Schumann: Carnaval op. 9


  • Ja, ein solcher Rausch stellt sich auch bei Mitsuki Uchida ein. Man frägt sich eigentlich dann schon etwas, warum. Wobei sich die Exaltierung schon ankündigt in den "Sphinxes", wo M.U. sofort einen völlig mystischen Ton trifft. Ausserdem bringt sie uns die folgenden "Papillons" wie eine wilde Jagd zu Gehör. Das zwischen "Chiarina" und "Estrella" plazierte "Chopin" ist sehr agitato, also erregt und erregend sowie leidenschaftlich gelungen. Und schliesslich wird der Schlussmarsch, Davidsbündler gegen Philister, ins Rauschhafte gezogen. Toll ist, dass das gar (noch) nicht ind Pompöse geht.


    Doch anders als Arrau bleibt er ganz bewusst nicht in den Grenzen des Klassisch-Seriösen. Da gibt es diesen nonchalenten Zugriff, die Labilität, die flattrige subjektive Unruhe, die auch schon man die Genauigkeit aufs Spiel setzt - ohne aber jemals wie bei Horowitz exaltiert zu werden.

    Bei Horowitz und Gieseking sind jeweils ganz andere Mittel im Spiel, zu bestimmten Effekten, sagen wir Expressionen zu gelangen. Ich liebe diese Horowitz`schen Übertreibungen sehr, die Gieseking`schen Mittel lerne ich gerade erst richtig kennen (bei Schumann), und bin schon jetzt sehr beeindruckt.



    Die Arrau - Kassette habe ich noch nicht genügend gehört, liegt aber vor meiner Nase. Demnächst kommt darüber in überschaubarem Zeitrahmen ein Post.


    Claudio Arrau in Schwetzingen 1963




    Zuvor möchte ich kurz noch Annie Fischer streifen, dann endlich noch ein paar Details zu Gieseking und Wirsaladse. Das Konzept hierzu liegt mir in WORD schon vor. :) :thumbup:
    MlGD.

  • Wobei sich die Exaltierung schon ankündigt in den "Sphinxes", wo M.U. sofort einen völlig mystischen Ton trifft.

    Eigentlich, lieber Damiro, soll die "Sphinx" gar nicht gespielt werden! Sie ist ja nur der "Code"-Schlüssel, um den Carnaval aufzuschlüsseln und diese Verschlüsselung muss auch erhalten bleiben, sonst ist die Sphinx nämlich keine Sphinx mehr! :)

    Die Arrau - Kassette habe ich noch nicht genügend gehört, liegt aber vor meiner Nase. Demnächst kommt darüber in überschaubarem Zeitrahmen ein Post.

    Hast Du diese DVD auch bestellt?



    Annie Fischer habe ich auch, nur noch nicht gehört - in dieser Box:



    Hast Du Geza Anda - das ist ein phänomenales Konzert!



    :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Annie Fischer habe ich auch, nur noch nicht gehört - in dieser Box:


    ...welche ich gerade nicht gekauft habe ! Trotz des lächerlichen Preises ! Was aber mit Annie Fischer selbst nichts zu tun hat, sondern mit einer (sehr subjektiven) Grenzziehung, was alles bei mir lagern soll und was nicht. Da ist dann die Lücke bei mir, wo das Streaming herhalten muss, im jetzigen Fall von YT.

    Hast Du Geza Anda - das ist ein phänomenales Konzert!


    Ja, die habe ich, auf dein "Beschreiben" und "Anraten" hin und- ich lasse mich gerne deswegen mit warmem Kamelkot bewerfen - bisher nur ein einziges Mal beim Koffer- ein- und auspacken aus dem anderen Stockwerk gehört. Ich bin aber optimistisch, dass ich Geza Andas CD schon deshalb noch ernsthaft hören werde, weil er -wie ich- lange Zeit ein heimlicher Raucher war. 8o :thumbsup:
    Also diese da:


  • ...welche ich gerade nicht gekauft habe ! Trotz des lächerlichen Preises ! Was aber mit Annie Fischer selbst nichts zu tun hat, sondern mit einer (sehr subjektiven) Grenzziehung, was alles bei mir lagern soll und was nicht. Da ist dann die Lücke bei mir, wo das Streaming herhalten muss, im jetzigen Fall von YT.

    Ich habe da so gedacht, lieber Damiro, dass Annie Fischer in meiner Sammlung bis dahin komplett fehlte - und so habe ich einen kompakten und preisgünstigen Querschnitt von ihr. Zum großen Annie-Fischer-"Fan" bin ich aber bislang nicht geworden.

    Ja, die habe ich, auf dein "Beschreiben" und "Anraten" hin und- ich lasse mich gerne deswegen mit warmem Kamelkot bewerfen - bisher nur ein einziges Mal beim Koffer- ein- und auspacken aus dem anderen Stockwerk gehört. Ich bin aber optimistisch, dass ich Geza Andas CD schon deshalb noch ernsthaft hören werde, weil er -wie ich- lange Zeit ein heimlicher Raucher war. 8o :thumbsup:

    :D Ich habe auch noch diesen frühen Mitschnitt aus den 50igern von ihm - aus der Erinnerung würde ich sagen, dass der Salzburger Mitschnitt 20 Jahre später deutlich besser ist, aber ich will mich da nicht festlegen:



    Von den Ungarn wäre auch noch George Cziffra zu nennen. Ich finde seine Aufnahme wirklich hervorragend - mein Lehrer mag seinen "Carnaval" dagegen gar nicht. (Er selbst hat den Carnaval im inzwischen abgerissenen alten Düsseldorfer Schumann-Saal aufgeführt. Das war eine der wenigen Male, wo ich nicht auf dem Podium gesessen habe, er wollte bei dem schwierigen "Carnaval" alleine da oben sitzen. Das Konzert war wirklich sehr gut! :D ) Er hat Cziffra damals in Düsseldorf im Konzert mit dem Stück gehört und er fand das einen ziemlichen Reinfall. Das kann natürlich sein, dass Cziffra da einen schlechten Tag hatte. Aber die Studioaufnahme (vielleicht sind es auch zwei in der großen EMI-Cziffra-Box, das habe ich jetzt nicht im Kopf) gefällt mir doch sehr. :D :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Habe gerade von Geza Anda 50er Jahre "Eusebius" und "Papillons" gehört (Schnipsel). Ersteres klingt wie von zwei Klavieren im Raum, sehr leise, jeder Ton/ Akkord bestimmt, aber leicht hingesetzt (das bekommt man so wirklich nur auf einem perfekt eingerichteten Flügel hin). Die Papillons haben wieder dieses leicht verwischte und deshalb unheimlich wirkende schnelle Accelerando in ihren Figuren. Sehr gut ! :hello:
    György Cziffra lasse ich im Moment mal ruhen. Sehr lange weiss ich von ihm, dass sein Spiel immer wieder alles, von genial bis fahrig- flüchtig beinhalten kann. Und du, Holger, hast uns netterweise früher in diesem Thread schon was über ihn mitgeteilt.
    MlG
    D.

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  • Lieber Damiro,


    ich schaue mal, ob ich Zeit finde, beide Aufnahmen von Anda nochmals zu vergleichen und werde besonders auf den Flügel achten. ;) Ich habe ja auch noch die alte Aufnahme von A. de Larrocha mit der neuen nicht verglichen. Und Cziffra nehme ich mir vielleicht auch nochmals vor. :hello:


    Liebe Grüße
    Holger


  • Nun zu

    Annie Fischer

    der Beitrag sollte ursprünglich deutlich kürzer werden, aber....

    auf diese jüdische Pianistin, welche 1914 in Budapest geboren worden ist, als 12 jährige national und mit 16 bereits europaweit konzertiert hat, stösst man ganz
    schnell bei allen Medienversandfirmen, Musikforen und Zeitschriften verschiedener Art. Sie emigrierte 1940 mit ihrem Ehemann, Aladar Toth, einem
    Musikkritiker und Musikwissenschaftler nach Schweden und kehrte nach dem Krieg nach Ungarn zurück, wo ihr Ehemann die Leitung der Budapester Oper für zehn
    Jahre übernehmen konnte und sie selbst zu einer reichhaltigen Konzerttätigkeit fand und reichlich Schallplatten und Rundfunkmitschnitte aufnehmen konnte. Toth
    gelang es, Otto Klemperer nach Budapest zu holen, wo dieser drei fruchtbare Jahre verbrachte.


    A.F. nahm viele Klavierkonzerte des klassisch- romantischen Repertoires auf und wurde auch durch Schallplatten von Beethovensonaten und solchen weiterer
    Komponisten inklusive ihres Landsmannes Bartok weltweit bekannt. Es kam zu einer Gesamtaufnahme dieser 32 Sonaten, zu deren Veröffentlichung die Pianistin
    zu ihren Lebzeiten jedoch keine Authorisierung erteilt hatte, die aber nach ihrem Tod 1995 von ihrer Plattenfirma auf den Tonträgermarkt gebracht wurden.


    Allein die vorstehenden Informationen prädestinieren Annie Fischer dazu, hier erwähnt zu werden. Sich die Frage zu stellen und anhand des YT samples zu hören, was es
    mit ihrem Carnaval auf sich habe.





    Mit einer Gesamtspieldauer von 25`39 ist sie bei den schnelleren Pianisten, und bei den Pianistinnen sowieso. Es handelt sich um eine Liveaufnahme aus London von 1963.


    Gleich zu Beginn weiss man, dass sie enorm stilsicher spielt. Nicht nur in den Details des Hauptthemas, den Klangreichtum der Anfangsakkorde uns zu präsentieren, es

    ist eine körperlich- geistige Grundhaltung zu spüren, dazu allerfeinste, höchstentwickelte Rhythmusunterschiede, es entsteht ein leises, aber allgegenwärtiges Vibrieren oder Pulsieren im Spiel.

    Das kann sie/ macht sie in allen Tempi und Lautstärkegraden. Es ist alles wie aus einem Guss (beim ersten
    Hören ein Rätsel, was genau das Fesselnde ist, und wie die einzelnen Töne und Akkorde genau klingen !)



    Einfach mal ein „momentanes“, kleines „Lieblingsstück“ hören, z.B. Coquette, Replique, vier, fünf, sechsmal und man wird es erkennen und spüren, was da pulsiert.


    Und weiter: keine Note ist wie die andere, woraus eine grosse Farbigkeit ihres Spiels entsteht.


    Weiterhin haben nun schnelle Stücke wie „Papillons“ einen Drive = Sog, welcher um so mehr fasziniert, je differenzierter er ist im Vergleich zu anderen Virtuositäten,
    ich meine vor allem die „schnelleren“ Masken gegen Schluss hin.


    Nebenbei:
    Annie Fischer spielt als eine der wenigen „Chiarina“ und „Estrella“ als unterschiedliche Charaktere aus, „zusammengeklebt“ (Entschuldigung die sprachliche Entgleisung !) durch das
    leidenschaftliche „Chopin“.


    „Renaissance“ ist leichtfüssig und duftig, „Aveu“ leise, romantisch und ein bisschen sentimental.


    !!!!!!! Kein Wunder, gehört Annie Fischer zum erlauchten Kreis der Pianisten, welche über extreme Mittel der Gestaltung und Technik verfügen, und diese sehr
    differenzierend, aber eben auch durchaus unspektakulär einsetzen. :angel: Es ist andererseits auch das Gegenteil einer intellektuell zu charakterisierenden Spielweise.
    Deshalb möchte ich sie in einer allgemein- qualitativen Sichtweise neben einem Arrau oder Rubinstein sehen, welcher letzterer allerdings mit zusätzlicher Treffsicherheit und Glanz und Eleganz weitere Riesenargumente in
    die Wagschale wirft. :angel: :) :) :)

    Und last but not least:


    die live Aufnahme aus London 1963, bei YT eingestellt, ist technisch und klanglich optimal für diese Zeit. :yes:

    Einmal editiert, zuletzt von Damiro ()

  • # 96, @ Holger,


    Gemach, Gemach !
    Was du alles so schreibst, da komm ich schon gleich gar nicht hinterher.


    MlG, auch für`s vorige Post
    D.

  • Was du alles so schreibst, da komm ich schon gleich gar nicht hinterher.

    Damit´s so weiter geht :D :



    Der "große Unbekannte" und "einzige andere Pianist" beginnt die Preambel scherzando und virtuos-brillant - um dann einen wunderbar nachdenklichen Pierrot vorzutragen. Fiorentino hat zweifellos die Brillanz und die poetische Kraft, um den Carnaval zu spielen. Und pianistisch souverän ist für diese Virtuosität gar kein Ausdruck. (Wie er die "Pause" z.B. über die Tasten fegt!) Nur fehlt mir letztlich die stilistische Einheitlichkeit und letzte Konsequenz, was das interpretatorische Konzept angeht. Dazu kommen immer wieder die altmodischen pianistischen Mätzchen wie Oktavierungen und Arpeggierungen. Im "Marsch der Davidsbündler gegen die Philister" beginnt er zwar "Nicht schnell", wie Schumann zur Warnung an die Pianisten in den Notentext schreibt, läuft dann aber schließlich doch irgendwann tempomäßig davon. Seine "Arabeske" und auch die "Symphonischen Etüden" sind übrigens überragend, wirklich hoch poetisch und überlegen gestaltet gespielt! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Nun zu Annie Fischer;

    Ich habe gerade die Studio-Aufnahme aus dieser Box gehört:



    Das ist wirklich eine sehr gute Aufnahme - sachlich ohne Schnörkel und ungemein konsequent und sorgfältig durchgearbeitet, pianistisch sehr souverän (Paganini!). Der einzige Einwand ist, dass ihr Spiel doch bisweilen etwas sehr positivistisch nüchtern wirkt. Etwas mehr "Begeisterung" würde ich mir da wünschen.


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Hier würde ich nun Annie Fischer`s live- Aufnahme von 1963 (aus YouTube) der von 1961 (oder früher) fast vorziehen. Sie ist noch eine Spur lebendiger, v.a. was die Agogik angeht; die in deiner Kassette ist dagegen etwas klassischer. Da würde ich sagen - Geschmacksfrage. Die "Promenade" ist auch hier rhythmisch äusserst differenziert. Sehr gut gelungen sind beide allemal. Auch klanglich- technisch beide recht gut für die Zeit.


    Und Sergio Fiorentino kannte ich bis zu meinem Eintritt bei den Taminos gar nicht. Was er als Carnaval hier hinlegt, sucht seinesgleichen, so leise und legato- singend können offenbar gar nicht viele. Dabei haben die Schnipsel, die ich gehört habe, teilweise ein Wahnsinnstempo, dass selbst ein Gieseking und eine Frau Virsaladse etwas später mit ihren Stücken fertig sind sind. G. Durch das Schnipselhören stellt sich bei mir kein zuverlässiger Gesamteindruck ein.


    Cziffras Versionen allerdings sind teils noch schneller als alles Andere. :thumbup: :stumm:



    MlG
    D.

  • Nun sind wir endlich bei


    Walter Gieseking (1895 Lyon bis 1956 London)


    angelangt.



    Er war ein deutscher Pianist, dessen internationale Karriere durch die Naziherrschaft nicht beeinträchtigt worden ist, der teilweise in England und Frankreich mehr geschätzt worden ist als in Nachkriegsdeutschland. Er ist an der italienischen und französischen Riviera gross geworden, und hatte erst als 16 jähriger geregelten Klavierunterricht, alsbald bei Karl Leimer, einem damals renommierten Klavierlehrer und Musikprofessor in Hannover, wo er mit Gieseking zusammen eine Schule des Klavierunterrichts nach der Methode Leimer- Gieseking entwickelt hat. U.a. geht es dabei um Rollbewegungen der Unterarme, um ihre eigene Achse, um das Problem des Daumenuntersatzes bei längeren Läufen und auch generell besser zu meistern. Ausserdem gehörten unter anderem das gründliche und konzentrierte Notenstudium ohne Klavier zur Ausbildung. G. wurde alsbald mit Interpretationen von Mozarts Sonaten und Kl.konzerten, aber auch mit Beethoven bekannt. Er verbreitete mit als erster deutscher Pianist die Klaviermusik von Debussy und anderer westeuropäischer Komponisten, setzte sich zudem für zeitgenössische Klavierwerke und Uraufführungen ein. Er spielte schon früh auch die Klavierkonzerte von Rachmaninow in Mittel- und Westeuropa.Es heisst, dass er wenig geübt hätte. Er hatte aber auch ein phänomenales Gedächtnis. Die Qualität seines Anschlags, seine dadurch erzeugten Klangfarben, war ein Vorteil gegenüber den meisten anderen Pianisten seiner Zeit. Sein Legatospiel wurde und wird gerühmt. Gleichzeitig brillierte er mit einer breiten Palette von Anschlagsarten, welche auch ein kritisch- gebildetes Publikum in Erstaunen versetzten.



    Als Hörgrundlage hatte ich diese CD remastered (mit Studioaufnahme 1943 in Berlin) zur Verfügung:

    W.G. nimmt den Carnaval ziemlich rasch, die Gesamtspieldauer beträgt 24`27``. Sofort und auch einige Male gehört, kann man sich seine Art zu Spielen leicht merken. Es ist gleicherweise leichtgängig und wirkt oft nebensächlich und unaufdringlich. Alle Töne, mit wenigen Ausnahmen, klingen weich und ihre Abfolgen geschmeidig. Er scheint auf das letzte Quäntchen Brillianz eher zu verzichten (i. Ggs. zu einem z.B. Rubinstein). Dennoch ist es nicht so, dass einem beim Gieseking- Carnaval etwas fehlen würde, z.B. ist Klarheit - fast - überall und immer vorhanden (s.o., manches mag man durchaus nochmals hören wollen ! ;) )


    Ein kleines Meisterstück ist beim "Eusebius" das Vorlegen oder Vorführen der rechten Hand und das jederzeit kontrollierte Nachsetzen, Nachtupfen der linken. Alle Pianisten oder fast alle spielen diese Passage sehr gut, weil sie im Focus und durchsichtig ist. G. spielt sie einen Tick leichter, was locker hingedrückt wird und wie nebensächlich klingt. Die (normal sehr langsame) Sphinx erscheint wg. des höheren Gieseking`schen Grundtempos wie eine langsame, kaum sangliche, dennoch entfernt melodische Abfolge (bei manchen Pianisten fällt dieser kurze Part stiliistisch einfach aus dem Rahmen oder wirkt sogar deplaziert). Chiarina und Estrella werden als musikalisch verwandte, wenn nicht zusammengehörige Teile genommen und mit dem dazwischen befindlichen leidenschaftlichen "Chopin" verbunden. Aveu bestürzt anfangs, fängt sich aber sofort wieder. Vielleicht wieder recht typisch für Gieseking ist der Schlussmarsch Philister gegen Davidianer: es klingt nichts von Soldatenstiefeln an, signalisiert eher Spannung und Elastizität der Marsch -Tanzschritte.



    Eine musikalisch und technisch meisterhafte Aufnahme, die auf meinen beiden normalen Anlagen gut, auf meiner High- End- Anlage dagegen etwas gepresst und diskantbetont klingt (nur bei höheren Lautstärken). (Daran hat ein anstandslos erfolgter Umtausch bei jpc nichts geändert !)
    +++++++++++++++++++
    An diese Stelle passen m.E. ganz gut einige Sätze über einen ebenfalls ziemlich schnell gespielten Carnaval von Eliso Wirsaladse (Betonung des Vornamens auf dem -o-).


    Die Spieldauer ist 23`30 und es ist eine Studioaufnahme von 1971, welche klanglich- technisch ganz ausgezeichnet ist (DGG- Ursprung ?) Frau W. ist in Georgien geboren und hat das System der sowjetischen Ausbildung in Gänze durchlaufen.

  • Vorstehend hatte ich begonnen über E. Virsaladse zu schreiben. Den Originaltext konnte ich nicht vorm Verschwinden retten --> also dacapo.


    Eliso Wirsaladse ist im deutschen Wiki als Schumann- und Chopinspezialistin genannt, bei den Tonträgern der deutschen Nationalbibliothek liegen mehr Schubert- als Schumann- Aufnahmen vor. Zwei Dinge sind mir beim Hören aufgefallen: wo geboten, spielt sie in einem einnehmenden poetischen Ton. Wunderschönen Linien, Bögen und Themen. Auch sehr leise kann sie noch gestalten. Andererseits werden die schnellen und mittelschnellen Anteile des Carnevals mit konsequentem rhythmischen Lauf unterlegt. Dabei wird sie weder schneller noch drängend noch grob noch polternd oder donnernd. Es ist dann ein rubatoarmer bis -loser Ablauf, welcher nicht emotional belastet wird, aber eben auch keine Kälte hat. Rachmaninow, als Pianist, macht das auch, doch meine ich bei ihm immer wieder eine Art latenten Tanzrhythmus zu spüren.


    Fazit: der Gesamteindruck ist ziemlich geschlossen und harmonisch, mit adäquaten Tempi und guter dynamischer Kontrolle. Das Spiel ist nie langweilig und wirkt nicht gekünstelt. Die Poesie wirkt nicht aufgesetzt. Allerdings dürfte die Pianistin ihre Fähigkeiten bei anderen Stücken und Komponisten noch besser ausspielen können. Wg. der empfundenen rhythmischen Strenge ist es keiner meiner Lieblings- Carnavals. Klanglich bestens.

  • Hier würde ich nun Annie Fischer`s live- Aufnahme von 1963 (aus YouTube) der von 1961 (oder früher) fast vorziehen. Sie ist noch eine Spur lebendiger, v.a. was die Agogik angeht; die in deiner Kassette ist dagegen etwas klassischer. Da würde ich sagen - Geschmacksfrage. Die "Promenade" ist auch hier rhythmisch äusserst differenziert. Sehr gut gelungen sind beide allemal. Auch klanglich- technisch beide recht gut für die Zeit.

    Lieber Damiro,


    das stimmt! Beide Aufnahmen sind ganz ausgezeichnet - sie gehören zu den besten auf jeden Fall! Die alte Giesking Aufnahme müsste ich nochmals hören - Wirsaladse kenne ich nicht. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Er war ein deutscher Pianist, dessen internationale Karriere durch die Naziherrschaft nicht beeinträchtigt worden ist

    Lieber Damiro,


    so ganz möchte ich diese Aussage nicht unwidersprochen stehen lassen.


    Walter Gieseking ist schon recht massiv nach dem 2. Weltkrieg wegen seines Verbleibens in Deutschland während der Naziherrschaft angegriffen worden, vor allen in den USA.


    Zunächst bekam er von den Alliierten Auftrittsverbot in Deutschland. Das wurde aber bereits 1947 wieder aufgehoben. In Frankreich und England erfreute er sich, das ist richtig, ungebrochener Beliebtheit. In Lyon geboren und aufgewachsen, hatte er zeitlebens einen Faible für französische Musik; bis heute gilt er als unübertroffener Interpret der Klaviermusik Ravels und Debussys. Zahlreiche Aufnahmen (EMI) belegen diesen Ruf eindrucksvoll.


    Für 1949 plante er die erste Nachkriegsreise in die USA. Nach massiven Protesten, vor allem aus jüdischen und Veteranen-Kreisen, wurde ihm die Einreise verweigert. Künstlerkollegen wie Vladimir Horowitz und Artur Rubinstein, aber auch Heifetz, Isaac Stern und Eugene Ormandy beteiligten sich an Boykottaktionen und riefen in Zeitungen und auf Flugblättern zum Protest gegen Gieseking auf. Schließlich mußte er seine Reisepläne auf Eis legen. Erst 1953 konnte er erstmals wieder in die USA einreisen und gab u.a. ein ausverkauftes Konzert in der New Yorker Carnegie Hall. Danach war zumindest in weiten Kreisen seine Reputation wieder hergestellt, aber die weiter oben genannten Künstler haben es abgelehnt, sich mit Walter Gieseking zu treffen. Gieseking blieb zwar, wie viele seiner Kollegen, während des Dritten Reiches in Deutschland und konzertierte auch häufig im deutsch besetzten Europa, aber eine wirklich Nähe zu den Nazi-Schergen war ihm nicht nachzuweisen. Sein Schicksal ähnelt in mancher Weise dem von Wilhelm Furtwängler. Beide starben bald nach ihrer Rehabilitation bzw. "Entnazifizierung", Furtwängler 1954, Gieseking am 26.10.1956 während einer Aufnahmeserie der Beethoven-Sonaten für EMI-Columbia in London.


    Ich würde es so ausdrücken: Seine Karriere wurde durch die Naziherrschaft zwar beeinträchtigt und unterbrochen, aber seinem Ruf als einem der bedeutendsten deutschen Pianisten des 20. Jahrhunderts hat das nicht nachhaltig geschadet. Leider sind Giesekings zahlreiche Aufnahmen, vor allem, weil sie fast alle noch in Monotechnik entstanden, heute weitgehend in den Hintergrund getreten, aber vor allem seine Gesamtaufnahme aller Klavierwerke von Wolfgang Amadeus Mozart (EMI, 1953-1954) wird von Kennern und Liebhabern noch heute hoch geschätzt.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Schön,


    lieber nemorino,


    dass du diese wichtigen Details erwähnst, v.a. auch, dass u.a. Heifetz und Horowitz ihn boykottiert haben. Ich denke, dass schon damals - später sowieso - die nicht nur von jüdischer Seite drängende Frage aufgetaucht ist, wo nun die ganzen massgeblichen Nazis eigentlich steckten, um sie aufzuspüren und ihnen dann den Prozess zu machen. Aus heutiger Sicht kamen dort dann schon wahrscheinlich erste Zeichen einer Hysterie der Verfolgung und Benennung auf. Ich möchte soweit gehen und sagen, dass Gieseking ausserdem ein starker Konkurrent von Horowitz in USA und in den wichtigsten kanadischen Städten hätte werden können.


    Mich hat dann ausserdem bewegt, warum Gieseking nach dem WW II in Frankreich und England ziemlich willkommen war, (in Deutschland selbst dagegen erstmal nicht) ?


    MlG
    D.

  • Der Zeit nach ist die Gesamtspieldauer bei Brigitte Engerer 22`52, was ich kaum glauben mag, während ich die einzelnen Teile des Carnavals hörte. Somit gehört sie mit Gieseking, Wirsaladse und Violeta Khachikyan zu den schnellsten Carnavalsinterpreten und es ist von ihr deshalb an dieser Stelle die Rede. Beim Durchstreifen des Netzes habe ich noch nach deutschsprachigen Pianisten/Pianistinnen gesucht, z.B. aber über Ingrid Haebler und Clara Haskil, nicht das gefunden, was mir für diesen Thread geeignet erschien. Aber eben Brischitt E.


    Man kann solche Leute jederzeit anfügen, wenn jemand etwas mehr weiss und das bringen möchte.


    Überrascht war ich von der Biografie von Brigitte Engerer, welche einer französischen Familie entstammt, 1952 in Tunis geboren worden ist, mit sechs Jahren Klavierunterricht hatte, als Teenager dann nach Frankreich umgezogen wurde und dann ernsthaftes Klavierstudium begann. Sie folgte einer Einladung nach Moskau zu Stanislav Neuhaus, dem Sohn des berühmten Heinrich Neuhaus, welcher S. Richter und E. Gilels und viele andere russische Pianisten ausgebildet hatte, und der seinerseits aus einer niederrheinischen Familie entstammte, die eine Klavierfabrik dort betrieben hat. Sie gewann ihren ersten hochkarätigen Wettbewerb, den Concours Marg. Longue- Jaques Thibaud, später dann den Concours musical Reine Elisabeth in Brüssel und weitere. Sie ist 2012 einem langjährigen Krebsleiden erlegen.



    Ich habe folgende Datei durchgehört:

    [media]


    Anfangs hörte ich nun besonders darauf, woher die insgesamt kurze Spielzeit wohl käme und stellte fest, dass sie ziemlich schnörkellos spielt, oft kurz angebunden ist, immer klar, humorvoll, lustig, nicht breit erzählend oder darstellend, z.B. im (fast flüchtig hingelegten) Prolog oder im finalen (flotten, total virtuosen) Philister- Davidianer- Marsch. Die poetisch gedachten oder überschriebenen Stücke wurden auch so gespielt. Und der Anschlag (die Farbgebung also und Brillianz und mehr...) waren auch nicht sensationell. Kurzum: ich konnte nichts Aufregendes hören und hätte es beinahe bei der reinen Erwähnung belassen.Jedenfalls habe ich noch etwas herumgelesen und v.a. ihren Chopin und sie auch im Duo mit Boris Beresowski gehört und im Video gesehen (!!!): da waren ja zwei Erz- Musiker am Werk, wie sie im Buche stehen !


    Es war das Musikantische, was mir nicht gleich aufgefallen ist: die Stücke werden nach ihrem vermuteten (oder tatsächlichen - was hier gleich ist !) Charakter gespielt, haben immer ihren inneren dramatischen Impuls oder ihre Linie, ihr Bild, ihr Anfang und Ende, was sie ausmacht. Man meint, dass selbst ein paar Mätzchen dazugehören. (Und sie greift gaanz selten daneben)


    Grossartig ! :angel: :yes:

  • Anfangs hörte ich nun besonders darauf, woher die insgesamt kurze Spielzeit wohl käme und stellte fest, dass sie ziemlich schnörkellos spielt, oft kurz angebunden ist, immer klar, humorvoll, lustig, nicht breit erzählend oder darstellend, z.B. im (fast flüchtig hingelegten) Prolog oder im finalen (flotten, total virtuosen) Philister- Davidianer- Marsch. Die poetisch gedachten oder überschriebenen Stücke wurden auch so gespielt. Und der Anschlag (die Farbgebung also und Brillianz und


    mehr...) waren auch nicht sensationell.


    Kurzum: ich konnte nichts Aufregendes hören und hätte es beinahe bei der reinen Erwähnung belassen.Jedenfalls habe ich noch etwas herumgelesen und v.a. ihren Chopin und sie auch im Duo mit Boris Beresowski gehört und im Video gesehen (!!!):


    da waren ja zwei Erz- Musiker am Werk, wie sie im Buche stehen !


    Es war das Musikantische, was mir nicht gleich aufgefallen ist: die Stücke werden nach ihrem vermuteten (oder tatsächlichen - was hier gleich ist !) Charakter gespielt, haben immer ihren inneren dramatischen Impuls oder ihre Linie, ihr Bild, ihr Anfang und Ende, was sie ausmacht. Man meint, dass selbst ein paar Mätzchen dazugehören. (Und sie greift gaanz selten daneben)
    Grossartig ! :angel: :yes:

  • Es ist Zeit für mich, kurz innezuhalten, von der Tastatur aufzusehen, zwischenzubilanzieren und auch etwas zu projektieren.


    Ohne Zweifel wird es sich bei den weiteren Hörberichten fast nur noch um lebende Pianistinnen und Pianisten handeln. Im Netz gibt es derer noch viele und ich finde - falls nötig - jeden Tag einen neuen Namen. Was ich gerne wollte, was aber jedenfalls nicht absehbar ist, wäre eine Art Hierarchie, welchen Carnaval man von welchen Pianisten hören kann: rasant, geheimnisvoll, exaltiert, solide, lyrisch, langsam - und noch langsamer. Letztere Interpretation, gemeint ist vor allem ABM, gilt aber weltweit als Sternstunde des Schumann`schen Klavierspiels und die Frage, was soviel Langsamkeit "bringt" ("Klischee - ich krieg dich noch!") wurde GottseiDank hier schon gestellt. Ich lerne noch, lese und höre, höre, höre... Die Protagonisten mögen uns übrige doch bitte hier im Thread weiterbilden (ist auch schon a bissle erfolgt). Die anderen Toten, über die ich berichten will, sind Geza Anda, Claudio Arrau, Wilhelm Kempf, Jörg Demus und Julius Katchen sowie Solomon Cutner. Und natürlich über zwei CDs von V. Sofronitsky.


    Zur Erwähnung gelangen auf jeden noch Emil Gilels, Youri Egerow und Shura Cherkassky, was ich jetzt sofort unternehmen möchte.



    Ich habe mich schon mal gefragt, warum eine solch grässlich schlecht klingende Aufnahme mit E. Gilels im Netz ist. Gibts von ihm vielleicht gar nichts anderes ? Bei Shura Cherkassky, den ich als Schüler und Student in Heilbronn und Stuttgart mehrere Male erlebt habe, tut es mir fast etwas weh, im Netz ziemlich fehlerhafte Interpretationen vorzufinden. Mit Y. Egerow (1954 bis 1988) gibt es eine schön klingende Aufnahme des Carnavals aus Deutschland von 1978 im Netz, wo man sich gerne von seiner tollen Technik, Sanglich- und Klanglichkeit gefangennehmen lässt. Mir allerdings kommt sein Legatospiel zu häufig und zu vordergründig vor, es entsteht so immer wieder der Eindruck eines Klangteppichs, womit die nötige Klarheit seines Vortrags dahingeopfert wird.





    Was kommt als nächstes ?
    (Es wäre mir am liebsten, die Berichte über die grossen Verstorbenen zwischen diejenigen der jüngeren und ganz jungen Interpreten sozusagen einzustreuen).


    Zuerst möchte ich am Beispiel Sophie Pacini und Emile Naoumoff das Problem von Originalität, Überraschung, Manierismen, Spekulation, Kulturdifferenzen etwas andiskutieren. Danach in einem oder mehreren Posts die Pianisten rekapitulieren, welche in mittleren und schnelleren Tempi gelegentlich oder (fast) regelmäßig ein strenges rhythmisches Regime pflegen, was ich emotional manchmal schwer verkrafte. Es sind v.a. S. Rachmaninow, E. Kuschnerova und Eliso Wirsaladse.

    Da würde ich mich sehr über Posts freuen !
    Danach wird`s mit Mitsuko Uchida und weiteren Jüngeren weitergehen.


    +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
    ES GEHT IN DIESEM THREAD IMMER NUR UM DIE INTERPRETATION DES CARNAVAL, OP. 9, VON ROBERT SCHUMANN !
    +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++


    MlG
    D. :sleeping: :sleeping: :sleeping:

  • Von Brigitte Engerer gibt es zwei Aufnahmen, wobei ich die poetische, spätere Aufnahme (harmonia mundi), der frühen (Decca) unbedingt vorziehe!


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  • Von Brigitte Engerer gibt es zwei Aufnahmen, wobei ich die poetische, spätere Aufnahme (harmonia mundi), der frühen (Decca) unbedingt vorziehe!

    Lieber Christian B.,


    vielleicht möchtest du bei Gelegenheit skizzieren, warum dem so ist, da ich beide Aufnahmen nicht kenne, sie mich aber interessieren. Herzlichen Dank vorab, so du meinem Wunsch entsprechen mögest.


    Viele Grüße
    Novalis

  • Wegen Christian B.s Post # 110 habe ich nochmals die infrage stehenden Aufnahmen ganz gehört und wegen erheblicher Zeitdifferenzen die Gesamtaufnahmedauern mit dem Handy gestoppt. :( Zunächst dachte ich an Summations - und andere Fehler. Auch habe ich schliesslich den Zugriff auf möglicherweise drei Engerer Versionen eingeräumt: die erste eine Life Aufnahme aus "early eighties" mit einer Gesamtdauer von 22`52, die zweite eine Studioaufnahme aus 1983 mit 26`15, die (vermeintliche) dritte Version aus der "Amazon" Homepage (ohne Hörbeispiele) mit 31`20 !? Aufnahmedatum ?? Die virtuelle dritte Version liess sich aber nicht bestätigen...Sicher sind also zwei Versionen, vermutlich beide aus 1983.



    Die gut drei Minuten Zeit, die sie für die (zweite) Version mehr aufwendet, sind dem langsameren Tempo der lyrischen Stücke geschuldet. Von dieser Version bin ich nun total begeistert, sie gefällt mir von allen CARNAVAL- Versionen mit am besten.

    Nochmals die von mir in Post # 107 genannte Live- Version:







    Und die längere Version:


    Die zugehörige CD- Hülle sollte die sein, wo Frau Engererer im weisslichen Spitzenkleid auf die Ellbogen gestützt ist !


    Vielleicht komme ich nochmals darauf zurück.
    MlG
    D.

  • In den letzten Wochen sann ich hin und wieder, wie ich eine gewisse Ordnung in die Abfolge der Besprechungen bringen könnte. Das Alter der Pianisten erschien mir ungeeignet, da im Recherchezeitraum immer wieder neue Namen aufgetaucht sind, gleiches gilt für den Zeitpunkt der Aufnahme, für das Herkunftsland des Interpreten und für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Interpretenschule, u.a. Dies erwies sich als höchst problematisch, teilweise sogar als regelrecht sinnfrei, zumindest für meine Zwecke.


    Jetzt, wo die Materialsammlung fast zur Gänze auf dem Tisch liegt, in Form von CDs, einer stattlichen Anzahl von DIN A 4 Notizblättern und "Favoriten" mit Hörbeispielen auf meinem Desktop, kann man natürlich leichter ordnen - was auch geschah und geschieht. Als Ordungsprinzip schien mir die Zeitdauer der Interpretationen von schnell nach langsam ein bisschen anschaulich zu sein - vielleicht ! ;) (schnellst ist Eliso Virsaladse, langsamst ABM) Zum anderen die Ordnung nach Ländern bzw. Ausbildungszentren, z.B. Moskauer Konservatorium, oder französischer Schule. Danach wären ein Jörg Demus und ein Christian Zacharias letzterer zuzuordnen. Hmmh...


    Also Ausnahmen von der Regel gibt`s-- teilweise sogar häufig.


    Nun also weiter mit einigen französischen Namen und mit Bruno Leonardo Gelber.


    Über Marc- Andre Hamelin wurde hier im Thread und anderenorts schon einiges geschrieben und ich stimme anderen Verfassern i.S. einer moderaten Bewertung seiner Interpretation zu. Von MAH liegt zu seinem Nachteil ein Konzertmitschnitt aus dem Konzert- und Kulturhaus Luzern von 2011 vor, welcher ein mulmiges Klangbild hat, v.a. viel zuviel Hall (vermutlich lief ein privates Tonbandgerät neben dem Konzertplatz mit)


    Abgesehen von verschwommenen Passagen und immer wieder kleinen Falschtönen entsteht ein zwiespältiger Eindruck des Gesamtwerks: es mangelt an musikalischen Gegenpolen oder Extremen, die das Spiel interessant machen, wie z.B. so ein Aus- oder auch Aufbruch, den Schumann in seinem Aufschwung (aus op. 12) sogar zum Thema seines Stückes gemacht hat. Andererseits sind lyrische oder langsame Bilder (oder Masken) sehr schön und detailliert gestaltet, kommen aber leider manchmal fast zum erliegen, sowohl dynamisch als auch im Tempo. Der Vortrag bricht dann fast ab...Dabei hat MAH gerade in rhythmischer und dynamischer Hinsicht sogar mehr zu bieten als manch anderer Interpret. Schade dass dann solche Highlights wie Papillons und Pause in Pedal ertränkt werden...
    Unzulänglichkeiten dieser Art oder ähnlich werden auch für seine den Carnaval enthaltende CD berichtet, die mir in Schnipseln vorlag.



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    Ganz anders hören wir die Aufnahme einer weiteren, leider ebenfalls früh verstorbenen Französin,



    Catherine Collard (1947 - 1993),


    welche einen fantastisch gespielten Carnaval hingelegt hat. Es gelingt ihr eine elegante, technisch perfekte Balance zwischen wilden, stürmischen Passagen und innig- lyrischem Ausdruck der langsamen Stücke. Und sie kann lange Spannungsbögen gestalten, welche nicht auf Kosten von Details entstehen. Das ganze klingt wie aus einem Guss. Die sehr gut klingende Aufnahme stammt aus 1981



    Leider ist die CD aus der Reihe der LYRINX RECORDINGS nur zum sagenhaften Preis von 108 EUR zu erhalten (--> obiger Link!) !



    Weil es ein Genuss ist, Frau Collard spielen zu hören, möchte ich einen weiteren Link anfügen:


    Zu guter Letzt im Block (11) möchte ich noch Eric Le Sage nennen, welcher am Freiburger Musikkonservatorium eine Klavierprofessur bekleidet und der in den letzten Jahren das gesamte Klavierwerk Robert Schumanns eingespielt hat. Ich kenne bisher nur seinen Carnaval, welcher mich völlig überzeugt. Ich möchte seine Interpretation hier mal kurz neben die von Evgeni Kissin stellen, denn beider Carnaval ist pianistisch über die Massen geglückt und perfekt, aber es überzeugen auch Tempi, Dynamik, Rhythmik mit allen agogischen Abstufungen, Pausen etc. . Es sind beides Aufnahmen von hoher Homogenität und Intensität der Darbietung. Wo Kissin manchmal richtig streng zu phrasieren scheint, wirkt Le Sage elastischer. Wo Le Sage auf der Klaviatur erzählt, spielt Kissin vielleicht eine Spur perlender und eleganter.


    Da gibt es kaum mehr ein besser oder schlechter !

  • Kleine Korrektur und Ergänzung:


    Maria Curcio war eine weltweit tätige Klavierlehrerin, und sie ist 2009 als über 90- Jährige bei Porto gestorben, wo sie ihre letzten Lebensjahre verbracht hatte und gepflegt worden ist.

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  • Hallo Damiro,
    besten Dnk für den Hinweis auf Catherine Collard! Ich schätze ihre Einspielungen der Schumann-Sonaten und vor allem der unterschätzen Romanzen op. 28 sehr, diese Lyrinx-Aufnahmen waren mir nicht bekannt! Allerdings sind sie sehr teuer - es gibt sie einzeln etwas günstiger für je ca. 30,- Euro, aber das ist in Zeiten von itunes music immer noch zu teuer. Mir zumindest. Vielleicht erscheinen sie ja eines Tages noch digital. Jedenfalls ist sie eine hervorragende Schumann-Interpretin und es freut mich, dass es da noch mehr von ihr gibt.


    Viele Grüße
    Christian

  • Lieber Christian B.,


    vielleicht möchtest du bei Gelegenheit skizzieren, warum dem so ist, da ich beide Aufnahmen nicht kenne, sie mich aber interessieren. Herzlichen Dank vorab, so du meinem Wunsch entsprechen mögest.


    Viele Grüße
    Novalis

    Hallo Novalis, während die Decca-Aufnahme die Virtuosität der Stücke betont und auch etwas hart aufgenommen ist, überzeugt die spätere Aufname durch mehr Poesie und sie ist auch wesentlich besser aufgenommen - so viel in aller Kürze.

  • Unter den französischen Namen sind noch einige Interpreten aufzuzählen, welche in meiner (rel. schmalen) Mediensammlung nicht sehr zahlreich vertreten sind, deren Namen mir teils seit vielen Jahren bekannt sind, deren Konserven mir im Laufe von Einkäufen sogar durch die Finger gingen, die ich aber, vielleicht mangels Sortiment oder Label oder Sonderangeboten nicht in meinen Besitz übergingen. Früher im Bielefelder Katalog, Saturn- Schallplattenversand, Phora in Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe, Ludwigshafen, Radio Barth und Lerche in Stuttgart).
    Ich spreche von
    - Yves Nat, - Yvonne Loriod, - Jean- Ives Thibaudet, - Cyprien Katsaris, - Alexandre Tharaud und - Helene Grimaud ---- die Liste liesse sich verlängern. Unglaublich, aber von Francois- Renee Duchable existieren vier Carnaval- Versionen aus 1994, 2001, I - IV 2003 und XI 2003. Eine wohl sehr schöne CD mit Pierre- Laurent Aimard ist derzeit vergriffen, auf die Schnipselbeurteilung habe ich im Moment verzichtet. Katsaris hat offensichtlich keinen Carnaval am Markt, ihn aber in Konzerten vor seinem Schlaganfall (zuerst eine sensorische Lähmung der linken Hand; danach ?) gespielt.


    Bei den anderen Genannten habe ich noch gar nicht weiter nachgeforscht, was alles am Markt bzw. verfügbar ist als physikalische Konserve, oder als Streaming Dateien. Ich oder ein/ eine weitergehend interessierte(r) Thread- Teilnehmer können dieses ja mal in Angriff nehmen und in diesen Thread passend reinpacken.





    Bruno Leonardo Gelber, der jetzt um 75 Jahre alt sein dürfte und in den letzten Jahren als Konzertpianist nicht mehr in Erscheinung getreten ist, soll auf jeden fall hier erwähnt werden. Auf YouTube existiert ein klanglich- technisch grauenvolles "Preambule" aus einem Hotel in Buenos Aires, aufgenommen in ca. 2006. Aus dieser Datei kann man hören, welche spielerische und gestalterische Souveränität und Subjektivität dieser Pianist damals in seiner Interpretation aufbieten konnte.


    Aus Rücksicht auf unser aller Ohren habe ich hier ausnahmsweise auf eine Verlinkung verzichtet.




    Also hier lediglich der Weg zur CD:
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    CD neu in der Amanzonashölle ca. 108 EUR, gebraucht ca. 23 EUR

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