Pogorelich- Beruf Exzentriker

  • ...aber nicht Ivo, sondern Lovro (ein Bruder? Cousin?) - nach Aussagen meiner musikalischen Freunde hier durchaus das Hörerlebnis wert. So meine beginnende Erkältung es zuläßt, werde ich morgen im "Haus der Armee" in der ersten Reihe sitzen und dann mal bei "Gestern im Konzert" berichten.


    Grüße aus der Dunkelheit!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Zur Klarstellung einige Anmerkungen :


    1. Sviatoslaw RICHTER hat das "Sofia - Recital " persönlich n i c h t besonders geschätzt ( etwa anders als der junge britische Komponist und Pianist Morgan Hayes wie er mir von wenigen Tagen mitteilte, oder Matthias Konemann etwa 1998 / 1999 in "Rondo" ).


    Es gibt die von Richter selbst am höchsten eingestufte eigene Interpretation auf CD .



    2. HOROWITZ persönlich hat laut Booklet zu seiner Aufnahme der "Bilder..." direkt nach dem Zweiten Weltkrieg seine damalige Interpretation " Carnegie Hall Edition) von allen seinen Aufnahmen als seine beste ausgewählt ( Dokument liegt in der Yale University , USA ) .
    Die CD ist aktuell erhätlich .



    3. Glenn Gould , ein begnadeter Musikautor und scharfsinniger Analytiker vieler Interpretationen, hat die Wiedergabe durch Alexis WEISSENBERG alleine wegen dessen Interpretation des "Grossen Tores von Kiev" als beste aller Aufnahmen bezeichnet ( EMI ) .


    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Pogorelich hat hier in München letzten Sonntag (18.4.) im Prinzregententheater ein Konzert gegeben. Ich hatte leider keine Zeit und habe bisher nur in der AZ einen wirklich krassen Verriss gelesen. Pogorelich muss Beethoven op. 111 regelrecht zertrümmert, in einem Brahms Intermezzi 'herumgestochert" und auch sonst oft danebengegriffen haben. Der Rezensent ist noch vor Ravels Gaspard geflüchtet, und er war wohl nicht der einzige. Kritik in der SZ - der mehr Sachkompetenz zuzutrauen ist - habe ich leider nicht gefunden.


    War denn jemand in diesem (oder einem anderen) Konzert und kann berichten? Es würde mich wirklich sehr interessieren, wie sich Pogorelich zuletzt entwickelt hat, ich traue den Zeilen der AZ nicht ganz.


    Herzliche Grüße,
    Christian

  • Pogorelich hat hier in München letzten Sonntag (18.4.) im Prinzregententheater ein Konzert gegeben. Ich hatte leider keine Zeit und habe bisher nur in der AZ einen wirklich krassen Verriss gelesen. Pogorelich muss Beethoven op. 111 regelrecht zertrümmert, in einem Brahms Intermezzi 'herumgestochert" und auch sonst oft danebengegriffen haben. Der Rezensent ist noch vor Ravels Gaspard geflüchtet, und er war wohl nicht der einzige. Kritik in der SZ - der mehr Sachkompetenz zuzutrauen ist - habe ich leider nicht gefunden.


    War denn jemand in diesem (oder einem anderen) Konzert und kann berichten? Es würde mich wirklich sehr interessieren, wie sich Pogorelich zuletzt entwickelt hat, ich traue den Zeilen der AZ nicht ganz.


    Ja, ich war im Konzert. Es war tatsächlich bemerkenswert. Zunächst muss man sagen, dass es ein Konzert am Sonntagvormittag um 11 Uhr war und Pogorelich wohl einige Schwierigkeiten hatte nach München zu kommen aus irgendwelchen Gründen. Reiseprobleme oder ähnliches. Aus diesem Grund begann das Konzert etwas später und das Programm wurde geändert.


    Der Prinzregentensaal war ausverkauft. Aber es war alles wieder da: extrem langsame Tempowahlen, seltsame fortissimo-Akzente und zufällig wirkende Rhythmuswechsel.


    In der ersten Hälfte spielte er Beethoven: Die Sonaten Op.111 und 78 und Für Elise. Als er Op.78 beendet hatte und bevor der Applaus einsetzen konnte, stand ein Mann in der Reihe hinter mir auf und rief aus vollem Halse "Buuuuuuh!! Buuuuuuh!! So wie Sie spielen kriege ich ja einen Herzkasper!" und er verließ den Saal. Das hatte ich so noch nicht erlebt. Pogorelich blieb davon unbeeindruckt und andere Leute wurden erst Recht zu Bravo-Rufen animiert.


    In der zweiten Hälfte war die zweite Rachmaninoff-Sonate auf dem Programm aber die wurde ersetzt durch lediglich deren langsamen Satz und Ravels Gaspard sowie ein Brahms Intermezzo, Sibelius' Valse Triste und noch etwas. Viele Leute verließen den Saal während Gaspard. Und zwar wirklich viele, nicht nur ein paar. Alle paar Minuten schlugen die Türen mit lautem Getöse zu.


    Sein exzentrisches Verhalten beschränkte sich nicht nur auf das Spielen (Tempo, Anschlag...): Er hatte einen Seitenumblätterer und kommunizierte viel mit seinem Kopf mit ihm während des Spielens. An einer Stelle ließ er ihn durch Nicken eine Seite zu früh umdrehen die er dann selbst zurück blätterte. An anderer Stelle wollte der Umblätterer eine Seite umblättern, aber Pogorelich gab ihm das Signal noch zu warten. Er probierte es ein paar Sekunden später erneut, aber Pogorelich signalisierte ihm wiederum noch nicht zu blättern. Schließlich blätterte Pogorelich die Seite selbst mit einem leichten Grinsen um, denn es war bei eine Passage, in der nur eine Hand zu spielen hatte und die andere frei war. Es war fast ein kleiner Sketch.
    Etwas später, wenn nur eine Hand spielte, begutachtete er die Fingernägel der nicht spielenden Hand für einige Sekunden. Dies wiederholte er mit der anderen Hand bei einer späteren Gelegenheit. Und dann, als eine lange Note mit dem Pedal gehalten wurde, hob er beide Hände und zeigte die Fingernägel dem Seitenumblätterer der nicht so ganz wusste, was er davon halten sollte. Genau wie alle anderen, die das beobachtet hatten.


    An der Klavierbank schraubte er zwischendurch auch ständig rum um sie ein wenig hoch oder runter zu justieren, vorzugsweise nicht zwischen den Stücken sondern während dem Spielen wenn eine Hand gerade frei hatte. Es würde mich nicht wundern, wenn er sein routiniertes Fehlverhalten im Notentext festgehalten hätte, so dass man dort über den Noten lesen kann "Jetzt linke Fingernägel betrachten", "An dieser Stelle Umblätterer ärgern", "Jetzt rechts am Stuhl schrauben", und so weiter.


    Es gab keine Zugabe. Dies machte Pogorelich schnell klar, denn nachdem er Gaspard beendet hatte schloss er sofort den großen Deckel des Flügels sowie den Deckel der Klaviatur und schob mit dem Fuß sogar noch die Sitzbank unter den Flügel, alles während die Zuhörer applaudierten.

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