moll-Beliebtheit in der Jugend

  • Servus,


    ich deutete es hier schon an.


    Es ist ein kleines Phänomen. Klassik in der Jugend ist beinahe schon ein Tabuthema. Aber doch gibt es hier und da einzelne Werke die gehört werden. Und wenn nicht das, dann zumindest gewisse Werke, wo keiner etwas gegen sagt wenn man es hört/abspielt.


    ABER; es handelt sich dabei fast immer um moll-Werke. Bestenfalls sehr düster, und mit unheilvoll klingendem Chor.
    Es ist mir im Laufe der Zeit einfach aufgefallen. Wenn ich einem Techno-Freak Mozarts Requiem vorspiele ist dieser total begeistert davon. Meistens vom recht stürmischen Confutatis.
    Auch immer dabei ist die berühmte Szene aus "Carima Burana".
    Und Beethovens Schicksalsinfonie ist da auch sehr beliebt. Vielleicht kann man auch noch den "Rondo alla Turca" mit dazuzählen, wobei der eher heiter klingt...


    Woran liegt das aber nun? Hier in Klassikkreisen habe ich immerzu den Eindruck, dass Dur beliebter ist.
    Und auch ich selbst muss mich als Dur-Fetischist bekennen. :D
    Moll nimmt bei mir immer eine Sonderstellung ein. Ohne geht es nicht, vorallem in Momenten wo ich nichts Fröhliches ertrage weil es nicht zur Stimmung passt, aber an sich aus neige ich mich immer zu der fröhlicheren Gattung.
    Warum ist es bei der nicht-klassik-hörenden Jugend nun so anders? Sind die so verbittert, dass sie gar kein Dur mehr ertragen? ?(



    :hello:



    C.

  • Sakow, das ist eine gute Frage, die uns die Psychologie mit der Musik verbinden lässt! -


    Darf ich dir vorab eine ganz persönliche Frage stellen? -
    Bist du von Natur aus eher ein Optimist denn ein Pessimist? -
    Ich denke ersteres! - Das dürfte der Grund deiner Vorliebe für die Dur-Tonart sein. - Meine ich! - :)
    Ich drücke mich bewusst im Konjunktiv aus.


    Der (eher schwermütige) Jugendliche, der in jener Zeit möglicherweise auch noch an Liebeskummer leidet und nicht so recht weiß wohin sein Leben führen soll, wird der Molltonart den Vorzug geben, um seinem Leiden Nachdruck zu verleihen. - Es ist seine Möglichkeit der Verarbeitung von (Liebes)Kummer, des Nachdenkens über den Sinn seines Lebens und die Frage nach dessen Verlauf!


    Noch deutlicher kommen diese Fragen bei Brahms Requiem zum Tragen!


    "Denn alles Fleisch, es ist wie Gras..." Total düster!
    Aber dann.....dann ertönt die Hoffnung auf Ewigkeit, das Positive, das Schöne, das Paradies..."Aber des Herrn Wort bleibet, bleibet in Ewigkeit!"


    Dort, bei B rahms, erleben wir den stetigen Wechsel von Verzweiflung in Moll und Hoffnung in Dur!


    Ein grandioses Werk!


    Mit Brams'schen Grüßen,


    Melisma :hello:

  • Zitat

    Original von Sakow
    Auch immer dabei ist die berühmte Szene aus "Carima Burana".


    Da erinnere ich mich dunkel an die Verwurstung von Orffs 'Of fortuna' aus den Carmina burana durch Mysterious art:



    War schon cool... :beatnik:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Sakow
    Moll nimmt bei mir immer eine Sonderstellung ein. Ohne geht es nicht, vorallem in Momenten wo ich nichts Fröhliches ertrage weil es nicht zur Stimmung passt, aber an sich aus neige ich mich immer zu der fröhlicheren Gattung.


    Lieber Sakow,


    Moll eine Sonderstellung bei Dir... ?(
    Nee, dann erst bei mir !! Ich bin ein ausgesprochener Dur-Liebhaber. Eigentlich nur Mollwerke von Mozart liebe ich. Dieser Meister konnte aber alles mit Musik. :jubel: :jubel:


    Ganz zufällig hörte ich am Samstag in einem wissenschaftlichen Quiz: Molltonleiter sind sowieso viel beliebter als Durtonleiter. Das haben Amerikanische Wissenschaftler untersucht.
    Übrigens auch in diesem Quiz war das so. Wir hörten eine Dur- und eine Molltonleiter. Die Quizteilnehmer wurde gefragt, welche mehr gefiel. Was einige Teilnehmer für Quatsch erzählten... :kotz:
    Sie fanden die Molltonleiter (wahrscheinlich wegen der kleinen Terz) eine sinkende Tonleiter statt steigende... 8o


    LG, Paul

  • Ich bin zwar kein junger Hüpfer mehr aber trotzdem. Die russische und ungarische Musik ist ja auch moll-lastig, ich finde sie sehr schön. Manchmal habt sie etwas düsteres, trauriges, sehnendes, doch dann wieder fröhliches und schnelles Tempo, ich liebe diese Musik. :hello:

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von musicophil


    Was einige Teilnehmer für Quatsch erzählten... :kotz: Sie fanden die Molltonleiter (wahrscheinlich wegen der kleinen Terz) eine sinkende Tonleiter statt steigende... 8o


    Wieso soll das Quatsch sein? Was wir als Moll bezeichnen, basiert ja auf der äolischen Tonleiter (a-h-c-d-e-f-g-a). Und die klingt aufwärts wegen des Ganztonschritts zur Oktave ziemlich sperrig. Deshalb entspricht doch im "melodischen Moll" die Aufwärtstonleiter bis auf die kleine Terz der ionischen bzw. der Durtonleiter. Abwärts unterscheidet sie sich deutlich stärker vom Dur.


    Ich glaube auch, dass die stärkere Beliebtheit von Moll gegenüber Dur auf das jeweilige Lebensgefühl schließen lässt. Das hat wohl weniger mit Verbitterung als mit Skepsis, Zukunftsangst, Krisensituationen zu tun. Zu reines, heiteres Dur macht schnell einen "Heile Welt"-Eindruck, den ich insbesondere mit etlichen Werken von Mozart verbinde. Ganz anders empfinde ich jedoch das Dur am Beginn von Haydns Schöpfung, das nur deshalb so strahlen kann, weil ihm das "Chaos" vorangegangen ist. Oder, wieder ein völlig anderer Fall, das Dur in Schuberts Großer C-Dur-Sinfonie, das für mich das Dur eines Leidgeprüften ist, der sich selbst Trost zuspricht, und nicht das eines dauergrinsenden naiven Strahlemanns, wie er mir hinter manchen Werken Mozarts erscheint (auch wenn das, wie hier schon im Forum diskutiert, einige anders sehen und diese Betrachtungsweise gerne als "oberflächlich" ankreiden). Es kommt also sehr auf den Kontext des Dur an.


    Ansonsten spielt in der populären Musik die Moll-Pentatonik (z.B. a-c-d-e-g-a) eine entscheidende Rolle (insbesondere in den härteren Gangarten), daran dürften sich die "Nicht-Klassikhörer" wohl u.a. erinnert fühlen.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur


    Wieso soll das Quatsch sein? Was wir als Moll bezeichnen, basiert ja auf der äolischen Tonleiter (a-h-c-d-e-f-g-a). Und die klingt aufwärts wegen des Ganztonschritts zur Oktave ziemlich sperrig.


    Lieber Draugur,


    Mit Verlaub, natürlich ist es Quatsch. Denn objektiv gesehen, hörte ich eine steigende Linie. Sie ließen 16 Töne hören, zweimal ein Oktav. Zuerst c-d-e-f-g-a-h-c und danach c-d-es-f-g-a-h-c. Ein Quizteilnehmer wußte aber Bescheid. Er antwortete "Die erste Tonleiter ist majeur und die zweite mineur".


    LG, Paul

  • Ach so, ich habe das vorhin wohl missverstanden.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Bin ich richtig in der Annahme, dass wir zwischen dreierlei Molltonarten unterscheiden?
    1. dem äolischen Moll = wie a-moll
    2. dem harmonischen Moll = wie ??
    3 dem melodischen Moll = kleine Terz zu Beginn, dann weiter wie Dur


    Vielleicht kann jemand meine Frage beantworten.


    Mit "molligen" Grüßen,


    Melisma :hello:

  • Die äolische Tonleiter a-h-c-d-e-f-g-a (wird, glaube ich, auch als "natürliches Moll" bezeichnet) ist gewissermaßen das "eigentliche Moll", da sie maßgeblich für die Vorzeichen ist. Bei a-Moll wird z. B. nichts vorgezeichnet. Jedoch hat diese Tonleiter keinen Leitton, d.h. sie hat nicht den Schritt einer kleinen Sekunde von der siebten zur achten Stufe. Der Leitton hat sich allerdings in der traditionellen Funktionsharmonik bzw. Melodik als Bestandteil von Dur und Moll etabliert. D.h. er muss ergänzt werden.


    Das harmonische Moll geht daher, am Beispiel von a-Moll:
    a-h-c-d-e-f-gis-a.


    Also die Tonleiter, die das Tonmaterial für a-Moll (Tonika), d-Moll (Subdominante) und E-Dur (Dominante) liefert - aber hintereinander abgespielt für uns eher fremdartig klänge.


    Das melodische Moll ist eine doppelte Tonleiter:


    a) rauf:
    a-h-c-d-e-fis-gis-a (= ionisch/Dur mit kleiner Terz)
    fis statt f, um die fremdartig klingende übermäßige Sekunde von f zu gis zu vermeiden.


    b) Runter geht sie so:
    a-g-f-e-d-c-h-a (=äolisch)

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Liebe Melisma,


    zu 1) ja, a-moll parell zu C-Dur ohne Vorzeichen
    zu 2) wenn man jetzt a-moll zugrunde legt, dann wird hier der vorletzte Ton um einen Halbtonschritt erhöht (g wird zu gis)
    zu 3) ich sehe gerade Draugur ist mir zuvor gekommen. Es besteht ein Unterschied darin, dass aufwärts fis und gis gespielt werden und abwärts fallen diese Vorzeichen wieder weg.


    LG
    Jolanthe

  • Eine leichte Moll-Präferenz habe ich auch. Dabei bin ich nicht frei von dem allgemeinen Vorurteil, Moll sei traurig, Dur fröhlich.
    Aber da gibt es auch Gegenbeispiele: Die Französische Ouvertüre für Klavier von J.S. Bach (H-moll) macht insgesamt einen festlichen Eindruck auf mich, also eher nicht gedrückt, depressiv, aber auch nicht düster oder grimmig. Vielleicht wirkt sie etwas düster oder dunkel auf mich im Sinne von rätselhaft, verstiegen, überspannt.
    Schuberts letztem Streichquartett (G-dur) wird man wohl weniger einen fröhlichen, optimistischen Charakter attestieren.


    Viele Grüße

  • Die Zuordnung von moll zu "traurig" und Dur zu "lustig" ist denn doch zu simpel und approximativ, quasi eine kindgerechte Assoziation für den Anfangs-Musikunterricht. Abgesehen von der Moll-Präferenz der volkstümlichen Modi und der eigentlich banalen Tatsache, dass gerade die Komplexität der Kunstmusik vom Wechsel, von der Durchdringung und der Ambiguität gepägt ist, kommt man meines Erachtens mit der etymologischen Zuordnung zu "hart" und "weich" ohnehin weiter - wenn man denn meint, überhaupt mit eindeutigen außermusikalischen, physiologischen, emotionalen Zuordnungen weiterkommen zu müssen.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!


  • Ich vermute zweierlei Zusammenhänge:


    Zunächst erinnert dramatische mollige Musik an Filmmusik - die ist nämlich bei den entsprechenden Filmen (ich nenne mal nur Herr der Ringe) auch häufig in Moll und in düsterer Stimmung gehalten. Hier existieren also bereits Hörgewohnheiten, welche durch Klassik in Moll bedient werden.


    Zum anderen gibt es in der Pop-Musik, wie man sie täglich im Radio ertragen darf, selten Lieder in Moll, und nahezu nie sind sie düster gehalten.Zudem sind die meisten Pop-Stückchen mit einem kleinen Dynamikumfang behaftet - es gibt also wenig leise und laute Stellen, alles ist lautstärkenmäßig eine Soße. Gerade bei molliger Klassik ist das, aufgrund der Dramatik (bspw. Mozart-Requiem) genau umgekehrt: leise und laute Stellen haben extreme Unterschiede und wechseln sich stetig ab. Insofern stellen Klassikwerke in Moll fü einen Pop-Radiohörer sozusagen etwas recht neues dar, was durchaus erstmal interessant wirken kann.


    Mir persönlich geht es übrigens ähnlich:
    Werke in Moll oder unbestimmter Tonalität gehen mir meist deutlich näher als Dur-Schmonzetten. Das war schon immer so und hat sich auch nach der Entdeckung der klassischen Musik weiter so entwickelt. Her lässt sich möglicherweise auch meine Volriebe für Musik des Nordens und Ostens erklären.


    Liebe Grüße, der Thomas. :hello:

  • Es gibt jede Menge Pop in Moll. Gerade schnellere, härtere (hier greift die wörtliche Übersetzung aus dem Lateinischen überhaupt nicht) und rhythmusbetontere Stücke haben oft die kleine Terz. Zumindest anhand der Melodien von Britney Spears, Jeanette Biedermann, Take That u.a., die ich noch halbwegs im Ohr habe. In Dur sind dagegen eher die langsamen, schmachtenden Liebeslieder gehalten. Wenn man die in Moll umwandelte, käme ein ziemlich depressives Zeug heraus.


    Zitat

    Die Zuordnung von moll zu "traurig" und Dur zu "lustig" ist denn doch zu simpel und approximativ, quasi eine kindgerechte Assoziation für den Anfangs-Musikunterricht.


    Es entspricht m.E. trotzdem weit eher dem überwiegenden heutigen musikästhetischen Empfinden als "hart" und "weich". Und natürlich sind diese Assoziationen "simpel", aber es hat ja auch keiner was anderes behauptet.


    Natürlich können Moll-Stücke aufgrund diverser Kriterien beschwingt, auch lebensfreudig wirken. Z.B. man vergleiche bei Schuberts Klaviersonate B-Dur D960 den Kopfsatz (sehr verhaltenes, introvertiertes Dur) mit dem sehr rhythmusorientierten, voranpreschenden Schlussatz in Moll.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von Draugur
    Es gibt jede Menge Pop in Moll. Gerade schnellere, härtere (hier greift die wörtliche Übersetzung aus dem Lateinischen überhaupt nicht) und rhythmusbetontere Stücke haben oft die kleine Terz. Zumindest anhand der Melodien von Britney Spears, Jeanette Biedermann, Take That u.a., die ich noch halbwegs im Ohr habe. In Dur sind dagegen eher die langsamen, schmachtenden Liebeslieder gehalten. Wenn man die in Moll umwandelte, käme ein ziemlich depressives Zeug heraus.


    Es gibt aber doch auch ziemlich viele "Balladen" in Moll? Ich bin ja nun wirklich kein Kenner der Popmusik (im weiten Sinn, also Rock u.a Richtungen), aber sogar ich habe hier einen differenzierten Eindruck. Nehmen wir "House of the Rising Sun". Das ist eher ein nüchternes Moll, erzählender Balladenton. Dann gibt es zornig-energische, und auch sehr lyrisch melancholische Songs. Eine "bluesige" Harmonik klingt für mich immer ein wenig "mollig", auch wenn es Dur ist. Wie gesagt, kenne ich sicher zu wenig Stücke, aber ich habe weder den Eindruck, daß im Pop ein Tongeschlecht deutlich dominiert, noch daß das Tongeschlecht eindeutig die Stimmung festlegen würde.


    In der Klassik mochte ich früher seltsamerweise hauptsächlich im Barock, wo Moll oft recht neutral daherkommt, die Mollstücke nicht so sehr. In der Klassik das dramatische Moll aber durchaus, ebenso aber auch Dur. Hat bei Musikrichtungen, die mich sehr begeisterten, eigentlich keine große Rolle gespielt.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich wollte auch nicht behaupten, dass eindeutig das eine oder andere dominiert. Nur meine ich eine Tendenz wahrgenommen zu haben, perkussive, tanzbare Musik mit Moll-Skalen zu verbinden, die mit Dur-Melodien möglicherweise albern oder überdreht wirken würde, und andererseits zu sanften, z.B. streicherbasierten Arrangements Dur zu verwenden, da sie sonst ins Schwärzlich-Depressive abgleiten würden. Z.B. "Yesterday" von den Beatles verbindet ein weiches, getragenes Arrangement mit einer Moll-Melodie und wirkt dadurch geradezu tränenselig. Möglicherweise strebt man aktuell eher danach, dieses Extrem zu vermeiden.


    Ich will mich damit aber nicht so weit aus dem Fenster hängen, ist eher so ein subjektiver Eindruck.

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Zitat

    Original von Draugur
    die mit Dur-Melodien möglicherweise albern oder überdreht wirken würde,


    Da ist was dran! Dur = albern, moll = für die gehobene Klasse. :D
    Streichquartette in moll = für die vollig abgehobenen.


    :angel:


    Ich bin auch eher so der mollige Typ :lips: Das war schon immer so. Habe ich CDs mit unbekannten Werken in der Hand, ist die Chance, daß ich sie blind kaufe, um 200% höher, wenn moll-Werke mit darauf sind.


    Natürlich mag ich Dur auch - aber am liebsten nur als krönende Aufhellung wie z.B. in Fodors c-moll-Sinfonie. Da wird in allerletzter Sekunde das Ruder rumgerissen und ein großer C-Dur-Knalleffekt eingebaut.


    :jubel: :jubel: :jubel:


    Zitat

    von Jolanthe
    zu 3) ich sehe gerade Draugur ist mir zuvor gekommen. Es besteht ein Unterschied darin, dass aufwärts fis und gis gespielt werden und abwärts fallen diese Vorzeichen wieder weg.


    Ist aber m. E. allenfalls im Barock so zu finden. In der Wiener Klassik gibt es eher so einen Dur-moll-Mix. Bei Mozarts kleiner g-moll-Sinfonie z.B. gibt es kein fis in der g-moll-Aufwärtsleiter (Satz 1, T. 75) und kein zu e aufgelöstes es in der Abwärtsleiter (Satz 4, T. 136).


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • wenn man böswillig sein könnte, dann könnte man meinen, dass diese Beliebtheit mit der modischen depressiven Phase der 14 - 20 jährigen.


    War bei mir nicht anders :D
    Allerdings sehe ich das doch etwas differenzierter.



    Ich bevorzuge ganz klar moll-Tonarten, ich mag Symphonien aus dem 18. Jh. am liebsten die in moll stehen, ebenso Orchestersuiten oder generell Ballettmusik.


    Allerdings geht es mir da eigentlich kaum um Schwermütigkeit, ganz im Gegenteil. Auf mich wirken diese Werke meist nobler, eleganter und erhabener als Werke in Dur.
    Auch wenn man das so nur schwer pauschalisieren kann - Mozart wechslet ja mal ganz gerne die ganze Stimmung... und das passiert ja auch in früheren Werken, gerade bei Chaconnen / Passacaillen.



    Werke die einfach nur leicht daher kommen, ohne wirklichen Tiefgang, meist in D-Dur oder G-Dur, nerven mich recht schnell.
    Das ist dann halt einfach nettes Larifari für nebenbei.
    ich mag eben auch sehr "nachdenkliche Musik".

  • Zitat

    Original von Draugur


    Es entspricht m.E. trotzdem weit eher dem überwiegenden heutigen musikästhetischen Empfinden als "hart" und "weich". Und natürlich sind diese Assoziationen "simpel", aber es hat ja auch keiner was anderes behauptet.


    Schon in Ordnung; ich habe auch gar nicht behauptet, dass hier jemand was anderes behauptet hätte. :)


    Mir geht es jedoch schon lange so - das mag vielleicht ganz subjektiv sein -, dass ich mit dem Gegensatzpaar "lustig" und "traurig" weder in der Musik noch im Leben sonderlich viel anfangen kann; 90 Prozent aller Erkenntnisse und Erfahrungen liegen quasi dazwischen.


    Aber bei Kindern und vielen Jugendlichen (nebst naiven Erwachsenen ;)) scheint es doch zu funktionieren, so auch meine beruflichen Erfahrungen.


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Zitat

    Original von der Lullist


    Allerdings geht es mir da eigentlich kaum um Schwermütigkeit, ganz im Gegenteil. Auf mich wirken diese Werke meist nobler, eleganter und erhabener als Werke in Dur.


    Historisch gesehen ist so eine Wirkung wohl auch belegt, ich meine gelesen zu haben, dass in der Kirchenmusik des Mittelalters und/oder der Renaissance der ionische Modus (also Dur) als "modus lascivus"-"unanständige Tonart" verschrien war und als bäuerlich galt. Weiß aber gerade nicht, wo ich das herhabe. Evtl. aus der Harmonielehre von August Halm anno 1900, d.h. allerneuester Stand der Forschung ;)


    Ulli:

    Zitat

    Bei Mozarts kleiner g-moll-Sinfonie z.B. gibt es kein fis in der g-moll-Aufwärtsleiter (Satz 1, T. 75) und kein zu e aufgelöstes es in der Abwärtsleiter (Satz 4, T. 136).


    Ersteres überrascht mich, letzteres nicht - das entspricht ja auch dem vorher Beschriebenen (abwärts: kleine Sexte).

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • also ich kenne das eben von der Ballettmusik des Barock her:


    da sind die erhaben Gestalten grundsätzlich mit Entrees in moll belegt, wärend Satyren, Faune, Baccus etc. eigentlich immer in Dur stehen (Ausnahmen gibt es ja immer)


    z.B. die Ballette für Louis XIV - die er also selbst getanzt hatte - stehen durchweg in moll - und da ist eben die Wirkung absolute Erhabenheit - keinesfalls schwermütig oder traurig.


    Zitat

    Historisch gesehen ist so eine Wirkung wohl auch belegt, ich meine gelesen zu haben, dass in der Kirchenmusik des Mittelalters und/oder der Renaissance der ionische Modus (also Dur) als "modus lascivus"-"unanständige Tonart" verschrien war und als bäuerlich galt. Weiß aber gerade nicht, wo ich das herhabe. Evtl. aus der Harmonielehre von August Halm anno 1900, d.h. allerneuester Stand der Forschung ;)


    egal - ich denke dass das absolut korrekt ist, denn diese Wirkung ist ja absolut nachvollziehbar.


    Und ich empfinde es manchmal schon befremdlich, wenn man dann auf einmal ein Requiem von Biber hört in C-Dur und mit Pauken und Trompeten - auch wenn es sicher anders gemeint war, das wirkt auf mich zutiefst sarkastisch und hat was von "er ist Tod, los tanzen wir auf seinem Grab!" :D

  • Es kommt m.E. recht deutlich auf den Komponisten und die Epoche an.
    Man nehme etwa Bachs Klavierpartiten: die in a-moll ist kein bißchen dramatisch, sondern spielerisch und etwas pittoresk, die in e-moll ist sehr ernst, aber auch nicht dramatisch, sondern fast schon im Sinne von geistlicher Musik; einzig die c-moll hat dramatische Züge.
    Schon bei Händel gibt es, wie später bei Mozart oder Schubert sehr schmerzliche oder melancholische Arien in Dur. (zB He was despised)


    Zitat

    Und ich empfinde es manchmal schon befremdlich, wenn man dann auf einmal ein Requiem von Biber hört in C-Dur und mit Pauken und Trompeten - auch wenn es sicher anders gemeint war, das wirkt auf mich zutiefst sarkastisch und hat was von "er ist Tod, los tanzen wir auf seinem Grab!"


    Finde ich ebenfalls befremdlich, aber vielleicht liegt es daran, daß man eben angemessenen Pomp mit Trp./Pk. haben wollte, die eben traditionell in Dur spielten. Händels Dur-Marsch in Saul hat allerdings einen so eigenartigen fahlen Klang, daß die Trauer sogar plausibel wird.
    Es gibt ja auch genügend nachvollziehbar traurige Trauermusik in Moll


    In der (Wiener) Klassik sind Mollwerke oder -sätze dagegen recht häufig dramatisch oder düster-fatalistisch. Bei Haydn aber auch deutlich weniger als bei Mozart oder Beethoven, bei Boccherini noch weniger.
    In der Romantik scheinen mir dann ohnehin mehr Stücke in Moll zu stehen, z.B. bei Tschaikowsky 5 von 6 Sinfonien (ohne daß es immer besonders dramatisch würde, etwa in den ersten beiden). Bei Bruckner dominieren d- und c-moll als Grundtonarten die Sinfonien. Bei Brahms steht von den "großen" Werken dagegen nur etwa die Hälfte in Moll: 2/4 Sinfonien, 2/4 Konzerte, 2/3 Quartette, 2/3 Klavierquartette, 2/4 Quintette, 2/5 Trios, wobei die Dur-Trios alle gewichtige Moll-Sätze aufweisen, 2/5 Duosonaten, 2/3 Klaviersonaten. Die Sextette und Serenaden alle in Dur, die beiden Ouverturen in Moll usw.


    Draugur: ich wollte eigentlich auch weniger widersprechen als darauf hinweisen, daß man selbst im Pop hier Differenzierungen vornehmen kann.
    Warum erzählende Balladen, auch wenn sie gar nicht so tragisch sind, traditionell in Moll stehen, weiß ich nicht. Allerdings geht es meistens dann doch um tragische Begebenheiten. (Andererseits steht z.B. "Long black veil" in Dur...)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Und ich empfinde es manchmal schon befremdlich, wenn man dann auf einmal ein Requiem von Biber hört in C-Dur und mit Pauken und Trompeten - auch wenn es sicher anders gemeint war, das wirkt auf mich zutiefst sarkastisch und hat was von "er ist Tod, los tanzen wir auf seinem Grab!" :D


    Das konnte Hasse aber mindestens genauso gut. :hahahaha:


    Zitat


    Ersteres überrascht mich, letzteres nicht - das entspricht ja auch dem vorher Beschriebenen (abwärts: kleine Sexte).


    Eigentlich hatte ich etwas anderes gesucht: üblicher Weise wird die moll-Leiter nach oben 'verdurt', z.b. g-moll: g-a-b-c-d-e(!)-fis-g (abwärts dann genauso). Falls gewünscht, werde ich noch Beispiele finden. Und ich vergaß, dazuzusetzen: mit fis (g-fis-es-d-c-b-a-g)!


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Warum erzählende Balladen, auch wenn sie gar nicht so tragisch sind, traditionell in Moll stehen, weiß ich nicht. Allerdings geht es meistens dann doch um tragische Begebenheiten. (Andererseits steht z.B. "Long black veil" in Dur...)


    ...oder noch schöner: "The Lily of the West" (womit wir natürlich beim Folk sind, der ja wiederum seine eigenen Gesetze hat ;) )

    „People may say I can't sing, but no one can ever say I didn't sing."
    Florence Foster-Jenkins (1868-1944)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Zitat

    Original von der Lullist
    Werke die einfach nur leicht daher kommen, ohne wirklichen Tiefgang, meist in D-Dur oder G-Dur, nerven mich recht schnell.
    Das ist dann halt einfach nettes Larifari für nebenbei.
    ich mag eben auch sehr "nachdenkliche Musik".


    :motz: :P

  • Zitat

    Original von Draugur
    Historisch gesehen ist so eine Wirkung wohl auch belegt, ich meine gelesen zu haben, dass in der Kirchenmusik des Mittelalters und/oder der Renaissance der ionische Modus (also Dur) als "modus lascivus"-"unanständige Tonart" verschrien war und als bäuerlich galt.


    Ich weiß ja, wohin ich gehöre. Bedenke aber, ohne die Bauern stirbst Du den Hungertod. :baeh01:

  • Zitat

    Ich weiß ja, wohin ich gehöre. Bedenke aber, ohne die Bauern stirbst Du den Hungertod.


    *Aristokratenmodus an*


    die Ärmsten, sie langweilen allein schon dadurch, das man sie überhaupt erwähnt


    *Aristokratenmodus aus*


    :beatnik:


    :D


    [SIZE=7]ich hätte Ridicule nicht so oft sehen sollen [/SIZE]

  • Zu den Kirchentonarten hatten wir übrigens hier schonmal einen Thread:


    Kirchentonarten


    :hello:

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Banner Trailer Gelbe Rose
  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose