Guten Abend
an den Höfen der "Kurfürsten von der Pfalz" z.B. in Düsseldorf, Heidelberg oder Mannheim herrschte zeitweise ein reges Musikleben, das bekanntlich durch die "Mannheimer Schule" seinen Höhepunkt erreichte.
Als ersten Ort möchte ich Düsseldorf zur Zeit des Kurfürsten Johann-Wilhelm vorstellen:
Kurfürst Johann Wilhelm von der Pfalz (1658 – 1716), aus dem Hause Pfalz-Neuburg stammend, war der Inbegriff des barocken Herrschers. Er regierte knapp vierzig Jahre, erst als Herzog von Jülich-Berg, ab 1690 als Kurfürst von der Pfalz seine Territorien größtenteils von seiner Residenz in Düsseldorf aus. Die enorme Zerstörung der kurpfälzfischen Stammlande infolge des Pfälzer Erbfolgekrieges ließen ein repräsentative Hofhaltung dort nicht zu.
Verheiratet war Kurfürst Johann Wilhelm zuerst mit der Erzherzogin Maria Anna Josepha von Habsburg, nach deren Tode 1689 heiratete er 1691 Prinzessin Anna Maria Luisa de’ Medici.
Johann Wilhelm (volkstümlich auch „Jan-Wellem“ genannt) nahm die Hofkapellen des Wiener Kaisers, des Sonnenkönigs zu Versailles und des sächsischen Kurkurfürsten zu Dresden zum Vorbild für die Düsseldorfer Hofkapelle. Während seiner Regierungszeit brachte er die Kurpfälzer Hofkapelle und Hofoper auf höchstes künstlerisches Niveau. Die Hofmusik diente dem barocken Fürsten als Instrument höfischer Prachtentfaltung. In den glanzvollsten Tagen der Regierungszeit des Kurfürsten erreichte die Kapelle die stattliche Anzahl von 60 Musikern, einen großen Teil der Musiker brachte Jan-Wellem, als er 1679 von seinem Stammsitz Neuburg/Donau nach Düsseldorf zog, aus der väterlichen Hofkapelle mit. Der Hofmusik war für besondere repräsentative Aufgaben noch ein „Herrschaftliches Blechbläser-Corps“ angegliedert.
Über die beachtliche Stärke der kurfürstlichen Hofkapelle zu Düsseldorf berichtet ein Protokoll über die anlässlich der Kaiserkrönung 1711 nach Frankfurt angereiste kurfürstliche Delegation:
„Sämbliche Churfüstliche Cammer-Musici in Summa 53, mit 15 Bediensten und 4 Calcanten“ sowie „12 Trompeter drey Pauker undt Obristtrompeter“
seien aus Düsseldorf angereist; über eine solch
„ruhmbvolle Capelle“ verfügten weder Chur Mainz noch sonst ein anderer deutscher Fürst.
An der Spitze der Hofkapelle stand zunächst Sebastiano Moratelli, ein Priester, der vorher als Altist an San Marco in Venedig, später am Wiener Kaiserhof Kariere gemacht hatte. Ab 1695 als Kapellmeister, und zuvor als Hoforganist und Vizekapellmeister, wirkte der aus Bayern stammende Johann Hugo Wilderer, ein Schüler Legrenzis. Wilderer trug den Titel eines Kammerrates und wurde später geadelt. Vizekapellmeister war der Mailänder Carlo Luigi Pietra Grua d.Ä, dessen Bruder Vincenzo Paolo wirkte in Düsseldorf als Hoforganist. Carlo Luigi hatte zuvor in der Dresdner Hofkapelle gesungen.
Zur fürstlichen Hofmusik zählte neben einer stattlichen Anzahl von Instrumentalisten mehrere Sänger, darunter italienische, gelegentlich von anderen Höfen ausgeliehene oder in ihrem Heimatland angeworbene Kastraten für die Sopran- und Altpartien.
Diese musikalische Blütezeit zog große Musiker aus ganz Europa an den Hof nach Düsseldorf. Besondere Bedeutung waren hierbei die engen durch Einheirat geknüpften familiären Beziehungen zu den Häusern Habsburg und Medici. Bedeutende Komponisten widmeten dem Kurfürsten Hauptwerke, zum Beispiel schrieb Arcangelo Corelli für ihm ein Kammerkonzert und widmete ihm seine Concerti grossi op. 6, der Kurfürst verlieh ihm Posthum den Titel eines „Marchione de Ladenburg“.
Agostino Steffani wirkte zeitweise, u.a. auch als Diplomat, am Hof; er hatte zwar kein musikalisches Amt inne, gab aber durch sein Wirken dem musikalischen Leben am Hofe starke Impulse. Opernlibretti verfassten Giorgio Maria Rapparini und Carlo Pallavicini. Johann Schenck, Georg Andreas Kraft und Francesco Maria Veracini waren als bedeutende Streicher-Virtuosen tätig, Holzbläser aus den Familien Holzbauer und Cannabich waren ebenfalls hier im Dienst. Die Lautenisten-Familie Weiss, mit Vater und Söhnen, standen ebenfalls zeitweise in Diensten Jan Wellems; Silvius Leopold Weiss, der wohl bekannteste Lautenist der Zeit, komponierte seine Sonate c-moll 1706 in Düsseldorf.
Auch Georg Friedrich Händel besuchte mehrmals den Hof in Düsseldorf und lernte die dortigen Hofmusiker kennen, er schätzte die Sänger der Düsseldorfer Oper, die über einen hervorragenden Ruf verfügten. Händel verpflichtete unter anderem den Lieblingssänger des Kurfürsten, Valeriano Pellegrini, nach London. Man nimmt an, dass Händel in Düsseldorf die Komposition einer Oper dem Kurfürsten versprochen hatte und dass auch eine Händel-Oper in Düsseldorf aufgeführt wurde.
Mit vielen Komponisten pflegte der Kurfürst darüber hinaus regen Briefwechsel.
Das neue Opernhaus 1696 wurde mit der Oper "Giocasta" von Johann Hugo von Wilderer eröffnet. Die Pläne dafür stammten von Matteo di Alberti, der auch zusammen mit Jan Wellem große Pläne zum Ausbau der Residenzstadt Düsseldorf entwickelte. Die Kurfürstin Anna Maria Luisa stiftete sogar für den Bau der Oper 80.000 Gulden aus ihrem Privatsatulle. Ein außerordentlich guter Ruf eilte der Düsseldorfer Oper sehr schnell voraus, der auch benachbarten Fürstenhöfe erreichte.
Jan Wellem, der selbst Viola da Gamba spielte, verfügte über eine reichhaltige Instrumentensammlung. Als Instrumentenbauer wirkten zu dieser Zeit die Gebrüder Kaiser. Die Streicher der Hofmusik wurden von ihrem Kollegen Pancratius Reber d.Ä. (ca. 1670 -1734) mit Streichinstrumenten versorgt, Reber war als Hornist Mitglied der Hofmusik.
Augenzeugen, wie der ehemalige Gesandtschaftssekretär der Niederlande, Blainville, berichteten über das Düsseldorfer Hofmusikleben:
"...eine treffliche Bande von Tonkünstlern"; über die Lustbarkeiten am Hofe schrieb er lobend: "Bälle, Opera, Comödien, Musikconzerte, Freudenfeste, alles ist herrlich, und alle diese Ergötzlichkeiten genossen wir fast alle Tage...".
In den Kurpfälzischen Stammlanden an Rhein und Neckar war Johann-Wilhelm weniger beliebt, man warf ihn seine Verschwendungssucht vor; angesichts der Zerstörungen des Pfälzer Erbfolgekrieges verständlich. Allerdings genoss man seinen höfischen Glanz bei einen seiner wenigen Aufenthalten in der Kurpfalz.
Das Mannheimer Ratsprotokoll von 1707 berichtete anlässlich des 100-jährigen Stadtjubiläums Mannheim, über ein rauschendes Fest in Anwesendheit des Herrschers:
„Abends wurde auf dem Markt eine Serenada von allerhand musikalischen Instrumenten gehalten, und sobalden auch auf dem neuen Rathausturm und an dem großen Brunnen auf dem Markt ein ganz künstliches Feuerwerk unter dem Trompeten- und Paukenschall präsentiert.“
Gruß
aus der Kurpfalz
Bernhard