Hallo, liebe Musikfreunde,
das erste große Konzert, das ich erlebte, wurde mit Schumanns 2. Sinfonie eröffnet, gespielt von Celibidache und dem Schwedischen Rundfunksinfonieorchester. (Es folgten Ravels „Rhapsodie Espagnole“ und das „Konzert für Orchester“ von Bartok.) So etwas prägt. Seither beschäftigt mich die Eigenart dieser Sinfonie und überhaupt die Musik von Schumann. Abgesehen von wenigen eingängigen Stücken, etwa aus den „Kreisleriana“, geht von ihr nie etwas aus, woran sich gewöhnen ließe. Schumann ist schwierig, und doch von einer besonderen Anziehungswirkung.
Clara und Robert Schumann 1847, im Jahr der Uraufführung der 2. Sinfonie
Die Sinfonie steht am Scheitelpunkt eines sehr bewegten Lebens. Sie wirft so viel interessante Fragen auf, dass dafür ein eigener allgemeinerer Thread besser geeignet ist.
Schumann (1810 – 1856) hatte 1844-45 eine tiefe Depression durchlitten. Sein bester Freund Mendelssohn war nach Berlin zurückgegangen, er hatte die Herausgabe seiner „Neuen Zeitschrift für Musik“ aufgegeben, war nach Dresden umgezogen und sah sich mit der Tatsache konfrontiert, für den Lebensunterhalt auf die Einnahmen von Claras Konzertreisen angewiesen zu sein. Ende 1845 schien eine Wende in Sicht. Auch die Aufbruchstimmung kurz vor der 1848er Revolution mag dazu beigetragen haben. Schumann hatte mit seiner Zeitschrift erfolgreich an der Vormärz-Bewegung teilgenommen und war bei Mendelssohn, Liszt und Chopin anerkannt.
Doch schon 1847 verdüsterte sich für Schumann wieder alles, nachdem Fanny und Felix Mendelssohn überraschend gestorben waren. Er sollte nicht mehr zu sich selbst finden. 1850 Umzug nach Düsseldorf. Als dort mit der Freundschaft zu Joseph Joachim und Brahms, den Vertretern einer neuen Generation, ein neuer Lebensanfang möglich schien, stürzte ihn dies nur in eine tiefe Ehekrise, und nach einem Selbstmordversuch 1854 starb er 1856 in der Nerven-Heilanstalt Bonn-Endenich.
"Die Symphonie schrieb ich im Dezember 1845 noch krank; mir ist´s als müßte man ihr dies anhören" "Ich skizzierte sie, als ich physisch noch sehr leidend war, ja ich kann wohl sagen, es war gleichsam der Widerstand des Geistes, der hier sichtbar influiert hat und durch den ich meinen Zustand zu bekämpfen suchte." "Im letzten Satz fing ich an, mich wieder zu fühlen."
Clara schreibt anlässlich einer Aufführung 1847: „Mich erwärmt und begeistert dies Werk ganz besonders, weil ein kühner Schwung, eine tiefe Leidenschaft darin ist, wie in keinem anderen von Roberts Werken.“
Sie mit Celibidache zu hören, bringt für mich besser als die anderen Aufnahmen die Gefühle zum Klingen, die Schumann in einem Moment der Hoffnung und des euphorischen Aufbruchs auszudrücken vermochte. Manchmal stört es mich, wenn Celi in die Musik hineinschreit, aber hier passt es wunderbar und wird dann aufgefangen vom himmlischen Gesang der Streicher im langsamen Satz. Da ist zu spüren, von welchen Halluzinationen Schumann heimgesucht wurde. Und ohne jeden Zwang erschließen sich die Gefühle der anderen Sätze, der unsichere erste, die Ruhelosigkeit des zweiten und schließlich der Triumph des letzten, aus dem doch schon herauszuhören ist, wie er in die nächste Depression umschlagen wird.
Aber Schumann hörte nicht nur Engel, sondern auch Dämonen. Seine Seele war auch von Feuer geschlagen. Und daher ist als Gegenstück Mitropoulos ein Muss. Hier brennt jeder einzelne Takt und über das Ganze breitet sich eine Angst, die die andere Seite von Schumann hören lässt.
Viele Grüße,
Walter