Beethovens Klavierkonzerte - HIP oder auf modernem Flügel ?

  • Die HIP Welle hat so ziemlich die gesamte Klassikwelt revolutioniert, jeoch bei Beethovens Klaviersonaten und auch bei den Klavierkonzerten - die hier das Thema bestimmen - hat es eigentlich keinen richtigen Durchbruch gegeben. Eigentlich dominieren hier doch mehr oder weniger die modernen Aufnahmen.
    In letzter Zeit jedoch gab es neue Versuche, der Idee der historisch informierten Interpretationspraxis zu neuem Durchbruch zu verhelfen.
    Einer davon ist jener von Arthur Schoonderwoerd und seinem Ensemble Cristofori, Aufnahmen die (zumindest mich) durchaus überzeugt haben.
    Jedoch fehlt Beethoven dann das Gigantische, Titanenhafte, das so vile liebgewonnen haben und mit Beethoven schlechthin in Verbindung bringen.
    Welcher Variante gebt Ihr den Vorzug, wer hat Eurer Meínung nach die besten Deutungen der Klavierkonzerte (speziiel lNr 3- 5 ) vorgelegt, was hat euch besonders beeindruckt, was hat dieser oder jener Einspielung Eurer Meinung nach gefehlt ??


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Die HIP Welle hat so ziemlich die gesamte Klassikwelt revolutioniert, jedoch bei Beethovens Klaviersonaten und auch bei den Klavierkonzerten - die hier das Thema bestimmen - hat es eigentlich keinen richtigen Durchbruch gegeben.


    Naja, ich finde die Einspielungen Schoonderwoerds durchaus bahnbrechend. Auch Levin ist nicht zu verachten, rangiert bei mir aber erst an zweiter Stelle:



    Da kommt hoffentlich bald die dritte mit den Konzerten 1 & 2.



    Außerdem finde ich die neuen Brautigameinspielungen (auf modernen Instrumenten, aber mit HIP-Techniken) bewundernswert gut:



    Da Brautigam auch auf historischen Instrumenten spielt, werden bei mir demnächst diese fällig:





    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Lieber Alfred ,


    lieber Ulli !




    Nicht aus liebgewordener Gewohnheit heraus , sondern aus Überzeugung bleibt es dabei , dass ich die Aufnahmen auf dem heutigen grossen Steinway eindeutig bevorzuge .



    Was die Frage nach meinen bevorzugten Aufnahmen der Klaverkonzerte Nr. 3 bis 5 anbelangt , so ergibt sich für mich folgende Empfehlung :



    Klavierkonzer5 Nr. 3 c - Moll :


    Clara Haskil
    Anna Gourari / Colin Davis
    Claudi Arrau ( Label : Dante )



    Klavierkonzert Nr. 4 G - Dur :


    Josef Hofmann / John Barbirolli
    Alexis Weissenberg / Herbert v. Karajan
    Emil Gilels / George Szell



    Klavierkonzert Nr. 5 Es - Dur :



    Rudolf Firkusny / William Steinberg
    Emil Gilels / George Szell
    Vladmir Horowitz / Fritz Reiner .



    Bei den Klaviersonaten dürfet sich Paul Badura - Skoda wohl grosse Verdienste mit seinen Interpretationen auf "Originalinstrumenten" gemacht haben .




    Der Klavier- und Flügelbau hat eindeutig Fortschritte gemacht . Insbesondere auch im Hinblick auf den Klang .



    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Der Klavier- und Flügelbau hat eindeutig Fortschritte gemacht . Insbesondere auch im Hinblick auf den Klang .


    Das würde ich so niemals sagen. Ich würde einfach zwischen modernem Flügel und historischem Hammerflügel unterscheiden. Denn einen Fortschritt kann zumindest ich nicht erkennen - für mich ist der Klang des Hammerflügels perfekt, der eines modernen Flügels ein völlig anderer, den ich aber auch zu schätzen weiß. Es sind einfach zwei grundverschiedene Paar Schuhe (derselben Herkunft natürlich). Hinzu kommt, daß beide Instrumentengruppen ein völlig anderes Fingerspitzengefühl beim Spielen benötigen. Nicht jeder Pianist kann beide Instrumentengruppen gleichermaßen beeindruckend bedienen wie der oben von mir erwähnte Ronald Brautigam. Gerrit Zitterbart sicherlich auch, allerdings kenne ich keine Einspielungen der Beethovenschen Konzerte von ihm.


    Auf modernem Gerät schätze ich auch sehr das, was Boris Berezovsky hier veranstaltet:



    Da werde ich mir bestimmt auch noch die ein oder andere CD aus dieser Serie zulegen müssen. Das von Alf präferierte 5te gibt es hier leider nicht - lediglich 1 bis 4 nebst Tripel und der Klavierfassung des Violinkonzertes.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat


    Original von Frank Georg Bechyna
    Nicht aus liebgewordener Gwohnheit heraus , sondern aus Überzeugung bleibt es dabei , dass ich die Aufnahmen auf dem heutigen grossen Steinway eindeutig bevorzuge .


    Dem muss ich voll und ganz zustimmen.


    Der Klang des modernen Flügels ist differenzierbarer, voller, wärmer, ausdrucksstärker, runder und vor allem singender.
    Wenn eine gute Akustik und ein Pianist mit einem nicht zu knalligen Anschlag zusammenkommen, dann ziehe ich diesen Sound bei weitem dem Hammerklavier vor, auch bei den Klavierkonzerten von Beethoven.


    Das Hammerklavier klingt mir dagegen zu drahtig, klunckerig und auch etwas spieldosenhaft ( d.h. kurz im Ton und nicht besonders singend).
    Irgendwie kommt es mir manchmal auch "verstimmt" vor, selbst wenn es objektiv nicht so ist.
    Dass es sich mit darmbesaiteten Streichern klanglich besser mischt, sei zugegeben.
    Diese muss ich bei Beethoven jedoch nicht mehr unbedingt hören, weil ich auch hier insgesamt den "modernen" Orchesterklang für Beethovens Werke bevorzuge.


    Ich habe mir etwas den ersten Satz des 4. Klavierkonzerts im Vergleich angehört, und bin zu folgendem Resultat gekommen:


    Am meisten gefiel mir die Kombination Aimard/Harnoncourt/COE.



    Die wichtige Frage der Artikulation ist mir hier mit Abstand am überzeugendsten gelöst. Sowohl beim solistischen Klaviereinsatz als auch bei der Übernahme des Themas durch die Holzbläser werden die Punkte unter den repetitierenden Tönen richtig als Ausdrucksmittel einer nach vorne drängenden, liebevollen Geste verstanden und entsprechend im weichen Non-Legato, und nicht, wie sonst meistens üblich, im stechenden Staccato gespielt.
    Aimards Anschlag ist angenehm warm und bei gleichzeitig sehr präziser Artikulation.
    Schoonderwoerd spielt mir den Anfang zu konventionell "stechend", d.h. zu ungesanglich. Dann kommt auch noch der Klang des Hammerklaviers hinzu....ich kann mich damit nicht wirklich anfreunden, auch wenn ich es interessant finde.


    Für mich ist die Kombination aus modernen Flügel und Orchesterklang plus sprechendem, ausdrucksfreudigen Spiel bei der angeführten Harnoncourt-Aufnahme ideal.
    Man hört hier gleich am Anfang, dass man es mit einer gereiften und gleichzeitig doch sehr profilierten Interpretation, die wirklich etwas zu sagen hat, zu tun bekommt.


    Darüber hinaus gefallen mir in folgender Reihenfolge noch weitere Einspielung des 4. Klavierkonzerts von Beethoven mit modernen Instrumenten gut:



    Pollini/Böhm


    Schöner Klavierklang, sehr gut gestalteter Anfang, durchsichtiges, sehr präzises und doch auch "Herzenswärme" verströmendes Orchesterspiel und Dirigat.
    "Klassische Klassik" habe ich diese Musizierhaltung Böhms woanders schon einmal benannt. Alles scheint beim Orchester in Balance zu sein.
    Vom Pollinis Beethovenspiel bin wahrscheinlich nicht nur ich sehr begeistert.



    Hier mag ich Uchidas ausdrucksstarke Spiel sehr, auch Sanderlings an Böhm erinnernde mustergültige Stabführung ( etwas lieblich milder vielleicht)


    Diese hier




    vermögen mich auch zu überzeugen, bei der letztgenannten geht es mir mehr um den Pianisten.


    Es bleibt natürlich eine Geschmacksfrage, aber in meinen Ohren wird Beethoven durch diese HIP-Aufführungen ( Darmsaiten + Hammerklavier) weniger befreit als reduziert.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Es bleibt natürlich eine Geschmacksfrage, aber in meinen Ohren wird Beethoven durch diese HIP-Aufführungen ( Darmsaiten + Hammerklavier) weniger befreit als reduziert.


    Lieber Glockenton,


    Du machst hier m.E. einen Denkfehler.
    Wenn Beethoven während seines Lebens seine Musik, nicht durch Taubheitsprobleme behindert, ungestört hätte genießen können, hätte er nicht den Klang von heute gehört.
    Es könnte sogar, daß sein gestörtes Gehör teils "verantwortlich" ist für seine damals kühne Kompositionen.


    Willst Du jedenfalls Beethovens Musik hören, wie er sie sich vorgestellt hat, dann ist - wiederum nach meiner Meinung - eine Ausführung wie du sie präferierst verfehlt.


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von musicophil
    Es könnte sogar, daß sein gestörtes Gehör teils "verantwortlich" ist für seine damals kühne Kompositionen.


    Lieber Paul,


    diese Idee hat mich auch bereits verfolgt - leider wurde sie weitestgehend abgeschmettert:


    Beethoven - seine Taubheit und die möglichen Auswirkungen auf die Musik


    Dabei ist die Frage von Hammel im Thread zur Neunten nicht unberechtigt:


    Zitat

    Original von Hammel
    Allerdings gibt es dann auch Stellen die so überaus monströs, roh, wild und vor allem geschmacklos sind, dass man sich getrost fragen kann, wie solch ein Genie wie Beethoven so etwas schreiben kann?


    Meines Erachtens sind die späten Werke Beethovens durchaus als reine 'Kopfmusik' zu betrachten (was aber sicherlich nicht in der Absicht des Komponisten lag), denn wenn ich mir die Partituren anschaue, bin ich beeindruckt und beglückt. Wenn ich das Gelesene dann (von CD) höre, bin ich eher enttäuscht.


    ~ ~ ~


    Zitat

    Original von Glockenton
    Dem muss ich voll und ganz zustimmen.


    Der Klang des modernen Flügels ist differenzierbarer, voller, wärmer, ausdrucksstärker, runder und vor allem singender.


    Das ist - mit Verlaub - Unsinn. Der Klang eines Hammerflügels ist, um bei gleicher Wortwahl zu bleiben: differenzierbarer, voller, wärmer, ausdrucksstärker, runder und vor allem singender als der eines kalten modernen Flügels. Es ist m. E. wenig sinnvoll, die Instrumentengruppen gegeneinander ausspielen zu wollen und/oder Beethoven mit Gewalt als Komponisten der modernen Zeiten ansehen zu wollen. Man sollte sich, wie Paul das richtig erkennt, stets auf die technischen Begebenheiten der Zeit der Komposition herunterlassen (man muß aber dort nicht verweilen). Auch bei Beethoven eröffnet die Interpretation auf historischen Instrumenten völlig neue Klangwelten. Wenn man aber natürlich ein zartbesaitetes und in den Ausmaßen viel kleineres Instrument neben das Wunschbild eines Titanen stellt, wirkt das in der Tat lächerlich: das heißt, wenn man Beethoven unbedingt als Titanen darstellen möchte (wogegen ich nichts habe), dann benötigt man natürlich ein Riesenorchester, welches auch einen großen Steinway toleriert resp. sogar erforderlich macht. Möchte man aber Beethoven hören, wie er damals auftreten oder sich präsentieren konnte, sollte man auf HIP-Einspielungen zurückgreifen und dann einen völlig neuen Beethoven kennenlernen. Man wird überrascht sein, wieviel Gefühl auf einmal in diesem Komponisten steckt und wieviel Mache das Titanenhafte eigentlich wirklich ist. Erst durch HIP konnte ich Beethovens Musik, die ich zwar stets schätzte, wirkich lieben lernen.


    Da Beethoven ein 'Klavierkomponist' ist (d.h. für mich vor allem, daß er auch - wie Schubert - Orchesterwerke zunächst am Klavier komponierte und nicht etwa wie Mozart direkt ins Autograph eintrug), hat dieses Instrument bei Beethoven durchaus eine ganz besondere Bedeutung - man sollte hier nicht einfach irgendein Instrument für die Ausführung der Klavierwerke nehmen, bei der Interpretation auf modernen Flügeln auf jeden Fall das Historische kennen und versuchen, auf dem modernen Gerät umzusetzen (vide Brautigam). Dann klingt das auch ganz hervorragend.


    Zitat


    Irgendwie kommt es mir manchmal auch "verstimmt" vor, selbst wenn es objektiv nicht so ist.


    Das ist aber ein allgemeines 'Problem' der Hörgewohnheiten und kein speziell Beethovensches... selbiges widerfährt dem Hörer auch bei Mozarts oder Haydns Klavierwerken. Außerdem bschränkt sich dieser Höreindruck nicht nur auf 'das Klavier': auch bei den Streichern kann man derlei Erfahrung machen (bei den Holzbläsern ist mir dies bisher nicht so arg aufgefallen). Außerdem ist Hammerflügel nicht = Hammerflügel. Auch hier gibt es Instrumente unterschiedlicher Qualitäten. Mir z.B. gefällt ein Walterinstrument so gut wie garnicht... zu zirpig.


    Auch erachte ich die Verwendung moderner Instrumente keineswegs als fortschrittlich - als solches mag vielleicht der Herstellungsprozess bezeichnet werden können, aber ein Klang kann niemals fortschrittlich sein. Er kann kann allenfalls eineitlicher und störungsfreier werden. Man mag dies als Vorteil erachten - mir ist das zu langweilig. Dagegen spricht ja eben auch, daß heute niemand Beethovens Klavierkonzerte auf elektronischen Geräten spielt - im Sinne des Fortschrittsgedankens wäre dies aber m. E. unerlässlich...


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Schoonderwoerd ist meiner Meinung nach die derzeit einzige am Markt befindliche Aufnahme, die wirklich eine hochrangige Alternative zu den Aufnahmen am modernen Flügel ist, eine meiner Erinnerung nach auch sehr gute Einspielung, jene von Immerseel für SONY-Vivarte ist inzwischen ja leider aus den Katalogen verschwunden.


    Schoonderwoerd erreicht seinen beeindruckenden Effekt ja unter anderem durch eine signifikante Reduzierung des Orchesters, da daß die Balance - Orchester optimal ist. Was natürlich fehlt ist das wuchtig-Erhabene, das viele Musikfreunde - so auch ich - mit Beethoven in Verbindung bringen.


    Zu meinen prägenden Einspielungen gehören unter anderem jene mit Wilhelm Backhaus unter Schmidt-Isserstedt. Wer die mal gehärt hat, der ist geprägt fürs Leben...


    Auch Claudio Arrau (ich durfte ihn noch im Wiener Musikverein live hören) bringt ein dunkel getöntes eher nachdenkliches Beethoven Spiel
    aufs Podium, bzw ins Studio. Es existieren zwei Aufnahm, jene unter Colin Davis (unten abgebildet in ZWEI identischen Versionen - das Ursprungslabel war Philips)


    .


    Die zweite, zwanzig Jahre ältere Aufnahme (1964) entstand ebenfalls für Philips, deren Vertragskünstler Arrau war,



    Ein Vergleich ist nicht uninteressent.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat


    Original von musicophil
    Willst Du jedenfalls Beethovens Musik hören, wie er sie sich vorgestellt hat, dann ist - wiederum nach meiner Meinung - eine Ausführung wie du sie präferierst verfehlt.


    Lieber Paul,


    wäre "verfehlt" nicht doch ein etwas zu vorschnelles, ein zu gewagtes Wort?
    Das würde ja bedeuten, dass sämtliche Pianisten mit ihren zu Recht als massstäblich geltenden Interpretationen mit den dazuspielenden Orchestern und Dirigenten nichts von dem umgesetzt hätten, was sich Beethoven vorgestellt hat, obwohl sie sich doch alle so sehr bemühten.


    Also: Gulda, Brendel, Pollini, Aimard, Uchida, Arrau... ALLE wären sie also voll auf dem Holzweg? Aber wenn man Schoonderwoerd, Levin & Co. hört, dann wird Beethovens Gedankenwelt zur klingenden Realität?
    Beethovens Gedanken kann man ja nur über den Umweg der Partitur versuchen zu erfassen, und da haben es Hammerklavieristen nicht besser als Steinway-Pianisten.


    Hier muss man m.E. also doch zwischen dem rein musikalischen Parametern und dem Klangbild trennen, auch wenn es da natürlich Wechselwirkungen gibt.


    Eine interessante Frage wäre doch z.B., ob etwa die Schoonderwoerdsche Interpretation dem enormen Druck des internationalen Vergleichs ( den die Tonträger nun einmal herstellen) wirklich gewachsen wäre, wenn er und seine Mitstreiter das Werk nach einer gewissen spieltechnischen Umstellungsphase auf heutigen Instrumenten darstellen müssten, oder ob sich die relativ herausgehobene "Marktposition" solcher Aufnahmen hauptsächlich auf das eher ungewohnten Klangbild mit Hammerklavier, solistischen Darmsaitenstreichern etc. stützt.
    Gäbe es da wirklich nicht nur "Neues", sondern vor allem zwingend Überzeugendes zu hören, oder müsste man die Aufnahme zu den unzähligen anderen gesellen, die man bei JPC zwar findet, aber nach kurzen Hörtest schnell wieder weglegt?
    Ich behaupte hier nichts, sondern ich frage nur.
    Rein musikalisch gesehen hängt der interpretatorische "Hammer" nämlich unglaublich hoch, um ein kleines Wortspiel zu benutzen.


    Aus den Noten heraus entdecke ich eindeutig, dass Beethoven dem Gesang oder singenden Instrumenten wie Streicher oder Holzbläser nachempfundene Linien und Melodien in die Klavierstimme schrieb.
    Viele Stellen schreien geradezu nach einem Maximum an Kantabile.


    Jetzt will ich nicht frech behaupten, dass die Hammerklavieristen nicht singend denken oder spielen könnten. Ein Kantabile auf einem Klavier - egal ob modern oder nicht- ist immer eine Illusion, da es ja faktisch immer eine Folge von Akzenten ist.
    Diese Illusion stellt sich bei mir aber wesentlich leichter und überzeugender auf einem modernen Steinway mit seinen lang ausschwingenden Tönen ein, als auf einem Hammerklavier. Bei dem muss ich mich beim Hören für den Eindruck eines Kantabile mehr anstrengen.


    Von daher könnte man auch andersherum behaupten, dass die akustischen Resultate eines modernen Flügels eher Beethovens Gedanken entsprechen könnten.


    Damit will ich nicht grundsätzlich sagen, dass die Umsetzung musikalischer Parameter mit modernen Instrumenten immer leichter und überzeugender wäre. Genau das Gegenteil ist ja z.B. bei den Barockgeigen der Fall, die hinsichtlich ihrer expressiven Möglichkeiten in den Händen eines entsprechenden Geigers/Geigerin im Zusammenspiel mit dem Barockbogen und der Darmbesaitung gerade für die Barockliteratur den modernisierten Streichinstrumenten m.E. nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen sind.


    Beim Klavier sehe ich jedoch die mechanischen Veränderungen vom Hammerklavier zum Steinway tatsächlich auch als wirkliche Verbesserungen an, sowohl klanglich als auch mechanisch.


    Wie ich es schon in dem von Dir zitierten Satz erwähnte, läuft es zum Schluss sicherlich darauf hinaus, dass es eine Geschmacksfrage bleibt.
    Ich habe ja auch nur geschrieben, dass es in meinen Ohren mit den alten Instrumenten eher reduziert, als "zur neuen Expressivität befreit" klingt.
    Andere hören das ganz anders, wie weiter oben ja gut nachzulesen ist.


    LG nach Holland :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Im Falle von Beethoven bin ich - im Gegenstz zu Schubert - sicher daß der moderne Flügel die bessere Alternative ist, wobei ich immer wieder daruf hinweisen möchte, daß ich persönlich es bedauerlich finde, daß "moderner Flügel" von den meisten als "Steinway" gesehen wird., ein vorzüglicher Flügel ohne Zweifel - aber sicher nicht der einzige. Andere Hersteller haben teilweise ein anderes Klangideal, welches auch interessant sein kann.


    Beethoven war Zeit seines Lebens am Klavierbau, bzw an Verbesserungen im Klavierbau interessiert - und er stand mit einigen Klavierherstellern in Kontakt, machte Anregungen etc. Die Firma Broadwood machte ihm sogar einen Flogel zum Geschenk.
    Es ist ferner überliefert, daß Beethoven die Flügel nicht schonend behandelte, sondern sie regelrecht zu Tode spielte - das wäre bei einem Steinway oder Bösendorfer kaum möglich gewesen.
    Beethovens Intentionen werden vermutlich auf einem modernen Istrument besser realisierbar sein, als auf einem zeitgenössischen, wo Beethoven immer wieder wieder beanstandungen hatte und über den unzureichenden Baß klagte....


    Nicht leugnen lässt sich indes, daß ein moderner flügel einen total unterschiedlichen Klang zu den Urinstrumenten des Klaviers hat, was
    natürlich auch zu Berücksichtigen ist. Ob Beethoven den Klang eines modernen Flügels vor Augen (ohren) gahabt haben könnte wird stets Spekuilation bleiben müssen.


    Schoonderwords Ausnahmestellung ist natürlich im Bereich der Pianisten, welche zeitgenössische Intrumente benutzen zu sehen.
    Hier geliengt es ihm (erstmals?) eine idelae Balance zwischen Orchester und Soloinstrument herzustellen, was bei Alternativaufnahmen stets problematisch war.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Zitat

    Dagegen spricht ja eben auch, daß heute niemand Beethovens Klavierkonzerte auf elektronischen Geräten spielt - im Sinne des Fortschrittsgedankens wäre dies aber m. E. unerlässlich...


    Das ist - ebenfalls mit Verlaub- ein Unsinn, denn die heutigen E-Pianos versuchen ja seit Jahrzehnten, dem originalen Flügelklang und seinem Spielgefühl immer näher zu kommen. Auf diesem Gebiet gibt es zwar enorme Fortschritte, doch eines muss man nach wie vor festhalten:


    Bis heute ist kein E-Piano in der Lage, einen Flügel für die Aufnahme klassischer Musik wirklich zu ersetzen, weil es weder 100% echt klingt, noch ( und vor allem) so ausdrucksstark ist, wie dieser.


    Man sehe mir nach, wenn ich hier etwas ausholen muss:


    Bei mehrspurigen Pop- oder Filmproduktionen ist das mit der Ersetzbarkeit sicher anders; da spart man gerne die Kosten des Flügels und geniesst die Vorteile der Midifizierung.
    Ich selbst benutze ab und zu z.B. "The Grand" von Steinberg, ein virtueller Flügel, bei dem der PC die Hardware darstellt.
    Der ist schon erstaunlich gut, aber für die Live-Aufführung der Beethovenschen Klavierkonzerte m.E. eher ungeeignet.


    Darüberhinaus gibt es jetzt das neue Roland V-Piano, das die statischen Grenzen der Multi-Sampling-Technologie versucht zu durchbrechen.
    Aber wenn ich mir vorstelle, dass man dieses Instrument im Wiener Musikvereinssaal hinstellt, und die PA-Lautsprecher+ Monitore dazu....es wird wohl nie dazu kommen, dass man damit dort Beethoven aufführt. Bei Kurmusiken an der Nordsee mag das ggf. noch angehen...


    Ansonsten gibt es keine modernen E-Pianos, die als Fortschritt zum Flügel gedacht waren. Auch das beliebte Rhodes odes das Hohner-Clavinet waren als unzulängliche Klavierimitate gedacht, die aber aufgrund ihres spezifischen Klangs ( mit Chorus, Tremolo und Distortion...)für Pop/Rock, Jazz und Dance sehr geeignet waren und heute dort nicht mehr wegzudenken sind.


    Die Umsetzung der von mir in vorhergehenden Beiträgen genannten musikalischen Parameter jedoch, die man zur Aufführung eines Beethoven-Klavierkonzerts braucht, ist auf diesen Instrumenten nahezu unmöglich und der Gedanke daran wäre auch grotesk.


    Es gibt also kein elektronisches Klavier, dass mechanisch und klanglich das Niveau eines modernen Flügels übersteigt- im Gegenteil, dieses Niveau konnte bisher immer noch nicht erreicht werden.
    Einen Verbesserung gibt es dort also nicht und er wurde auch nie im Sinne eines "Überflügels" angestrebt.


    Zitat


    Original von Ulli
    Der Klang eines Hammerflügels ist, um bei gleicher Wortwahl zu bleiben: differenzierbarer, voller, wärmer, ausdrucksstärker, runder und vor allem singender als der eines kalten modernen Flügels.


    Allein schon daran, dass man hier zu genau entgegengesetzen Höreindrücken kommt, beweist ja, dass es sich in der Tat um Geschmacksfragen handelt.


    Wenn ich allerdings nur den Anfang des 4.Konzerts erst von Schoonderwoerd und danach von Aimard oder Pollini/Böhm höre, dann kann ich die Ansicht, der moderne Flügel klänge vor allem "ungesanglicher" und "kälter" nicht nachvollziehen...


    Wer`s nachprüfen will, kann sich ja die JPC-Beispiele aufrufen, falls die Aufnahmen nicht vorliegen.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Das würde ja bedeuten, dass sämtliche Pianisten mit ihren zu Recht als massstäblich geltenden Interpretationen mit den dazuspielenden Orchestern und Dirigenten nichts von dem umgesetzt hätten, was sich Beethoven vorgestellt hat, obwohl sie sich doch alle so sehr bemühten.


    Maßstäblich ist immer relativ. Wer nichts anderes kennt oder probiert hat, setzt andere Maßstäbe (das ist nicht provozierend gemeint).


    Zitat

    Also: Gulda, Brendel, Pollini, Aimard, Uchida, Arrau... ALLE wären sie also voll auf dem Holzweg? Aber wenn man Schoonderwoerd, Levin & Co. hört, dann wird Beethovens Gedankenwelt zur klingenden Realität?


    Auf jeden Fall ist man der Klangwelt Beethovens und seiner damaligen Zuhörer allein aufgrund der Instrumentenwahl sehr viel näher. Ich glaube kaum, daß sich Beethoven den Klang eines modernen Steinway je hat vorstellen können: man kann sich nur das vorstellen, was man kennt. Alles andere ist reine Spekulation - möglicher Weise mit einem positivne Aha-Effekt. Aber als sicher kann das niemals gelten.


    Schoonderwoerd (vertretend für HIP) und Arrau (vertretend für 'modern') haben jeweils unterschiedliche Perfektionsansprüche an sich bzw. das Ergebnis ihrer Interpretationen gestellt. Beide Ergebnisse überzeugen mich - dennoch bleiben es völlig unterschiedliche Dinge.


    Wer weiß schon, ob Beethoven das Zirpen des Hammerflügels gestört hat? Sicher aber kann man sagen, daß ihn der kaum unterscheidbare Klang eines Violinpizzikatos von einem Hammerflügelstaccato zu einigen Stellen z.B. im KK 4 oder den Violinsonaten inspiriert hat. Diese Klangerlebnisse bleiben beim Gebrauch eines modernen Flügels völlig auf der Strecke.


    Zitat

    Aus den Noten heraus entdecke ich eindeutig, dass Beethoven dem Gesang oder singenden Instrumenten wie Streicher oder Holzbläser nachempfundene Linien und Melodien in die Klavierstimme schrieb.
    Viele Stellen schreien geradezu nach einem Maximum an Kantabile.


    Wie ich oben schrieb, ist dies eher umgekehrt - Beethoven ist ein Klavierkomponist gewesen und übertrug von da auf die übrigen Instrumente. Im Ergebnis erklingt das dann natürlich genau anders herum.


    Zitat


    Jetzt will ich nicht frech behaupten, dass die Hammerklavieristen nicht singend denken oder spielen könnten. Ein Kantabile auf einem Klavier - egal ob modern oder nicht- ist immer eine Illusion, da es ja faktisch immer eine Folge von Akzenten ist.


    Richtig.


    Die Frage ist aber eher, was wichtiger bzw. bedeutender ist: der Kampf oder der Sieg? Der Sieg ist m. E. ein nur kurzlebiges Gefühlserlebnis, das schnell nach einem neuen verlangt, was wiederum einen neuen Kampf bedeutet. Der Kampf ist sehr viel intensiver und bleibt haftender. Es ist uninteressant, sich an Wehrlose zu geben (damit meine ich metapherhaft moderne Instrumente). Interessant ist doch der Kampf mit bzw. gegen die Elemente, natürlich mit dem Ziel - dem Sieg - vor Augen. Das aber kann nur mittels weniger perfekten Instrumenten erreicht werden.


    Zitat

    Ich habe ja auch nur geschrieben, dass es in meinen Ohren mit den alten Instrumenten eher reduziert, als "zur neuen Expressivität befreit" klingt.


    Reduziert wird die Besetzungsstärke, die in meinen Ohren zur neuen Expressivität befreit. Die Klangmöglichkeiten bei historischen Instrumenten und entsprechender Spielweise sind m. E. um ein Wesentliches größer! Allein die Tatsache, daß jedes Register eines Hammerflügels einen anderen Klang hat, spricht dafür (es muß ja nicht heißen, daß dies ein Klangideal für den Hörer ist). Warum denn hörst Du in anderen musikalischen Bereichen eher HIP als modern?


    Eine Grenze bei Beethoven halte ich für nicht definierbar. Ich würde die Genze erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts ziehen wollen - mit Ausnahmen natürlich auch früher.


    Die titanische Besetzungsgröße heutiger Orchester war zu Zeiten Beethovens, Haydns und Mozarts doch eher die Ausnahme. Wenn auch, natürlich, gerne gesehen bzw. gehört. Denn die Faszination über solche Mammutprojekte ist ja bekanntlich groß. Das sagt aber doch nichts über Richtig oder Falsch aus. Mahlers Achte heißt ja nicht von ungefähr 'Sinfonie der Tausend'. Wären solche Besetzungsgrößen zu Mahlers Zeiten Standard gewesen, hätte es diesen Werktitels nicht bedurft.


    Zitat


    Die Umsetzung der von mir in vorhergehenden Beiträgen genannten musikalischen Parameter jedoch, die man zur Aufführung eines Beethoven-Klavierkonzerts braucht, ist auf diesen Instrumenten nahezu unmöglich und der Gedanke daran wäre auch grotesk.


    Ebenso scheint mir die Umsetzung Beethovenscher Klavierkonzerte (und -sonaten!) auf modernen Flügeln bezüglich der Umsetzung der musikalischen Parameter nahezu unmöglich.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat


    Original von Ulli
    Warum denn hörst Du in anderen musikalischen Bereichen eher HIP als modern?


    Einfach weil es mir vor allem besser gefällt und weil die stilistischen Merkmale der Barockmusik ( z.B. Klangrede, Polyphonie) m.E. leichter und überzeugender vermittelt werden können ( wenn sich die Frage auf die Instrumente bezog - die Spielweise ist da aus meiner Sicht noch wichtiger als die Wahl der Instrumente)


    Meinen Empfinden und meinem Verständnis nach ist die HIP-Grenze in der Mitte der Beethovenschen Schaffensperiode zu sehen, während Du sie zu Beginn des 20. Jahrhundert ziehen willst.
    Da kann man viel diskutieren, nachdenken und vor allem hören.
    Einigen werden wir uns hier wohl nicht können.
    Die Ergebnisse meines Hörens sind nun einmal so, dass ich es wie beschrieben empfinde.


    Desweiteren verweise ich auf meine Einlassungen in meiner Replik an Paul, die Du vielleicht im Eifer des Gefechts überlesen hast:


    Zitat


    Original von Glockenton
    Damit will ich nicht grundsätzlich sagen, dass die Umsetzung musikalischer Parameter mit modernen Instrumenten immer leichter und überzeugender wäre. Genau das Gegenteil ist ja z.B. bei den Barockgeigen der Fall, die hinsichtlich ihrer expressiven Möglichkeiten in den Händen eines entsprechenden Geigers/Geigerin im Zusammenspiel mit dem Barockbogen und der Darmbesaitung gerade für die Barockliteratur den modernisierten Streichinstrumenten m.E. nicht nur ebenbürtig, sondern sogar überlegen sind.


    Beim Klavier sehe ich jedoch die mechanischen Veränderungen vom Hammerklavier zum Steinway tatsächlich auch als wirkliche Verbesserungen an, sowohl klanglich als auch mechanisch.


    HIP sind für mich auch Harnoncourts/Aimards Aufnahmen, die allerdings in für mich angenehmeren Klangbild daherkommen und von der Interpretation her auf mich schlüssiger wirken.
    Aber da der Dirigent für Dich ja ein rotes Tuch darstellt, wirst Du diese CDs wohl kaum hören...


    Ich hoffe die Frage insgesamt beantwortet zu haben.


    Gruss :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Ulli


    Die titanische Besetzungsgröße heutiger Orchester war zu Zeiten Beethovens, Haydns und Mozarts doch eher die Ausnahme.
    Ulli


    Zu Mozart; gibt es überhaupt eine "Mozartbesetzung" ?
    Läßt sich seine Idealstärke aus einem Brief von November 1777 erahnen in dem er das Mannheimer Orchester beschrieb:


    "....das orchestre ist sehr gut und starck. auf jeder Seite 10 bis 11 violin, 4 bratschen, 2 oboe, 2 flauti und 2 Clarinetti, 2 Corni, 4 violoncelle, 4 fagotti und 4 contrabaßi und trompetten und Paucken."



    und aus Wien schrieb er am 11. April 1781:


    "...daß die Sinfonie Magnifique gegangen ist, und alle Succés gehabt hat - 40 Violin haben gespielt - die blaß-Instrumente alle doppelt - 10 Bratschen - 10 Contre Bassi, 8 violoncelli und 6 fagotti..."



    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Zitat

    Original von Glockenton
    Das ist - ebenfalls mit Verlaub- ein Unsinn,


    Natürlich. Es war auch so ernst nicht gemeint. Es verdeutlicht eben nur, daß Modernität und Fortentwicklung nicht immer gleich Forschritt i.S.v. Erreichen der Perfektion ist.



    Zitat

    Original von Alfred Schmidt
    Beethoven war Zeit seines Lebens am Klavierbau, bzw an Verbesserungen im Klavierbau interessiert - und er stand mit einigen Klavierherstellern in Kontakt, machte Anregungen etc. Die Firma Broadwood machte ihm sogar einen Flogel zum Geschenk.
    Es ist ferner überliefert, daß Beethoven die Flügel nicht schonend behandelte, sondern sie regelrecht zu Tode spielte - das wäre bei einem Steinway oder Bösendorfer kaum möglich gewesen.
    Beethovens Intentionen werden vermutlich auf einem modernen Istrument besser realisierbar sein, als auf einem zeitgenössischen, wo Beethoven immer wieder wieder beanstandungen hatte und über den unzureichenden Baß klagte....


    Über einen unzureichenden Baß kann ich mich auch bei meinem 1968er Bösendorfer beklagen (und dennoch liebe ich dieses Instrument). Das liegt einfach daran, daß Baßtöne im hörbaren Bereich wesentlich mehr schwingen als höhere Töne und damit verschwommener wirken. Das lässt sich wohl kaum ändern.


    Aber genau dieser 'Kampf mit bzw. gegen die Elemente' ist für mich das Faszinierende an HIP-Einspielungen - die Möglichkeiten der damaligen Zeit ausnutzen und über die Ergebnisse staunen.



    Zitat

    Original von Glockenton
    Beim Klavier sehe ich jedoch die mechanischen Veränderungen vom Hammerklavier zum Steinway tatsächlich auch als wirkliche Verbesserungen an, sowohl klanglich als auch mechanisch.


    Eine mechanische Verbesserung - z.B. des Anschlags - vermag ich gar nicht von der Hand zu weisen. Wobei eben auch moderne Instrumente bei verschiedenen Herstellern die unterschiedlichsten Anschlagtechniken erforderlich machen. Natürlich nervt es, wenn eine HIP-Taste klemmt - es animiert aber auch dazu, zu improvisieren und diese Taste zu meiden :D


    ~ ~ ~


    Bernhard:


    Für Mozart halte ich persönlich ein Kammerorchester für durchaus zielführend. Bezogen auf den 1781er Brief habe ich mich oben schon geäußert - ich glaube nicht, daß man daraus ein Mozartideal ableiten kann. Der Komponist war hier sicherlich von der Größe beeindruckt und es spricht auch - je nach Werk - sicherlich nichts gegen diese Größe. Vorausgesetzt, es wird entsprechend interpretiert.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Guten Abend



    Wäre aber auch ein interessantes Thema "Mozarts Orchester" o.ä. :yes:
    Oder gibts da schon einen Thread ?


    Gruß :hello:


    aus der Kurpfalz


    Bernhard

  • Ich muß zuerst gestehen, daß ich nur eine CD mit HIP-Beethoven-Konzerten besitze (2+4, A. Newman). Ich habe aber in etliche reingehört, schon mehrfach, ich besitze alle Mozart- und die bekannten Haydn-Konzerte, teils in mehreren Einspielungen auf alten Instrumenten, ebenso viele Sonaten u. Kammermusik von Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Weber, Clementi.


    Beim Solo- und Kammermusikaufnahmen finde ich das oft eine interessante Alternative. Wobei erst Brautigam mich bei Beethoven einigermaßen überzeugt (ca. 20 Jahre nach den ersten HIP-Versuchen, oder sogar 30, Badura-Skoda und Demus haben ja schon in den 70er hiermit experimentiert, diese alten Sachen kenne ich freilich nicht).
    Bei Konzerten höre ich teilweise schon bei Mozarts Konzerten Balance-Probleme (Gardiner/Bilson); das Orchester ist zu mächtig bzw. wenn es zurückgenommen wird, ist der Gesamteindruck zu lasch. Und hier kann man noch einiges tricksen, durch Raumgröße und Aufnahmetechnik.
    Beethovens Konzerte will ich aber durchweg mit sinfonischer Wucht hören, nicht als Kammerreduktion. Wenn dann das Klavier ein adäquates Gegenüber sein soll, hat ein klimpriges Originalinstrument schlechte Karten. Das ist jedenfalls mein bisheriger Eindruck. Die komplette Reduktion bei Schoonderwoerd ist dann wohl konsequent; das fand ich aber, ungeachtet des Lobs im Forum, anhand der Hörschnipsel so grotesk, daß ich überhaupt keine Lust drauf bekommen habe.


    Ich bin allerdings auch von vielen traditionellen Aufnahmen der Konzerte nicht sehr begeistert; es gibt hier m.E. sowohl ein viel schmaleres Spektrum an Lesarten zur Auswahl als auch weit weniger herausragendes als bei den Sinfonien. Vielleicht befördert die Notwendigkeit, daß sich zwei Künstler einigen müssen, eine Nivellierung, die Beethoven eher schadet. Insgesamt habe ich nicht jedenfalls mehr genügend Interesse an der Werken (z. Zeit), um nun noch etliche HIP-Aufnahmen zu besorgen und zu vergleichen.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Lieber Glockenton,


    Ich bin kein Liebhaber von Beethoven. Absolut nicht.
    Seine Konzerte gefallen mir dann auch nicht so. Ich möchte gerne eine Ausführung hören, wie Pinnock Mozarts Symphonien spielte. Auch diese Symphonien mag ich nicht so, obwohl Mozart mein Lieblingskomponist ist. Aber mit Pinnock... :jubel: :jubel: :jubel:


    Von Beethoven mag ich eher seine Sonaten. Besitze denn auch die Kempfbox der GA von Beethovens Sonaten. Habe aber auch mehrere Einspielungen von Beethovens KK (Klemperer + Barenboim hast Du noch vergessen :D ).


    Vielleicht ist mein Gehör abgestimmt auf leisere, nicht so wuchtige Klänge. Mehr melodiös klingend, lieblicher...


    Eine andere Möglichkeit wäre, das ich Beethoven von der Wiener Klassik annähere. Du vielleicht schon die extraverte Klangdynamik der Romantiker bevorzugt.


    Ich bedauere es also zu Deine Pianisten insgesamt NEIN sagen zu müßen. Vielleicht kann András Schiff mich überzeugen. Der könnte es... vielleicht.


    LG, Paul


    PS Es freut mich, daß du jetzt wieder regelmäßig im Forum sein kanst, und Deine Internetprobleme offensichtlich vorbei sind.


    Dein P.

  • Werte Leser,


    vielleicht einen Kommentar zu den gesperrten Beiträgen, sowohl aus diesem Thread wie auch aus anderen. Ich habe den Eindruck, das sie allle in einem sehr kategorischen Unterton gehalten sind, sehr dominierend, andere Meinungen nur schwer akzeptierend. Dadurch verdecken sie oft die absolut fachliche Kompetenz ihrer Aussagen.


    Johannes schreibt wunderbar: Ich möchte die Beethoven Konzerte in symphonischer Wucht hören. Eine objektive, klar nachvollziehbare Meinung, über die sich offen diskutieren läßt. Für mich ist ein anderer Aspekt in sämtlichen Klavierkonzerten Beethoven`s wichtiger:


    Wie schafft es das Orchester und der Solist, das Werk als Einheit zu präsentieren, wie sind die wichtigen Übergänge gestaltet. Und hier leistet z.B. die Einspielung der Academy of Ancient Music erstaunliches. Eben weil das Klavier eher zart daherkommt, muss auch weniger Orchester eingesetzt werden, die Übergänge gestalten sich sehr filigran, trotzdem schwingt sich das Orchester zu einer passenden Wucht hinauf.


    Man kann ein Hammerklavier mögen oder nicht, seinen Steinway als allein seeligmachend benennen, aber dieser wichtige Aspekt muss gerade in den Klavierkonzerten herausgestellt werden.


    Viele Grüße Thomas

  • Hallo Thomas Sternberg,


    grundsätzlich bevorzuge ich bei klassischen Klavierkonzerten HIP, weil bei optimaler Besetzung die einzelnen Orchestergruppen für sich und in Kombination mit dem Klavier besser zur Geltung kommen. HIP offenbart einem da Details, die man mit modernen Instrumenten so nicht mehr wahrnehmen kann.
    Bei einem Klavierkonzert von Beethoven ist das aber nur ein Teil, da kommt es halt auch noch auf das Spiel des Solisten und des Orchesters an. Ist da zuwenig Interpretation dabei, werden diese Konzerte ihrer Dramatik, ihrer Größe beraubt, sie wirken dann wie nette Petitessen, die höchstens einen Sturm im Wasserglas oder einen Schneekugeleffekt erzeugen. Und das liegt nun wiederum nicht im Sinne des Komponisten, ist doch Beethoven mit seinen Kompositionen immer an die Grenze gegangen und hat selbige auch oft genug überschritten.


    Aus mir unverständlichen Gründen tut sich HIP nun genau damit schwer, denn ist es nun ein gescheiter Hammerflügel, dann verträgt doch der die Pranke. Und wenn er etwas scheppert dabei, was soll´s, dann rüttelt Beethoven halt wiedermal an einer Grenze.
    Ob das nun das Gespann Tan - Norrington ist oder Lubin - Hogwood oder Levin - Gardiner, all diese wirken auf mich irgendwie harmlos, deutlich besser, aber immer noch mit Potential, kommen Immerseel und Weil daher, deren Aufnahmen zur Zeit aber nur gebraucht erhältlich sind und dann natürlich Schoonderwoerd, der diese Problematik durch radikalste Orchesterreduktion umgeht und aus meiner Sicht mit Abstand das beste Resultat erzielt.
    Und dann ist da noch eine uralte Aufnahme aus den 70ern da, bei der kraftvolles Spiel mit höchster Transparenz (und leichtem Rauschen) einhergeht:



    Neben der vielleicht besten Aufnahme des Tripelkonzertes ist auf dieser Scheibe auch noch ein fantastisches KK 4 mit Paul Badura-Skoda als Solisten oben. Schade nur, dass es sich dabei um eine Einzelaufnahme handelt.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

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  • Werter John Doe,


    oder rücken wir diese Klavierkonzerte zu nahe an die Symphonien?


    Vielfach wird ja die mangelnde Wucht beklagt. Wenn diese Betonung von Beethoven gar nicht vorgesehen war?
    Ein Grenzgang Beethoven`s sind doch sicher die sehr ieigenwilligen und großes Können verlangenden Soloteile des Klavieres. Hier kann sich der Solist doch richtig austoben. Aber wie kommt ein Dirigat wieder zurück zum Orchester? Indem er einfach mit Wucht dazwischen haut, wie z.B. in der Aufnahme Bernsteins im vierten mit Gould und den New Yorkern? Oder ob man diese Wucht von vonherein begrenzt, indem man eine wunderbar durchsichtige Streichergruppe nimmt und schlüssig, äußerst feinfühlig, zum Klavier intoniert?


    Wie Hogwood/Academy of Ancient Music/Lubin.
    Viele Grüße Thomas

  • Hallo Thomas Sternberg,


    oder rücken wir diese Klavierkonzerte zu nahe an die Symphonien?


    Nein! Die vielleicht symphonischste Einspielung, die ich kenne, ist die von Schoonderwoerd. Durch dessen solistische Orchesterbesetzung entsteht eine ganz andere Kräfteverteilung innerhalb des Orchesters, die auf höchst interessante Weise das Konzert mit seinen Tutti und Soli als solches in Frage stellt. Gleichzeitig entsteht dabei bei einem äußerst präsentem Klang eine Transparenz, die man so noch nie gehört hat.


    Vielfach wird ja die mangelnde Wucht beklagt. Wenn diese Betonung von Beethoven gar nicht vorgesehen war?

    Ich denke, Beethoven hat das sehr wohl so vorgesehen, man braucht sich diesbezüglich doch nur seine anderen Orchesterwerke ansehen. Oder anders gesagt, Beethoven hat nicht nur der Sinfonie sondern auch dem Konzert zu einer Bedeutungserweiterung, zu einer Dramatisierung verholfen.


    Ein Grenzgang Beethoven`s sind doch sicher die sehr ieigenwilligen und großes Können verlangenden Soloteile des Klavieres. Hier kann sich der Solist doch richtig austoben.

    Selbstverständlich, bloß hat Beethoven eben keine Virtuosenkonzerte a la Paganini geschrieben, bei denen das Orchester nur schematische Begleitaufgaben zu erfüllen hat, bei Beethoven ist das Orchester doch genau so bedeutend, wie der Solist. Das hat übrigens Mozart auch schon so gemacht und der war wiederum Beethovens Vorbild. D.h. Beethoven hat sinfonische Klavierkonzerte geschrieben, die dann nur richtig zur Geltung kommen, wenn beide Partner gut sind. Oder anders gesagt, bei Beethoven macht eben ein guter Pianist ein schwächeres Orchester nicht wett, genauso wie ein starkes Orchester keinen schwachen Pianisten ausgleichen kann. Klassisches Beispiel dafür ist das Gespann Barenboim - Klemperer, bei dem Klemperer einen wahrhaft monumentalen Beethoven darbietet (was sonst?!), derweil Barenboim seltsam blass bleibt.


    Mein Problem bei dieser Sache ist ja nun nicht unbedingt HIP oder nicht HIP, sondern primär Hogwood und Lubin. Ich besitze diese Aufnahme seit Ende der 80er und ich habe sie immer als irgendwie unbefriedigend wahrgenommen, woran auch ein erst kürzlich erfolgtes Anhören nichts geändert hat. Ich schätze Hogwood als Mozart-Interprteten sehr, ob es sich dabei nun um die Sinfonien handelt oder um die Klavierkonzerte mit Levin als Solisten, aber bei Beethoven vergibt er meiner Meinung nach Chancen. Vielleicht deswegen, weil er ihn so spielen möchte wie Mozart.


    Aber jetzt eine andere Frage an dich, lieber Thomas Sternberg:
    Du hast bei Beethoven bis jetzt nur Hogwood erwähnt, hast du auch noch andere HIP-Einspielungen von Beethoven? Wenn ja, welche und was hältst du von denen?


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

  • Werter John Doe,


    kein Wunder, das wenn dir Schoonderwoerd gefällt, du Probleme mit Hogwood hast.


    Ich habe mir gerade die Schoonderwoerd-Aufnahme geladen und muss sagen, schon sehr extrem. Das Vierte gefällt mit gar nicht, zu zerlegt. Im Fünften sehr bemüht, einen "orchestralen" Klang zu erzeugen. Transparent ja, aber die Einzelstimmen schaffen es nur sehr bemüht, ein Gegengewicht zum dominaten Soloinstrument zu bilden. Warum wird der Solist im zweiten Satz der Fünften an der Stelle, wo die Streicher zupfen, schneller? Dann der Anfang des dritten Satzes, da haut`s die Violine ja geradezu aus dem Gesamtbild.


    Es ist alles sehr vordergründig. Sehr aneinandergereit die Töne, kein leichtes zerfließen aus einer Gesamtheit, zu sehr kommen die Einzelinstrumente. Natürlich sind das alles Nuancen, keinerlei Kritik im Gesamtbild, eine ganz besondere Sichtweise auf beide Konzerte, Respekt und auf jeden Fall eine Bereicherung in meiner Klavierkonzertsammlung.


    Mein Favorit bleibt Hogwood mit der Academy.


    Viele Grüße Thomas

  • Hallo Thomas Sternberg,


    kein Wunder, das wenn dir Schoonderwoerd gefällt, du Probleme mit Hogwood hast.


    Irrtum! Ausschließlichkeiten sind schon lange abgeschafft. Außerdem hab ich meine speziellen Probleme mit Hogwood schon seit 1988, dem Erscheinungsjahr seines KK-Zyklus. Schoonderwoerds Einspielungen dagegen sind alle nach 2000 entstanden. 8)


    Aber was hältst du dann von Hogwoods Nachfolgern:


    - Melvyn Tan, The London Classical Players, Roger Norrington (EMI 1989 f)
    - Robert Levin, Orchestre Revolutionnaire Et Romantique, John Eliot Gardiner (DG 1997 f)
    - Jos van Immerseel, Tafelmusik, Bruno Weil (Sony 1996 f)


    Diese Frage bezieht sich jetzt auch gleich auf die Sinfonien, haben doch selbige Norrington und Gardiner mit ihren entsprechenden Orchestern auch eingespielt, während Immerseel nach vollzogenem Orchesterwechsel selbst die Leitung übernahm und den Zyklus mit seinem Anima Aeterna einspielte.


    Viele Grüße
    John Doe

  • Beethovens Konzerte will ich aber durchweg mit sinfonischer Wucht hören, nicht als Kammerreduktion. Wenn dann das Klavier ein adäquates Gegenüber sein soll, hat ein klimpriges Originalinstrument schlechte Karten. Das ist jedenfalls mein bisheriger Eindruck. Die komplette Reduktion bei Schoonderwoerd ist dann wohl konsequent; das fand ich aber, ungeachtet des Lobs im Forum, anhand der Hörschnipsel so grotesk, daß ich überhaupt keine Lust drauf bekommen habe.


    Ganz meine Meinung. Bei Barockmusik lasse ich mir die Frage "Cembalo oder moderner Konzertflügel?" ja noch gefallen. Schließlich klingt ein Cembalo ganz hervorragend! Aber auf diesen vorsintflutlichen, in aller Regel grauenvoll klingenden Hammerklavieren Beethovens Klavierkonzerte spielen? Das mag in den Köpfen von Musiktheoretikern irgendeinen Sinn ergeben, aber das Gros der am praktischen Klangergebnis orientierten Klassikliebhaber hört sich allenfalls aus Neugier mal eine entsprechende Aufnahme an, z.B. diese hier

    Und das war's dann bei den meisten auch schon. Das von Johannes benutzte Wort "grotesk" entspricht genau meinem persönlichen Eindruck von solchen Experimenten. Aber bitte: jedem das Seine. Soll jeder nach seiner Facon bei Beethoven glücklich werden.

  • Experimenten


    Versteh' ich nicht ... Ein Experiment ist doch wohl eine Versuchsanordnung, die die Beobachtung von Situationen ermöglicht, deren Zusammenstellung eine mehr oder weniger starke Änderung/Variation gegenüber bereits Bekanntem darstellt. Ein Experiment ist es also, Beethovens Klavierkonzerte auf diesen kläglich monotonen, in ihrem Klangcharakter so eingeschränkten modernen Konzertflügeln à la Steinway und Konsorten herunter zu donnern.

    Aber auf diesen vorsintflutlichen, in aller Regel grauenvoll klingenden Hammerklavieren Beethovens Klavierkonzerte spielen?

    Denn diese "vorsintflutlichen", so vielfältig, fein differenziert klingenden Instrumente von der Art, wie Beethoven selbst sie noch bespielt hat, stellen ja gerade das Regelinstrumentarium für diese Musik dar - vom Experimentellen also weit entfernt.


    Auch wenn uns die von Schoonderwoerd verwendete kleine Besetzung heute bemerkenswert vorkommt, war sie seinerzeit wenn auch vielleicht nicht als Ideal erwünscht, so doch der schlichten Raumgröße damaliger Aufführungsorte immer wieder mal geschuldet (siehe z. B. Uraufführung von Beethovens dritter Sinfonie unter Beethovens Leitung mit 28 (!) Musikern im Lobkowitz-Palais und die entsprechende Aufnahme durch Ensemble 28 unter Grossmann bei Neos).


    Trotzdem höre ich daneben auch ganz gerne gelegentlich mal dieses neumodische Zeug, diese experimentellen Aufführungen mit Steinway und romantischem Orchester oder auch ganz andere experimentelle Settings. Aber letztlich bin ich doch konservativ: Zum viel reicher klingenden Hammerklavier kehre ich immer wieder gern zurück.

  • Hallo John Doe,


    ich muss sagen, das ich nach dem Schoonderwoerd-Experiment erstmal vom Hammerklavier verabschiede. Ich habe genug Einspielungen, um mich intensiv mit den KK auseinander zu setzen. Interessant sind eventuell die Einspielungen von Ronald Brautigam auf dem klassischen Flügel.


    Aber die Aufnahmen zeigen eins: Es ist verdammt schwer, mit dem Hammerklavier ein ausgewogenes Konzert zu gestalten. Der Ton ist einfach zu speziell, die Gefahr, in eine Karikatur abzugleiten, riesengroß. Ich kann die ablehnende Haltung von Swjatoslaw und Johannes verstehen.


    Ich habe mich einfach in den Gesamteindruck der Hogwood`schen Einspielungen "Verhört", ohne das Hammerklavier besonders hervorzuheben. Vielleicht spielt die Academy die KK mal mit einem normalen Konzertflügel ein. Dann werde ich einer der Ersten sein, der dies kauft.


    Viele Grüße Thomas

  • Hallo Thomas Sternberg,


    die Hammerflügelproblematik ist mir durchaus bewußt und dass selbige bei den Hogwood-Aufnahmen sehr gut gelöst ist, ebenfalls. Bloß ist es mir bei dieser Diskussion nicht um diese gegangen, sondern darum, dass man auch mit einem Hammerflügel deutlich mehr aus einem Beethovenkonzert herausholen könnte, als es z.B. Lubin - Hogwood gemacht haben.
    Als diese Aufnahme 88 erschienen ist, hat sie die hohen Erwartungen, die in sie gesetzt worden sind, nicht erfüllt. Ich besitze diese Aufnahme seit damals und kann das nur bestätigen.
    Aber mehr noch, ich möchte sogar soweit gehen und sagen, dass das auch für die anderen HIP-Zyklen gilt: Letztendlich kann ich mich bei keinem des Eindruckes erwehren, dass dort die Instrumente geschont werden. Die einzige Ausnahme ist dabei aus schon genannten Gründen Schoonderwoerds Einspielung.


    Und so bleibt jede Aufnahme der KK von Beethoven mangels der einzig wahren halt nur Annäherung, einen Zustand, den ich alleinen schon aus Gründen der Vielfalt gut finde.


    Beste Grüße
    John Doe
    :hello:

  • Manchmal wünsche ich mir, dass Beethoven wieder auferstünde, auf Erden wandelte, ein Konzert besuchte in dem eines seiner Klavierkonzerte (Nr. 3, 4 oder 5) mit einem Steinway und einem modernen Symphonieorchester gegeben würde und danach seinen Broadwood zum Verschrotten gäbe ...

  • mit einem Steinway und einem modernen Symphonieorchester gegeben würde und danach seinen Broadwood zum Verschrotten gäbe ...

    Glaub ich nicht. Wird der nicht machen. Mal unterstellt, sein Gehör würde vorher wieder hergestellt, wird er sich angehörs derartiger Lärmerzeugung mit Grausen abwenden. Es sei denn, es wird derart feinsinnig HIP - historisch informiert eben - gespielt, wie Brautigam und Parrott es tun - aber auch dann wird ihm das bestimmt nicht gleich im ersten gehörten Konzert gefallen, sondern erst nach langer langer Gewöhnungsphase. Und seinen Broadwood wird er bestimmt trotzdem behalten. :D

    Letztendlich kann ich mich bei keinem des Eindruckes erwehren, dass dort die Instrumente geschont werden. Die einzige Ausnahme ist dabei aus schon genannten Gründen Schoonderwoerds Einspielung.

    Was wird denn da bitte geschont? Bei Levin/Gardiner im Zweiten und Ersten? Bei van Immerseel/Weil im Dritten und Fünften? Bei Badura-Skoda/Collegium Aureum im Vierten? Es ist nicht mein Eindruck, dass Schoonderwoerd ungezügelter spielt, sein Instrument weniger schonend behandelt. Vielmehr ist das durch die Besetzungsstärke bedingte andere Stimmengleichgewicht dafür verantwortlich, dass der Pianofortist überhaupt keinen Druck ausüben muss, um im Vordergrund hörbar zu werden, er kann völlig frei gestalten, seine Stimme bleibt im natürlichen Gleichgewicht hörbar. Möglicherweise kann Schoonderwoerd mit dem Fortfall aller besetzungsbedingten Beschränkungen freier, leichter, insofern "ungezügelter" agieren, ohne dass er die "Schonung" seines Instruments vernachlässigen müsste. Der zweite hinzu kommende Parameter ist die Raumakustik: gewählt sind Räume mit großem Volumen, teilweise Kirchen, so dass der Klang per se groß wirkt.

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