50 Jahre zurück liegt) ist von den Massen in New York in etwa so empfangen worden wie heute vielleicht Madonna oder Michael Jackson (vor ca. 20 Jahren).


    Heute gibt es sehr viele sehr gute Künstler, aber die fallen eben weniger auf als früher. Das hat sicher auch was mit den Bildmedien zu tun. Ob Anna Netrebko, Sol Gabetta oder AS Mutter Nummer 1 oder Nummer 21 in ihrem jeweiligen Bereich sind, spielt nur z. T. eine Rolle, weil sie eben sehr gut aussehen und das die Kaufentscheidung der Menschen eben auch beeinflusst.


    Das war bei Radiokonzerten natürlich nicht so. Aber 60 Jahre Frieden in den Industriestaaten haben natürlcih dazu geführt, dass mehr talentierte und fleißige Studenten die Musikhochschulen bevölkerten und dann in die Orchester, Opern, Kammermusikensembles etc. einrückten. Es sticht vielleicht niemand mehr so heraus, aber das Niveau ist insgesamt gestiegen. Da kommt gleich wieder die Retour, dass das unbewiesen ist, aber da halte ich es mit der Mathematik: Je mehr Menschen in Wohlstand, desto mehr Kinder mit Instrumenten und desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass aus dem einen oder der anderen etwas wird.


    Als Musiker kann man heutzutage durchaus von seinem Beruf auch im Orchester leben, man ist ja häufig im öffentlichen Dienst. Da ein Großteil der heutigen Musiker (denke wegen meines Mozart-Streichquartett-Threads - könnt gern teilnehmen! - an das Hagen-Quartett) aus Musikerfamilien kommen, wird mit dem höheren und sichereren Einkommen der Eltern auch die Familientradition besser gefördert, somit von den Kindern auch eher mal dieser Beruf gewählt. In früheren Zeiten, als bei Haydn oder Wagner die Musiker am Hungertuch nagten, wollte das wohl keiner so recht. Aber das ist zu weit nach hinten.


    Das Hoch der Einspielungen waren wohl die Jahre nach dem 2. WK. Warum? Pop gab es noch nicht, dafür wollten die Menschen sich an schönen Dingen freuen und der Wohlstand (und damit die Möglichkeit, sich einen Plattenspieler zu kaufen) stieg. Ich verweise auf die Schilderungen aus Thomas Manns Exil, wo man sich regelmäßig traf, um gemeinsam neue Einspielungen zu hören. Also, in dieser Zeit gab es das Bedürfnis nach Musik, nach Wohlklang und es gab hochrangige Musiker, die sich durch Aufnahmen finanzieren mussten, wollten und konnten. Da sind vornweg die vertriebenen jüdischen Musiker zu nennen, dazu all die, die Hab und Gut durch Krieg und/oder Vertreibung verloren. Und schließlich die um Rehabilitierung bemühten (z. B. Furtwängler). Man konnte mit Musik viel Geld verdienen (s. zB Legge und das Philharmonia-Orch.). Dann kam noch der Kalte Krieg, der Künstler wie Rostropovich im Exil quasi auch zwang, ihre Kunst zu Geld zu machen. Was wäre wohl gewesen, wäre er einfach Professor am Konservatorium geblieben.


    Zu den künstlerischen Aspekten kam noch die sich entwickelnde Aufnahme- und Wiedergabetechnik, die insbesondere jemandem wie Karajan nutzte, der so seine Klangvorstellungen auch vervielfältigen konnte. Mit dem Aufstieg von Rock und Pop und den Brüchen der jungen mit der älteren Generation ("Spießertum") brach dieser Boom in den 80ern ein. Jetzt, langsam, entdeckt die klassische Musik, dass man auch aus einer schüchternen Geigenschülerin oder einem jungen Heldentenor einen Popstern machen kann. Und dass der ORF durchaus noch Opern der Salzburger Festspiele überträgt, wenn man nur die richtigen Leute auf die Bühne stellt. Klassische Musik deversifiziert sich ebenso wie die Gesellschaft als solche. Es ist ja nicht weniger Geld da, es wird nur anders ausgegeben. Die Schicht derer, die mal entspannt 300€ für eine Premierenkarte ausgibt, ist größer geworden. Und mit dem Internet sind die Zugangs- und Erwerbsmöglichkeiten gerade für klassiche Musik größer geworden (s. Tamino). Nur der Grundstock an Fans ist noch nicht wieder da. In 2-3 Generationen sprechen die Klassikliebhaber vielleicht so ehrfürchtig von Dudamel wie jetzt von Karajan.


    Unterschätzen darf man auch nicht die intrafamiliäre Traditionsbildung. Wenn Opa und Vater schon immer Böhms Mozart gehört haben, bleibt das anders in Erinnerung, als sich selbst eine neue Einspielung zu kaufen. Kaufen ist Psychologie. Man hat als Erwachsener ja schon völlig durchgeschulte Sinne. Sich auf Neues einzulassen ist ein komplexer Willensakt. Und wenn ich den Verkäufer im Plattenladen frage, empfiehlt mir der entweder nach Verkaufserlös (ich entschuldige mich bei allen Plattenverkäufern) oder nach eigener Präferenz, die sich aus den merkwürdigsten Begebenheiten ergeben haben kann. Da ist das Internet mit den Hörprobemöglichkeiten tatsächlich sinnvoll, weil man ganz unbeeinflusst vergleichen kann.


    Aus meiner Sicht muss sich die Tradition neuer Referenzaufnahmen erst entwickeln. Aber ich glaube schon, dass es eine ganze Reihe neuer Aufnahmen gibt, die sich nicht hinter alten verstecken müssen. Das gilt besonders für die "billigen" Aufnahmen, also Solo-Instrument oder Kammermusik. Da hat sich doch in den letzten unglaublich viel getan. Bei Orchester und Oper wird es noch ein wenig dauern, aber auch da werden neue Wege beschritten werden.


    Fazit: Das Ohr entscheidet. Früher war zwar vieles anders, aber nicht alles besser. Und: Man muss sich daran gewöhnen, dass ein Klassikstar auch mal gut aussieht und die Hornbrillen von den Covern verschwinden.

  • Lieber Luis.Keuco,


    deinen Beitrag finde ich sehr gelungen. Doch ist er nur sehr mühsam zu lesen. Baue doch demnächst einfach ein paar Abschnitte ein. Danke.

  • Lieber MosesKR1,


    ich bin neu und die Texteingabemaske hat ja ein deutlich anderes Format als der Text später. Im Eifer des Gefechts schreibe ich dann vor mich hin und wegen der in der Eingabemaske deutlich kürzeren Zeilenlänge ist der Überblick über meine Geschreibe noch recht gut. Da ich den Text auch in der Eingabemaske korrigiere, fällt mir die graphische Problematik nicht so auf und wenn das Ganze dann "groß" als Beitrag erscheint, weiss ich ja schon, was drin steht und bemerke nicht, dass es unübersichtlich bzw anstrengend zu lesen ist.
    Leider bin ich auch noch nicht so weit, meinen Text mit ein paar Bildern bzw Covern aufzupeppen, weil ich nicht genau verstehe, wie das geht, obwohl es sicher einen überschaubaren Schwierigkeitsgrad hat.
    Ich werde mein Bestes versuchen (hoffentlich reicht das).


    Beste Grüße


    Lieber Louis, ich habe mir erlaubt, Vorschläge zur Übersichtlichkeit zu machen; ich hoffe, daß sie in Deinem Sinne sind.
    LG vom Thomas

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose

  • Lieber Frank,


    ich denke, es liegt an der unüberschaubar großen Konkurrenz an referenzträchtigen Aufnahmen aus der Vergangenheit zum einen, zum anderen an der stetig zurückgehenden Zahl an Studioaufnahmen generell.


    Liebe Grüße


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph II . ,



    ich nehme das Beispiel des von Dir kenntnisreich vorgestellten "Parsifals" hier im Forum.


    Es ist doch auffallend , dass die offensichtlich wichtigsten Aufnahmen aller innerhalb einer kurzen zeitspanne gemacht worden sind .


    Ich nehme die Boulez - Aufnahme hier ausdrücklich dazu .


    Und was ist dann später an grossen Aufführuneg (?) , die sicherlich in Bayreuth , Wien etc. mitgeschnitten worden sind , übriggebleiben ?


    Liegt es nicht auch an der Qualität der Sängerinnen ( z.B. Nilsson , Mödl , Varnay , Silja ) oder Sänger ( allen voean W. Windgassen ) , dass wir gar nicht mehr diese Spitzenaufführungen ( und diese über Jahre hinweg ! ) haben ?


    Gibt es noch Wagner - Dirigenten wie Knappertsbusch , Karl Böhm , Kempe , Keilberth , Karjan ( und im "parsifal" wohl Eugen Jochum ) , die die Masstäbe über viele Jahre so hoch gesetzt haben , dass heute sehr viel über Aufführungen geschrieben wird aus unseren Jahren , aber am Ende dann doch steht : empfohlen ist in erster Linie nach wie vor z.B. der Parsifal mit Knappertbusch aus 1951 , der "Tristan" mit Böhm aus 1966 oder Böhms oder Karajans "Ring" ?


    Dies ist ja nicht nur im Wagnerfach festzustellen !


    Und wenn P. Domingo dieses Jahr in der riesigen Arena von Verona den "Don José" singt ( mit bald 70 Jahren ) mit deutlich nicht mehr fafür geeigneter Stimme . W o sinbd denn die Nachwuchstenöre dieser Rolle zum Beispiel ?



    Beste Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    genau den "Parsifal" wollte ich auch beinahe schon anführen.


    Festzustellen ist ja in der Tat, daß die (kommerziell veröffentlichten) Mitschnitte aus Bayreuth seit den 70er Jahren dramatisch zurückgingen – hatten wir also schon damals eine erste "Sängerkrise" (freilich eine kleine verglichen mit heute)?


    Zurückgehend auf das Beispiel "Parsifal" ist das fast groteske Bild zu vermerken, daß man es in der Tat für notwendig erachtet, zwölf (!) "Parsifal"-Aufnahmen (mit z. T. fast identischer Besetzung) unter Hans Knappertsbusch (1951–1952, 1954, 1956–1964) parallel auf CD anzubieten, während die Zahl der Mitschnitte danach deutlich abnimmt; wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gibt es nur jeweils zwei Mitschnitte aus den 70ern und 80ern, die auf CD/DVD offiziell erhältlich sind, seit 1985 gar keine Veröffentlichung.


    Liegt dies nun also in der Tat daran, daß der Markt bereits übersättigt ist? Oder daß die Qualität der Sänger/innen drastisch abnahm, so daß man es nicht für nötig erachtete, diese mäßigen Leistungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen?


    Zurecht wird heute auf alte, legendäre Einspielungen verwiesen. Die Zahl etwa der "Don Giovanni"-Besetzungen, die es mit Furtwänglers Salzburger Aufnahme von 1954 aufnehmen können, kann man wohl an einer Hand aufzählen, die Zahl der "Ring"-Tetralogien, die auch nur annähernd das Niveau des Solti-Decca-"Rings" (1958–1965) haben, ebenso.


    Kein Wunder also, wenn man zum Altbewährten greift.


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Frank,


    da ich nun überhaupt kein Pessimist bin -auch kein Kulturpessimist- habe ich für Deine Fragen eine ganz einfache Erklärung parat: Die sogen. Referenzaufnahmen, an die wir uns im Laufe der Jahre so gerne gewöhnt haben, fallen in eine Zeit, als die LP auf den Markt kam, mithin also ein Medium, daß die bis zu 30 min am Stück speichern konnte (Tefifon und Spulentonband lasse ich jetzt einmal außen vor). Ein paar Jahre später die stereo-Technik. Es gab also keine nennenswerte Konkurrenz; jedenfalls nicht mit 60 Jahren Interpretationsgeschichte (angesichts der ganzen remasterten und erstmalig im Zusammenhang verfügbar gemachten und in einen technisch akzetablen Zustand versetzen Schellacks muss man eigentlich von 100 Jahren Aufzeichnungsgeschichte sprechen).


    Es ist doch tatsächlich so, daß sich jeder heutige Musiker, der als Solist oder Orchesterleiter etwas auf Band bannt, gegen eine ellenlange Backlist von Bestehendem durchzusetzen hat. Und selbst wenn Plattenfirmen ihre Backlistst vergessen und Rundfunkandstalten alte Bänder löschen: irgendjemand hat dann doch noch einen alten Mitschnitt, die alten LP's, die alten Schellacks, und ein weiterer irgendjemand findet sich, der die Dinge restauriert und als CD anbietet, während ein dritter Irgendjemand (blöderweise finde ich mich in dieser Figur selber nicht selten wieder) das Auffinden des sträflich Vergessenen beklatscht.


    Da sind sie dann wieder, die Geister der Vergangenheit. Aber eigentlich sind's nicht mehr als Hörgewohnheiten. Und auch heute wird referenzwürdig musiziert. Man muss sich allerdings fragen, ob es wirklich die 185000ste Einspielung aller Beethoven-Sinfonien braucht (das lässt sich jetzt auch munter auf Konzertprogramme übertragen), oder ob nicht noch so manche Partitur uneingespielt in den Archiven lagert, die Gehörr verdient.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Da muss man aber den Publikumsgeschmack berücksichtigen. So toll manche kleinen Labels vergessene Preziosen jetzt herausbringen, die z. T. noch nie eingespielt wurden, so gering ist deren Absatz.


    Darauf habe ich in meinem, mittlerweile sehr schön gelayouteten (Danke MosesKR1!) Beitrag schon hingewiesen. Eine Woche Wiener Philharmoniker plus Spitzendirigent plus Sänger plus Aufnahmetechnik holt man kaum noch mit CD-Verkäufen wieder rein. Da ist der Live-Mitschnitt mit Netrebko/Villazon von La Traviata, wo das Premierenpublikum und der österreichische Steuerzahler die Aufnahme finanzieren, eindeutig die bessere Alternative für das Label.


    Man darf einfach nicht so tun, als wäre ein Klassiklabel ein Medium l'art pour l'art. Es geht um Kommerz. Und heute kauft sich eben nur noch eine Minderheit eine Opern-CD. Aber ist schon mal jemandem aufgefallen, was es für schick gemachte Opern-DVDs gibt? Da bleibt kaum ein Auge trocken. Der moderne Mensch ist halt mehr auf das Visuelle fixiert.


    Und nochmal, das wird in der Diskussion unterschlagen: Gerade im Bereich Kammermusik und Solo-Instrument sind die neuen Aufnahmen (ob historische Instrumente oder nicht) z. T. wirklich erstklassig und brauchen sich nicht vor alten verstecken. Oder will jemand behaupten, Angela Hewitt oder Murray Peraiha hätten nicht traumhafte Einspielungen der Bach-Klavierstücke abgeliefert?


    Oper ist sehr speziell. Es gehen zwar viele Menschen in die Oper, aber dass jemand zu Hause stundenlang eine Oper hört, das ist eher selten. Da lohnt es sich in einer Welt der 3-min-Songs nicht, eine neue große Produktion zu machen, die doch nicht viel anders klingt als die vorhandenen.
    Den meisten bekannten Sängern ist es außerdem nicht so wichtig, ob sie in einer Oper mitsingen, die es auf CD gibt. Die verdienen an einem Abend genug, dass das nicht zusätzlich (incl. Proben, Wiederholungen, etc) sein muss.


    Was Placido Domingo angeht: Die Arena in Verona ist so eine Art Volksmusikstadl des Opernbusiness. Da werden die Rentner im Bus hingekarrt und die Gardasee-Urlauber fahren da hin, damit sie auch ein bisschen Kultur hatten. Dann sitzt man in der Sonne, macht Picknick, trinkt billigen Bardolino und es singt halt noch der Domingo. Mit großer Kunst hat das nichts zu tun. Das ist Kommerz. Es muss nicht schlecht klingen (das tut das berühmte Konzert der drei Tenöre anläßlich der Fußball-WM 1990 in Italien auch nicht), aber es ist keine hohe Kunst. Wobei ich dann auch fragen darf, ob der jährliche Radetzky-Marsch beim Neujahrskonzert diese hohe, große Kunst darstellt.


    Meiner Meinung nach hat sich einfach der Klassikbetrieb geändert. Es gibt viele hervorragende Künstler, die jedoch in der Öffentlichkeit nicht so sehr wahrgenommen werden, weshalb deren Namen nicht ganz so geläufig sind. Deshalb sind sie aber nicht schlechter. Die klassische Musik kehrt eben wieder mehr auf die Bühne zurück.
    Mir fällt bei der Gelegenheit ein, dass ich in einem Konzert von Christine Schäfer war. Die Winterreise. Das war zum Heulen schön. Da wüsste ich jetzt nicht, warum das schlechter sein soll als wenn das Schwarzkopf, Janowitz, Popp gesungen hätten.

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat


    Original von Luis.Keuco
    Es gibt in der Musik sicher Moden. Dazu gehört - und da kriege ich jetzt sicher richtig Stoff - die historische Aufführungspraxis


    Hallo Luis, vielen Dank für Deine nachdenkenswerten Beiträge.


    Deine o.g. Aussage provoziert jedenfalls bei mir keinen Zoff.
    Der ursprüngliche Gedanke bei den "Vätern" der historischen Aufführungspraxis war ja eigentlich nur der: "Wie können wir die Alte Musik den heutigen Leuten so nahebringen, dass die emotional derart bewegt und mitgerissen werden, wie sie man es sonst nur von einer grossen romantischen Symphonie her kennt?"
    Das Abspielen von romantisiertem Notenmaterial galt schon in der Zeit als verpönt. Also spielten manche die nackten Barocknoten so eckig und ausdruckslos, wie sie vor einem lagen, Stichwort "Terassendynamik"...


    Da kam man auf die Idee, ob es nicht aufregender wäre, wenn man versucht, sich die alten Spielpraktiken anzueignen und auf alten, unverbauten Originalinstrumenten das Ganze als besonders "moderne" und "zeitgemässe" Form des Nahebringens von Alter Musik darzustellen.


    Die ganze Geschichte glückte aufgrund der Tatsache, dass es von leidenschaftlichen Vollblutmusikern getragen wurde.
    Der Siegeszug der historischen Aufführungspraxis begann.


    Dass das heute nicht mehr nur inneres künstlerisches Bedürfnis, rastloses Forschen in alten Quellen nach neuen Hinweisen auf die Aufführungspraxis , sondern teilweise auch zu einer Modeströmung geworden ist, gegen die kaum noch ein grosses oder kleines Orchester angehen könnte, ist schlicht und ergreifend Fakt.
    Künstler der ersten und vor allem auch der zweiten HIP-Generation ( mir bekannt in diesem Falle Koopman) beklagen bei entsprechenden Gelegenheiten, dass die jungen Studenten nicht mehr selbst gründlich und kritisch forschen, sondern eher einfach nachspielen und fragen: "was habt ihr da herausgefunden?"


    Zitat

    Dann solche Norrington-Sachen (ist auch unter historisch zu subsumieren), wie vibratofreies Spielen.


    Das ist sicher auch eine Mode, allerdings muss ich widersprechen, wenn man das mit der historischen Aufführungspraxis in Verbindung bringt.


    Für mich ist das ein grosses Missverständnis, dass ggf. auf oberflächlichem Hören von Vorbildern, oder auch dem Wunsch, noch extremer als diese zu klingen, beruhen mag.
    Möglicherweise ist es auch falsch verstandenes Quellenstudium - ich kann da nur mutmassen.


    Dass man früher grundsätzlich Non-Vibrato gespielt habe, und ein Vibrato deswegen nur so selten wie eine Doppelschlag etc. kommen darf, ist nämlich nicht nur historisch gesehen nicht haltbar. Natürlich kommt es auch immer auf den Komponisten und die Epoche an, sie auch der Thread " Das Vibrato in der Barockmusik"


    Vor allem aber ist es sehr unmusikalisch, weil man sich eines wunderbaren und wichtigen Ausdrucksmittels beraubt. Warum soll man auf langen Tönen es nicht nach einer Zeit einschwingen lassen; warum nicht auf wichtigen Zieltönen der Melodie nicht nur dynamisch sondern auch durch ein kurzes, ggf. sogar kräftiges Vibrato einen emphatischen Nachdruck machen?
    Aus meiner Sicht scheinen viele Stücke der Barockzeit nach solchen Ausdrucksvibrati regelrecht zu schreien.
    Es gab und gibt auch HIP-Interpreten, die das so praktizieren, nicht nur Harnoncourt, sondern z.B. auch seinerzeit Goebe mit der MAK.l


    Wenn man dann nun auch noch Beethoven oder gar Brahms vibratofrei spielt, dann darf man wohl mit einigem Recht von Modeströmungen sprechen, die unter dem HIP-Etikett daherkommen, aber eigentlich ein Etikettenschwindel sind.


    Für mich spielt hier vielmehr auch der Gedanke eines sich Absetzens, eines anderen Klangbilds, auch um der Andersartigkeit willen, mit.
    Ggf. möchte man eine Marktlücke schaffen und sie erobern...ich jedenfalls, kann darin nicht immer einen rein künstlerisch-musikalisch tragfähigen Ansatz erkennen, der allein aus dem Werk und seinem Kontext heraus entstanden ist.
    Von daher muss ich Dir rechtgeben, bis eben auf den Zusatz, dass Norringtons Non-Vibrato nicht wirklich historisch haltbar ist.
    Es kann sein, dass er das wirklich meint.
    Dann wäre es, so wie ich es sehe, (s)ein Missverständnis, dass er auf seine Zuhörer mehr oder weniger überträgt.


    Auch und gerade aufgrund solcher manchmal auch extrem gut gemachter Missverständniss ist es natürlich umso wichtiger, dass neue Künstlergenerationen sich im Bewusstsein der Leistungen der Altvorderen einen eigenen, mehr seriösen als nur modisch schicken Interpretationszugang erarbeiten.
    Den dürfen und sollen sie auch sowohl im Konzert als auch auf Medien vorstellen. Sie verdienen auf jeden Fall die Chance, dass man in ihre Aufnahmen hineinhört, auch wenn die (noch nicht) Namen nicht bekannt sind.


    Es gab auch Zeiten, in denen der Pianist Alfred Brendel nur Insidern bekannt war...


    Aus jüngster Zeit meiner JPC-Einkäufe kann ich ein Beispiel nennen:
    Für Griegs Holberg-Suite war schon seit langer Zeit Karajans Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern meine Referenz, und sie wird es wohl auch bleiben.


    Trotzdem habe ich mir gestern diese verhältnismässig junge und unbekannte CD der Oslo Camerata hier bestellt,



    weil ich die Hörschnipsel so unglaublich gut und Andersartig im positiven Sinne fand.
    Auf der einen Seite der runde und saftig-kernige Streicherklang der Karajan-Ära, auf der anderen Seite eine kammermusikalischere Interpretation, die sehr detailreich, frisch, durchdacht und auch stilsicher daherzukommen scheint.
    Diese Aufnahme hätte ich auch bestellt, wenn sie nicht aus dem preisgünstigen Naxos-Segment käme.


    Ich bin schon sehr gespannt, wie sie insgesamt bei mir zu Hause klingen wird...
    Es kann gut sein, dass ich dann zwei Referenzaufnahmen haben werde.
    In der Musik ist das möglich.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Wenn eine Aufnahme Referenzstatus erreicht hat,wird sich sie Jahrzehnte daran erfreuen können.Schwer,sie vom Sockel zu stoßen.Ich bin dennoch etwas skeptisch,was Referenzaufnahmen vergangener Zeiten angeht und wende mich gerne Neuaufnahmen zu,die zumeist technisch mehr zu bieten haben.Es ist nicht das Bandrauschen,was mich stören könnte.Vielmehr ist es der Klang der Neuaufnahmen,der mich begeistert,vorausgesetzt der Tontechniker hat nicht geschlampt.
    Beispielhaft ist die DG Aufnahme des 5.Klavierkonzertes Beethovens mit Helene Grimaud. Diese CD war neu für unter 10 Euro zu haben. Ob damit das Schicksal von Grimaud besiegelt wurde, weil ihre CD verramscht wurde, wage ich zu bezweifeln. Nicht nur, daß mich ihre Interpretation des Klavierkonzertes begeistete, war ich auch von der Aufnahmetechnik angetan. Ein durchsichtiger sauberer Klang mit gut zu ortenden Instrumenten,fast wie bei einer SACD.
    Ich gaube, daß es Künstler heute schwerer haben, an die Weltspitze zu gelangen. Die Konkurrenz ist viel größer als damals. Ein "Rubinstein", der falsche Töne auf dem Klavier spielt, ist heute im internationalen Musikbetrieb undenkbar. Nicht zuletzt wegen der Perfektion der heutigen Künstler sind Live-Aufnahmen heute akzeptabel, früher mußten in einer Studioaufnahme die besten Takes zusammengeschnitten werden.
    Ob junge erfolgreiche Künstler wie Lang Lang noch in 10 Jahren bekannt sind, weiß natürlich niemand. Aber Kissin, Mutter waren auch mal jung und sind noch im Geschäft.
    Natürlich habe ich auch Referenzaufnahmen vergangener Zeiten in meiner CD-Sammlung. Es kommen aber auch ständig Neuaufnahmen hinzu.

    mfG
    Michael

  • Lieber Joseph II. ,


    lieber Thomas !



    "Parsifal" immerhin hier sehr übersichtlich dokumnetioert hat mir gezeigt , wie berechtigt meine Frage ( an Joseph II. ) gewesen ist . Kanappertsbusch in zig Aufnahmen , dann Boulez als Ergänzung und Eugen Jochum gerade "frisch entdeckt" ! ( wohlgemerkt der grosse alte Eugen Jochum , der ein wundervoller Brahms - Interpret war , sehr überzeugend auch Beethoven in den konzerten begleiten konnte oder dessen beide Bruckner - Gesamtaufnahmen villeicht nicht jedermanns Geschmack sind , aber immer wieder erwähnt werden , was seine gründe haben dürfte . ) .


    Jetzt kann ich meinem "ideal-Parsifal" also mit sehr guten Empfehlungen aus dem kreise unserer Taminoianer nachgehen . Danke . Offen bleibt : Was kam danach ? Etwa ab 1985 ( spätestens ) ? Ich darf an den Satz von Anja Silja über Wolfgang Windgassen erinnern . Frau Silja hat dies 2002 in einem sehr ausführlichen Interview im WDR begründend dargestellt . Wenn man nicht mit der Frage nach Wieland Wagner und noch mehr nach Windgassen gerechnet hätte , so hätte der Hörer selbst darauf kommen müssen , das es von wenigen Produktionen abgesehen ( etwa mit Hans Hopf oder Sandor Konya ) doch nicht wirklich überragend bestellt war mit den Wagner - Heldentenören . Ein (!) überragender Interpret hat also nicht nur die geniale Welt des Wieland Wagner ( und somit vielleicht die ganzen Bayreuther Festspiele ) gerettet ! Das ist schon sehr beachtlich . Es muss einfach so imm Sinne von Anja Silja festgehalten werden .


    DON GIOVANNI . Obwohl bei Josph II. nicht Teil meiner Anfrage wird dankenswerterweise von ihm selbst als exemplarisch hervorgehoben .
    In meinem eigenen Aufnahmenbestand gibt es nicht einmal fünf nach der genannten Furtwängleraufnahme , die da interpretatorisch mithalten könnte . ( Es wird , um THOMAS PAPEs Hinweis aufzunhemen , schon so seion , dass es wichtige , gleichwertige Aufnahmen in Rundfunk und Opernhaus-Archiven gibt . Doch : warum diese Nicht - Veröffentlichungspraxis ? Es dürfte nicht nur am Urheberrecht liegen . )


    Lieber T h o m a s , mir ist es eigentlich nicht so wichtig , wie die tonqualität im Einzelfall ist , wenn wir eine überragende Interpretation hören können . Wie hervorragend alte , sehr alte Aufnahmen wundervoll wiederhergestellt werden können , das hat "NIMBUS" in einer Reihe von Klaviermusikaufnahmen bewiesen .


    N e b e n b e i : Lieber Thomas , da Du ja in Köln lebst und die dortigen Verhältnisse ja sehr gut kennst : es muss wundern , wie technisch defizitär die meisten WDR - Aufnahmen nach "Bearbeitung" aus den 1950er Jahren doch sind . Der WDR ist sich auch hier seinem sonstigen Niveau treu geblieben . Das sind doch riesige vertane Chancen ! Und inKöln gabes doch jahrelang um 1970 hervorragende Opernabende .


    REFEREZAUFNAHMEN heute . Jedem Dirigenten , Solisten gestehe ich selbstverständlich das recht zu , seine eigene Sicht auch auf tonträger festhalten zu lassen . Er weiss ja , dass er an mindestens einer vorhandenen Aufnahme gemssen werden wird . Und ggf. an seiner eigenen ! Von Studio vs. Konzertsaal / Opernbühne ganz abgesehen .


    Ob eine solche Aufnahme "nötig" war / ist , das sei völlig dahingestellt .


    Einen Künstler an seiner eigenen Entwicklung verfolgen zu können anhand von Aufnahmen ( unabhägig von LP oder CD , Schellack oder MC ) halte ich schon für sehr interessant . Wenn ein Interpret meint , in einer Wiedergabe alles gesagt zu haben , dann ist dies eine Entscheidung .


    Deswegen sollte man nicht von einem Künstler freigebene Aufnahme auch mit einer gewissen Vorsicht hören .


    Als Beispiel denke ich hier etwa an Schuberts B - Dur - Sonate D 960 in den nur bekannten Aufnahmen durch Sviatoslav Richter oder dessen Wiedergaben von Franz Schuberts Klaviersonate a - MollD 958 oder seine gesamten Beethoven - Aufnahmen . Soweit ich dies beurteilen kann anhand von Aussagen von S. Richter ist er selbst mit seinen Interpretationen unendlich viel kritischer umgegangen als fast alle Rezensenten dies getan haben oder dies zu tun vermochten . Alleine die Bücher und Einzelveröffentlichungen durch Harold C. Schonberg über "Great Pianists" legen ein Zeugnis ab von dem einflussreichsten und souveränsten Kenner der Klavierszene . Schonberg fängt im Untertitel dann auch richtigerweise mit W A Mozart an , der ein sehr guter Pinaist gewesen sein muss . Die Frage lautet nicht grundlos : wie mag z.B. ein Frédéric Chopin selbst seine Werke gespielt haben ? Für mich kann dazu wahrscheinlich nur sein letzter und engster Freun d an seinem Sterbebett als autorisiert angesehen werden . Danach beginnt schon sich die legnde um Chopin selbst so zu ranken , dass wir Jahrzehnte lang den Blick auf Chopins eigenes Spiel verloren hatten ( und alle seine berühmten Interpreten in der direkten Folgezeit wohl auch ) .


    Lieber Thomas , Referenzaufnahmen in den etwa letzten 15 Jahren finde ich eher selten ( im Vergleich zu früheren Aufnahmen ) . Was es , der Fall Krystian Zimerman lehrt dies eindrucksvoll wie das Spiel von Emanule Ax , an Konzertabenden ( leider nicht übertragen oder mitgeschnitten ) jedoch tatsächlich gibt : Grosses Klavierspiel in der erinnerung an die sog. Goldene Ära zwischen den beiden Weltkriegen .


    Aufgrund der oben dargestellten Situationen bin ich vor allem in Hinblick auf die schlimme Lage der Klassikindustrie doch in meiner Skeptik bestärkt worden .


    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Luis :



    ich kenne Verona seit meiner Zeit als Schüler . Auch die Arena ( von innen ) . Nicht nur den Varkausschlager :"Die ist der berühmte Balkon von R & J , die...." .


    Persönlich habe ich dort schon vor über 40 Jahren fast alle grossen Sängerinnen und Sänge ören können in zumTeil grossartigen Inszenierungen . Dazu das Verdi - Requiem mit luxuröser Besetzung .


    Also die Freunde , bekannten usw. , die ich dort kannte und getroffen habe , kamen weder vom Gardasee ( was eigentlich ja nichts Schlimmes sein muss ) , noch haben sie billigen Bardolino getrunken oder in der Arena oder davor ihr "Picknick" goutiert .


    Verona ist mit kleinen einschränkungen leider immer schlechter gweorden . Wenn wir dann noch weiter zurückgehen als zu "meinen Jahren in Verona" , also die Zeit der Callas oder von Franco Corelli , dann weiss man - es gibt Mitschnitte ! - , auf welchem Niveau damals gesungen worden ist .


    Und das Publikum scheint auch ein völlig anderes gewesen zu sein .


    Viele Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Morgen,


    ich danke Schneewittchen und Glockenton für ihre Ausführungen. Das entspricht durchaus auch meiner Meinung. Musik entwickelt sich und immer an der einen Sternstunde festzuhalten, bedeutet gleichzeitig neue zu negieren.


    Glockenton: Es wurde von dir schön herausgearbeitet, wo die Probleme der historischen Aufführungspraxis liegen.
    Nichts gegen den Versuch der Rekonstruktion eines Klanges von vor 300 Jahren. Aber man bekommt beim Besuch eines großen Plattengeschäfts manchmal das Gefühl, als sei klassische Musik nur noch als historisch original erlaubt. So als wäre die Erfindung der Stahlsaite eine Fehlentwicklung wie der Wankelmotor. Wenn Sol Gabetta ihre Vivaldi-Einspielungen in einer mittelitalienischen Kirche, begleitet von einem erfahrenen HIP-Ensemble, auf Darmsaiten einspielt, finde ich das in Ordnung. Wenn ich dann aber auch Spätromantik wie Bruckner oder Mahler mit Darmbespannung anhören muss und die Ensembles immer kleiner werden bis man nichts mehr hört, dann finde ich das eben weder schön noch sinnvoll. Haydn klingt bei den Berliner oder Wiener Philharmonikern eben doch satter als bei einem, wenn auch historisch korrekten, Kleinensemble.
    Jeder nach seiner Fasson und ich finde es gut, dass die Geschmäcker verschieden sind, damit die klassische Musik viele Mäuler stopfen und wachsen und gedeihen kann. Nur ist nicht alles was für mich.
    Da kommen wir noch kurz zu Norrington. Die Bamberger Symphoniker sind ein bayerisches Staatsorchester und entsprechend besetzt. Ich habe von deren Mahler-Aufnahmen auch noch nicht viel gehört, finde da den vibratofreien Ansatz aber wenig passend. Wie soll denn ein Streichinstrument Weltschmerz ausdrücken, wenn man das Vibrato weglässt? Klar, jetzt wird man von den vielen Ausdrucksmöglichkeiten des Streicherspiels sprechen. Trotzdem, das war doch keine blöde Erfindung mit dem Vibrato. Man muss es ja nicht übertreiben, so dass es nach Alkoholzittrigkeit klingt.


    Mit der neuen CD wünsche ich viel Spaß. Gerade in Skandinavien gibt es mehr und mehr hochklassige und oft wenig beachtete Orchester. Und gerade bei den skandinavischen Heroen Grieg und (auch wenn nicht Skandinavien) Sibelius sind sie sehr gut. Ich verweise an dieser Stelle gern auf das BIS-Sibelius-Projekt. Mutig und wirklich gut. Habe eine Einspielung von Streichquartetten des Tempera Quartetts,





    die wirklich ganz herrlich musiziert ist.



    Frank Georg Bechyna: Ich möchte weder Verona noch die Aufführungen in der Arena schlecht machen. Da tritt diesen Sommer u. a. Lang Lang auf. Das Publikum hat sich geändert. es ist in die Vor-Mahler-Zeit zurückgefallen und die Musik ist eben Teil einer Atmosphäre, die man auch gern seinem Nachbarn mitteilt. Freunde von mir waren vor kurzem dort. Und die haben überhaupt nichts mit Klassik am Hut. Die haben das auch noch mal erzählt.


    Zur Beruhigung der Gemüter - und um meine These zu unterstützen - sei auch noch ein eigener Besuch der Royal Albert Hall erwähnt. Händel, Messias. Die Leute haben sich noch unterhalten, als der Dirigent schon am Pult stand, ständig auf ihre Handys geglotzt oder geflüstert. Witzig war, dass sie zum Hallelujah alle aufstanden und mitsangen, was in England meinen Informationen nach Tradition hat. Es hatte mehr Volksfestcharakter denn den gewohnten Konzertritus.


    Wir entfernen uns ein bisschen vom Thema. Deshalb: Nichts gegen die Arena in Verona und die dort auftretenden Künstler. Das Publikum hat sich nur verändert.


    Beste Grüße

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Interviebanner 1 Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Luis.Keuco
    ...
    So als wäre die Erfindung der Stahlsaite eine Fehlentwicklung wie der Wankelmotor. ...


    Zwar total Off-Topic, aber der Wankel-Motor war alles andere als eine Fehlentwicklung. Er besitzt gegenüber dem Hubkolbenmotor eine Reihe von Vorteilen und im Wesentlichen nur zwei prinzipielle Nachteile: er stellt im Bereich Dichtung spezielle Anforderungen an die Werkstoffe, die in den Anfangsjahren nur schwer in den Griff zu bekommen waren und eine Summe von technischen Gegebenheiten führt zu einem etwas geringeren Wirkungsgrad, d.h. der Wankelmotor verbraucht mehr Kraftstoff als der Hubkolbenmotor. Der erste Grund sorgte für schlechte Presse, der zweite ist ein dauernder Nachteil, der gerade heutzutage natürlich ein schwerwiegendes Gegenargument darstellt. Die Werkstoffproblematik ist längst gelöst und den Mehrverbrauch könnte man nur durch aufwändige Entwicklung ausreichend in den Griff kriegen. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer! Man kann sich gar nicht vorstellen, welch gigantische Beträge in die Entwicklung des Hubkolbenmotors gesteckt wurden, um jenes ausgereifte Produkt zu bekommen, das er heute ist. Er funktioniert gut, es lässt sich damit viel Geld verdienen und niemand wirft dieses gewaltige erarbeitete Wissen freiwillig über Bord. Kein Hersteller ist mehr in der Lage, entsprechende Mittel aufzubringen, um Verbrennungsmotoren nach anderen Prinzipien technisch so weit zu bringen, dass sie wirklich in Summe eine klare Verbesserung gegenüber Otto- und Dieselmotor darstellen. Noch dazu in einer Zeit, wo aus Ressourcengründen möglicherweise das Ende der Verbrennungskraftmaschine vor der Tür steht...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • ...und ich hatte mich schon gewundert, dass auf meinen Vergleich mit dem Wankelmotor (des Herrn Wankel) keiner reagiert....


    Deshalb hatte ich mir den Vergleich auch ausgesucht: Man stelle sich also vor, die Stahlsaite wäre wegen verschiedener, nur begrenzt nachvollziehbarer Gründe, genauso wieder vom Markt verschwunden wie der Wankelmotor. Oder man zwänge alle Streichinstrumentalisten zur Darmsaite, weil nur die original ist und viiiiieeeeel besser klingt. Und weil doch genug Darm in den Großschlachtereien anfällt, da muss man sich nicht mit den Chinesen um das letzte bisschen Eisenerz streiten.


    Auch wenn das nicht unbedingt ein klassisches Klassik-Thema ist: Der Wankel-Motor war tatsächlich eine großartige Erfindung, wurde jedoch von der üblichen Mafia platt gemacht.
    Das hat die übrigens auch mit Elektro- und Hybridantrieb schon versucht, doch dann kam die Politik plötzlich auf den Klimawandel...


    Hoffen wir nur, dass es der herkömmlichen und von mir durchaus geschätzten Standardeinspielung mit "modernen" Instrumenten (sind die nachgebauten HIP-Instrumente nicht auch "modern"?) nicht bald so geht wie technischen Errungenschaften im Fahrzeugbau und wir uns - gefördert von der Plattenindustrie - bald Boulez, Messiaen und Pärt auf typisch zeitgenössischen Barockinstrumenten anhören dürfen, damit die Plattensammlung fröhlich weiter wuchert.


    Ich verweise dabei auf die Threads "Meine Sammlung ist ein Fass ohne Boden" und "braucht es die xte Aufnahm von... wirklich?".


    Grüße