Gustav Mahler: 6. Sinfonie a-Moll - die Tragische

  • Hallo, liebe Musikfreunde,


    endlich habe ich heute eine Einspielung dieser Sinfonie gefunden, die meinen Erwartungen entspricht, und muss feststellen, dass es leider noch keinen Thread zu diesem Werk gibt.



    Ich stehe noch ganz unter dem Höreindruck und kann keinen langen Text schreiben. Im Internet gibt es zahlreiche Informationen zu diesem Werk, zum Beispiel, dass es von Klemperer und Walter nicht aufgeführt wurde.


    Diese Aufnahme ist als "dämonisch" auch bei Attila Campai im Rondo-Magazin erwähnt, der einen recht umfassenden Überblick gibt:


    http://www.rondomagazin.de/klassik/cdgalerie/mahler.htm


    Allerdings ist diese Darstellung unvollständig, es fehlt nicht nur Gielen, sondern auch Scherchen (in der Aufnahme von 1960, erschienen bei Tahra mit dem Sinfonien 3, 10 Auszügen aus 8 und den Kindertoten-Liedern), allerdings mit für mich unverzeihlichen Streichungen, dennoch eine der spannendsten Aufnahmen.


    Die Aufnahme von Mitropoulos lag seinerzeit noch nicht als CD vor.


    Würde mich interessieren, ob jemand diese Aufnahme kennt, und ob mein Eindruck einer geradezu außergewöhnlichen Aufnahme geteilt wird. Die Hammerschläge im letzten Satz sind von einer Wirkung, wie ich sie sonst noch nicht gehört habe.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Mit etwas Abstand möchte ich diese Zeilen doch nicht ganz so stehen lassen, sondern versuchen, ein paar Anregungen zum Hintergrund dieses Werkes zu geben.


    Mahler wurde 1860 in Mähren geboren. Seine Karriere war lange überschattet von tiefen Sorgen um seine Familie. Schon 1889 starben seine Eltern, und er musste sich um den Lebenserhalt seiner Geschwister kümmern. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass sein Bruder Otto 1895 Selbstmord beging, dem er sich sehr verbunden fühlte. Beide waren leidenschaftliche Leser von Dostojewski und Otto soll vor seinem Selbstmord auf Stawrogins Beichte im 9. Kapitel der „Dämonen“ (Tatjana Geier übersetzt: „Böse Geister“) Bezug genommen haben, ein Text, der zweifellos in dieser Sinfonie ständig gegenwärtig ist.


    Eine weitere Quelle ist Nietzsche. Mahler hat sein Verständnis dieses Philosophen im 4. Satz der 3. Sinfonie gestaltet, ohne den für mich die 6. Sinfonie nicht zu verstehen ist. (Mitropoulos starb 1960 ein Jahr nach der Aufführung der 6. Sinfonie mit dem Kölner WDR SO bei einer Probe der 3. Sinfonie in Mailand.)


    Die Radikalität des Komponierens hat philosophischen und zeitgeschichtlichen Hintergrund. In den 1890er Jahren verkehrte Mahler mit Bruno Walter im Elternhaus von Ludwig Wittgenstein und folgte mit großem Interesse den Gesprächen über Kant und Schopenhauer. Der Neukantianismus gehörte zu einer Strömung, die in der Abwendung gegen alles Ornamenthafte ihren Ausdruck fand, und diese Bewegung sehe ich bei Mahler geradezu extrem in der Entwicklung von der 4. zur 6. Sinfonie mit vollzogen. Sie waren gegen die oberflächliche Integration der Kunst in das bürgerliche Leben, wo sich Phantasie und Funktionalität nicht mehr trennen ließen. Kunst drohte ihren besonderen Status zu verlieren, wenn sie in letzter Konsequenz zu einem Anlage-Vermögen gleich Kapital oder Warenterminpapieren zu werden drohte, eine Entwicklung, die seit Nietzsche kritisiert wurde. Hier hat die Leere des Musikbetriebs ihren Anfang.


    Der radikale Bruch konnte natürlich nicht in dieser Weise gelingen. Seine Vertreter waren von tiefsten Selbstzweifeln zerrissen. Um 1900 gab es in Wien regelrecht eine Welle von Selbstmorden. Wie tief die Krise ging, zeigt der Physiker Ludwig Boltzmann, der 1844 geboren eine Generation älter als Mahler war. Damals waren die verschiedenen Bereiche von Kultur und Wissenschaft noch nicht so getrennt. Boltzmann nahm bei Bruckner Klavierunterricht und es ist durchaus möglich, dass er Mahler getroffen hat. Heute fast vergessen, sind die großen Umwälzungen von Physik und Mathematik im 20. Jahrhundert von ihm ausgegangen. Er konnte nicht verarbeiten, wie viel Feindseligkeit ihm entgegenschlug und beging 1906 in Duino Selbstmord. (Für eine ausführlichere Darstellung kann ich nur das Buch „Wittgensteins Wien“ von Janik und Toulmin empfehlen.)


    Duino: In dem gleichen Schloss hat 1912 Rilke, der nur 5 Jahre jünger als Mahler war, seine „Duineser Elegien“ begonnen. Mahler war wie Rilke von Hölderlin begeistert. Ob er dessen Übersetzung der Tragödien von Sophokles mit den Kommentaren kannte, weiß ich nicht, aber hier ist das Tragische erklärt, wie es auch auf diese Sinfonie zutrifft.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Lieber Walter ,
    absolut überragend wie die zweite Einspielung mit Mitropoulos !!!
    Danach folgt bei mir George Szell .
    Mitropulos war einer der grössten Magier des Taktstockes und bleibt es !
    Beste Grüsse,
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Hallo Frank Georg Bechyna,


    ist die Mitropoulos-Aufnahme nicht in MONO ?
    Gerade die Sinfonie Nr.6, finde ich, sollte man in guter räumlicher Qualität in Stereo genießen und deshalb kommt bei mir nur die TOP-Aufnahme mit
    Solti / Chicago SO auf DECCA
    in Frage, die läßt keine Wünsche bei mir offen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • von allen neueren Einspielungen dieser durchaus nicht immer "geliebten" Sinfonie, sind folgende für mich die bedeutendsten:
    Boulez mit den Wiener Philharmonikern von 1993 wegen der unerhörten Transparenz des eher kompakten Stimmgeflechts :




    Mariss Jansons mit dem LSO aus 2002, der das Werk mit unerbittlicher Härte bis zur finalen Katastrofe auf seinen "Punkt" bringt !




    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Die 6. Sinfonie hat IMO gemeinsam mit der 5. einen besonderen Stellenwert im Schaffen Mahlers. Nach den Wunderhorn-Sinfonien, aus denen die 2. besonders herausragt, vor den beiden besonderen Sinfonien, der 7. und der 8., und vor der am ehesten vergleichbaren "abschließenden" 9. Sinfonie. Für mich ist die 6. Sinfonie die dramatischste, sie trägt nicht zu Unrecht den Beinamen "Die Tragische".
    Besonders heftig, aber leider auch auf Kosten der Details und Differenziertheit, ist die schon angesprochene Interpretation Soltis. Eine gute Aufnahme, sehr beeindruckend, aber eben leider zu geradlinig. Das absolute Gegenstück zu dieser Interpratation ist die von Erich Leinsdorf (Orfeo, Aufnahme 1983). Sehr detailliert, ruhig und im Grunde wenig dramatisch - aber gleichwohl sehr beeindruckend.
    Interessant noch zwei Aufnahmen von Barbirolli (einmal mit LSO, einmal mit Berliner Philharmoniker) - oft hochgelobt, für mich aber anders als die 5. von Barbirolli nicht erste Wahl. Dann steht bei mir noch Horenstein, Benjamin Zander und Karajan und auch die genannte von Pierre Boulez.


    Hervorheben möchte ich besonders die Aufnahme von Simon Rattle mit dem City of Birmingham Orchestra (EMI, Aufnahme 1990). Zugleich sehr dramatisch, die große Linie deutlich ausdrückend und äußerst detailreich. Anhören!


    Mit besten Grüßen


    Matthias



    Jansons ist sicher eine äußerst spannende Interpretation. Habe ich schon oft hervorgehoben gesehen, aber bisher nicht gehört.

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Lieber teleton ,
    zu Deiner Frage : ja .
    Ein weiteres Mal heute : Dank für Deine Hinweise zu Georg Soltis grosser Kunst .
    Im Zweifelsfall , dies gilt grundsätzlich , lieber ein Monoaufnahme auf hhem künstlerischen Niveau als durch technische Mittel hochgepuschte Supr Sounds !
    Ist bei Solti in fast allen Fällen natürlich nicht der Fall .
    Grüsse nach Bonn ,
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Ein Beitrag, den ich im "Was hört ihr gerade"-Thread zu schreiben begann und der mir unter den Fingern doch eher zu einem Beitrag für den Thread heranwuchs:


    Nach getanem Tagewerk geht es hier wieder "tragisch" zu:


    Gustav MAHLER - 6. Sinfonie in a-moll (Berliner Philharmoniker/Claudio Abbado)




    Eine Aufnahme, die kurioserweise von Hören zu Hören besser und sinnfälliger wird. Auffallend ist, wie selbstverständlich Abbado den Berlinern diesen betörenden Klang zu entlocken scheint, den ich unter Rattle auf CD erst auf den beiden neuesten Aufnahmen mit Debussy und Dvorak höre. Und, was ich ganz kurios finde, eine Aufnahme, bei der mich nicht stört, dass das Andante an zweiter Stelle steht. Sonst bin ich - wie etwa auch Michael Gielen - der Meinung, dass die charakteristische Rhythmik des ersten Satzes und des Scherzo (das ja eigentlich so recht keines ist) das Scherzo eigentlich an zweite Stelle zwingt. Hier, in Abbados Interpretation steht das Andante so da, als würde es ganz selbstverständlich an die zweite Stelle gehören, sozusagen als "Verlängerung" der Almidyllen-Stellen (Herdenglocken) des ersten Satzes (BTW: wie herrlich sind bei Abbado diese Kuhglocken-Stellen!). Nicht recht nachvollziehbar ist mir, was David Hurwitz über das schwache Blech im ersten Satz schreibt: Mir scheint das Spiel der Blechbläser nicht schwach, sondern vielmehr sehr eng an Abbados hier verwirklichter Sicht auf die Sinfonie, die sicher weniger expressiv ist als andere Aufnahmen (allen voran Soltis), sondern sich mehr mit den inneren Klängen der Sinfonie auseinandersetzt und einige wirklich betörende Stellen hervorzaubert, die man woanders (so) nicht hört.


    OK, vielleicht keine Mahler VI für den Anfang - aber für danach, um zu hören, was noch in dieser Sinfonie stecken kann. Abbados sehr eigene, sehr eigenwillige Interpretation, man wird sie wahrscheinlich wirklich erst mit mehrfachen Hören immer mehr ins Herz schließen können.


    Beste Grüsse,


    C.

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Zitat

    Original von C.Huth
    Gustav MAHLER - 6. Sinfonie in a-moll (Berliner Philharmoniker/Claudio Abbado)


    und Dvorak höre. Und, was ich ganz kurios finde, eine Aufnahme, bei der mich nicht stört, dass das Andante an zweiter Stelle steht. Sonst bin ich - wie etwa auch Michael Gielen - der Meinung, dass die charakteristische Rhythmik des ersten Satzes und des Scherzo (das ja eigentlich so recht keines ist) das Scherzo eigentlich an zweite Stelle zwingt. Hier, in Abbados Interpretation steht das Andante so da, als würde es ganz selbstverständlich an die zweite Stelle gehören, sozusagen als "Verlängerung" der Almidyllen-Stellen (Herdenglocken) des ersten Satzes (BTW: wie herrlich sind bei Abbado diese Kuhglocken-Stellen!). Nicht recht nachvollziehbar ist mir, was David Hurwitz über das


    Kennst Du Gielens Aufnahme?
    Zum andante; ich kenne es eigentlich nur an 3. Stelle, weiß jemand wie die Quellenlage ist?
    Es herrscht hier ein analoges Problem wie in Beethovens 9. und Bruckners 8.: das Finale ist mit relativ großem Abstand der längste und gewichtigste Satz (o.k. bei Bruckner noch das adagio) und es besteht, jedenfalls recht deutlich bei Beethoven 9 und Mahler 6 eine enge Relation zwischen Kopfsatz und Scherzo (grob gesagt ist das Scherzo eine bitter-groteske Variante der dramatischen Tragik des Kopfsatzes). Bei Beethoven stand die Reihenfolge wohl nie zur Debatte (Bekker schlägt allen Ernstes vor, die Mittelsätze der Eroica analog umzustellen! finde ich aber nicht überzeugend, in der gegenwärtigen Form balancieren Sätze 3+4 zusammen ungefähr Kopfsatz und Trauermarsch, in der anderen Reihenfolge verlören sie vereinzelt zwischen den massiven anderen Sätzen erst recht an Gewicht), bei Bruckner weiß ich es nicht, die früheren Sinfonien haben ja alle adagio an 2., Scherzo an 3. Stelle. In der 8. könnte man argumentieren, dass rein von der Spieldauer Kopfsatz und Scherzo gemeinsam das adagio und das Finale etwa balancieren, in Mahler 6. wären dann Hauptsatz+Scherzo ein Gegengewicht zu massiven Finale und das andante ein viel kürzeres Intermezzo. Von der Spieldauer geben sich ja Scherzo und andante nicht viel. Die Idyll-Stellen tauchen im Finale ja auch wieder auf, insofern halte ich diesen Hinweis für nicht so entscheidend.
    Die Frage wäre, ob für Mahler solche Symmetrie und Balanceüberlegungen überhaupt wichtig waren, in den ersten 4 Sinfonien wohl weniger (1. ist hoffnungslos finalelastig, 2. und 3. haben massiven Kopfsatz und Finale, dazwischen sehr viel kürzere und "leichtere" Intermezzi), in der 5. und 7. m.E. sehr deutlich und man würde die 6. ja eher hier einordnen, wohl ebenso die 9.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Mahler hat bei mir mit Klemperers berühmter Aufnahme der 2. angefangen. Aber wirklich 'überrieselt' hat es mich Jahre später erst bei der Aufführung der 6. unter Abbado bei den Wiener Festwochen 1967. Beim Hören dieser Sinfonie kommt es auch darauf an, wie man sich gerade so fühlt. Sie eignet sich nicht, um dem Leben ein paar schöne Stellen abzugewinnen.


    Grüße aus Bonn

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  • Hallo Johannes,


    Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Kennst Du Gielens Aufnahme?


    Dank eines gewissen JR (IIRC) kenne ich sie, ja ;-)


    Zitat


    Zum andante; ich kenne es eigentlich nur an 3. Stelle, weiß jemand wie die Quellenlage ist?


    In der ersten Ausgabe war das Andante an dritter Stelle. Mahler tauschte die Sätze während der Proben aus, das Andante rutschte auf zweite Stelle. Während Mahlers Leben gab es IIRC zwei weitere Ausgaben, die diesen Wunsch Mahlers, das Andante an zweiter Stelle zu spielen, berücksichtigten und das Scherzo also an dritter Stelle druckten. Man geht wohl davon aus, dass Mahler selbst das Andante stets an zweiter Stelle dirigierte. Erst in den 60ern kam eine Neuausgabe, in der das Andante wieder an dritter Stelle steht, und so dirigieren es die meisten (die Infos sind aus dem Gedächtnis, ich glaube, Zander geht in seiner gesprochenen Einführung oder im Booklettext seiner Aufnahme intensiver auf die Problematik ein).


    Abbados Aufnahme ist die erste, die ich habe, bei der das Andante an zweiter Stelle ist - ich habe es vorher immer mal mit umprogrammieren getestet, es hat mich nie recht überzeugt. Bei Abbado ist es ganz logisch da.


    Aber ich muss mir noch vertieftere Gedanken darum machen, was ich nun wirklich besser finde ;)


    Beste Grüsse,


    Claus

    Die wirkliche Basis eines schöpferischen Werks ist Experimentieren - kühnes Experimentieren! (Edgar Varèse)

  • Wenn man schon mehrere Aufnahmen der 6. gehört hat,
    dann finde ich die folgende Aufnahme sehr bereichernd:





    Bei der Klavierfassung hat man das Gefühl, sozusagen den Kern
    der Musik zu hören. (natürlich stimmt es so absolut nicht)
    Aber dann erscheinen die Interpretationen durch die Dirigenten
    im Orchester in einem anderen Licht.

    Gruß
    Rüdiger


    ________________________
    Lärm ist ... nur eines der Übel unserer Zeit, wenn auch vielleicht das auffälligste. Die anderen sind Grammophon, Radio und neuerdings die verheerende Television.


    C.G. Jung

  • Meine absoluten Favoriten (und ohnehin erste Wahl bei Mahler):
    Barbirolli, London
    und
    Horenstein, Stockholm
    Die meines Erachtens "apokalytischesten" Aufführungen, die ich je gehört habe.

  • Für mich ist Soltis Unerbittlichkeit und Brutalität im Finale unerreicht. Deswegen steht seine Aufnahme für mich an erster Stelle.


    Empfehlenswert ist imo auch Rafael Kubeliks Live-Aufnahme



    Kubelik wählt einen anderen Ansatz als Solti. Abgesehen vom dritten Satz, auch bei Kubelik das Andante, herrscht während der gesamten Sinfonie eine fast zwanghaft-getriebene Grundstimmung vor. Er liefert eine Aufnahme voller Leidenschaft und Atemlosigkeit. Mit einer Gesamtspielzeit von 72'43'' gehört diese Aufnahme zu den schnellsten (nur Zender ist, von den Aufnahmen, die ich kenne, noch zwei Minuten schneller).


    Solti legt den Focus im ersten Satz auf die Betonung der rhythmischen Strukturen, Kubelik zeigt einen rasanten Marsch, der permanent vorangeht ohne Ruhe zu finden.
    Noch prägnanter ist der ruhelose, getriebene Charakter im Scherzo zu finden. Man fühlt sich quasi in die Seele eines psychopathischen Menschen hinein versetzt, der verzweifelt versucht Ruhe zu finden, aber sofort wieder zwanghaft vorangetrieben wird. Im Beiheft heißt es "Wenn Humor aufblitzt, ist er grimmig, wenn Gemütlichkeit hereinschaut, blickt sie böse und spitz."


    Ruhe findet sich lediglich im Andante, das Kubelik sehr idyllisch und lyrisch gestaltet. Vorbei ist's mit der Ruhe wenn die ersten Takte des Finales erklingen. Sofort macht sich wieder die gehetzte, ruhelose Geundstimmung breit. Aber anders als Solti läßt Kubelik den fiktiven Helden nicht brutal niederstrecken, sondern der Held richtet sich quasi selbst, weil die Getriebenheit ihren Höhepunkt erreicht hat. (Ich weiß nicht, ob die bildhafte Beschreibung hilft, aber sie klingt nett ;) und versucht die Wirkung der Musik auf mich zu verdeutlichen).


    Willem Mengelberg wird wie folgt zitiert: "Und so sind auch die beiden merkwürdigen Schläge nur als gewaltsame Entladungen einer inneren Spannung zu verstehen, nicht als Wendepunkt einer dramatischen Handlung." So ist es imo auch bei Kubelik gemeint. Bei Solti jedenfalls klingen die Hammerschläge viel brutaler.


    Das Klangbild ist für eine Liveaufnahme von 1968 sehr transparent. Die Aufnahme ist rausch- und störungsfrei, wenngleich natürlich kein dynamisches Spektrum heutiger Zeit erwartet werden darf.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Zitat

    (nur Zender ist, von den Aufnahmen, die ich kenne, noch zwei Minuten schneller).


    Ich vermute, du meinst Benjamin Zander und nicht Hans Zender?

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Falsch vermutet, denn nur wo Zender draufsteht, ist auch Zender drin ;) .


    Hans Zender hat Mahlers 6. vom 04.-07. April 1973 mit dem RSO Saarbrücken aufgenommen. Veröffentlicht wurde die Aufnahme im Rahmen der " Hans Zender Edition" bei cpo.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Hallo,


    ich habe diesen Fred zum Anlass genommen, auch mal wieder die 6. zu hören.
    Meine diesbezügliche "Sammlung" ist übersichtlich, weist aber auch manches hier Empfohlene auf. So hörte ich zunächst Janssons, der mich sofort mitnimmt. Dann Solti. Der mir jedoch zu brachial schien und mich die 6. zur Seite legen ließ.


    Später kaufte ich mir dann auch den Abbado. Und mir geht es sow, wie es C. Huth formulierte: Die Einspielung wrd von mal zu mal besser. Beim ersten Hören war ich etwas enttäuscht, erwartete auch hier eine vom Fleck weg mitreißende Dramatik. Das gab es für mich nicht. Dafür hatte ich das Gefühl, mehr in die Musik hineingezogen zu werden. Da ist noch einiges zu entdecken.


    Zwischenzeitlich habe ich den Mahler-Zyklus von Chailly erworben. Die 6. habe ich jedoch noch nicht in Ruhe gehört. Auch da bin ich gespannt, da mir Chaillys Einspielungen bislang (vor allem die 3., viel weiter bin ich noch nicht gekommen) sehr gefallen.


    Gruß, l.

    "Jein".

    Fettes Brot

  • Seit Tagen bin ich auf einem "Mahler-Trip", wobei es mir, warum auch immer, momentan die 6. besonders angetan hat. Durch das vergleichende Hören sind mir verschiedene, sehr interessante und stimmige, Interpretationsansätze aufgefallen, die ich sehr faszinierend finde.


    Zuerst Solti, über den ich schon ein paar Sätze schrieb.



    Mahlers 5. und 6. waren die ersten Schallplatten, die Solti als Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra aufnahm. In einer zeitgenössischen Kritik des "Fono Forum" (Nr. 11/71) wurden beide Aufnahmen als die "beste Orchesteraufnahme des Jahres" bezeichnet.


    Wer die Brutalität der "Tragischen" schätzt, der wird mit Solti bestens bedient.
    Schon im ersten Satz wird klar, daß bei Solti keine Freundlichkeiten zu erwarten sind. Zu prägnant wird der Marschrhythmus betont, zu scharf konturiert tritt das Blech hervor. Auch im zweiten Satz dominiert der Marschrhythmus. Es dürfte kaum verwundern, daß das Blech und die tiefen Streicher viel dominanter sind als bei Kubelik.


    Selbst im dritten Satz, den Solti im Vergleich zu Kubelik, Zender oder dem sonst langsameren Chailly recht breit nimmt (mit 15'30'') vermag sich, anders als bei Kubelik, keine "Ruhe vor den Sturm" einstellen. Wo Kubelik wenigstens im Andante "Oasen der Erholung" anbietet, ist bei Solti -trotz langsameren Tempos- kein Platz für das Aussingen von schönen Melodienbögen.


    In einer Beschreibung der Sinfonie liest man über den vierten Satz: "In diesem Satz kommen Mahlers Befürchtungen und Versagensängste zum Vorschein". Mahler selbst soll gesagt haben "Beim dritten Schlag wird der Held gefällt". Bei Solti tritt das "Fällen" schon vorher ein, und es kommt einer Hinrichtung gleich.


    Unerbittlich treten die Pauken hervor, brutal hart erklingen die drei Hammerschläge, energisch, rhythmisch pointiert und temperamentvoll treibt Solti das wunderbar aufspielende Orchester voran.


    Soltis Gesamtkonzept ist sicherlich nicht jedermanns Sache, aber ich kenne wenige Aufnahmen überhaupt, die einen einmal eingeschlagenen Weg derart kompromißlos verfolgen wie der ungarische "Rhythmus- und Temperamentsfanatiker" es 1970 tat.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Da ich momentan wohl der Faszination der 6. Sinfonie zu erliegen scheine (womit ich aber bequem leben kann ;) ), suche ich noch nach ein, zwei, paar mehr Alternativen.


    Wie wird Leinsdorfs Live-Aufnahme beurteilt?


    Leinsdorf soll, wie ich las, einen Interpretationsansatz gewählt haben, der fernab von der Betonung der Brutalität liegen soll. Stimmt das?


    Dann eventuell noch Benjamin Zander, von dem Edwin eben in einem anderen Thread schrieb, daß Zanders Erläuterungen spannender seien als das Klangergebnis. Sieht das jemand anders?

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


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  • Hallo Norbert und Mahler-Freunde,


    ich hatte mir eigendlich vorgenommen mir nie eine andere Aufnahme als die auch von Dir geschätzte Solti-Aufnahme der Mahler-Sinfonien zu kaufen. Ich meine mit Solti kann man wirklich zufrieden sein - so Emotionsgeladen hört man die Sinfonie Nr.6 und die Anderen einfach nirgendwo - eine wunderbare Aufnahme, bei aller Schlagkraft, die diese bietet.


    Ich bin nicht der Mahler-Fan, der nun wöchendlich Mahler hört - da sind schon längere Zeitabschnitte dazwischen.
    Ein Superangebot eines Niederländischen "Daachblattes" hatte aber ein so umwerfendes Angebot (27,-€ incl.Versand) für die Mahler-Sinfonien Nr.1-10-Decca-Chailly-Box, dass ich nicht wiederstehen konnte. Chailly als Interpretationsvergleich mit bester Klangqualität des Concertgebow Orchestra Amsterdam - ja, das ist schon äußerst interessant.


    :)Gestern habe ich aus der neuene Chailly-Box die von mir hochgeschätzte Sinfonie Nr.6 zuerst gehört. Chailly liefgert einen sehr musikalischen Mahler, die Schlagkraft von Solti wird nicht erreicht. Ein direktes Vergleichshören meiner Solti-Aufnahme hat dann dazu geführt, das ich ca.70% der Hörsitzung dann doch bei Solti geblieben bin. Einzig der 3.Satz gefiel mir mit Chailly besser. Es war auch der einzige Satz der mit ca.14Min schneller interpreteiert war als von Solti mit über 15Min.. Mich stört bei Chailly die durchweg längere Spielzeit, die gerade bei der Sinfonie Nr.6 Spannung herausnimmt.
    Die Klangqualität beider Decca-Produktionen ist TOP und Höchstwertig - Solti analog, Chailly digital - trotzdem keinerlei Klangeinbußen. Bei Solti gefiel mir auch besser, das die Pauken quasi im Hörraum stehen und leider bei Chailly wesentlich softer ins Orchester intergriert sind.


    Ich bin nun gespannt auf die weiteren Chailly-Mahler-Aufnahmen.
    Bei der Sinfonie Nr.6, die ich besser kenne als alle anderen, geht mein Zuschlag klar an Solti. Das wird sich warscheinlich auch bei anderen Aufnahmen niemals ändern können!




    Symphonien Nr. 1-10
    Concertgebouw Orchestra (Nr. 1-9),RSO Berlin (Nr. 10),
    Riccardo Chailly
    Decca Aufnahmen 1988 - 2004 DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo teleton,


    ich denke, Du wirst bei Chailly spannendere Aufnahmen als die 6. entdecken.


    Zuerst: NIchts gegen Chailly. Ich halte ihn für einen sehr guten Mahler-Dirigenten, weil er neben einer großen Sorgfalt und einem fantastischen Orchesterspiel einen großen Sinn für Klangästhetik mitbringt. Er zeigt Leidenschaft, wo Leidenschaft gefragt ist, er zeigt Transparenz, wo Transparenz gefragt ist, aber Brutalität ist nicht sein Fall.


    Natürlich kann man Mahlers 6. auch anderes interpretieren als Solti. Ich erwähnte Kubelik, der einen "psychologischen Ansatz" wählte, Abbado in seiner neuen Aufnahme entzieht sich dem resignativen Charakter der Sinfonie. Auch Bernard Haitink, Chaillys Vorgänger beim Concertgebouw Orchester, zeigt, daß es "Hoffnung gibt". Bloß tut er das imo schlüssiger als Chailly.


    Dazu beizeiten mehr...

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • @ Norbert


    Ich habe gerade noch einmal auf die Frage nach Alternativen/Ergänzungen zu Solti für Dich in die Aufnahmen von Benjamin Zander und Erich Leinsdorf eingehender hinein gehört.


    Die Aufnahme von Zander ist eine ordentliche, aber wenig hervortretende Einspielung. Natürlich deutlich weniger Prägnanz als bei Solti (bei dieser Seite ist er bei der 6. nicht zu schlagen), weniger artikuliert und zugleich auch kein Mehr an Details. Also Du merkst, keine meiner Lieblingsaufnahmen der 6., die mir besonders wichtig wäre. Ich hätte auch kein Problem, wenn ich diese Aufnahmne nicht hätte.


    Erich Leinsdorf setzt auf ein ganz anderes Ausdrucksspektrum als Solti. Er verzichtet auf die harte, mitunter auch scharfe Prägnanz, die Interpretation ist kammermusikalisch, detailreich - gleichwohl sind die Themen und großen Linien durchhörbar. Die Dramatik ist damit deutlich zurückgenommen, was aber hier beim Gesamteindruck in keiner Weise schadet. Diese Interpretation hat damit für mich eigene Bedeutung, sie erschließt neue Seiten dieser Sinfonie. Eine Alternative dieser Richtung ist Abbado mit seiner neuen Aufnahme (Juni 2004) DG. Die braucht man eigentlich unbedingt, wenn man die 6. Sinfonie mag - wie konnte ich eigentlich bisher ohne diese Einspielung leben?


    An älteren Aufnahmen gibt es noch Horenstein (Stockholm), Mitropoulos, Barbirolli (2 x) und auch - ja er hat doch Mahler aufgenommen - auch Karajan. Von Karajan gibt es übrigens auch auch eine interessante der 5. und ebenfalls nicht zu verachtende der 9. Sinfonie (jedenfalls bei mir im Bord). Dazu könnte ich später noch etwas sagen. Zu Mitropoulos hatte ich das schon längere Zeit vor (wunderbare Einzelstellen, aber dann auch weniger aussagekräftige schwächere Stellen).


    Ich mag auch die ältere Einspielung von Simon Rattle mit dem City of Birmingham Orchestra (EMI 1990) - sehr detailreich und trotzdem prägnant und durchschlagskräftig (wichtig gerade im ersten Satz). Das hat im Gesamteindruck durchaus noch Vorzüge gegenüber Solti, bei dem durch fast gewalttätigen Ausdruck die Details an Kenntlichkeit verlieren.


    Ein schönes Wochenende wünscht


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Hallo Matthias,


    danke für Deine Einschätzungen.


    Okay, dann kommen Rattle (über den ich diesbezüglich gutes gelesen habe; aber seine Aufnahme der 5. mit den Berliner Philharmonikern war alles anderes als "neugierfördernd") und Leinsdorf auf den Wunschzettel.


    Zitat

    Original von MStauch
    An älteren Aufnahmen gibt es noch Horenstein (Stockholm), Mitropoulos, Barbirolli (2 x) und auch - ja er hat doch Mahler aufgenommen - auch Karajan. Von Karajan gibt es übrigens auch auch eine interessante der 5. und ebenfalls nicht zu verachtende der 9. Sinfonie (jedenfalls bei mir im Bord). Dazu könnte ich später noch etwas sagen.


    In der Tat, Karajans Sicht auf die 5. bietet interessante Einblicke. Wenn Du bei der 9. die Liveaufnahme von den Berliner Festwochen 1982 und nicht die vorher erschienene Studioaufnahme meinst, bin ich ganz Deiner Meinung.
    Einer Diskussion über "Karajans Mahler" würde ich mich durchaus anschließen... ;)


    Ebenfalls ein schönes Wochenende.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Jascha Horenstein und Sir John Barbirolli scheinen den meisten hier nichts mehr zu sagen ... schade ...
    Mainstream bevorzugt? Ich hab jedenfalls meine Solti-Aufnahme nach meiner ersten Begegnung mit Barbirolli verschenkt ... und dann erst Horenstein ... !
    Beide Aufnahmen sind noch erhältlich ...

  • Hallo Ben,


    "Mainstream" muß nicht immer schlecht sein ;) .


    Von Barbirolli habe ich immerhin ;) Mahlers 5.


    Ich habe mich ein bißchen schlau gemacht und lese zu Barbirolli sinngemäß: "er spielt den ersten Satz schleppend, zäh und pedantisch", "seine Sichtweise ist die eines Außenstehenden".


    Bei Horenstein bemerkt der selbe Kritiker ein "unkultiviertes und ungenaues" Orchesterspiel und sieht einen "schwerfälligen" ersten Satz, der sogar "auf der Stelle tritt".


    Okay, Geschmäcker sind verschieden.


    Da ich Horenstein noch gar nicht kenne und bei Barbirolli in meiner Sammlung auch nicht gerade "üppig bestückt bin", würde ich Dich gerne um ein paar näher bringende Worte bitten.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • @Ben


    Horenstein und Barbirolli sagen mir viel, insbesondere bei Mahler.


    Vielleicht kannst Du aus Deiner Sicht etwas zum Vergleich von Horenstein und Barbirolli bei der 6. Sinfonie zu den anderen angesprochenen Aufnahmen sagen. Von welcher Aufnahme Barbirollis sprichst Du bei der 6.? Von der mit dem LSO / August 1967 oder mit den Berliner Philharmonikern Januar 1966 live? Was hälst Du von der Abbado-Aufnahme?


    Schon nach Deinem Beitrag weiter oben hatte ich mir vorgenommen, diese drei Aufnahmen wieder anzuhören, um den Eindruck wieder aufzufrischen. Das wird demnächst geschehen.


    An der Spitze der Interpretationen steht Horenstein für mich bei der 3. Sinfonie und Barbirolli unter den allerersten bei der 5. Sinfonie.


    Mit besten Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Der live-Mitschnitt mit Barbirolli ist noch etwas packender als die Studioproduktion, aber die Anlage ist insgesamt recht ähnlich. Mir persönlich gefällt Mahlers letztgültige Reihung mit dem Scherzo an dritter Stelle besser, aber das kann dank Track-Programmierung ja jeder für sich entscheiden.
    Jeder, der in dem Allegro Energico das "Energico" als Geschwindmarsch begreift, wird bei Barbirolli und Horenstein nicht gut bedient. Aber wer Spaß daran hat, daß beispielsweise die wiederholten Baßnoten so wuchtig wie einzelne Axthiebe fallen, für den sind die Aufnahmen ein Muß. Und zu Barbirollis Disposition des Finales sagte mir neulich ein sehr kundiger Freund: "Man muß sich zwar dran gewöhnen, aber dann merkt man: Barbirolli scheint mir der einzige, der das Stück nicht nur so laut und schnell wie möglich hinter sich bringen will und die großen Bögen und Höhepunkte wirklich herausarbeitet, ohne das ihm die Luft ausgeht."
    Die jüngste Abbado-Aufnahme finde ich recht ansprechend, aber die apokalyptischen Aspekte besonders der Ecksätze scheinen mir ein wenig unterbelichtet; die ist mir insgesamt zu lyrisch und handzahm, und der Orchesterklang nicht farbig genug. Aber das liegt nicht an Abbado...

  • Ich plädiere dafür, Mahlers 6. in einer Mainstream-Aufnahme (Bernstein oder Abbado) und zwei absoluten Extremeinspielungen kennen zu lernen.
    Die erste Extremeinspielung ist für mich der genannte Horenstein: Es mag sein, dass das Orchester nicht mit letzter Präzision agiert. Dennoch: Horenstein hat für diese Musik so unglaublich viel Gefühl - er sieht nicht nur die Verzweiflung, sondern auch die verklärte Gegenwelt, wodurch die emotionale Spannweite bei ihm größer ist als bei den meisten mir bekannten Einspielungen.
    Die andere Extremeinspielung ist Kyrill Kondraschin: Seine 6. ist von einer derartigen Hysterie geprägt, dass man förmlich erschrickt: Der atemlos vorangepeitschte Marsch im ersten Satz erinnert mich an einen verzweifelt im Kreis laufenden Menschen, der keine Hoffnung auf ein Entkommen hat. Die Verzweiflungsschreie der Trompeten im letzten Satz sind einzigartig, das Zerbröckeln am Schluss beklemmend wie nichts sonst. Eine Aufnahme, die den Zuhörer niederschmettert.

    ...

  • Wer kann mir die Unterschiede nennen zwischen den beiden Aufnahmen, die von Mitropulous überliefert sind, nämlich jener bereits wiederholt genannten aus Köln und jener bis jetzt nicht genannten aus New York aus der Box: The Mahler Broadcasts 1948-1982, die einst hier rezensiert wurde.


    Danke!

    Gruß ab


    ---
    Und ich meine, man kann häufig mehr aus den unerwarteten Fragen eines Kindes lernen als aus Gesprächen mit Männern, die drauflosreden nach Begriffen, die sie geborgt haben, und nach den Vorurteilen ihrer Erziehung.
    J. Locke

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