Lächerliche Komposition

  • Da ich Chinese bin, bin aufgrund Mentalitätsunterschiede nicht sicher ob jemand wirklich das gleiche Gefühl mit mir kriegt oder überhaupt an diesem Thema teilnimmt (auf chinesisch heißt mehr Stockwerke aufbauen, also als Metapher für mehr Antworten zu einem Thema beitragen...), bei mir hören sich einige Episode in der Oper immer merkwürdig an (von der Komposition her) das erste Beispiel ist die Sätze "Darum bis zum letzten Hauch
    Setz' ich auf Gott Bacchus Bauch" aus dem Trinklied von Kaspar in Freischütz und die anderen 4 Sätze an der gleichen Stelle in den restlichen 2 Strophe, und beim Hören kann ich doch mein Lachen nicht unterdrücken (ja, zu jedem Mal und auch ausnahmslos im Opernhaus unter den Zuschauern :D), ich weiss doch net, wie so eine schizophrenie-erregende Komposition zustandekommen könnte..hat jemand auch das gleiche "Synptom" und deine eigene Beispiele dazu?

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

  • spontan fallen mir folgende Beispiele und zwar bei (wer anders soll es auch sein) Wagner im Tristan 3. Akt: Kurwenal: "Bist du schon tot lebst du noch.." da kann das Lachen kaum unterdrückt werden oder auch im Lohengrin 3. Akt bei den Worten von Elsa: "als Zeuge meiner Buße.."


    :hello:

  • Hallo Xingwang,


    zunächst einmal herzlich willkommen im Kreise der abendländischen Taminen. Ich freue mich darauf, von Dir mehr über Deine Perspektive auf "unsere" Musik zu erfahren, und deshalb interessiert mich auch Deine Fragestellung.


    Wenn ich sie richtig verstehe, gilt sie dem Phänomen der unfreiwilligen Komik, die natürlich auch eine Frage der Perspektive (und der Zeit) des Betrachters ist. So hat Carl Maria von Weber, den Du ja schon beim FREISCHÜTZ nicht ganz zu Unrecht der unfreiwilligen Komik beschuldigst, bestimmt nichts Komisches daran gefunden, wenn er in EURYANTHE den Lysiart "So weih' ich mich den Rachgewalten" singen lässt, als gäbe der einen Kommentar zu seinem Stimmvolumen ab, während uns heute schon der Name des Helden Adolar komisch vorkommt. Überhaupt Euryanthe: ich klnnte da nicht einmal im Chor mitsingen, denn bei solchen Zeilen könnte ich vor Lachen keinen Ton herausbringen:


    Den schnödesten Verdacht entferne,
    Ich spreche Wahrheit sonder Scheu.
    Es wankten eh des Himmels Sterne
    Als unsrer süßen Herrin Treu.


    oder


    O Treue, stark und rein,
    O Lust nach Todespein,
    Holdseliger Verein,
    Du sein, er Dein!


    Aber vielleicht meinst Du ja gar nicht so etwas, obwohl der Text (nicht die Musik!) klingt, wie das stolze Aufbäumen eines Fans von Kickers Kleinkotzenburg, nachdem er von Hooligans zusammengeschlagen wurde. Was also kommt Dir an Gott Bacchus Bauch so besonders komisch vor? Ich muss da nämlich nicht lachen, auch wenn einen solchen Text nicht unbedingt einem geriben, ungebildeten Landsknecht des 30-jährigen Krieges, der Kaspar ist, in den Mund legen würde.


    Aber das meinst Du wohl weniger, denn Du sprichst ja von komischer Komposition. Kannst Du erklären, was Dich da zum Lachen bringt?


    :hello: Jacques Rideamus

  • beim Aufstellen dieses Themas versuche ich schon Verständnisprobleme zu vermeiden, doch könnte mein Satz noch nicht ganz sauber formuliert sein..
    der Text ist mir völlig in Ordnung, nur die Musik! Ich habe kaum in einer anderen Oper erfahren, dass die verschiedenen Töne in so einer Reihenfolge gebracht werden, so dass ich nicht die Träne beim Lachen abhalten, als dieser Satz gesanglich zum Ausdruck gebracht wird.

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

  • Da scheint aber der unterschiedliche kulturelle Hintergrund eine Rolle zu spielen, die ich interessant finde. Mir geht es nämlich bei der chinesichen Oper ähnlich (nicht, dass ich da besonders begeistert oder gar Kenner wäre).


    Ich kann nämlich weder bei der Wiederholung
    Darum bis zum letzten Hauch
    Setz' ich auf Gott Bacchus' Bauch


    - so schlicht sie ist - noch bei der anschließenden Fioritur oder Abwärts"koloratur" etwas Komisches finden. EDIT: ZU den komplexesten Eingebungen Webers gehören sie bestimmt nicht, aber gerade da macht der Hinweis auf den groben Landsknecht durchaus Sinn, denn die Melodieführung ist "in character".


    Kannst Du das etwas näher beschreiben oder andere Beispiele nennen, wo es Dir ähnlch geht?


    :hello: Jacques Rideamus

  • Oder einfach mit Hörgewohnheiten. Ich habe kürzlich einem Freund das Finale der 88. von Haydn vorgespielt. Schon nach wenigen Takten fuchtelte er mit den Armen parodierend das Thema nach. Ich war zunächst verwundert, doch dann wurde mir eines klar: sicher kann man, wenn man klassische Musik gerade erst für siche entdeckt und das Vokabular noch nicht so gut kennt den Anfang vom Finale als ulkiges Rumgehüpfe auffasen, das im ersten Moment skurril wirkt.
    Andererseits kennt besagter Freund schon einge andere Sachen, die er durchaus schätzt. Manche Musik entspringt einem Zeitgeist, die durch ihre Abstraktion von selbigem sich zwar bis in unsere Zeit rüberrrettet. Dem ungeübten Hörer jedoch offenbart sich vielleicht zuerst das Ohrenfällige - eben das heiter vor sich hin hüpfende Thema.


    :hello:

  • Ich vermute mal, daß dies ganz ähnlich ist, wie als wenn wir (wie heißt das eigentlich korrekt?) ein pentatonisches Musikstück komponieren/spielen. Für uns klingt das gleich chinesisch - obwohl es sicher allein mit der Pentatonik nicht getan ist. Aber: was soll's. Klingt jedenfalls lustig.


    :beatnik:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo miteinander,
    an der Definition eines Opernsängers, dass er statt zu sterben singt, auch wenn er abgestochen wurde, ist was dran. Gilda z.B. singt ihren Vater Rigoletto an "Der Dolch - er drang ins Herz" und strirbt - medizinisch ein Wunder - erst nach weiteren, sehr differenzierten Auslassungen. Musikalisch passen jedoch Text und Musik in diesem Beispiel gut zusammen, so dass Heiterkeit nicht aufkommt. Auch im "Maskenball" zieht sich der Tod des Erschossenen hin.
    Wir sind heutzutage -medizinisch gesehen- aber auch nicht besser als z.B. Verdi. In den vielen Krankenhaussendungen im Fernsehen wird kaum mal gestorben, Wiederbelebungen klappen zur Freude der Zuschauer in einem unrealistisch hohen Prozentsatz, also billigen wir den Komponisten vergangener Zeiten ruhig zu, dass sie aus dramaturgischen Gründen das Sterben schön langzogen, wie wir heute das Weiterleben -zudem noch ohne Hirnschäden - vorschwindeln.
    Gruß
    Lohengrin

  • Zitat

    Original von Amfortas08
    spontan fallen mir folgende Beispiele und zwar bei (wer anders soll es auch sein) Wagner im Tristan 3. Akt: Kurwenal: "Bist du schon tot lebst du noch.." da kann das Lachen kaum unterdrückt werden oder auch im Lohengrin 3. Akt bei den Worten von Elsa: "als Zeuge meiner Buße.."


    :hello:


    Bitte nicht Werk und Fernsehwerbung vermischen. Im Tristan heißt es


    (Mit schluchzender Stimme.) Bist du nun tot? Lebst du noch? Hat dich der Fluch entführt? (Er lauscht seinem Atem.) O Wonne! Nein! Er regt sich, er lebt! (zart) Wie sanft er die Lippen rührt!,


    und ich weiß nicht, was daran lächerlich oder nicht plausibel sein sollte.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • habe einmal diese geschichte gehört:
    einer gruppe von menschen in akfrika die einem indigenen volk angehörten wurde ein requiem (!) vorgespielt (ich glaube, bin mir aber nicht mehr ganz sicher, dass es das mozart-requiem war) das ergebnis soll dann gewesen sein dass sich die leute vor lachen nicht mehr einbekommen hätten :hahahaha:?(

    "Der moderne Komponist darf seine Werke einzig und allein auf der Grundlage der Wahrheit schreiben."
    Claudio Monteverdi


    "Der Komponist komponiert erstens für sich selbst und zweitens für das Publikum; aber für ein ideales Publikum und nicht für das...welches real existiert"
    Nikolai Rimski-Korsakow


    "Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."
    Gustav Mahler

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