Richard Wagners symphonisches Schaffen

  • Wenig beachtet ist bis heute neben seinen alles überschattenden musikdramatischen Werken das symphonische Schaffen Richard Wagners, wohl nicht zuletzt auch deswegen, weil Wagner diesem Genre keine Zukunft voraussagte.



    Nichtdestotrotz gibt es einige symphonische Werke aus Wagners Hand, im einzelnen folgende:



    Was Aufnahmen betrifft, so ist erfreulicherweise festzustellen, daß mittlerweile jedes Werk (außer scheinbar die Konzertouvertüre Nr. 1) in mindestens einer Aufnahme vorliegt:



    Symphonie C-Dur
    + Siegfried-Idyll
    RSO Berlin, Rögner
    1978



    Symphonie C-Dur
    (+ Weber: Symphonien Nr. 1 und 2)
    Norwegian RSO, Rasilainen
    1998



    Symphonie E-Dur
    + Faust-Ouvertüre; Liebesverbot-Ouvertüre;
    Rienzi-Ouvertüre; Wesendonk-Lieder (arr. Henze);
    Columbus-Ouvertüre; Die Feen-Ouvertüre; Huldigungsmarsch;
    Kaisermarsch; Großer Festmarsch; Siegfried-Idyll
    Marjana Lipovsek
    Philadelphia Orchestra, Bayr. RSO, London SO, Academy St. Martin, Wolfgang Sawallisch, Marek Janowski, Neville Marriner, Jeffrey Tate
    1995



    Symphonie C-Dur (Urfassung Leipzig 1832)
    + Siegfried Idyll (Urfassung Tribschen 1870)
    Chursächsische Phiharmonie, Merz
    1996



    Rienzi; König Enzio; Das Liebesverbot;
    Die Feen; Christoph Columbus; Faust
    Malaga PO, Rahbari
    2002



    Polonia
    + Rule Britannia; Großer Festmarsch; Kaisermarsch
    Hong Kong Philharmonic Orchestra, Kojian
    2001



    König Enzio (Bühnenmusik): Ouvertüre
    + Der fliegende Holländer, Ouvertüre; Lohengrin, Vorspiel 1. Aufzug;
    Lohengrin, Vorspiel 3. Aufzug; Tannhäuser, Ouvertüre;
    Tannhäuser, Vorspiel 3. Aufzug; Die Walküre, Walkürenritt;
    Die Meistersinger von Nürnberg, Vorspiel 1. Aufzug
    R. Schumann Philharmonie Chemnitz, Caetani
    2005



    Konzertouvertüre Nr. 2
    + Symphonie in C-Dur; Wesendonck-Lieder
    Birgit Schmickler
    Jenaer Philharmonie, Christmann
    2003

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Allzu sehr hab ich mich mit Wagners symphonischem Schaffen noch nicht beschäftigt, viele seiner Opernovertüren, -Vorspiele - oder allgemeiner: Instrumentalstücke - sind ganz wunderbare, ja manchmal überwältigend schöne Musik: Parsifal-Vorspiel, Verwandlungsmusik, Lohengrin-Vorspiel, Tannhäuser-Overtüre etc. etc. Da braucht keiner sagen, dass Wagner nur mit Gesang funktioniert!
    Um aber auf seine Tätigkeit außerhalb der Opernwelt zurückzukommen: Ich war von seiner Symphonie in C-Dur, die ich in der Einspielung unter Rasilainen habe, ziemlich positiv überrascht, da sie ja ein sehr frühes Werk ist und Wagner sich der Symphonie als Form ja nicht wirklich ausgiebig gewidmet hat. In der obersten Liga kann er da wohl nicht mitspielen, aber sie hat auf jeden Fall ihre Reize.


    Ziemlich unsäglich dagegen finde ich seinen "American Centennial March", ein reichlich uninspiriertes, polterndes Uff-Da-Da-Stück. Das kann man sich sparen. Vielleicht für's Bierzelt geeignet ...


    Best, DiO :beatnik:

  • Also schauen wir uns einmal den Symphoniker Wagner an, wobei ich seine bühnengebundenen Symphonien wie "Tristan", "Parsifal" (die mit dem tollen Scherzo im Mittelsatz) und "Meistersinger" einmal beiseite lasse.


    Mit Ausnahme der Märsche und dem "Siegfried-Idyll", datieren alle symphonischen Werke Wagners aus früher Zeit. Das reifste Werk ist die "Faust-Ouvertüre", die tatsächlich große Qualitäten hat und in ihrer gestischen Prägung auf spätere Vorspiele hinweist.


    Angesichts dessen ist es absurd, wenn in der Literatur immer wieder auf das "symphonische Schwächeln" Wagners hingewiesen wird: Man müßte die Jugendwerke anderer zeitgenössischer Komponisten zur Hand nehmen, um wirklich vergleichen zu können.


    Fakt ist, daß Wagner schon in diesen Werken verblüffend gut instrumentiert. Vergessen wir nicht, daß das damals vor allem auf Erfahrungswerten beruhte und nicht auf Konservatoriums- oder Hochschullehrgängen.


    Daß sich Wagner viel von Beethoven und Spohr abgeschaut hat, wird in diesen Werken auf reizvolle Weise klar (während Wagners Klavierwerke ein Faible für Chopin verraten). Was Wagner treibt, ist "Learning by doing". Er schreibt beispielsweise die Partitur der Neunten Beethoven ab. In der Literatur wird das meist als Verneigung vor Beethoven bezeichnet. Was Quatsch ist. Es ist eine Möglichkeit, sich Beethovens Werk zu nähern, die Strukturen gleichsam schreibend aufzuspüren, die analytische Arbeit am Objekt umsetzend. Dann entwirft Wagner seine eigene Symphonie. So, wie er sich mit Einlage-Arien und Arien-Verlängerungen (eine damals übliche Praxis) an die stilistischen Möglichkeiten der deutschen und der italienischen Oper herantastete, probiert er das symphonische Vokabular aus.


    Erstaunlich ist dabei, daß dieser frühe Wagner durchaus einen eigenen Stil hat - es ist nur nicht ein Stil, der auf den späteren Wagner hinweist. Diese frühen Werke haben etwas Widerborstiges, Kratziges, so gar nicht Weihrauchumwabertes, das, obwohl es deutlich in Beethoven (und Spohr und Weber und und und) wurzelt, eigenständig ist.


    Nur: Genial, wirklich genial, ist es nicht.


    Eher scheint dieser Komponist ein guter, aber kein hervorragender Vertreter des Genres "Orchesterstück" zu sein. "Ouvertüren" für den Konzertgebrauch entstanden ja haufenweise; auch Berlioz hat einige geschrieben (und bessere als Wagner); die meisten fix angestellten Kapellmeister haben das Genre bereichert. Man nehme eine halbwegs prägnante Tonfolge und eine gegensätzliche Melodie (bitte in Viertakt-Periode), wende sie hiehin und dahin, harmonisiere sie am verwegensten mit terzverwandten Akkorden, fertig ist die Ouvertüre oder Fantasie oder was auch immer. Wagner macht das einen Hauch besser als die meisten, aber er hebt sich nicht wirklich ab. Offenbar war die bei seiner vertrautesten Umgebung auf heftigste Mißbilligung stoßende "Hochzeit" doch ein so starker Dämpfer, daß er nicht nur dieses Opernprojekt abbrach, sondern auch den verwegen-kühnen Stil vorerst einmal aufgab um sich sein Rüstzeug auf konservativ-ungefährlichem Boden zu sichern. Und genau dazu dienen diese Ouvertüren, die (tüchtigen) Symphonie-Versuche etc.



    Dann haben wir den späteren Symphoniker Wagner, bestehend aus vier Werken:
    - Siegfried-Idyll (1870)
    - Huldigungsmarsch für Ludwig II. (1864)
    - Kaisermarsch (1871)
    - Amerikanischer Festmarsch (1876)


    Das einzige dieser Werke, das Anspruch auf einen hohen Rang hat, ist das "Siegfried-Idyll". Nicht zuletzt von seiner Idee her ist es revolutionär: Zum ersten Mal arbeitet ein Komponist eine Oper instrumental auf. Das "Siegrfried"-Idyll findet seine Fortsetzungen in der Mathis-Symphonie Hindemiths und sogar in Henzes Vierter Symphonie nach der Oper "König Hirsch".
    Auch wie Wagner mit dem kleinen Orchester umgeht, ist erstaunlich. Sein verästelter Streichersatz weist voraus auf die späte Phase von Richard Strauss, die delikaten Farbbeigaben der Bläser klingen nachromantisch, nicht hochromantisch.


    Die Märsche stehen auf einem niedrigeren Niveau und wollen eben wirklich nur Zelebrationsmusik sein. Alle drei leiden unter einer für Wagner seltsam wenig prägnanten Thematik, man spürt den glänzenden Handwerker, der schnell was hinflunkert, ohne auch nur einen Gedanken an Qualitätsfragen zu verschwenden.
    Der Amerikanische Festmarsch ist insoferne interessant, als Wagner einen Einfall dafür notierte mit dem Zusatz "americanisch sein wollend". Er verwendete ihn jedoch nicht im Marsch, sondern im "Parsifal", Zweiter Akt, "Komm, holder Knabe".


    :hello:

    ...

  • Ich habe mich ja schon in meiner "Hitliste" der Wagner-Opern als jemand geoutet, der Wagner für einen der größten deutschen Orchesterkomponisten hält und immer wieder bedauert, dass - oder besser: wie - zwischen und über den grandiosen Orchesterpassagen gesungen wird. :untertauch:


    Sieht man von dem SIEGFRIED IDYLL ab, dass auch ich für genial und eines der schönsten hörbaren Zeugnisse einer echten Liebe halte, täte man dem sinfonischen Wagner großes Unrecht, wollte man ihn auf seine Jugendwerke reduzieren, die Edwin m. E. völlig richtig beschrieben und gekennzeichnet hat.


    Eine Würdigung des Sinfonikers Richard Wagner wäre daher unvollständig, würde sie Zusammenstellungen wie z. B. diese besonders guten und preisgünstigen von Leopold Stokowski und George Szell aussparen:


    .............................


    Wer sie, egal in welcher Verpackung und (immer niedrigen) Preislage auf einem Grabbeltisch mit Sonderangeboten findet, kann übrigens auch getrost zu dieser tontechnisch und musikalisch vorzüglichen cd greifen:



    Der leider unlängst verstorbene Vernon Handley erweis sich hier nämlich als ein Wagnerdirigent der Spitzenklasse, den man leider viel zu selten ans Pult eines Opernhauses ließ (oder wollte er nicht?)


    Dass Wagner der lange Atem fehlte, kann man ihm wirklich nicht vorwerfen. Dass er einige der besten Sinfonien seiner Zeit hätte schreiben können, wenn er es nur gewollt hätte, sollte nach diesen gebündelten Beispielen auch außer jeder Frage stehen. Aber er hatte es halt mit dem Gesamtkunstwerk. :stumm:


    Wer aber diese Beispiele aus ihrem Zusammenhang gelöst kennt, braucht IMHO schon einen gewissen Fanatismus um die frühen Werke öfter hören zu wollen, so interessant sie fin einer ersten und zweiten Begegnung auch sein mögen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Hallo Jacques,


    Zitat

    Wer sie, egal in welcher Verpackung und (immer niedrigen) Preislage auf einem Grabbeltisch mit Sonderangeboten findet, kann übrigens auch getrost zu dieser tontechnisch und musikalisch vorzüglichen CD greifen:
    Der leider unlängst verstorbene Vernon Handley erweis sich hier nämlich als ein Wagnerdirigent der Spitzenklasse, den man leider viel zu selten ans Pult eines Opernhauses ließ (oder wollte er nicht?)


    Da ich mehrfach sehr gute Erfahrungen mit der RPO-Reihe gemacht habe, kaufte ich mir vor Jahren die von Dir abgebildete CD mit Handley auch (aber in der CD-Ausgabe und nicht als SACD).
    *** Ich war platt, das ein Engländer zu den besten Wagner-Interpreteten gehören kann. Zustimmend eine fabelhafte Wagner-CD, die audiophile Klangtechnik aufweist.


    Auf dem Cover ist der Inhalt zu lesen:

    Royal PO, Vernon Handley
    RPO, 1993, DDD




    *** Wer weiterhin den orchestralen Wagener liebt ist mit dieser fabelhaften NAXOS - CD Symphonic Synthesis by Stokowsky bestens bedient:



    Einzug der Götter in Walhalla aus "Das Rheingold;
    Symphonische Synthesen zu "Tristan & Isolde" (Vorspiel zu
    Akt 1;Liebesnacht;Liebestod);Symphonische Synthesen aus
    Akt 3 zu Parsifal;Feuermusik & Walkürenritt aus
    "Die Walküre"

    Bournemouth SO, José Serebrier
    Naxos, 2006, DDD




    *** Genausogut wie die von Jacques oben gezeigten CD Wagner ohne Worte mit Stokowsky und Szell (die hatte ich auf LP) fast Solti den Ring des Nibelungen auf der Decca-CD orchestral zusammen. Musikalisch und Klangtechnisch ein Leckerbissen:



    Wiener PH, Solti
    Decca, 1983, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Ich wäre nur vorsichtig, die szenengebundenen Orchesterstücke Wagners als "symphonisch" zu bezeichnen.
    Wagners große Errungenschaft ist nicht die Leitmotivtechnik - die gab's auch vorher schon - sondern seine symphonische Verarbeitung der Leitmotive. Das reicht dann in der "Götterdämmerung" und im "Parsifal" zu einer derartigen Dichte der Verarbeitung, daß kaum ein Takt nicht auf ein Motiv bezogen wäre.
    Zwangsläufig sind auch die orchestralen Ein- und Überleitungen "symphonische Musik": Sie setzen die Gestik der gesungenen Szenerie fort bzw. überhöhen sie diese; es handelt sich deshalb jedoch um szenische Musik, sie hat eine bestimmte Funktion innerhalb des Werks. Genau deshalb ist sie nicht als "symphonisch" anzusprechen. Oder anders gesagt: Der "Trauermarsch" ist nicht mehr "symphonisch" als "Starke Scheite schichtet mir dort".


    Diese symphonische Motivverarbeitung ist natürlich Teil von Wagners Gesamtkonzept, also einer Durchdringung sämtlicher Parameter: Musik ist Szene ist Text ist Szene ist Musik. Weshalb symphonische Musik für Wagner auch uninteressant sein mußte: Ihr fehlten Parameter, die er für wichtig erachtete.


    Umso interessanter wäre die Symphonie gewesen, die Wagner nach dem "Parsifal" schreiben wollte - da von ihr allerdings nicht einmal Skizzen vorliegen, ist alles Weiterdenken reine Spekulation.


    :hello:

    ...

  • *** Eine CD, die in den 80er-Jahren Schlagzeilen machte und bei vielen Wagner-Fans bekannt ist, ist diese TELARC-CD mit Maazel / Berliner PH:
    Der Ring ohne Worte



    Telarc, 1988, DDD


    Der Inhalt dieser CD deckt sich in etwa mit der im Vorbeitrag genannten Decca-CD mit Solti (in nur etwas anderen Reihenfolgen).
    :yes: Ich tendiere was Aussagekraft und Interpretation angeht eindeutig mehr zur Solti-Aufnahme.
    Ansonsten eine tolle Wagner-CD für alle denen der Operngesang "auf den Keks" geht :D . :pfeif:
    Klangtechnisch ist TELARC gewohnt gut (vielleicht etwas weicher im Sound als die Decca-Aufnahme), aber so ein "audiophiler Wahnsinn", wie die Presse damals weis machen wollte ist es auch nicht. Mir kommt Decca mit Solti insgesamt mehr entgegen !




    Nachdem ich mir die o.g. Telarc-CD gekauft hatte fiel mir diese SONY-Maazel-CD
    Tannhäuser Without Words in die Hände.
    Ich dachte nach dem "Erfolg" der ersten Maazel-CD könnte das ja auch ganz gut sein.

    Pittsburgh SO, Maazel
    SONY, 1991, DDD


    ?( Leute, ich kann nur sagen - ich war selten so enttäuscht nach einem CD-Kauf.
    ;( Was Maazel hier präsentiert ist Langeweile Pur. Selten so eine Käse auf einer Klassik-CD gehört. Da ist nichts, das einen auch nur annähernd anspricht. Die Musik plätschert spannungslos dahin.
    Es versteht sich fast vonselbst, das ich diese CD nicht mehr habe.
    8) Ein Wagner zum Abgewöhnen.........

    Gruß aus Bonn, Wolfgang


  • Hallo Wolfgang,


    diese CD habe ich auch seit geraumer Zeit und würde sie bedenkenlos weiterempfehlen.


    Maazels Dirigat erinnert mich stellenweise ein wenig an Karajan - und zumindest bei Wagner muß das nicht negativ sein.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Ich wäre nur vorsichtig, die szenengebundenen Orchesterstücke Wagners als "symphonisch" zu bezeichnen.
    Wagners große Errungenschaft ist nicht die Leitmotivtechnik - die gab's auch vorher schon - sondern seine symphonische Verarbeitung der Leitmotive. Das reicht dann in der "Götterdämmerung" und im "Parsifal" zu einer derartigen Dichte der Verarbeitung, daß kaum ein Takt nicht auf ein Motiv bezogen wäre.
    Zwangsläufig sind auch die orchestralen Ein- und Überleitungen "symphonische Musik": Sie setzen die Gestik der gesungenen Szenerie fort bzw. überhöhen sie diese; es handelt sich deshalb jedoch um szenische Musik, sie hat eine bestimmte Funktion innerhalb des Werks. Genau deshalb ist sie nicht als "symphonisch" anzusprechen. Oder anders gesagt: Der "Trauermarsch" ist nicht mehr "symphonisch" als "Starke Scheite schichtet mir dort".


    Diese symphonische Motivverarbeitung ist natürlich Teil von Wagners Gesamtkonzept, also einer Durchdringung sämtlicher Parameter: Musik ist Szene ist Text ist Szene ist Musik. Weshalb symphonische Musik für Wagner auch uninteressant sein mußte: Ihr fehlten Parameter, die er für wichtig erachtete.


    :hello:


    Lieber Edwin,


    das hast Du fraglos Recht. Natürlich ist auch für mich trotz meiner Abneigung gegenüber der wagnerspezifischen Stimmführung, die manchmal an Hassliebe grenzt, das Ganze immer besser als seine jeweiligen Teile. Auch sollte man meine bewusst provokante These nicht so verstehen, dass ich die Funktion seines Orchesters als integralen Teil seiner Vorstellung ignoriere, so gern ich das manchmal tun würde. Im Gegenteil: hätte es damals schon den Film mit seinen heutigen technischen Möglichkeiten gegeben, wäre der HERR DER RINGE wahrscheinlich ein (überflüssiges) Remake des seinen (was er in mancher Hinsicht ohnehn schon seit Tolkien ist) und wäre vermutlich auch offenbarer, dass seine Einbeziehung aller brauchbaren Parameter von einer qualitativ sehr unterschiedlichen "Durchdringung" zeugt.


    ABER:


    Die von Teleton und mir weiter oben angeführten Beispiele belegen, dass die orchestralen Stücke aus Wagners Opern, die er teilweise selbst für symphonische Aufführungen adaptierte (ich denke an den "Liebestod" oder die Meistersingerouvertüre, deren Konzertschlüsse m. W. von ihm selbst stammen), auch außerhalb ihres eigentlichen Kontextes bestens funktionieren. Mich jedenfalls überzeugen sie in diesen Fassungen mehr als die symphonischen Frühwerke, zumal die Ouvertüren und Märsche, die nur demonstrieren, dass er das technisch konnte, sich aber ansteckend wenig dafür interessierte. Wahrscheinlich würde die schon längst niemand mehr studieren, gechweige denn aufführen, wenn nicht Wagner darüber stünde.


    Wenn Du den Trauermarsch als "nicht mehr "symphonisch" als Starke Scheite schichtet mir dort empfindest, hast Du ebenfalls Recht. Ich frage mich allerdings, ob es wirklich die Worte sind, die das "symphonische" Werk weiter veredeln und ob nicht auch dieses Teil, horribile dictu, mit einer Instrumentierung (und Kürzung) der Gesangslinie auch eine hervorragende symphonische Dichtung abgeben könnte. Das Experiment klingt mir jedenfalls vielversprechender als weiland der Versuch August Everdings, den Dichter Wagner ernst zu nehmen und den Ring als Sprechdrama aufzuführen.


    :hello: Jacques Rideamus

  • Nachdem ich nunmehr in den symphonischen Wagner reingehört habe, finde ich insbesondere die kaum bekannte "König-Enzio-Ouvertüre", welche auf den bedauernswerten Staufer anspielt, hörenswert, aber auch die Ouvertüren zu "Faust" und "Columbus".
    Der "Große Festmarsch" zum 100. Jubiläum des Unabhängigkeitstags der Vereinigten Staaten ist für wagnerische Verhältnisse vielleicht etwas einfallslos; allerdings gefiel mir der "Kaisermarsch" schon viel besser. Eine besondere Überraschung war auch die Wagner-Bearbeitung von "Rule Britannia".
    Summa summarum also eine klare Empfehlung für alle, die mit seinen Opern weniger zurechtkommen und nur die orchestralen Teile mögen.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Hallo Edwin,


    im Wesendonck-Lieder-Thread schreibst Du, bezogen auf diese CD:



    Zitat

    Birgit Schmickler auf Coviello macht ihre Sache akzeptabler als das Orchester aus Jena - aber die Ergänzung mit Wagners C-Dur-Symphonie und einer Konzert-Ouvertüre ist so attraktiv, daß ich diese Einspielung Wagner-Fans schon empfehlen kann.


    Ist das Orchester denn nur mittelmäßig?
    Natürlich würde mich die Aufnahme nicht mal in erster Linie wegen der Wesendonck-Lieder, sondern vielmehr wegen der Konzert-Ouvertüre (eine Weltersteinspielung) interessieren.


    Wenn ich schon dabei bin: Welche Aufnahme der C-Dur-Symphonie würdest Du als beste ansehen? Ich kenne bisher nur die unter Rasilainen, habe also keinen Vergleich.


    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Joseph,
    das Orchester ist gehobenes B-Niveau, dessen Grenzen man bei der (fabelhaften) Henze-Instrumentierung der Wesendonck-Lieder merkt. Es wird alles richtig gespielt, aber die letzte Sinnlichkeit fehlt.
    Was die Sinfonie betrifft:

    Die solideste Aufnahme, weil Rögner nichts demonstrieren will, sondern die Sinfonie als das nimmt, was sie ist: Ein Beethoven-Nachfahre auf nicht ganz soliden Beinen, aber frischen Mutes.
    :hello:

    ...