Bernstein: Mass

  • Ich weiß nicht, ob das hier der richtige Platz ist.


    Ich war gerade in "Mass" von Leonard Bernstein in einer Aufführung in der St. Johanniskirche in Lüneburg. Es war großartig. Allen voran John Cashmore als CELEBRANT. Tolle Musik und tolles Aufführungskonzept.

  • Aber klar doch, schliesslich zählt Bernstein mit zu den wichtigsten Amerikanischen Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts. Was das Werk betrifft - nun ich finde seine Westside-Story noch besser. Aber das gehört ja dann in die Unterrubrik Musical.


    Bei Mass finde ich den ständigen und noch dazu gekonnt miteinander verwobene Kontrast zwischen strenger Mess-Lithurgie und - naja sagen wir mal - frenetischer Gospelmusik sehr reizvoll.


    Wem das alles gefällt, der möge sich auch mal Bernsteins drei Symphonien zu Gemüte ziehen:


    Symphonie Nr. 1: Jeremiah
    Symphonie Nr. 2: The Age Of Anxiety
    Symphonie Nr. 3: Kaddish


    Insbesondere die Kaddish kommt - was den Aufbau betrifft - der Mass noch am nächsten: hier gibt es neben dem Orchester noch einen Erzähler und einen Chor.


    Dazu passt dann noch unbedingt Stravinskys Psalmensymphonie.

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Es ist ein großartiges Stück mit phantastischer Musik. Es ist definitiv kein Musical. Es ist eine durch szenisch ergänzte und kommentierte Messe eines neuzeitlichen Komponisten.
    Nach einer sehr gewöhnungsbedürftigen Ouvertüre folgt das bekannteste Stück, der Simple Song vom großartigen John Cashmore ist es auf der Homepage (unter mass kommt googlen dort material) downloadbar.


    Das Stück folgt der Reihenfolge einer Messe, deren Bestandteile jedoch durch die "Streetpeople", die feiernde Gemeinde, kommentiert oder pointiert wird. Der Zweifel an der Messe und der Zweifel am Glauben ("Ich glaube an Gott, wenn Gott an mich glaubt") bringt die Messe fast zum scheitern. Erst als der Celebrant (die Hauptpartie) das Abendmahl "zerlegt" und die Messe abbricht, finden alle zum Glauben zurück udn die Messe wird beendet.


    Für mich ist der Höhepunkt das "Vater Unser" gegen Ende von Mass. Für eine Männerpartie ist dies ein abartig hohes Stück. In Lüneburg hat John Cashmore es zart und im Piano gesungen. Grandios.


    Wer die Gelgenheit hat ihn hören zu können, sollte dies unbedingt tun.


    Die Johanniskirche in Lüneburg ist ein große Kirche mit einer enomren Akustik. Die szenische Darstellung war gut, wobei in den Gebetsszenen Bilder von Not, Elend und Umweltzerstörung eingeblendet wurden. Das fand ich unnötig weil zu direkt und flach. Die Darstellung war ausgzezeichnet, wobei alles gegen John Cashmore abfiel.

  • Ich habe Bernsteins “Mass” 1981 in der Wiener Staatsoper erlebt. Ein unvergessliches musiktheatralisches Ereignis!


    Derzeit verfügbare Aufnahmen von Bernsteins “Mass”:


    Die Ersteinspielung unter der Leitung des Komponisten, aufgenommen im Umfeld der Uraufführung:



    Eine Aufnahme aus Berlin mit Kent Nagano (veröffentlicht 2004):



    Die erst vor kurzem erschienene Aufnahme mit Kristjan Järvi und dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich:



    Und eine 2008 erschienene DVD mit Santa Cecilia Chor & SO unter Boris Brott:


    Freundlicher Gruß
    Alexander

  • Heute möchte ich hier auf eine brandneue CD-Erscheinung des Labels NAXOS hinweisen:




    Leonard BERNSTEIN – Mass
    A Theatre Piece for Singers, Players and Dancers
    Text from the liturgy of the Roman Mass
    Jubilant Sykes, Celebrant
    Asher Edward Wulfman, Boy Soprano
    Morgan State University Choir, Dr. Eric Conway
    Peabody Children’s Chorus, Doreen Falby
    Baltimore Symphony Orchestra,
    Dirigentin: Marin Alsop
    Recorded at Joseph Meyerhoff Symphony Hall,
    Baltimore, USA
    Label: Naxos , DDD, 2008
    Erscheinungstermin: 27.7.2009


    Hörproben gibt es bei jpc.


    Zitat

    Als der Komponist Leonard Bernstein von Jacqueline Kennedy Onassis darum gebeten wurde, anlässlich der Einweihung des John F. Kennedy Centers of the Performing Arts in Washington D.C. ein Stück zu komponieren, schrieb er: „Mass ist ein extrem dramatisches Werk in sich – es deutet sogar ein Theaterstück an.“ Die Premiere von Mass fand am 08. September 1971 statt. Stephen Schwartz, der Komponist des berühmten Musicals Godspell, nannte Bernsteins Mass eine bemerkenswerte und visionäre Arbeit, die ein Kaleidoskop an musikalischen Stilrichtungen beinhaltet. Mit seinen Themen, die politischen Protest und Existenzkrisen ebenso berücksichtigen wie Glaubensverlust und Rückkehr zur Religion, ist Mass ein zeitloses und universelles Werk.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich schätze dieses Werk sehr und ich kenne es nur aus den Aufnahmen von Nagana und Järvi. Die szenische Umsetzung habe ich leider noch nicht sehen dürfen.


    Bernsteins "Mass" ist eines sicherlich nicht: leichte Kost. Auch wenn musikalische Mittel der Populärkultur eingesetzt werden, darf nicht der Eindruck entstehen, diese Musik und die Texte erschliessen sich dem Zuhörer und Zuschauer leicht. Ich musste mich in den Text einlesen, welche die Glaubenszweifel und Zerrissenheit des modernen Menschen zum Thema haben. Ich zitiere oder fasse zusammen, was im Booklet-Text der Järvi Aufnahme steht:


    Das Werk ist dem Gedenken an den ermordeten amerikanischen Präsidenten Kennedy gewidmet.
    Katholische kirchliche Vertreter polemisierten gegen das Werk und verboten den Gläubigen den Besuch der Vorstellung. Präsident Nixon und Jacqueline Onassis, immerhin die Auftraggeberin der Komposition, blieben der Uraufführung fern. Kritiker monierten, der Komponist habe den Bogen allzusehr überspannt und zuviel Botschaft und Bekenntnis in das Werk hineingepackt. Ein Kritiker sprach eine brutale Kritik aus: "eine Kombination von Oberflächlichem und Prätenziösem, das grösste Stilmischmasch seit dem Frauenmagazin-Rezept für Steak, gebraten in Erdnussbutter mit Marshmallow-Sosse" Harald Schonberg in New York Times, 12. September 1971.


    Ich zitiere weiter aus dem Booklet-Text der Järvi Aufnahme den Brief, den Seine Exzellenz Paul Moore jr. an Bernstein gerichtet hat:
    "Ich wollte Sie wissen lassen, wie tief mich die Kreativität des Stücks bewegt hat und welche tiefe Einsichten in die Priesterschaft und die Theologie der Eucharistie Sie zum Ausdruck brachten ... in mancher Hinsicht ist es die Geschichte meines Lebens. Ich konnte mich zutiefst identifizieren mit den unmässigen Anforderungen, die manche Leute an die Kirche und den Priester haben, sowie mit der tiefen Abscheu, die man manchmal mit dieser Rolle hat."
    Moore bezog sich auf die zentrale dramatische Aussage der Messe: den schockierenden psychischen und physischen Zusammenbruch des Zelebranten am Höhepunkt des Werkes.


    1972 beschrieb Bernstein .... sein provozierendes Szenario folgendermassen:


    "Das Ritual wird von einem jungen Mann von mysteriöser Schlichtheit (dem Zelebranten) durchgeführt, der im Verlauf des Dramas von seinen Ministranten mit immer prunkvolleren Roben und Symbolen versorgt wird, die sowohl auf die Zunahme an oberflächlicher Förmlichkeit seiner Pflichten verweisen als auch auf die Last, die er zu tragen hat. Parallel dazu wächst der Widerstand seiner Gemeinde - in der Schärfe und Bitterkeit ihrer Reaktionen - sowie der Verfall seines eigenen Glaubens. Auf dem Höhepunkt der Kommunion bricht das ganze Zeremoniell zusammen, und die Messe fällt auseinander. Es bleibt allen Individuen auf der Bühne nichts anderes übrig. als durch schmerzliche Meditation in sich einen neuen Keim des Glaubens zu finden, so dass ihnen allen ermöglicht wird, die Umarmung des Friedens (Pax) an ihre Nachbarn weiterzugeben. Die Kette der Umarmungen wächst an und setzt sich auf der ganzen Bühne fort, um letzendlich das Publikum und hoffentlich sogar die Aussenwelt einzubeziehen." Zitat Booklet-Text Ende


    Dieser mit Pax: Communion ("Secret Songs") überschriebener Schlussteil ergreift mich in seiner Schlichtheit und Aussage jedes Mal, wenn ich mir das Werk anhöre.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Wenn ich das richtig verstanden habe gibt es in Wien im April 4 Aufführungen, nämlich In Koproduktion mit dem Osterklang ’11


    Semper Depot - Atelierhaus der Akademie der bildenden Künste Wien
    Lehargasse 6-8
    1060 Wien


    am 17.04.2011 / 19.04.2011 / 22.04.2011/ 25.04.2011 jeweils um 20.00 Uhr


    Walter Kobéra Musikalische Leitung
    Hendrik Müller Inszenierung
    Matthias Werner Ausstattung
    Nikolaus Adler Choreografie
    Norbert Chmel Licht


    mit


    Alexander Kaimbacher Zelebrant Rebecca Nelsen, Bibiana Nwobilo, Simona Eisinger, Anna Clare Hauf, Marion Fechter, Maria Weiss, Marko Formanek,
    Abdul Candao, Martin Piskorski, Georg Leskovich, Dieter Kschwendt-Michel, Andreas Kammerzelt Street People Leonid Sushon
    Knabensolo
    Wiener Kammerchor Opernschule der Wiener Staatsoper




    amadeus ensemble-wien