Na endlich ! das REGIETHEATERFORUM im TAMINO KLASSIKFORUM ist geboren !!

  • Ziel sollte indes IMMER sein dem Original so nahe wie möglich zu kommen.

    Tut mir leid, aber so kann man nur reden, wenn man die Diskussionen in den Geisteswissenschaften der letzten Jahrzehnte völlig verschlafen hat. Die Vorstellung, dass es immer ein "Original" gäbe, das man möglichst genau "reproduzieren" müsse, hat sich längst als ein historisch kontingentes und fragwürdiges Modell erwiesen. So unterscheidet etwa Gilles Deleuze zwischen "Reproduktion" und "Wiederholung". Bei der "Wiederholung", für die veränderliche Sinnverschiebungen und damit die Konstitution einer Differenz zum Wiederholten konstitutiv sind, ist im Unterschied zur "Reproduktion" ein "Original", auf das man sich beziehen könnte, schlicht nicht rekonstruierbar. Genau dieser (nicht reproduktive) Wiederholungscharakter trifft auf Theateraufführungen in besonderem Maße zu.

    Wipkipedia bringt es auf den Punkt

    Wikipedia als maßgebliche Quelle der Platon-Intepretation. Lustig! Wenn sich Gorgias von Sokrates nicht überzeugen lässt, zeigt das nur, dass er den Weg von der Sophistik zur Philosophie nicht geschafft hat zurückzulegen.

    Mahler meinte gar vieles - und war von seiner Wichtigkeit überzeugt. In Wien hat man ihn dann zurechtgestutzt (zermürbt)

    Das ist eine mehr als oberflächliche Psychologisierung, die Mahler nicht gerecht wird. Mahler hatte nämlich eine philosophische Konzeption vom Werk, von der man sich erst einmal Kenntnis verschaffen sollte, bevor man darüber redet. Und außerdem rühren Mahlers Probleme in Wien ganz sicher von ganz anderen Dingen her.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat

    Zitat von Dr. Pingel: Aha! Nach den Islamophoben haben wir jetzt die RT-Phoben.

    Lieber Doktor Pingel,


    wer kann sich solche Verrücktheiten ausdenken? Etwas Besseres fällt dem Autor wohl nicht mehr ein. So etwas gehört nun wirklich in die Kategorie "Unwort des Jahres"!!


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ob es sinnvoll ist, seine eigene mentale Disposition mit der einer größeren User-Gemeinde zu identifizieren, muss bezweifelt werden, weil eine Reihe Postings – mit ihren Invektiven gegen RT (z.B. Verunstaltung, Zerstörung, Ich prangere an !! ) - auf das das Gegenteil hinweisen.


    Die Phrase "eine Mucke reinziehen" kennen wir ja. Aber Amfortas hat noch mehr drauf: immer, wenn wir "wir" schreiben, moniert er das als unzulässige Verallgemeinerung. Ich werde es mir merken und in Zukunft "außer Amfortas" schreiben.
    Haben die RT-Philen wirklich so phiele Teilnehmer, dass sie die Mehrheit bilden?
    Stellen wir uns ein Fußballspiel der beiden Gruppen vor. Für die RT-Philen laufen auf: Holger (auch Trainer), MSchenk, Amfortas (Sturmspitze), Melomane, Woka, Bertarido. Dieter Stockert hat den Verein gewechselt. Der Trainer auf der anderen Seite, Alfred Schmidt, hat Mühe, die Phielzahl der RT-Phoben aufzustellen, weil alle spielen wollen.
    Da kommt der Schiedsrichter, operus, und sagt, dass er das Spiel nicht anpfeifen kann, da nach den DFB-Regeln jede Mannschaft aus mindestens 7 Spielern bestehen muss. Das trifft auf die phielen RT-Philen nicht zu. Da beschließen die RT-Spieler, auf einem Kleinfeld gegeneinander zu spielen, bis jeder vor Erschöpfung umfällt.

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Tut mir leid, aber so kann man nur reden, wenn man die Diskussionen in den Geisteswissenschaften der letzten Jahrzehnte völlig verschlafen hat.


    Tut mir leid, lieber Holger, aber Du scheinst immer (noch) davon auszugehen, daß alle Besucher von Museen, Schauspielen, Musiktheater, Konzerten, Buchlesungen usw. die Entwicklung der Geisteswissenschaften im Auge haben? Mit Verlaub, in meinem Bekanntenkreis kenne ich viele Kunst- und Kulturinteressierte, die sich keinen Tag im Leben mit Geisteswissenschaften beschäftigt haben und dennoch mit bestimmten Erwartungen und vollgepackt mit guter Laune Kulturveranstaltungen besuchen. Und oft sogar mit Erkenntnisgewinn und voller Glückshormonen wieder aus der Kulturstätte herauskommen. Deine Beiträge dazu sind sicher fachlich von höchster Qualität, aber sie interessieren eben nur den Teil der Kunstinteressenten, die sich mit Deiner Wissenschaft befassen. Und das ist doch nur ein kleiner Teil, selbst hier im Tamino!
    Ich lese viele Deiner Beiträge, aber mich irgendwie beeinflussen können sie nicht. Wozu auch? Meine Meinung steht fest, sie ist das Ergebnis einer Entwicklung, die ohne Hermeneutik u.a. ausgekommen ist und auch für den Rest meines Lebens auskommen wird!! Und jetzt bitte keine Analyse meines Seelenlebens, das ist völlig in Ordnung, aber in anderen Bahnen als Deines! Du bist sicher glücklich, ich bin es beim Hören z.B. von Mahler oder Strauss auch, aber auf einer anderen Ebene.


    La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Mit Verlaub, in meinem Bekanntenkreis kenne ich viele Kunst- und Kulturinteressierte, die sich keinen Tag im Leben mit Geisteswissenschaften beschäftigt haben [...]

    Also Bekannte, die keinerlei Interesse z.B. an kulturellen, geistigen bzw. philosophischen, medialen, sozialen, soziologischen, gesellschaftlichen, historischen, politischen oder religiösen Fragen haben? - Abgesehen davon, dass mir gänzlich rätselhaft ist, wie sich aus einer solchen Haltung ein Interesse an Kunst und Kultur herleiten ließe, klingt das für mich auch irgendwie ein bisschen traurig ;(

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Tut mir leid, aber so kann man nur reden, wenn man die Diskussionen in den Geisteswissenschaften der letzten Jahrzehnte völlig verschlafen hat. Die Vorstellung, dass es immer ein "Original" gäbe, das man möglichst genau "reproduzieren" müsse, hat sich längst als ein historisch kontingentes und fragwürdiges Modell erwiesen. So unterscheidet etwa Gilles Deleuze zwischen "Reproduktion" und "Wiederholung......


    Wie sag ich es elegant ?
    Holger verwendet eine Technik, sich auf sein Spezialgebiet, die Philosophie zurückzuziehen, in der Gewissheit, daß ihm hier niemand folgen kann.
    Das wird auch der Fall sein. Ich kenne wenigstens die wichtigsten Philosopen der Weltgeschichte und in groben Umrissen ihre Thesen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie haben - von Ausnahmen abgesehen - keine wirkliche Auswirkung auf unser Leben. Ich hoffe das ist für Holger zu ertragen..


    Die Philosophie (grob verallgemeinert) sucht nach dem Sinn und der Beschaffenheits des Lebens hier oft sehr in Nähe der Religion (zumindest von Aussenstehenden so gesehen) Und hier gab es in der Vergangenheit viele Deutungen, Erklärungsversuche, aufstellung ethischer Normen etc.
    Insgesamt konnte die Philosophie - so interessant sie sein mag - keine der essentiellen Fragen beantworten - zumindest nicht zufriedenstellen oder allgemeingültig.
    Sonst gäbe es ja nicht so viele Philosphische Richtungen und Denker aller Kulturen - die einnander meist widersprechen und - die, bis auf etwa zwi oder drei Dutzend kaum jemand kennt - ich schließe hier die "gebildeten Kreise" mit ein.


    Was Herr Gilles Deleuze über Reproduktion und Wiederholung geschrieben hat, wird vermutlich die Welt nicht verändern. Und meine Meinung über "werktreue Operninszenierungen" natürlich auch nicht.


    Im Gegensatz zu anderen greife ich die Philosophie nicht per se an, der man ja oft unterstellt, sie nütze lediglich den Philosophen selbst, bei der Erkenntnis IHRER Welt.
    Man muß sagen, daß viele interessante Gedanken nicht gedacht worden wären, aber praktische Auswirkungen auf unser Leben gab es in den seltensten Fällen.


    mfg aus Wien
    Alfred


    clck 3312

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Holger verwendet eine Technik, sich auf sein Spezialgebiet, die Philosophie zurückzuziehen, in der Gewissheit, daß ihm hier niemand folgen kann.

    Ich bin zwar kein Philosoph, aber so schwer finde ich es nicht, Holgers Gedanken mindestens in den wesentlichen Aussagen zu folgen ...


    Das wird auch der Fall sein. Ich kenne wenigstens die wichtigsten Philosopen der Weltgeschichte und in groben Umrissen ihre Thesen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie haben - von Ausnahmen abgesehen - keine wirkliche Auswirkung auf unser Leben. [...] Man muß sagen, daß viele interessante Gedanken nicht gedacht worden wären, aber praktische Auswirkungen auf unser Leben gab es in den seltensten Fällen.

    Ich weiß, Dinge wie z.B. Demokratie oder Aufklärung stehen bei Dir nicht unbedingt "Hoch im Kurs", aber die zugrunde liegenden Ideen sind m.W. zu einem nicht unerheblichen Teil auch philosophisch motiviert. Dies zu leugnen scheint mir etwa genauso intelligent, wie zu behaupten, Forschung zur Grundlagenphysik nütze niemandem.


    Und wie sage ich es elegant? - Irgendwie immer wieder irritierend, wie in einem elitären Kulturforum von manchen selbst ein Mindestmaß an intellektueller Inanspruchnahme so vollständig verneint wird :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Und wie sage ich es elegant? - Irgendwie immer wieder irritierend, wie in einem elitären Kulturforum von manchen selbst ein Mindestmaß an intellektueller Inanspruchnahme so vollständig verneint wird


    Darauf antworte ich gerne.
    An meinem letzten Arbeitsplatz gab es zusätzlich zum Personal einen Studentenpool 220 oder 300 Personen ? der indes ständig erneuert wurde.
    Ich hatte als intnesiven Komtzakt zu unserer "künftigen geistigen Elite"
    Namen wie Domingo, Gruberowa, Alfred Brendel, Anne-Sophie Mutter waren ihnen allesamt kein Begriff, keiner hatte je etwas von Grillparzer gehört, Vivaldi war ein Fremdwort, Wenn ich für "Tamino" werben wollte und man danach fragte "Wie schreibt man das ?" so antwortete ich: "So wie die Titelfigur aus Mozarts Zauberflöte."
    Ratlose Gesichter folgten. Ein Medizinstudent (er bewunderte mein Wissen, war nett, aber leider strohdumm) wollte mich mit medizinischen Fangfragen aufs Glatteis führen. Ich bewies ihm schnell, daß ich davon mehr verstand als er. Er wollte eine themenwechsel- Ich fragte ihn nach ludwig XIV, sem Abolutismus, seinem wichtigsten Minister und eine ihm zugeschriebnen Satz. - Funkstille
    Ein eleganter junger Herr in Hörnähe war dem Dialog gefolgt und lächelte vor sich hin. Er genoss die Situation sichtlich. Der Student hatte die Anteilnahme auch bemerkt und wandte sich an ihn: Sie lachen, aber er stellt mir immer so vetrackte heintückische Fragen"
    Der Gentleman hatte wohl gehört wie meine Fragen lauteten, ließ sie aber den Studenten wiederholen.
    Er lächelte erneut süffisant und meinte: Aber ich bitte Sie, das sind doch kinderleichte Fragen - jeder Schüler kann das beantworten !!


    Das ist mein Eindruck von der Welt - und der wird sich nicht ändern,


    Natürlich kann ich Holgers Gedanken "in wesentlichen Zügen" folgen - aber das genügt nicht, wenn er sich immer tiefer in die Materie verbarrikadiert.


    Zu "Demokratie"
    In der Tat stehe ich ihr negativ gegenüber, denn in letzter Konsequenz käme das auf eine "Herrschaft der Dummen" (die ja bekanntlich in der Überzahl sind) hinaus


    Aber ich kann Dich beruhigen. Demokratie, wie sich dieUntersten der Unteren wünschen gab es nie und gibt es auch heute nicht


    a) Im antiken griechenlad, waren die "unterster" generell davon ausgeschlossen - sie wurden als Menschen gar nicht wahrgenommen


    b) Die EU erfüllt alle Kriterien einer Diktatur. Du kanst die Kommissiom nich wählen und abwählen. das Parlament hat de facto nichts zu sagen, und Ausländer bestimmen wieviel Beiträge unser Land zu zahlen hat und wer sie bekommt.


    c) Es ist ungewöhnlich, daß ich die Linken zitiere, aber ich mache es dann, wenn sie mit einem Ausspruch ins Schwarze treffen
    Hier wird gezeigt, daß auch die nicht an eine existerende Demokratie der Gegenwart glauben
    "Wenn Wahlen etwas verändern könnten - dann wären sie verboten"


    Ich wünsch allseits einen guten Abend
    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred, eigentlich ist das ja ganz lustig: Einerseits behauptest Du, es sei Holgers verwendete Technik, sich auf sein Spezialgebiet, die Philosophie zurückzuziehen, in der Gewissheit, daß ihm hier niemand folgen kann. Du unterstellst ihm damit - ganz sicher nicht böswillig - dass er eine Form der Vermeidungsstrategie betriebe. Andererseits führst Du statt wirklicher Argumente einmal mehr anekdotisches aus Deinem Leben an und behauptest Deine Meinung als allgemeines, eigentlich nicht weiter zu diskutierendes, weil offensichtliches Faktum - es handelt sich also ebenfalls um eine Vermeidungsstrategie. Aber egal, es ging ja garnicht darum, was Du von der Demokratie hälst, sondern darum, dass die Demokratie als Idee mit ihren philosophischen Wurzeln anscheinend sehr wohl in der Lage ist, die Welt zu verändern. Mit Blick auf Deine Behauptung, "daß viele interessante Gedanken nicht gedacht worden wären, aber praktische Auswirkungen auf unser Leben gab es in den seltensten Fällen." wäre jetzt zu untersuchen, ob es sich hier wirklich um eine seltene Ausnahme handelt oder ob soetwas nicht doch öfter vorgekommen ist bzw. vorkommt, als Du behauptest, wobei es bzgl. des Ideen-Effektes vermutlich auch negative Beispiele geben wird.


    Ach ja, und was Deine Anekdote mit meiner Behauptung der Vermeidung intellektueller Inanspruchnahme hier im Forum zu tun hat, ist mir etwas unklar. Oder möchtest Du damit sagen, dass sich die Forenmitglieder aus Deiner Sicht doch eher auf dem Niveau der von Dir beschriebenen "künftigen geistigen Elite" bewegen?


    p.s. Übrigens, bevor Du lange darüber nachgrübelst, meine Vermeidungsstrategie ist meistenteils dialektischer Natur :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • aber so schwer finde ich es nicht, Holgers Gedanken mindestens in den wesentlichen Aussagen zu folgen ...

    Ich finds auch nicht schwer, im Gegentum sogar sehr anregend für den Brägen, sowie dabei durch eigene Sprache bzw. indivuiduellen Stil geprägt, also kommt auch überhaupt nicht aseptisch und gleichförmig rüber wie z.B. üblicherweise in nat-wissenschaftlichen Diss/Fachzeitschriften....

    aber das genügt nicht, wenn er sich immer tiefer in die Materie verbarrikadiert.

    Nee. Von Verbarrikadieren kann überhaupt keine Rede sein, wenn deutlich + prägnant aufs nicht rekonstruierbare Original in Opernaufführungen hingewiesen wird. Zumal es kein Problem bildet, sich diese Einsicht durch Kenntnisname entsprechender Fakten zu untermauern. Außerdem wurde das in anderen RT-Threads bereits debattiert….

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  • Wie sag ich es elegant ?
    Holger verwendet eine Technik, sich auf sein Spezialgebiet, die Philosophie zurückzuziehen, in der Gewissheit, daß ihm hier niemand folgen kann.

    Ich glaube viel eher, dass es eine ganze Reihe von Lesern gibt, die mir ganz gut folgen können. Ich bekomme ja auch die entsprechenden sehr ermunternden Rückmeldungen per PN schon seit Jahren. :D

    Das wird auch der Fall sein. Ich kenne wenigstens die wichtigsten Philosopen der Weltgeschichte und in groben Umrissen ihre Thesen. Sie alle haben eines gemeinsam: Sie haben - von Ausnahmen abgesehen - keine wirkliche Auswirkung auf unser Leben. Ich hoffe das ist für Holger zu ertragen..

    Da unterliegst Du einem grundlegenden Irrtum, lieber Alfred. Wenn Philosophen wie Edmund Husserl meinten, Europa sei eine "philosophische Kultur", so hat das ganz gewiss einen wahren Kern. Die Auswirkungen der Philosophie in unserer Kultur sind immens und ziemlich umfassend schon seit der Antike. Kaiser Marc Aurel war ein stoischer Philosoph, Voltaire kommunizierte mit den Fürstenhäusern Europas, was zum "aufgeklärten Absolutismus" führte. Montesquieus Konzeption der Gewaltenteilung ist heute Bestandteil moderner Verfassungen, in Hegels Seminaren saßen alle einflussreichen preußischen Staatsbeamten. Im Mittelalter führte der Einfluss der Philosophie dazu, dass die Religion ein Korrektiv der Vernunftkritik bekam. Ohne sie gäbe es keine Aufklärung. Rousseau war ein weltgeschichtlicher Gigant, der das kulturelle Leben geprägt hat wie kein zweiter - ohne Rousseau gäbe es keinen Alpen-Tourismus und keine Hippies. Von seinem Einfluss auf die französische Revolution ganz zu schweigen. Ohne Rousseau hätten wir keine "Pastorale" von Beethoven und keine "Annees de Pererinage" von Liszt. Und ohne Karl Marx hätte es keine Sowjetunion gegeben. Schopenhauer und Nietzsche waren ebenfalls Giganten, welche die Kultur Europas (Literatur, Musik, bildende Kunst usw.) geprägt haben. Die großen Klassiker und Romantiker haben nicht nur die Einheit von Kunst und Leben, sondern auch von Philosophie und Kunst praktiziert. Im 20. Jhd. gab es den Existenzialismus, das war Philosophie mit breiter politischer und literarischer Wirkung (Sarte, Camus...).

    Die Philosophie (grob verallgemeinert) sucht nach dem Sinn und der Beschaffenheits des Lebens hier oft sehr in Nähe der Religion (zumindest von Aussenstehenden so gesehen) Und hier gab es in der Vergangenheit viele Deutungen, Erklärungsversuche, aufstellung ethischer Normen etc.
    Insgesamt konnte die Philosophie - so interessant sie sein mag - keine der essentiellen Fragen beantworten - zumindest nicht zufriedenstellen oder allgemeingültig.
    Sonst gäbe es ja nicht so viele Philosphische Richtungen und Denker aller Kulturen - die einnander meist widersprechen und - die, bis auf etwa zwi oder drei Dutzend kaum jemand kennt - ich schließe hier die "gebildeten Kreise" mit ein.

    Du hast die eigentlich maßgebliche Tradition vergessen, dass die Philosophie der Ursprung unserer Wissenschaft ist - alle großen Naturwissenschaftler wie Leibniz oder Descartes bis hin zu Ernst Mach usw. waren Philosophen. Und die Philosophie hat letztlich die maßgeblichen Weltauslegungen der Epoche bestimmt. Sie hat sehr wohl grundlegende Antworten gegeben, welche die Kultur der Zeit geprägt haben, wie z.B. den Renaissance-Humanismus.

    Was Herr Gilles Deleuze über Reproduktion und Wiederholung geschrieben hat, wird vermutlich die Welt nicht verändern. Und meine Meinung über "werktreue Operninszenierungen" natürlich auch nicht.

    Gilles Deleuze steht im Kontext des weit verzweigten Postmoderne-Diskurses mit größter Breitenwirkung.

    Im Gegensatz zu anderen greife ich die Philosophie nicht per se an, der man ja oft unterstellt, sie nütze lediglich den Philosophen selbst, bei der Erkenntnis IHRER Welt.
    Man muß sagen, daß viele interessante Gedanken nicht gedacht worden wären, aber praktische Auswirkungen auf unser Leben gab es in den seltensten Fällen.

    Irrtum! S.o.! :D

    Tut mir leid, lieber Holger, aber Du scheinst immer (noch) davon auszugehen, daß alle Besucher von Museen, Schauspielen, Musiktheater, Konzerten, Buchlesungen usw. die Entwicklung der Geisteswissenschaften im Auge haben? Mit Verlaub, in meinem Bekanntenkreis kenne ich viele Kunst- und Kulturinteressierte, die sich keinen Tag im Leben mit Geisteswissenschaften beschäftigt haben und dennoch mit bestimmten Erwartungen und vollgepackt mit guter Laune Kulturveranstaltungen besuchen. Und oft sogar mit Erkenntnisgewinn und voller Glückshormonen wieder aus der Kulturstätte herauskommen. Deine Beiträge dazu sind sicher fachlich von höchster Qualität, aber sie interessieren eben nur den Teil der Kunstinteressenten, die sich mit Deiner Wissenschaft befassen. Und das ist doch nur ein kleiner Teil, selbst hier im Tamino!

    Lieber La Roche,


    man braucht kein Geisteswissenschaftler zu sein, um in die Oper zu gehen. Nur merkwürdig ist, wenn dann die Enttäuschten von einer bestimmten Form von Theater sich dadurch Autorität verschaffen wollen, indem sie mit Versatzstücken aus der philosophischen Ästhetik arbeiten wie der Vorstellung, dass eine Aufführung "Werktreue" garantieren müsse oder Ort und Zeit der Handlung nicht verändert werden dürften, das Werk mit dem Libretto oder der Partitur identisch sei. Mit dieser dilettantischen Philosophiererei überfallen sie dann die Künstler und Regisseure und rechnen ihnen vor, was sie alles falsch machen. Zugleich weigern sie sich dann aber, in einen vertiefenden philosophischen Diskurs einzutreten, wenn sie ganz offensichtlich falsch liegen. Also Bildung nur insoweit sie den eigenen Interessen nützt - was darüber hinaus geht, wird mit einer Haltung von Bildungsfeindlichkeit verweigert. Das ist einfach ein kolossaler Widerspruch. Wer mit normativen Ansprüchen auftritt, muss sich auch Kritik gefallen lassen. Dostojewsky hat mal ungefähr gesagt, das Gefährlichste überhaupt ist Halbbildung.

    Ich lese viele Deiner Beiträge, aber mich irgendwie beeinflussen können sie nicht. Wozu auch? Meine Meinung steht fest, sie ist das Ergebnis einer Entwicklung, die ohne Hermeneutik u.a. ausgekommen ist und auch für den Rest meines Lebens auskommen wird!! Und jetzt bitte keine Analyse meines Seelenlebens, das ist völlig in Ordnung, aber in anderen Bahnen als Deines! Du bist sicher glücklich, ich bin es beim Hören z.B. von Mahler oder Strauss auch, aber auf einer anderen Ebene.

    Ich habe ja nun schon mit großem Erfolg viele Musikeinführungen gemacht mit ganz "normalen" Menschen, die aber eines auszeichnete: Interesse und Aufgeschlossenheit für die tiefer gehenden menschlich-philosophischen Fragen. Wirklich große Kunst - das unterscheidet sie von oberflächlichen Unterhaltungsangeboten im Pop-Bereich, welche heute die Welt überschwemmen - enthält das Angebot, in ein tieferes Verständnis immer eindringen zu können. Dieses Angebot kann man wahrnehmen oder nicht wahrnehmen. Wer ein Leben lang an der Oberfläche kleben bleiben will und damit glücklich ist: bitteschön! Aber vielen Menschen reicht das eben nicht. Und dazu gehören keineswegs nur Fachphilosophen und "Wissenschaftler". Das ist jedenfalls meine Erfahrung. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Was hier heftig diskutiert wird, hängt wohl kaum von geisteswissenschaftlichen Kriterien ab. Ich habe eine Reihe Bekannte, die Geisteswissenschaften studiert haben und noch studieren (unterschiedliche Richtungen, aber nicht Philosophie), die ich in Kreisen von Freunden, zu denen wir eingeladen werden, aber auch im Theater und neuerdings zu den Übertragungen aus der MET im Kino treffe und die an Oper interessiert sind. Und ich weiß auch hier im Forum Professoren, die sich nicht - wie auch meine Bekannten hier - anderen gegenüber als überlegen geben. Kein Einziger von ihnen mag die verunstalteten Meisterwerke. Das alles hat also mit geisteswissenschaftlicher Bildung also nicht im Entferntesten etwas zu tun.


    Ich selbst hatte zwar durch Zufall das Glück, aus schwierigen Nachkriegsverhältnissen und einer einfachen Familie auf ein Gymnasium zu kommen, wo man sich auch ein wenig mit geisteswissenschaftlichen Dingen beschäftigt. Das Glück, auch trotz eines guten Abschlusses auch studieren zu dürfen hatte ich leider aus familiären Umständen nicht. Also habe ich einen praktischen Beruf in Anspruch nehmen müssen und musste mich mit praktischen Dingen beschäftigen. Diese haben, weil ich an allen Vorgängen interessiert war und manches verbessern konnte, auch einen Großteil meiner Freizeit in Anspruch genommen, vor allem, weil meine Tätigkeit auf Gesetzen, Rechtsverordnungen und innerdienstlichen Vorschriften beruhte, über die ich für die Praktiker zum besseren Verständnis dieser Unterlagen im Bürokratenstil in meiner Freizeit auch verständliche Lehrhefte verfasst habe, die vielen Mitarbeitern in ganz Deutschland über die Runden geholfen haben. Später habe ich dann in Arbeitskreisen mit dafür gesorgt, dass dieser verdrehte Stil der sogenannten "Vorschriften" in für alle verständliche Worte gefasst wurde und in neue Richtlinien für die Praxis umgewandelt wurden.
    Die Philosophie hat - wie Alfred schon richtig sagte - noch keine der essentiellen Fragen gelöst und hat für die Praxis wenig Bedeutung.
    Wenn man dann auch die unterschiedlichsten Deutungen und Weltanschauungen der Philosophen liest, kommt man zu keiner Wahrheitsfindung.
    Und wenn dann noch jemand glaubt, die allein gültige Weisheit zu besitzen und andere herablassend (wortwörtlich) als dumm und ignorant bezeichnet bzw. für dumm verkaufen will, dann ist er für mich nicht mehr maßgebend. Wer dann noch die Existenz bestehender Tatsachen (und die Anweisungen für die Inszenierung - das Libretto - gibt es nachweislich) leugnet, der muss schon sehr weltfremd sein und nur eine geringe Schar lässt sich tatsächlich davon überzeugen.
    Was wir Gegner des Regisseurstheaters hier auf einem eingeschränkten (aber praxisnahen) Gebiet des Lebens lediglich wollen, ist: die Missstände an den heutigen Theatern - vor allem in Deutschland -, wie ich es leider immer wiederholen muss, aufzeigen und anprangern und die Forderung stellen, dass wieder das gezeigt wird, was auf den Plakaten angekündigt wird.
    Verbohrte (einer hat hier mal das Wort "Betonköpfe" ins Feld geführt) zu überzeugen sehe ich nicht als meine Aufgabe.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • [...] und die Forderung stellen, dass wieder das gezeigt wird, was auf den Plakaten angekündigt wird.

    Was in den allermeisten Fällen geschieht: Es steht dort z.B. Richard Wagner, Lohengrin in einer Inszenierung von Peter Konwitschny und fast immer singen auch genau die Sänger, die auf der Besetzungsliste angekündigt wurden ...

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Was in den allermeisten Fällen geschieht: Es steht dort z.B. Richard Wagner, Lohengrin in einer Inszenierung von Peter Konwitschny und fast immer singen auch genau die Sänger, die auf der Besetzungsliste angekündigt wurden ...


    Falsch! Es müsste heißen (ich beziehe mich hier auf den "Klassenzimmergrin"): Ein Stück von Peter Konwitschny zur Musik von Wagners "Lohengrin".

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Die Philosophie hat - wie Alfred schon richtig sagte - noch keine der essentiellen Fragen gelöst und hat für die Praxis wenig Bedeutung.

    Das mit dem "Praxisbezug" hat Holger oben ja schon viel besser und fundierter widerlegt, als ich es jemals könnte. Deshalb nur soviel: Ich glaube nicht, dass die Philosophie unbedingt die Antworten bzw. Lösungen auf essentielle Frage (Welche sind das eigentlich für Dich?) letztgültig geben will. Vielmehr geht es darum, Antworten - durchaus auch verschiedene - anzubieten und ich habe nun die Wahl, ob ich dieser oder jener Antwort bzw. der damit einhergehenden Argumentation folgen will ... und kann. Inbesondere heißt dies, dass "Wenn man dann auch die unterschiedlichsten Deutungen und Weltanschauungen der Philosophen liest, [...]" man natürlich zu keiner Wahrheitsfindung kommt! Wieder ist hier die eigene Bereitschaft zur intellektuellen Inanspruchnahme gefordert, also die Bereitschaft zur Reflexion über das Gelesene, Gehörte oder Gesehene und der Wille, sowie die Fähigkeit zur eigenen Wahrheitsfindung. Mit anderen Worten: Holger behauptet hier keine absoluten Wahrheiten, sondern fundiert seine Wahrheiten durch Argumente. Wenn ich nun meine, dass meine Wahrheit wahrer ist, sollte ich doch einfach die besseren Argumente ins Feld führen können!? Und diese bestehen sicherlich nicht in der Behauptung, dass mit den theoretischen Grundlagen der Ästhetik oder überhaupt dieses ganze philosophische "Geschwurbel" sei unnützer Schwachsinn, der nichts könne und sowieso niemanden interessiere. Genau das ist nämlich eine Haltung aus Unkenntnis heraus, die entweder absichtlich oder aus einem phobischen Antrieb eingenommen wird. Insofern ist der Begriff der Regietheater-Phobie auch nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Falsch! Es müsste heißen (ich beziehe mich hier auf den "Klassenzimmergrin"): Ein Stück von Peter Konwitschny zur Musik von Wagners "Lohengrin".

    Nun ja, Du kennst die Inszenierung? - Da nach meiner Erinnerung (2x gesehen) nicht nur die Musik, sondern auch der (vollständige) Text Wagners verwendet wird und damit insbesondere die Handlung - zugegeben losgelöst aus ihrem im Libretto angezeigten zetlichen und örtlichen Umfeld - sogar über den reinen Kern hinaus unangetastet bleibt, schiene mir diese Gewichtung dem Regisseur vielleicht etwas zuviel Bedeutung beizumessen.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Falsch! Es müsste heißen (ich beziehe mich hier auf den "Klassenzimmergrin"): Ein Stück von Peter Konwitschny zur Musik von Wagners "Lohengrin".


    Genau so ist es, liebe Mme. Cortese. Das hast Du sehr schön formuliert. Denn das wäre dann die richtige und treffende Bezeichnung einer solchen mißbrauchten Verunstaltung.
    Und wer das dann gut findet und solche absurden Veränderungen mag - nichts dagegen. Soll ja gerne jeder bedient werden. Wer´s halt braucht...
    Herzliche Grüße
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Und ich weiß auch hier im Forum Professoren, die sich nicht - wie auch meine Bekannten hier - anderen gegenüber als überlegen geben.


    Und wer das dann gut findet und solche absurden Veränderungen mag - nichts dagegen. Soll ja gerne jeder bedient werden. Wer´s halt braucht...


    Conclusio. chrissy ist weder eine Bekannter von Gerhard, noch ein Professor.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Denn das wäre dann die richtige und treffende Bezeichnung einer solchen mißbrauchten Verunstaltung.


    Jetzt werden nicht nur die wahren und echten Werke missbraucht, sondern sogar schon die Verunstaltungen derselben! Ist den Regisseuren von heute denn gar nichts mehr heilig ?????!!!!elf!!


    :no::no::no::no::no::no::no::no::no::no::no::no::no:

  • Jetzt werden nicht nur die wahren und echten Werke missbraucht, sondern sogar schon die Verunstaltungen derselben! Ist den Regisseuren von heute denn gar nichts mehr heilig ?????!!!!elf!!

    Mist! Den habe ich glatt übersehen :hahahaha: - Danke fürs Einspringen :hello:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Jetzt werden nicht nur die wahren und echten Werke missbraucht, sondern sogar schon die Verunstaltungen derselben! Ist den Regisseuren von heute denn gar nichts mehr heilig ?????!!!!elf!!


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    Gibst Du jetzt hier den Neunmalklugen?
    Okay, okay. Ein Schreib - und Flüchtigkeitsfehler meinerseits zu später Stunde, den ich gerne und problemlos korrigiere. Richtig muß es also heißen:
    Denn das wäre dann die richtige und treffende Bezeichnung für eine solche mißbrauchte Verunstaltung.
    Zufrieden? Dann laß´mich mal künftig nicht auf Deine Fehler achten!
    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • Inbesondere heißt dies, dass "Wenn man dann auch die unterschiedlichsten Deutungen und Weltanschauungen der Philosophen liest, [...]" man natürlich zu keiner Wahrheitsfindung kommt!

    Richtig ist, lieber Michael, dass man egal auf wie verschiedene Weise zu einer "Wahrheitsfindung" immer kommt - allerdings nicht wie in der Religion durch eine möglichst schnell zu gebende, wohlfeile Antwort. Was die Philosophie sowohl von der religiösen Suche nach einer Glaubensgewissheit als auch einer die Welt vereinfachenden Weltanschauung unterscheidet, ist die Erkenntnis der unaufhebbaren Fraglichkeit, was die wesentlichen Dinge angeht. Was aber gerade nicht heißt, das alles "beliebig" wird. Eine verbindliche Antwort geben und zugleich die Fraglichkeit aller wesentlichen Antworten erkennen und behalten - beides gehört untrennbar zusammen. Die Philosophie bringt erst einmal die grundlegenden "Ideen" in die Welt, die einmal durch sie in die Welt gebracht nicht mehr wegzubringen sind, sondern sich in den Köpfen der Menschheit festsetzen. Schon die Erkenntnis, dass es so etwas wie "Ideen" gibt, ist überhaupt nicht selbstverständlich. Das war Platons Entdeckung. Hegel hat mal schön gesagt, Philosophie ist, ein Zeitalter in Gedanken fassen. Die wesentlichen Gedanken einer jeweiligen Epoche hat die Philosophie verbindlich formuliert. So war die idealistische Philosophie eine Philosophie der Freiheit - sie prägt ein emanzipatorisches Interesse, dass alle Menschen frei und gleich sind. Ohne sie gäbe es keine Emanzipation des Bürgertums, keine Judenemanzipation, keine Emanzipation von Frauen, keine Demokratie, die auf dem Gedanken der politischen Partizipation aller Menschen beruht unabhängig von sozialen Klassen etc. Wenn unser Grundgesetz damit beginnt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", dann ist das der Extrakt aus der humanistischen Philosophie des 18. Jhd. Auch dieser Gedanke ist überhaupt nichts Selbstverständliches. Das merkt man z.B., wenn man Martin Luthers Schrift "Über die Freiheit eines Christenmenschen" liest mit seiner von Augustinus herkommenden schroff dualistischen Weltsicht. Nach Luther hat nur die "geistige" Natur des Menschen, sein Wille und sein Glaube, Würde, nicht aber der Leib, der darf nach Belieben geknechtet und gefoltert werden. Was da fehlt ist der Person-Begriff aus dem 18. Jhd. bei Kant oder Schiller, wo Würde eben auch die Unversehrtheit des Leibes meint, weil die Person unteilbar ist. Der philosophische Humanismus des Deutschen Idealismus hat den Leib-Seele-Dualismus der christlich-augustinischen Tradition aufgehoben. Wenn man den Gedanken der Menschenwürde unseres Grundgesetzes im Sinne von Luther auslegen würde, dann würde man es also grundlegend falsch verstehen - ein eindrucksvolleres Beispiel für die Wirkungsmächtigkeit von Philosophie gibt es kaum.

    Falsch! Es müsste heißen (ich beziehe mich hier auf den "Klassenzimmergrin"): Ein Stück von Peter Konwitschny zur Musik von Wagners "Lohengrin".

    Da kann man immer nur wieder mit dem Kopf schütteln! Ausgerechnet Wagner! Was ist denn das "Stück" "Lohengrin"? Wenn man nur Wagner selbst Ernst nehmen würde. Für Wagner selbst ist das "Stück" selbstverständlich die Oper, die konkret aufgeführt wird und nichts davon Verschiedenes. Wagner ist also Konwitschny in diesem Fall! Was Ihr da macht, ist - im Sinne Wagners (!!!) - eine völlig unsinnige Konstruktion! Tatsache ist, dass Euch das Verständnis vom Theater, das historisch gewordene und gewachsene, nicht im Geringsten interessiert. Einerseits fordert ihr eine "historische" Aufführungspraxis ein, in ästhetischer und theatergeschichtlicher Hinsicht ist Euer Denken dagegen so unhistorisch und konstruktivistisch wie nur was nach dem Motto: Richtig ist, was mir gefällt und so wie ich es gerne hätte. Das ist einfach ein grotesker Widerspruch.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Die Philosophie hat - wie Alfred schon richtig sagte - noch keine der essentiellen Fragen gelöst und hat für die Praxis wenig Bedeutung.


    Dazu Karl Marx, 11. Feuerbachthese von 1845: "Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern."


    Die von Engels redigierte These ("kommt" statt des altertümlichen "kömmt" *) wurde 1953 auf Anordnung der SED-Führung im neu entstandenen Foyer des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauptgebäudes der Humboldt-Universität Unter den Linden gegenüber der Staatsoper angebracht. Dort ist sie noch heute nachzulesen. Alle kommunistischen Diktaturen beriefen sich darauf. Die These bildete eine ihrer zentralen Botschaften.


    * Wobei mir in diesem Zusammengang "kömmt" besser gefällt, weil das echter Marx und nicht verunstalteter Marx ist. ;)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Also Bekannte, die keinerlei Interesse z.B. an kulturellen, geistigen bzw. philosophischen, medialen, sozialen, soziologischen, gesellschaftlichen, historischen, politischen oder religiösen Fragen haben? - Abgesehen davon, dass mir gänzlich rätselhaft ist, wie sich aus einer solchen Haltung ein Interesse an Kunst und Kultur herleiten ließe, klingt das für mich auch irgendwie ein bisschen traurig


    Lieber MSchenk,
    bisher konnte ich Dir immer Sachlichkeit bezeugen. Aber diesen Satz kann ich nicht widerspruchslos stehen lassen. Kann es sein, daß sich Hochschulabsolventen in naturwissenschaftlichen und technischen Fachrichtungen im Denken von denen unterscheiden, die einen Abschluß in Geisteswissenschaften vorweisen können? In der Masse scheint das zu stimmen. Holger hört nicht auf zu betonen, wie viele positive Reaktionen er auf seine Beiträge erhält, uns ich gebe ja zu, sie auch zu lesen. Alles verstehen will ich nicht, weil es mir nichts nützt, dazu ist unser Horizont viel zu unterschiedlich. Während Holgers Beweisführung sich auf Zitate und Schriften anderer Geisteswissenschaftler bezieht, die ihr Wissen wiederum auch nur aus Schriften anderer Geistergrößen haben usw und er im Endeffekt sagt, daß diesen Satz der oder jener schon vor 2000 Jahren gesagt hat und er deshalb ohne Gültigkeitsbeweis auch heute noch anwendbar ist, geht ein Naturwissenschaftler oder ein Ingenieur mit jeder Graduierung von Beweisen aus.


    Wie könnte ein Ingenieur Brücken konstruieren, Schiffe bauen usw, stünden ihm nicht Formeln und Berechnungsmethoden dafür zur Verfügung? Eine Brücke, ein Hochhaus ohne statische Berechnung könnte einfallen, und der Konstrukteur wäre dran. Er muß klipp und klar vorlegen können, was er berechnet hat, ihm hilft eine bloße Aussage, eine philosophische Theorie gar nichts.
    Wie hätte ein Naturwissenschaftler mit philosophischen Theorien und ohne Naturwissenschaft die Evolution beweisen können, ein Galilei auf naturwissenschaftlicher Basis ein völlig neues Weltbild erschaffen können? Wie wäre es mit der Entdeckung der organischen Chemie als Grundlage eines völlig neuen Industriezweiges wie sie die Erschaffung von Otto- und Dieselmotor ins Laufen brachte, ohne Philosophie? Wie hätte man entdecken können, daß aus Kalk und Kohlenstoff über den Umweg Karbid die gesamte organische Chemie aus anorganischer Materie aufgebaut werden kann? Tausende Beispiele, in denen Geisteswissenschaften überhaupt keine Rolle gespielt haben wären möglich.
    Geben deren Entdecker entsprechend Deiner o.g. Meinung Anlaß zum Traurigsein, sind diese Wissenschaftler geistige Tiefflieger? Klar gibt es den Ausdruck "Fachidioten", aber aus solchen Leuten rekrutieren sich mind 50 % meiner Bekannten, von denen einige Musikfreunde (Klassik) sind. Ich werde bei meinem nächsten Studententreffen mal die Frage stelle, ob mir einer davon den Begriff Hermeneutik erklären kann. Ich bin völlig sicher, daß ich ausschließlich Verneinung erfahre. Und meine Freunde am Skattisch und am Stammtisch (ein Rechtsanwalt, ein ehemaliger Polizist, der jetzt Bücher schreibt, Handwerker usw) haben für philosophische Fragen 0 Interesse, einige gehen aber dennoch ins Theater. Dürfen die das überhaupt ohne philosophische Kenntnisse? Brecht hat dazu einiges geschrieben.



    Und nachstehender Satz veranlaßt mich, die Selbstüberschätzung mancher Geisteswissenschaftler fast als lächerlich anzusehen:

    Rousseau war ein weltgeschichtlicher Gigant, der das kulturelle Leben geprägt hat wie kein zweiter - ohne Rousseau gäbe es keinen Alpen-Tourismus und keine Hippies

    Ohne Rousseau hätten wir keine "Pastorale" von Beethoven und keine "Annees de Pererinage" von Liszt

    Das ist für mich unfaßbar, eine Überschätzung eines Mannes wie Rousseau, dessen Wirken auch in mir Hochachtung erzeugt.


    Ich habe ja nun schon mit großem Erfolg viele Musikeinführungen gemacht mit ganz "normalen" Menschen, die aber eines auszeichnete: Interesse und Aufgeschlossenheit für die tiefer gehenden menschlich-philosophischen Fragen. Wirklich große Kunst - das unterscheidet sie von oberflächlichen Unterhaltungsangeboten im Pop-Bereich, welche heute die Welt überschwemmen - enthält das Angebot, in ein tieferes Verständnis immer eindringen zu können. Dieses Angebot kann man wahrnehmen oder nicht wahrnehmen. Wer ein Leben lang an der Oberfläche kleben bleiben will und damit glücklich ist: bitteschön! Aber vielen Menschen reicht das eben nicht. Und dazu gehören keineswegs nur Fachphilosophen und "Wissenschaftler".

    Auch ich gehe in jede Einführung zu einem Konzert (das habe ich Dir schon einmal mitgeteilt). Auch mir liegt viel daran, in das Wesen eines Musikstückes einzudringen. Ich bleibe keinesfalls an der Oberfläche stehen und sage bitteschön! Aber mir reicht, um Bruckners 9. besser zu vestehen oder Mahlers letzten Satz seiner 9. oder den phantastischen Schlußsatz seiner 3. , wenn ich mich eindrücklich mit seiner Biographie befasse. Und dann mache ich mir dazu im Konzert meine Gedanken und habe den Gewinn an Erkenntnis, den ich mir vorstelle. Denn es gibt viele Deutungen fast aller Werke, die sich unterscheiden. Nicht jeder denkt wie Du, aber Du läßt anderes Denken nicht zu. Ich nenne es Selbstgerechtigkeit.
    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Die von Engels redigierte These ("kommt" statt des altertümlichen "kömmt" *) wurde 1953 auf Anordnung der SED-Führung im neu entstandenen Foyer des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Hauptgebäudes der Humboldt-Universität Unter den Linden gegenüber der Staatsoper angebracht. Dort ist sie noch heute nachzulesen. Alle kommunistischen Diktaturen beriefen sich darauf. Die These bildete eine ihrer zentralen Botschaften.

    Es lohnte sich in diesem Zusammenhang mal genauer zu ermitteln, ob und wie weit die bolschewistischen Revolutionäre vor allem sich die Massenverachtung und Demokratiefeindlichkeit Friedrich Nietzsches zu eigen gemacht haben. Zu mindestens Trotzki soll sich immer wieder begeistert Nietzsches Schriften reingezogen haben. Würde vielleicht auch den Umschlag von Theorie in diktatorische Praxis erklären helfen.

  • Lieber La Roche,


    vieles vom dem, was Du oben an mich gerichtet schreibst, kann ich verstehen und nachvollziehen. Wie bereits mehrfach erwähnt, bin ich "von Haus aus" Mathematiker und fühle mich damit quasi genau zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften stehend. Und wenn es stiimmt, dass Naturwissenschaftlicher anders denken - oder vielleicht besser: die Welt um sich herum anders wahrnehmen, als Geisteswissenschaftler, dann habe ich oft das Problem, genau zwischen diesen beiden Arten der Weltsicht hin und her zu pendeln, was die Dinge nicht unbedingt leichter macht. Ein für mich wesentlicher Punkt dabei ist, was Du auch andeutest, dass nämlich den Geisteswissenschaften letztlich die Dimension der Beweisbarkeit im naturwissenschaftlichen Sinne fehlt. Von schlechten Geisteswissenschaftlern wird dann gerne behauptet, dass es hier ja eher um einen technokratischen Beweis-Begriff gehe, der durchaus verzichtbar ist und der "Beweis qua Überzeugung" vollkommen ausreiche. Hier werden dann die philosophischen Implikationen der tatsächlichen, absoluten Wahrheit und Unausweichbarkeit eines mathematischen Beweises schlicht ignoriert. Mit anderen Worten: Die Behauptung, dass man zwar die Unendlichkeit der Menge an Primzahlen irgendwie Beweisen könne, aber es doch sicher irgendwo da draußen eine Welt gäbe, in dem es nicht so sei, ist esoterischer Unsinn. Wer so denkt, hat weder etwas von Naturwissenschaften, noch etwas von Geisteswissenschaften verstanden.


    Vor diesem Hintergrund muss aber auch vollkommen klar sein, dass Deine Aussage

    Mit Verlaub, in meinem Bekanntenkreis kenne ich viele Kunst- und Kulturinteressierte, die sich keinen Tag im Leben mit Geisteswissenschaften beschäftigt haben [...]

    meinen unmittelbaren Widerspruch hervorruft! Sie ist m.E. deshalb falsch, weil sich jeder Mensch, der sich aktiv am Leben beteiligt, in irgendeiner Form auch mit geisteswissenschaftlichen Inhalten auseinandersetzt. Hättest Du geschrieben, dass sich in Deinem Bekanntenkreis viele zwar mit Kunst und Kultur, nicht jedoch mit Philosophie beschäftigt haben, wäre es vermutlich klarer gewesen und wahrscheinlich wolltest Du sogar genau das zum Ausdruck bringen. Wobei allerdings auch dann die Frage bleibt, wie soetwas überhaupt funktioniert, da m.E. die Kunst, Kultur und Philosophie keinesfalls als überschneidungsfrei angenommen werden sollten.


    Du siehst also, es ist gerade der Naturwissenschafler in mir, der Dir die von mir so wahrgenommenen Ungenauigkeit Deiner Aussage vorhält :hello:


    Erlaube mir noch folgende Ergänzung: Im weiteren schreibst Du u.a.

    Wie hätte ein Naturwissenschaftler mit philosophischen Theorien und ohne Naturwissenschaft die Evolution beweisen können, ein Galilei auf naturwissenschaftlicher Basis ein völlig neues Weltbild erschaffen können? [...] Tausende Beispiele, in denen Geisteswissenschaften überhaupt keine Rolle gespielt haben wären möglich.

    Ich glaube schon, dass viele wichtige und ganz grundlegende Ideen der Naturwissenschaft letztlich auch auf einer philosophische Basis. Überhaupt fällt es mit schwer, den menschlichen Drang nach Erkenntnis als Motor naturwissenschaftlicher Entwicklungen allein aus der Naturwissenschaft heraus zu erklären. Genauso umgekehrt haben viele naturwissenschaftliche Entwicklungen immense geisteswissenschaftliche Implikationen und ein Naturwissenschaftler, der dies verneint handelt in meinen Augen verantwortungslos. Nicht umsonst waren viele Philosophen auch Naturwissenschaftler und umgekehrt und somit haben auch Sätze, die vor 2000 gesagt wurden auch heute noch ihrer Gültigkeit, obwohl sie nicht beweisbar im naturwissenschaftlichen Sinne sind.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Zitat

    Zitat von Michael Schenk: fast immer singen auch genau die Sänger, die auf der Besetzungsliste angekündigt wurden

    Es ist schon eine belustigende Logik, zu behaupten, dass, wenn die auf der Besetzungsliste angegebenen Interpreten die Musik von Wagner der Reihenfolge nach (ggf. auch gut) vortragen, der optische Inhalt auch der richtige sein muss. Ist das die Logik einer bestimmten Geisteswissenschaft, die ich nicht kenne?? :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:
    Ich zweifle auch daran, ob die meisten Zuschauer mit dem Namen Konwitschny so vertraut sind, wie wir es jetzt durch das Forum sind.
    Wenn die Angabe Konwitschny auf der Ankündigung erscheint, weiß ich heute, dass ich mir eine solche Inszenierung wohl kaum antun werde. Aber um ehrlich zu sein, hat mich früher - wie auch die meisten anderen Operngänger - der Regisseur wenig gekümmert, weil es bis zur Überwucherung durch das Regisseurtheater nicht notwendig war. Es war auch nicht nötig - wie leider heute - dass man sich vorher genau über die Inszenierung informieren musste. Sie stimmte einfach. Leider verfügen auch heute manche Opernbesucher nicht über die notwendigen Informationen oder kennen die Macken (nicht zu verwechseln mit "Mucke") des Regisseurs noch nicht.
    Die Bezeichnung "Lohengrin" ist bei dem Klassengrin, den Baustellengrin, dem Rattengrin usw. auf jeden Fall eine Falschinformation.
    Obwohl zur Oper eindeutig die optische Darstellung gehört, wäre mir immer noch eine konzertante Aufführung lieber, als wenn die Musik und die optische Darstellung des Werks so weit auseinanderklaffen.



    Zu dieser seltsamen Logik gehört auch folgende Schlussfolgerung:

    Zitat

    Conclusio. chrissy ist weder eine Bekannter von Gerhard, noch ein Professor.

    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Es ist schon eine belustigende Logik, zu behaupten, dass, wenn die auf der Besetzungsliste angegebenen Interpreten die Musik von Wagner der Reihenfolge nach (ggf. auch gut) vortragen, der optische Inhalt auch der richtige sein muss. Ist das die Logik einer bestimmten Geisteswissenschaft, die ich nicht kenne?? :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:

    Moment! - Schauen wir doch nochmal im Zusammenhang, was Du und ich hier geschrieben haben: Du forderst, dass in den Opernhäusern wieder(?) das gezeigt wird, was auf den Plakaten angekündigt ist. Ich behaupte, dass dies mindestens formal der Fall ist: Genannt werden u.a. Komponist, Werk, Regisseur, Dirigent und Sänger. Wenn dann der Opernbesucher in der eigentlichen Aufführung das namentlich bezeichnete Werk nicht erkennen kann oder will, ist das für Deine a priori-Forderung ja ersteinmal nebensächlich. Nichtsdestotrotz habe ich an keiner Stelle behauptet, dass alleine aus der Tatsache, dass die auf dem Plakat als Beteiligte angeführten Personen dafür garantieren, dass das aufgeführte Werk für jeden Besucher so abläuft, wie er es sich vorstellt. - Die, wie Du ja selber schreibst, falsche Schlussfolgerung, wird also nicht von mir behauptet, sondern vielmehr von Dir festgestellt.


    Zu dieser seltsamen Logik gehört auch folgende Schlussfolgerung:

    Auch hier ist es hilfreich, die beiden Prämissen, die mich zu meiner Schlussfolgerung führen, anzugeben; siehe hierzu einfach nochmal hier, dann sollte klar werden, dass es sich um einen geradezu klassischen logischen Schlußfigur handelt, wie sie schon die sprichwörtlichen Alten Griechen zur Anwendung brachten :angel:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Das ist für mich unfaßbar, eine Überschätzung eines Mannes wie Rousseau, dessen Wirken auch in mir Hochachtung erzeugt.

    Rousseau kann man nicht überschätzen, sondern nur unterschätzen, was seine Wirkungsmacht angeht. Wenn Du den Notentext von Liszt "Annees..." Bd. 1 "Suisse" aufmachst, dann findest Du da neben den Noten jede Menge Literatur abgedruckt. Liszts Werk ist ein exemplarisches Beispiel für die romantische Idee der Einheit aller Künste, Musik, Literatur, bildende Kunst. U.a. gibt es da zwei Seiten aus Senancours Roman "Oberman", dem Klassiker der französischen Frühromantik, der stark von Rousseau inspiriert ist. Das war Liszts Lieblingsroman, den er stets bei sich trug. In dem Text, den Liszt im Notentext zu lesen gibt (auf Französisch versteht sich, Liszt sprach fließend Französisch) gibt es eine wunderbare Naturbeschreibung und am Schluss bezieht sich Senancour ausdrücklich auf Rousseau. Dieser Verweis auf Rousseau bei Senancour ist für die Interpretation von Liszt wichtig, denn nur so versteht man die Reihenfolge der Stücke, warum auf "Eglogue" (Nr. 7) "Le mal du pays" (Nr. 8) folgt. ;)

    Ich bleibe keinesfalls an der Oberfläche stehen und sage bitteschön! Aber mir reicht, um Bruckners 9. besser zu vestehen oder Mahlers letzten Satz seiner 9. oder den phantastischen Schlußsatz seiner 3. , wenn ich mich eindrücklich mit seiner Biographie befasse.

    Die biographische Methode stammt ausgerechnet von Wilhelm Dilthey, von dem die Unterscheidung von Natur- und Geisteswissenschaften herrührt. Der biographische Ansatz hat sicher zu wunderbaren Biographien geführt, ist aber in der Literaturwissenschaft aus der Mode gekommen. Wenn Du Mahler erwähnst, dann erkläre mir mal, was Mahler meint, wenn er sagt, seine 3. und 4. Symphonie seien "Humor". Zur 4. Symphonie sagt er als "Programm": "Diesseits und Jenseits, in humoristisch-idyllischer Gegensätzlichkeit erfasst." Ich kann Dir schon verraten, aus der Biographie allein heraus versteht man gar nichts, man muss schon wissen, was Mahler gelesen hat. Er war eine "Leseratte" und mit der bedeutendsten Literatur einschließlich der Philosophie sehr gut vertraut. Zum wirklich phantastischen Schlusssatz der 3. sagt Mahler, es gehe darum, "das Ixionsrad der Erscheinung stillzustellen". Das verstehst Du hoffentlich. Ich verrate nur, dass dies ein Zitat aus einem philosophischen Buch ist, das Mahler gelesen hat. :D

    Ein für mich wesentlicher Punkt dabei ist, was Du auch andeutest, dass nämlich den Geisteswissenschaften letztlich die Dimension der Beweisbarkeit im naturwissenschaftlichen Sinne fehlt.

    Ja, aber das heißt natürlich nicht, dass die Geisteswissenschaften unmethodisch wären. Man darf z.B. nicht Alles und Jedes in einen Text hineininterpretieren und muss auf Sinnkonsistenz achten. Hermeneutische Interpretationen sind natürlich nach streng wissenschaftlichen Kriterien beurteilbar. Historisch interessant ist, dass im 19. Jhd. als die strengste aller Wissenschaften nicht etwa die Physik oder Mathematik, sondern eine Geisteswissenschaft galt, die klassische Philologie. :)


    Du bist Mathematiker, Michael? Ich habe auch einen Mathematiker in der Familie... :D

    Ich glaube schon, dass viele wichtige und ganz grundlegende Ideen der Naturwissenschaft letztlich auch auf einer philosophische Basis.

    Nur ein berühmtes Beispiel: der Kraftbegriff. Die theoretische Physik in ihrer Wurzel ist Philosophie. Das hat der Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker zu Recht in einer Diskussion gegen Martin Heidegger vertreten, der behauptet, die Naturwissenschaft "denkt" nicht. Die Physiker, die ich kennengelernt haben, waren alle sehr an Philosophie interessiert und philosophisch gebildet. Ilya Prigogine, der Nobelpreisträger, hat sogar eine Philosophin als Mitarbeiterin engagiert, Isabelle Stengers. Zusammen haben sie ein wirklich lesenswertes Buch geschrieben. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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