Mehr als Elektra und Salome: INGE BORKH


  • Diese Aufnahme habe ich gestern abend gehört. Es ist ein hinreißendes Dokument der noch sehr expressiven jungen Inge Borkh, das zu hören auch lohnt, wenn man die Aufnahmen von Fritz Reiner und Dimitri Mitropoulos kennt.
    Die Bemerkung, man habe hier eine Luxusbesetzung würde ich nicht gerne voll unterschreiben. Max Lorenz singt schon sehr frei nach Richard Strauss. Natürlich fast durchweg im robusten Forte. Und Ferdinand Frantz ist ein gemütvoll-behäbiger Prophet, aber klangvoll und klangschön.
    Vor allem kommt es ja auf die Borkh an, und die ist sängerisch großartig und einfach ungemein fesselnd!



    Übrigens ist heute in der FAZ ein lesenswerter Nachruf von Jürgen Kesting erschienen.
    Ob er in die Online-Ausgabe aufgenommen wird, weiß ich nicht.
    Vielleicht hat ja Jemand ein Online-Abo und kann den Text hier einstellen.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!


  • Die Bemerkung, man habe hier eine Luxusbesetzung würde ich nicht gerne voll unterschreiben. Max Lorenz singt schon sehr frei nach Richard Strauss. Natürlich fast durchweg im robusten Forte. Und Ferdinand Frantz ist ein gemütvoll-behäbiger Prophet, aber klangvoll und klangschön.
    Vor allem kommt es ja auf die Borkh an, und die ist sängerisch großartig und einfach ungemein fesselnd!


    Ich habe diese Aufnahme vor ca. zwei Monaten mir vollständig angehört und möchte dir bei Frantz und Lorenz widersprechen. Von Lorenz bin ich in vielen Partien kein großer Fan, finde ihn als Herodes auf dieser Aufnahme nahezu ideal, da er die Partie zwar eigenwillig, aber doch eindringlich gestaltet. Das Nervöse, Flatterhafte kommt m.E. sehr gut zur Geltung, aber das auf der Grundlage einer großen vokalen Autorität, mir hat es außerordentlich gut gefallen. Frantz hat nicht das drahtige Sendungsbewusstsein eines Metternichs, kann aber frei strömende Stellen wie "Er ist in einem Nachen..." wunderbar zurückgenommen, aber doch wohlklingend singen (eine Passage, an der Metternich in der Moralt-Aufnahme m.E. scheitert), als "behäbig" habe ich ihn an keiner Stelle empfunden. Auch Klose ist große Klasse. Fehringer eine interessante Zugabe. Und die junge Ludwig auch sehr hörenswert. Es ist also doch sehr ungerecht, diese Aufnahme allein auf die - in der Tat sehr aufregende - Inge Borkh zu beschränken. Außerordentlich hervorzuheben ist aus meiner Sicht die Wortdeutlichkeit aller Beteiligten - das ganze hat den Charakter eines spannenden Hörspiels. Orchestral wird ein packend-dramatischer Soundtrack geliefert, große Finessen sucht man sowohl in puncto Orchesterklang als auch Dirigat vergeblich.

  • Es freut mich, lieber Melomane, dass Du auf meine kurzen Bemerkungen zu der Frankfurter Aufnahme eingegangen bist. Es gibt je leider ansonsten nur wenig Austausch über Gesamtaufnahmen und Gesangsleistungen.


    Mit Deinem Widerspruch kann ich gut leben. Zumindest was Frantz betrifft!
    Ich hatte ja auch geschrieben, dass er klangvoll und klangschön singt. Nur der Eiferer, der Zelot, den ich mir als Jochanaan vorstelle, ist er nicht. Und er ist auch nicht der Mann, der durch Salome bis ins Mark getroffen wird, wie einst William Dooley (Zuletzt habe ich über seinen Jochanaan im Vergleich mit Simon Estes geschrieben: Simon Estes)


    Weniger kann ich Dir folgen, wenn es um Max Lorenz geht. Gewiss sind das Nervöse und Flatterhafte des Tetrarchen gut getroffen. Aber mir ist das zu eindimensional und zu weit weg von dem Notentext. Mein Herodes-Bild ist wesentlich von Julius Patzak geprägt und das hat so ungemein viele Facetten und Farben, die ich bei Lorenz einfach vermisse. Wenn er Salome von ihrer ungeheuerlichen Forderung abbringen will und alles Mögliche anbietet, ist das einfach unverschämt schön gesungen und macht anschaulich, was er da alles bietet. Das vermisse ich bei Lorenz total. Aber es gibt nicht viele Interpreten des Herodes, die da mithalten können. Mir fällt eigentlich nur noch Richard Lewis ein.


    Ausdrücklich zustimmen will ich Deinem Lob für die Textdeutlichkeit aller Sänger. Das ist heute kaum noch zu haben. Damals war es Standard!
    Gerade auch die Salome der Borkh zeigt ganz eindrücklich, wie die Musik aus dem Wort erwachsen kann und doch nicht zur Deklamation wird!



    Liebe Grüße


    Caruso41

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    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Aber es gibt nicht viele Interpreten des Herodes, die da mithalten können. Mir fällt eigentlich nur noch Richard Lewis ein.


    Mit dieser Bemerkung in meinem letzten Beitrag meinte ich natürlich Patzak und nicht etwa Lorenz.


    Caruso41

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    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Sie liebte die Öffentlichkeit. [.....] Einen starken Eindruck hat sie auf mich in der Da-Capo-Sendung mit August Everding gemacht:


    Diese Da-Capo-Sendung macht auch viel Freude, lieber Rüdiger. Da sieht man wie diese Frau voller Elan steckte. Eine unglaublich starke Persönlichkeit.
    Dadurch war es ihr wohl auch möglich, charismatische Figuren auf der Bühne so eindrucksvoll darstellen zu können. Ich kenne Frau Borkh natürlich nur noch von Aufnahmen her. Und wenn ich sie da so höre, achte ich jetzt nicht so sehr darauf, ob die Stimme schön oder weniger schön ist (das ist ja immer ein sehr subjektiver Eindruck), aber ich höre vor allem eines: AUSDRUCK!!!
    Da ist wirklich eine Sängerdarstellerin zu hören. Man muss sie gar nicht sehen, man muss ihr nur zuhören. Denn sie konnte so unterschiedliche Emotionen wie Verzweiflung und Glück oder Grausamkeit und Begeisterung mit rein vokalen Mitteln erschaffen.
    Elektra ist ein Werk mit dem ich mir schwertue, aber wenn Inge Borkh Allein! Weh, ganz allein! singt, dann wird man regelrecht gefangengenommen.


    Ja, sie liebte die Öffentlichkeit. Sie war keine Sängerin die sich ins Private zurückzog. Oft war sie bei diversen Veranstaltungen zu Gast und sie besuchte bis zuletzt Opernvorstellungen. Noch drei Wochen vor ihrem Ableben war sie bei den Salzburger Festspielen und besuchte eine Salome-Vorstellung. Wir wissen leider nicht was sie von der Aufführung gehalten hat. Denn das moderne Regietheater lehnte sie vehement ab.


    Ihr Auftritt in einem Film ober Richard Strauss in dessen Villa in Garmisch dürfte wohl ihre letzte Aktivität vor der Kamera gewesen sein.


    Um welchen Film handelt es sich hier denn?


    Gregor

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  • Elektra ist ein Werk mit dem ich mir schwertue, aber wenn Inge Borkh Allein! Weh, ganz allein! singt, dann wird man regelrecht gefangengenommen.


    Beide Teile dieser Aussage kann ich so für mich voll und ganz bestätigen.


    Vor allem wusste die Borkh auch, dass Gesang nicht nur aus Tönen besteht, sondern eine Verbindung von Worten und Tönen ist - und im Gegensatz zu (viel zu) vielen anderen Sängerinnen blieb sie auch die Worte nie schuldig.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Oft war sie bei diversen Veranstaltungen zu Gast und sie besuchte bis zuletzt Opernvorstellungen. Noch drei Wochen vor ihrem Ableben war sie bei den Salzburger Festspielen und besuchte eine Salome-Vorstellung. Wir wissen leider nicht was sie von der Aufführung gehalten hat. Denn das moderne Regietheater lehnte sie vehement ab.


    Lieber Gregor,


    noch später war sie durch eine Initiative von mir beim Galakonzert zum 20 jährigen Bestehen des "Europäischen Kulturforums" auf der Mainau mit den Sängern Beczala, Volle und Gabriella Scherer, die Gattin von Michael Volle. Obwohl im Rollstuhl sitzend war sie wie eh und je überzeugend, schlagfertig und charmant. Für die Kritik, die ich über das Konzert schrieb, war mir ihre Meinung selbstverständlich wichtig und ihr Eindruck ist sicherlich mit in meine Rezension eingeflossen. Wir machten schon Pläne für ihren Besuch beim diesjährigen Künstlertreffen der Gottlob Frick Gesellschaft am 13./14. Oktober. Das Schicksal hat es anders wollen. Wir haben sofort reagiert und die Matinee geändert, die jetzt Birgit Nilsson zum 100. Geburtstag und Inge Borkh -der großen Tragödin der Opernbühne - gewidmet sein wird. Frau Borkh war sicherlich eine Gegnerin aller Übertreibungen, Ekeldarstellungen und Verhöhnung der Kunstform Oper. Aber sie war keinesfalls grundsätzlich gegen gelungene Neudeutungen in der Oper. In Diskussionen war ich oft rigider als Inge Borkh. Diese Offenheit gegenüber allem Neuen hat Thomas Voigt in seiner so persönlichen und deshalb berührenden Trauerrede besonders betont. Aus dieser Wurzel kam auch ihr unstillbarer Drang, noch im hohen Alter und trotz aller Behinderungen immer wieder Neues zu erleben.



    Vor allem wusste die Borkh auch, dass Gesang nicht nur aus Tönen besteht, sondern eine Verbindung von Worten und Tönen ist - und im Gegensatz zu (viel zu) vielen anderen Sängerinnen blieb sie auch die Worte nie schuldig.

    Lieber Stimmenliebhaber,


    genau wie Gregor und Du es beschreibst ist es: Das Faszinierende, ja vielleicht sogar Einmalige an der Künstlerin Inge Borkh war die vollkommene Einheit von Gesang, Darstellung und intensivem Ausdruck. Sie sang zwar Rollen, schuf jedoch großarige Bühnecharaktere. Da wir für unserere Matinee lauter Zeitzeugen gewinnen konnten, die persönliche Kontakte, Beziehungen und Erlebnisse mit den Sängerinnen Nilsson und Borkh hatten, erhoffe ich mir lebendige Lebensbilder und die Sicht noch erweiternde und abrundende Erkenntnisse über diese beiden Sängerlegenden. Übrigens wer von uns wußte, dass Inge Borkh nach ihrem Abschied von der Opernbühne noch eine umjubelte, mehrjährige Karriere als Chansonette hatte? Autorin,Philosophin, Briefkastentante war sie auch noch und eine gefragte Gesangslehrerin mit Schwerpunkt Darstellung, Dramatik und Ausdruck sowieso.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!


  • Um welchen Film handelt es sich hier denn?


    Lieber Gregor, diese Dokumentaion verbirgt sich als Bonus mit dem Titel "Skizze eines Lebens" auf dieser DVD, die auch als Blu-ray im Handel ist:

    Die Sache ist etwas verwirrend, weil es den Hauptfilm "Richard Strauss uns seine Heldinnen" auch ohne den Bonus, in dem Inge Borkh wohl einen ihrer letzten Auftritte vor der Kamera hatte, gibt. Hier hat er den englischen Titel "Richard Strauss and his Heroines".

    Alles klar? Ich liebe diese Skizze, weil sie zu einem ausführlichen Besuch in die Garmischer Villa führt, die ja immer noch von der Familie bewohnt wird. Dort hatte die Hausfrau Gabriele Strauss, die eine Tochter von Hans Hotter ist und das Archiv leitet, die Damen Inge Borkh und Brigitte Fassbaender zum Tee geladen.


    Ich weiß nicht mehr, ob es Glück gewesen ist oder Zufall oder ob ich einfach nur einen guten Eindruck machte - vor Jahren (es muss um 1995 gewesen sein) klingelte ich einfach mal an der Villa. Die Hausdame, die dem alten Strauss als junges Mädchen noch persönlich gedient hatte, wollte mit der Familie klären, ob ich denn Zugang bekommen sollte. Tags darauf war ich wieder zu Stelle und wurde eingelassen. Ich wurde durch die Arbeits- und Wohnräume geführt und durfte auch das schlichte Sterbezimmeer in der oberen Etage in Augenschein nehmen. Selten war ich so bewegt wie von dieser Visite.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Rüdiger,


    Dich kann man um dieses Erlebnis nur beneiden!


    Das Richard-Strauss-Portrait "Skizze eines Lebens" - bereits zweimal vom Bayerischen Fernsehen gezeigt - wurde am 11. August 2018 auch auf '3sat' nach der Aufzeichnung der "Salome" von den diesjährigen Salzburger Festspielen ausgestrahlt.


    Da fallen mir zwei Anekdoten ein:


    Zu Gabriele Strauss-Hotter gibt es eine hübsche Geschichte, die ihr Vater erzählt hat. Hans Hotter war sehr oft Gast im Hause Strauss und brachte auch manchmal seine kleine Tochter mit. Den Komponisten nannte sie "Opa", wie es die meisten Kinder mit weißhaarigen älteren Herren tun. Als Erwachsene heiratete sie den (2009 verstorbenen) Strauss-Enkel Richard jun. - damit war Richard Strauss tatsächlich ihr (Schwieger-) "Opa"!
    Anneliese Rothenberger war auch einmal Gast des "Gottlob-Frick-Treffens" in Ölbronn und schrieb einer Verehrerin, sie würde gerne wiederkommen - aber nur, wenn Inge Borkh nicht dabei sein würde, denn "sie reißt ja jede Diskussion an sich!". (In der TV-Sendung "Viermal hohes C" von 1996 mit Alfred Biolek waren 'die' Rothenberger und 'die' Borkh - beide aus Mannheim gebürtig - noch friedlich vereint.) Ach, Primadonnen!


    Viele Grüße!


    Carlo

  • Anneliese Rothenberger war auch einmal Gast des "Gottlob-Frick-Treffens" in Ölbronn und schrieb einer Verehrerin, sie würde gerne wiederkommen - aber nur, wenn Inge Borkh nicht dabei sein würde, denn "sie reißt ja jede Diskussion an sich!". (In der TV-Sendung "Viermal hohes C" von 1996 mit Alfred Biolek waren 'die' Rothenberger und 'die' Borkh - beide aus Mannheim gebürtig - noch friedlich vereint.) Ach, Primadonnen!


    Viele Grüße!


    Lieber Carlo,


    wieder eine Anekdote, die sogar ich nicht kannte. Danke.


    Herzlichst


    Operus

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  • Heute jährt sich der Geburtstag der vor drei Jahren verstorbenen Inge Borkh zum 100. Mal!


    Radio OE 1 sendet aus diesem Anlass ein Portrait über die Sängerin und stellt im Titel die Frage WAR ELEKTRA JE MODERNER?

    Zitat

    Inge Borkh bediente kein "Fach"; was immer von ihr heute nachzuerleben ist, zeigt Schärfe des Intellekts und anspringende, wie lodernde Stimm-Intensität.


    Die Sendung wird am 27. Mai um 14.05 Uhr ausgestrahlt und ist dann noch sieben Tage online abrufbar.


    https://oe1.orf.at/programm/20…8/War-Elektra-je-moderner



    Um dem Thread-Titel gerecht zu werden sollte man in ihre Paraderolle (die Elektra war es letztendlich wohl deutlich mehr als die Salome) hineinhören. Sie ließ aber auch in anderen nicht-deutschen dramatischen Partien aufhorchen. Allzu gerne vergisst man bei ihr, dass sie auch einige Rollen des Italienischen Faches hervorragend interpretierte.


    Obwohl ich mir mit Elektra immer noch sehr schwer tue - aber dieser Live-Mitschnitt macht auf jeden Fall Lust auf mehr!




    Gregor

  • Obwohl ich mir mit Elektra immer noch sehr schwer tue - aber dieser Live-Mitschnitt macht auf jeden Fall Lust auf mehr!

    Lieber Gregor, um die Oper besser kennenzulernen und die überragende Bedeutung von Inge Borkh als Interpretin der Titelrolle zu erfassen, würde ich Dir zu dieser Einspielung aus dem Studio raten.



    Sie ist nach meinem Dafürhalten künstlertisch nie übertroffen worden. In ihrem breitem Stereo kann die Produktion auch nach sechzig Jahren noch technisch mithalten. Obwoh ich mich von Live-Mitschnitten auch gern faszinieren lassen, habe ich es doch auch gern sehr exakt und perfekt. Diese Einspielung aus Dresden war eine meiner Iniitialzündungen - wenn nicht DIE Initialzündung - für Liebe zur Oper.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Gregor, um die Oper besser kennenzulernen und die überragende Bedeutung von Inge Borkh als Interpretin der Titelrolle zu erfassen, würde ich Dir zu dieser Einspielung aus dem Studio raten.

    Den Rat kann ich nur unterstützen. Allerdings hat die Aufnahme höchst bedauerliche Striche! Zudem leider eine Chrysothemis, die nicht in der gleichen Liga singt, wie die übrigen Solisten!


    Caruso41

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    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Lieber Gregor, um die Oper besser kennenzulernen und die überragende Bedeutung von Inge Borkh als Interpretin der Titelrolle zu erfassen, würde ich Dir zu dieser Einspielung aus dem Studio raten.


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    Sie ist nach meinem Dafürhalten künstlertisch nie übertroffen worden. In ihrem breitem Stereo kann die Produktion auch nach sechzig Jahren noch technisch mithalten. Obwoh ich mich von Live-Mitschnitten auch gern faszinieren lassen, habe ich es doch auch gern sehr exakt und perfekt. Diese Einspielung aus Dresden war eine meiner Iniitialzündungen - wenn nicht DIE Initialzündung - für Liebe zur Oper.


    Vielen Dank, lieber Rüdiger, für den Tip.


    Von Inge Borkh sind ja rund ein halbes Dutzend Elektra-Aufnahmen auf CD erschienen. Darunter finden sich wohl zwei Studioproduktionen. Eine davon ist die von dir oben erwähnte.


    Was Live-Aufnahmen betrifft hat wohl der Salzburger Mitschnitt von 1957 unter Mitropoulos die Nase vorne. Auch da ist Jean Madeira eine exzellente Klytämnestra - deren Schreie wohl aber nicht von Madeira kommen, die sollen von einer Schauspielerin beigesteuert worden sein. Und es handelt sich bei dem Mitschnitt um die einzige auf CD gebannte Chrysothemis von Lisa della Casa.

    Überhaupt ist die Salzburger Besetzung bis in die Nebenrollen namhaft. Die Fünf Mägde sind beispielsweise Kerstin Meyer, Sonja Draksler, Sieglinde Wagner, Lisa Otto und Marilyn Horne(!).


    Ich gehe davon aus, dass du als Borkh- und Elektra-Freund auch diese Aufnahme kennst, Rüdiger. Wie siehst du sie im Vergleich zur Studioproduktion unter Böhm? Vorteile? Nachteile?


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    Gregor

  • Was Live-Aufnahmen betrifft hat wohl der Salzburger Mitschnitt von 1957 unter Mitropoulos die Nase vorne. Auch da ist Jean Madeira eine exzellente Klytämnestra - deren Schreie wohl aber nicht von Madeira kommen, die sollen von einer Schauspielerin beigesteuert worden sein. Und es handelt sich bei dem Mitschnitt um die einzige auf CD gebannte Chrysothemis von Lisa della Casa.

    Überhaupt ist die Salzburger Besetzung bis in die Nebenrollen namhaft. Die Fünf Mägde sind beispielsweise Kerstin Meyer, Sonja Draksler, Sieglinde Wagner, Lisa Otto und Marilyn Horne(!).


    Ich gehe davon aus, dass du als Borkh- und Elektra-Freund auch diese Aufnahme kennst, Rüdiger. Wie siehst du sie im Vergleich zur Studioproduktion unter Böhm? Vorteile? Nachteile?

    In Deiner Bewertung des Salzburger Mitschnitts, lieber Gregor, bin ich ganz auf Deiner Seite. Ich kann mich noch an meinen inneren Aufschrei erinnern, als ich die Orfeo-Ausgabe nach den originalen Bändern in Händen hielt. Vorher geisterten technisch weniger anspruchsvolle Ausgaben auf dem grauen Markt herum, die man nun vergessen konnte. Diese Produktion glüht förmlich und hat auch für mich wegen der Mitwirkung von Lisa della Casa eine Sonderstellung. Selbst auf der Tonspur wird das Drama in Breitband mit einer unglaublichen Wucht entfesselt. Alle sind wie besessen und geben noch mehr als sie sonst könnten. Eine Sternstunde, um diese etwas abgegriffene Wort zu gebrauchen. Nicht wiederholbar. So muss es sein.


    Vorteile oder Nachteile im Vergleich zur Studio Aufnahme sehe ich nicht. Ich gehöre nur zu denen, die das Studio als einen Möglichkeit sehen, den Mitschnitt als die andere. Im Studio wird womöglich die größere Genauigkeit erzieht, zumal unter dem Zuchtmeister Karl Böhm, der sich nicht - im guten Sinne - so gehen ließ und aus sich heraus ging wie Mitropoulos. Ich also muss beides haben! Übrigens gibt es auch bei Böhm für die kleinen Anfragen interessante Besetzungen: Die Mägde sind Cvetka Ahlin, Margarete Sjöstedt, Sieglinde Wagner, Judith Hellwig, Gerda Scheyrer, die Aufseherin Ilona Steingruber. Als alter Diener ist der junge Siegfried Vogel zu hören. Alle haben große Karrieren hingelegt. In der Studioproduktion finde ich Details, die auf der Bühne wohl untergingen. Dieses kurze Aufstöhnen wie ein "Ah" der Elekra aus tiefster Seele als sie feststellt, dass sie ihm das Beil nicht habe geben können. Das Lachen der Klytämnestra ist hier durch den untergelegten technischen Hall natürlich besonders wirkungsvoll.


    Allerdings hat die Aufnahme höchst bedauerliche Striche! Zudem leider eine Chrysothemis, die nicht in der gleichen Liga singt, wie die übrigen Solisten!

    Lieber Caruso, mir ist eigentlich nur ein Strich, nämlich der übliche am Ende der Begegnung zwischen Elektra und ihrer Mutter bewusst. Ich wäre Dir also sehr dankbar, würdest Du mir noch andere Stellen bezeichnen. Ich meine mich zu erinnern, dass Carlos Kleiber die Borkh dazu überreden wollte, dass sie die gestrichenen Passage bei einer Aufführung - war es Stuttgart? - singt. Die aber lehnte an, weil ihr dazu die Kraft fehle. Solti hat den Strich in seiner Studioaufnahme mit Birgit Nilsson aufgemacht. Sehr gut, dass man das mal hören kann. Das ist also ein Vorteil des Studios. Für einen Gewinn für den dramatischen Ablauf an dieser Stelle des kompakten Werkes halte ich das nicht. Es beginnt sich zu ziehen. Und was die Schech angelangt, bin ich ganz bei Dir. Ich habe aber meinen Frieden mit ihr gemacht und höre sie nun als die Frau, die sich nach einem gehobenen Hausfrauendasein sehnt. Das passt dann wieder einigermaßen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Ich meine mich zu erinnern, dass Carlos Kleiber die Borkh dazu überreden wollte, dass sie die gestrichenen Passage bei einer Aufführung - war es Stuttgart? - singt. Die aber lehnte an, weil ihr dazu die Kraft fehle.


    Ja, Frau Borkh meinte, dass man die Elektra ohne Striche gar nicht machen kann, und dass SIE es jedenfalls nicht singen könne.

    Kleiber musste sich danach eine neue Elektra suchen, aber diese schien es auch nicht ohne Striche machen zu können. Die Aufführungen fanden letztendlich statt - mit Strichen.


    Ich höre mir gerade nebenstehende Arien-CD von Inge Borkh an. Schon erstaunlich, mit welchem Aplomb sie diese Arien gestaltet.

    Sie ist hier beispielsweise eine prägnante Lady Macbeth. Auch Gluck's Alceste ist eindringlich.

    Aber nicht nur in den Arien dieser Partien hört man viel Ausdruck. Sie scheint eigentlich immer die richtigen Partien für ihren Stimmtyp gefunden zu haben.

    Auf der CD findet man auch die Arie der Rezia aus Weber's Oberon. Diese Rolle bezeichnete sie ja mal als einen Fehler in ihrer Karriere.




    Auf einer weiteren CD, beim Label Orfeo erschienen, findet man auch sehr frühe Aufnahmen. Die älteste und erste überhaupt entstand 1936. Die noch nicht mal 15-jährige Inge Borkh ist hier mit dem Schlager "Man hat's nicht leicht" zu hören. Ebenfalls auf dem Album befinden sich zwei Operetten-Titel. Die Aufnahmen für Die Dubarry und Eva sind 1938 entstanden.


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    Gregor

  • Hallo ihr Borkh Freunde, ich verlinke mal hier einen HörtestRichard Strauss` »Elektra«: Menschen, Monster, Mutationen !


    Der oder Die Hörer:in findet diese 51pOMQNZywL._SY300_BO1,204,203,200_.jpg....

    ....Aufnahme zusammen mit dem Schauspiel von Hofmannsthal an vorderster Stelle!

    Klytämnestra Margarete Klose

    Elektra Inge Borkh

    Chrysothemis Annelies Kupper

    Aegisth Heinrich Bensing

    Orest Ferdinand Franz

    Chor des HR, Sinfonieorchester des HR Dir. Kurt Schröder

    Aufnahme des HR 1953

    Trotzdem >Favorisiere< ich diese Aufnahme meiner vier GA von Inge Borkh.

    Zitat von Gregor

    deren Schreie wohl aber nicht von Madeira kommen, die sollen

    Wenn man allerdings die NY Live Aufnahme hört*, kommt man aber zu dem Schluss, dass Frau Madeira es auch auf der Studio GA selbst produzierte, *die sind noch eindringlicher als bei Mitropoulos.

    Die Studio Aufnahme gefällt mir am allerwenigsten.

    Dann gibt es ja noch diesen Ausschnitt der mir auch sehr zusagt!

    Aber alles in allem, sie war eine faszinierende Elektra!

    Auf der Bühne habe ich sie nur noch als Rezensorin und ihren gesungen Memoiren gehört!


    LG Fiesco

    Il divino Claudio
    "Wer vermag die Tränen zurückzuhalten, wenn er den berechtigten Klagegesang der unglückseligen Arianna hört? Welche Freude empfindet er nicht beim Gesang seiner Madrigale und seiner Scherzi? Gelangt nicht zu einer wahren Andacht, wer seine geistlichen Kompositionen anhört? … Sagt nur, und glaubt es, Ihr Herren, dass sich Apollo und alle Musen vereinen, um Claudios vortreffliche Erfindungsgabe zu erhöhen." (Matteo Caberloti, 1643)

  • Lieber Fiesco, die Schauspiel- und Opernfassung von "Elektra" in einem war mir in dieser Kombination bisher entgangen. Danke also für die Empfehlung, die bei mir angekommen ist. Da ich auch Maria Becker sehr zu schätzen weiß, ist gewiss ein hochdramatisches Ereignis in Wort und Ton zu erwarten - zumal ich Sprechbühnen in der Regel meide. Es wird dort nicht so gesprochen, wie ich es erwarte und wie es meine Ohren aushalten. Zudem bin ich gespannt, ob der komplette Text von Hofmannsthal geboten wird. Diesmal griff ich auf meinen Bibliotheksdauerausweis zurück und bestellte die Box zum Ausleihe in die nächstgelegene Zweigstelle. Da ist außerordentlich bequem. :)


    Auf der Bühne habe ich sie nur noch als Rezensorin und ihren gesungen Memoiren gehört!

    Mir war es auch nicht beschieden, Inge Borkh noch als Elektra auf einer Bühne zu erleben. Als sie aufhörte, schien sie mir auch stimmlich ziemlich am Ende zu sein. Die Stimme war wohl doch empfindlicher als zu vermuten war. Ich hatte den Eindruck, dass sie nur damit spielte, wenn sie dieses und jenes als für sie nicht zu schaffen bezeichnete. Dem war aber nicht so.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent