Schumann: Carnaval op. 9

  • Die Zweite von oben in Post #56.

    Lieber Damiro,


    dann hast Du meine:



    Die Remasterings von Andromeda sind sicher durchschnittlich gut - das Problem scheint mir eher das Material zu sein, dass sie benutzen. Wenn es sich da um eine Kopie der Kopie der Kopie handelt und nicht die Originalmatrize, dann kann die Qualitätseinbuße schon erheblich sein. In diesem Falle ist es aber leider so, dass man schlicht gar keine Alternative hat und so letztlich auch nicht beurteilen kann, warum die Klangqualität so ist wie sie ist. (Ich höre nachher mal rein.) Solange ich eine Alternative nicht habe, behalte ich daher solche Mitschnitte. Auf jeden Fall werde ich mir die 1950iger Aufnahmen, die apr rausgebracht hat, auch zulegen. :)


    Guiomar Novaes habe ich nur mit Chopin und nicht mit Schumann - die Nocturnes besonders finde ich eine bemerkenswerte, unbedingt hörenswerte Aufnahme. Beim Carnaval (Hörschnipsel) merke ich zu Beginn, dass sie den Bass oktaviert! :D :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • 1943 Berlin, haben einen verfremdeten Klavierklang, dig. remastered steht drauf. Das klingt zu hart und zu obertonarm, insbes. auf meinem neuen T + A- Receiver.

    Ich habe gerade mal reingehört! Die Aufnahme ist bestimmt von einer eindrucksvollen Ungeduld, fast schon Trotz spürt man da. Höchst bemerkenswert! 1943 in Berlin aufgenommen - das ist mitten im Krieg. Im zerbombten Berlin waren die Aufnahmebedingungen vermutlich nicht ideal mangels geeigneter Räumlichkeiten. Wer weiß, wo sie das gemacht haben. Der Klang ist in der Tat ein bisschen gläsern und hart, aber katastrophal nicht (abgespielt mit meinem alten Yamaha VV und dem CDP von Marantz). Ich vermute mal, sie haben das beim Mastering etwas aufgehellt und wegen der Durchsichtigkeit die Bässe reduziert. Das ist typisch für etliche Digitalisierungen von Mono-Aufnahmen. Wenn das Klangbild dann schlanker ist, wirkt es weniger mulmig aber auch ein bisschen härter als es ist. Auf diese bemerkenswerte Aufnahme würde ich auf keinen Fall verzichten wollen! Es wäre zu wünschen, wenn man noch einmal die Originalbänder mastern würde! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wie du schreibst, lieber Holger, können die Probleme schon bei der Originalaufnahme oder später, bei jedem einzelnen Schritt der Produktionskette entstanden sein. Ich habe die Hoffnung auf einen kompetenten techn. Beitrag noch nicht aufgegeben. Ich warte mal den Umtausch ab.
    Mit Interesse habe ich den Kreisleriana-Thread gesehen mit seiner Fortsetzung, habe ca. 70% der Beitrage gelesen und hoffe, dass es sich nicht mehr so apodiktisch weiterentwickelt wie im Anfangsverlauf. Ich sehe mich aber in diesem Thread noch einiges tun.


    MlGDamiro,
    vom "Mist"- Tablet

  • Ich habe die Hoffnung auf einen kompetenten techn. Beitrag noch nicht aufgegeben. Ich warte mal den Umtausch ab.

    Lieber Damiro,


    ich habe den Vorteil, dass ich zwei Anlagen (eine ganz alte und eine ältere :D ) zum Vergleich habe und so feststellen kann: liegt es an der Elektronik oder der CD?


    Bei mir ist leider die Zeit im Moment auch sehr begrenzt! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Ich bin mit meiner Allerbesten wieder vom Balkan zurück, 4000 km in drei Wochen: Slowenien, Kroatien, Serbien, Montenegro, Bosnien- Herzegowina.
    Nur eines:
    man kann das sehr gut machen, es lohnt sich ! Alle Strassen und alle Betten sind gut genug und mehr, überall bekommt man übernacht eine preisgünstige Garage, nur: man sollte kein Gourmet sein !



    Alicia de Larrocha


    Ich hatte bisher einige CDs von A.de L., drei Mozart- Klavierkonzerte und Spanisches, erstere wirklich ganz prima, letzteres ganz schön, aber nicht übermässig beeindruckend. Am Ende habe ich bei AMAZON doch auf den Bestellknopf gedrückt, am Morgen vor unserer Abreise. Ich habe mich auch gefreut, dass A.de L. ausser mir noch einige weitere Fans hat, die sich auch in jüngster Zeit mit Posts zu erkennen gegeben haben, z.B. Dr. Holger, moderato, nemorino und andere (hier möchte ich noch anbringen, dass ich nicht so recht weiss, wie man am besten spanische Klaviermusik spielt, auch nicht wie es Frau Alicia vermag, mit "kleinen Händen" ein so weitgriffiges und schweres und vielgespieltes = wohlbekanntes Klavierkonzert wie Rach 3 hinzufetzen, dass einem der Mund einfach offen stehen bleibt....).



    81C8GAjvsLL._AC_UY218_.jpgEs geht im heutigen Post nur um den Carnaval.





    Wie die meisten Damen spielt A.de L. das Opus in mehr als 31`Min., nämlich 32`40 Min (auch manche Herren brauchen diese Zeit). Aber z.B. E. Kissin braucht 28`40 Min.



    Nach vier Akkorden merkt man schon den Grundton: ruhig, erzählend, innerlich gesetzt spielt sie. Wie ich finde mit einer noblen oder edlen Art, manches klingt regelrecht majestätisch, auch breit und wohl ausführlich, ausgespielt, betont die (wechselnde) musikalische Aussage. Die Fehlerquote ist sehr gering, der Klavierklang (das Instrument und die Tontechnik ganz hervorragend (DECCA wohl 1987), weich und voll und trotzdem überall durchsichtig. Keinerlei hartes und kein forciertes Klavierspiel. Aber auch: Nichts Flackerndes und Irritierendes- Geheimnisvolles !
    Die Anfangsakkorde sind sehr langsam, kraftvoll, ungeheuer klangschön und A. de L. spielt sie teilweise in einer altmodischen, kurz- arpeggierenden Art.


    Nur ein Teil hat mir nicht gefallen, es dürfte seine Gründe in der Gesamtauffassung der Pianistin haben: bei ASCH - SCHA empfinde ich nicht die geforderten oder suggerierten tanzenden Buchstaben, sondern mehr etwas Hingepinseltes, Hingeschriebenes oder sonstig habhaft Dargebrachtes.


    Die vorherigen Valse noble und spätere Valse allemande haben keine Tanzstückassoziation, sondern unterordnen sich den hingeschriebenen Noten, Bögen und musikal. Linien = langer musikalischer Atem !


    Pierrot und Harlekin werden nicht als musikalisch- programmatische Gegensätze interpretiert, sondern eher in einer Art linearer Entwicklung der Musik. So ähnlich gilt das auch für die Charaktere der beiden Frauen Chiarina und Estrella (Clara Wieck und Ernestine von Fricken). A.de L. spielt hier so lyrisch, schlicht und melodisch polyphon. Das ist so sehr meisterhaft ! Am besten gefiel mir beim zweitenmal Ganzhören das Aveu, ein liebevoll- zärtliches, leises Geständnis.


    Trotzdem fetzen die schnellen Passagen von Papillons und Pause auch erheblich, ja sogar genügend und für mich absolut befriedigend. Final noch kommt der Marsch der Davidsbündler gegen die Philister richtig breit und majestätisch herüber.
    Soviel zu A.de L., die ich ursprünglich nicht in meinem Konzept hatte. Ich habe den CD- Kauf kein bisschen bereut, im Gegenteil.


    Es fehlen noch einige Schwergewichte wie WG, ABM und CA, gemischt mit eindrucksvollen weiblichen Interpretinnen und Newcomern, die hier noch nicht verraten werden sollen....



    MlG
    D. 8-)

    Einmal editiert, zuletzt von Damiro ()

  • (hier möchte ich noch anbringen, dass ich nicht so recht weiss, wie man am besten spanische Klaviermusik spielt, auch nicht wie es Frau Alicia vermag, mit "kleinen Händen" ein so weitgriffiges und schweres und vielgespieltes = wohlbekanntes Klavierkonzert wie Rach 3 hinzufetzen, dass einem der Mund einfach offen stehen bleibt....).

    Lieber Damiro,


    ich habe mir ja nur zur Demonstration Barenboim mit dem ersten Heft von Iberia gekauft. Dann kann man so richtig ermessen, wie unglaublich gut A. de Larrocha Albeniz spielt. Von Lang Lang rede ich erst gar nicht! :D Die Noten habe ich auch - da bekommt man einen richtigen Schreck. Das alles passt nämlich nicht auf zwei Notensysteme. Wie sie ihre fabelhafte Technik entwickelt hat, bleibt wohl ihr Geheimnis. Das 3. Rachmaninow-Konzert ist wirklich überragend gespielt! :)

    Soviel zu A.de L., die ich ursprünglich nicht in meinem Konzept hatte. Ich habe den CD- Kauf kein bisschen bereut, im Gegenteil.

    So, nachdem ich Deine wunderbare Besprechung gelesen habe, habe ich sie mir auch bestellt! Kommt aus den USA und dauert ein bisschen! :hello:


    P.S. Ich hoffe, die 1950iger Gieseking-Aufnahme bekomme ich endlich diese Woche!


    Schöne Grüße
    Holger


  • Das ist ganz wunderbar! Ein Carnaval mit Wärme, mit schön poetisch gespielten Bildern der Charaktere, flexibel und zugleich konturenscharf, ohne jede Forcierung, sorgsam ausgespielt bis in die kleinsten Details mit überlegenem Schumann-Sachverstand! :) :) :)


    Ich habe nun noch die alte Aufnahme von ihr zum Vergleich!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hi Holger,


    ich beziehe mich auf die Posts #61 ff.



    Aber zuerst, dass du die bestellte CD nun hast in guter Qualität: Wärme ! - und: ohne jede Forcierung ! - zwei wünschenswerte Eigenschaften für lyrische bzw. poetische Gestaltung. :yes:


    "Die Remasterings von Andromeda sind sicher durchschnittlich gut - das Problem scheint mir eher das Material zu sein, dass sie benutzen. Wenn es sich da um eine Kopie der Kopie der Kopie handelt und nicht die Originalmatrize, dann kann die Qualitätseinbuße schon erheblich sein. In diesem Falle ist es aber leider so, dass man schlicht gar keine Alternative hat und so letztlich auch nicht beurteilen kann, warum die Klangqualität so ist wie sie ist. (Ich höre nachher mal rein.) Solange ich eine Alternative nicht habe, behalte ich daher solche Mitschnitte."Danke für die Ausführlichkeit der Darstellung dieser Kauf- und Haltestrategie. Die inzwischen umgetauschte CD ist genauso wie die ursprüngliche. Ähnlich scheint es mit manchen Sofronitsky- CDs zu sein, ich möchte noch berichten. Für mich ist es schwer, mich auf sowas einzustellen.....

    Beim Carnaval (Hörschnipsel) merke ich zu Beginn, dass sie den Bass oktaviert! :D :hello:

    Yes Sir !

    ich habe mir ja nur zur Demonstration Barenboim mit dem ersten Heft von Iberia gekauft. Dann kann man so richtig ermessen, wie unglaublich gut A. de Larrocha Albeniz spielt. Von Lang Lang rede ich erst gar nicht! :D Die Noten habe ich auch - da bekommt man einen richtigen Schreck. Das alles passt nämlich nicht auf zwei Notensysteme. Wie sie ihre fabelhafte Technik entwickelt hat, bleibt wohl ihr Geheimnis. Das 3. Rachmaninow-Konzert ist wirklich überragend gespielt! :)

    Dass ich von den spanischen Klassikern nur Nächte in spanischen Gärten habe und Sombrero a tres picos, lechzt nach einer Ergänzung --> Iberia für Klavier von A.d.L. ?! (Hast du deinen Schülern oder Studenten den Baremboim mit Iberia demonstriert ?).


    Ist deine Bez.quelle in den USA gut sortiert ? (Ich lasse mir schon lange aus USA Modellbahnzubehör schicken, klappt alles immer superkorrekt inklusive Zahlungsabwicklung). Meine email ist jwbrehm@aol.com
    MlG
    D.

  • Dass ich von den spanischen Klassikern nur Nächte in spanischen Gärten habe und Sombrero a tres picos, lechzt nach einer Ergänzung --> Iberia für Klavier von A.d.L. ?! (Hast du deinen Schülern oder Studenten den Baremboim mit Iberia demonstriert ?).

    Lieber Damiro,


    wenn ich ein Profi wäre und eine Meisterklasse hätte... :D Mit meinem Lehrer und Freund F.J. das mal durchzugehen, wäre sicher sehr vergnüglich!

    Ist deine Bez.quelle in den USA gut sortiert ? (Ich lasse mir schon lange aus USA Modellbahnzubehör schicken, klappt alles immer superkorrekt inklusive Zahlungsabwicklung). Meine email ist jwbrehm@aol.com
    MlG

    Du meinst die Email der Bezugsquelle, oder? Ich habe ganz normal über Amazon.de bestellt. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Lieber Holger,


    ja, eine gute, ausgeglichene, aber deswegen keineswegs langweilige Aufnahme, weil Larrocha die Charakteristik der Stücke richtig gut trifft. Ich schätze diese Aufnahme, aber der Wahnsinn und die Radikalität des Werks - in der Verkürzung und Zuspitzung der Motive - bleibt hier doch etwas auf der Strecke.


    Viele Grüße
    Christian

  • ja, eine gute, ausgeglichene, aber deswegen keineswegs langweilige Aufnahme, weil Larrocha die Charakteristik der Stücke richtig gut trifft. Ich schätze diese Aufnahme, aber der Wahnsinn und die Radikalität des Werks - in der Verkürzung und Zuspitzung der Motive - bleibt hier doch etwas auf der Strecke.

    Ich würde ihren Ansatz als "poetisierend" beschreiben, lieber Christian. Das ist ungemein schön gespielt. Sie macht daraus keinen derben Schwank mit virtuoser Wirkungsrhetorik und ist natürlich auch nicht so radikal scharfzeichnend wie ABM. Ansonsten finde ich, dass der Carnaval weniger Nähe zu Kreisleriana-Wahnsinn hat als in die Gruppe Faschingsschwank aus Wien oder dem Album für die Jugend gehört (von den Symphonien und Liedern rede ich jetzt nicht), also die der so gar nicht kreiselrianisch-verrückten Charakterzeichnung.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Darüber haben wir ja schon öfter diskutiert, Holger, ich meine, dass die Stilisierung des Carnavals in der Gegensätzlichkeit seiner Charakterbilder nicht weniger in den Wahnsinn führt ist die Kreislerina. Ich muss da an Jean Pauls Felgeljahre um die Zwillingsbrüder Walt und Vult denken, aber das hier auszuführen, führte zu weit. Nur so viel: die extremen Stimmungen sind Ausprägungen eines Ichs, das verschiedene, gegensätzliche Ausprägungen annimmt, bei Jean Paul führt das in den Wahnsinn von Walt oder Vult, ich weiß es nicht mehr genau, welcher von beiden daran zerbricht. Das ist ein großartiger Roman, ich bekomme sofort Lust, ihn wieder zu lesen.



    Viele Grüße



    ChristianPS.: Vielleicht war es auch die Leibgeber-Figur im Siebenkäs, das ist ja auch eine Zwillings-Figur. Ist lange her, dass ich diese Bücher gelesen habe. Aber diese Mischung aus Witz, der nicht selten zu Fratze wird, und mitreißendem Sentiment, das ist ist die Welt Jean Pauls.

  • In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an meinem Beitrag #40 erinnern, wo ich zitiert habe, wie Schumann im Rückblick über Ernestine von Fricken aus ASCH sagte - bekanntlich soll der Carnaval auf diese Beziehung anspielen::


    "Es war im Winter 1834. Als sie [Ernestine] nun aber fort war u. ich zu sinnen anfing, wie das wohl enden könne, als ich ihre Armuth erfuhr, ich selbst, so fleißig ich auch war, nur wenig von mir brachte, so fing es mich an wie Fesseln zu drücken – ich sah kein Ziel, keine Hülfe – noch dazu hörte ich von unglücklichen Familienverwicklungen, in denen Ernestine stand und was ich ihr allerdings übelnahm, daß sie mir es so lange verschwiegen hatte. Das Alles zusammengenommen, –verdammt mich – ich muß es gestehen, ich wurde kälter;"


    Dieses "ich wurde kälter" ist den seltsamen Fratzen des Carnavals eingeschrieben: das Ich, das sich selbst beobachtet und dabei fremd wird und das bei dieser spiegelartigen Selbstbetrachtung - wie bei Jean Paul - den Verstand zu verlieren droht.


    Viele Grüße
    Christian

  • Darüber haben wir ja schon öfter diskutiert, Holger, ich meine, dass die Stilisierung des Carnavals in der Gegensätzlichkeit seiner Charakterbilder nicht weniger in den Wahnsinn führt ist die Kreislerina. Ich muss da an Jean Pauls Felgeljahre um die Zwillingsbrüder Walt und Vult denken, aber das hier auszuführen, führte zu weit. Nur so viel: die extremen Stimmungen sind Ausprägungen eines Ichs, das verschiedene, gegensätzliche Ausprägungen annimmt, bei Jean Paul führt das in den Wahnsinn von Walt oder Vult, ich weiß es nicht mehr genau, welcher von beiden daran zerbricht. Das ist ein großartiger Roman, ich bekomme sofort Lust, ihn wieder zu lesen.

    Das sind schöne Hinweise, lieber Christian. Aber bleiben wir doch zunächst einmal bei E.T.A. Hoffmann. Hoffmann ist ja nicht nur Dichter, sondern selber auch Musiker, Komponist. Wenn man sich Hoffmanns Beschreibungen des Kapellmeister Kreisler hält (im "Kater Murr" und in einem der "Fantasiestücke in Callot´s Manier", das den Titel "Kreisleriana" trägt), dann wird Kreisler dort nicht nur poetisch als verrückt, sentimentalisch überspannt etc. charakterisiert, sondern es wird auch sehr "musiktechnisch" beschrieben, worin dieser "kreislerianische" Musik-Schreibstil besteht, Verwendung von Septakkorden, Terzhäufungen, Sprüngen etc. etc. D.h. bei Hoffmann ist dieser Stil als ein harmonisch-satztechnischer auch wirklich sehr konkret greifbar und nicht nur eine irgendwie vage "poetische Idee". Wenn man Schumanns "Kreisleriana" nimmt, dann hat man deshalb auch sehr konkret satztechnische Anhaltspunkte, wie Schumann E.T.A. Hoffmann umgesetzt hat. Hier ist Horowitz wirklich kongenial. Beim "Carnaval" dagegen bekommt man mit dem Interpretationsansatz von Horowitz aber das Problem, dass sich der "Wahnsinn" und die Verrücktheit einzig und allein auf einen exaltierten Vortrag reduziert, wo aber das, was in der "Kreisleriana" als Fundament vorhanden ist, die satztechnische Grundlage dieser kreislerianischen Verrücktheit, schlicht und einfach fehlt. Das ist dann letztlich pure Wirkungsrhetorik ohne musikalisches Fundament - und somit ein ernster Einwand.


    Beim "Carnaval" empfiehlt es sich finde ich, zunächst einmal die Frage der "Gattung", die bei einem Komponisten des 19. Jhd. eine wesentliche Rolle spielt, nicht aus der Acht zu lassen. Der Untertitel des "Carnaval" sollte ursprünglich "Schwänke auf vier Noten" lauten. Ein Schwank ist ein Charakterstück mit derb-drastischer Zeichnung. Da sind dann - wenn man Bezüge zu E.T.A. Hoffmann herstellen will - Bezüge gerade nicht auf den Kapellmeister Kreisler gegeben, sondern eher auf Mozarts "Don Giovanni", der bei Hoffmann auch eine zentrale Rolle spielt. Dass das alles zu Kreisler nicht passt, zeigt, dass es sich hier um eine Oper und Komödie handelt. Der "Wahnsinn" ist ja poetisch bei Hoffmann mit einem "erhabenen", also hohen dramatischen Stil verknüpft und gerade nicht ein "gemeiner" Stil wie ein komödienhafter Schwank. Zum Schwank gehört nicht, Verwirrung zu stiften im poetisch-dramatischen Sinne der "schönen Verworrenheit" (bei der Verwechslungskomödie, wenn Leporello und Don Giovanni die Rollen tauschen, entsteht eben keine Verwirrung beim Zuschauer, denn man weiß ja immer, dass das getauschte Rollen sind, worauf die komische Wirkung letztlich beruht), sondern die Charaktere derb-drastisch zu zeichnen, gewissermaßen eine Über-Eindeutigkeit herzustellen, aus der sich dann eine ironisch-reflektierende Brechung ergibt, wie z.B. bei "Paganini", wo der "Virtuosendonner" so donnert, dass er sich selber als hohl entlarvt.

    In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal an meinem Beitrag #40 erinnern, wo ich zitiert habe, wie Schumann im Rückblick über Ernestine von Fricken aus ASCH sagte - bekanntlich soll der Carnaval auf diese Beziehung anspielen::


    "Es war im Winter 1834. Als sie [Ernestine] nun aber fort war u. ich zu sinnen anfing, wie das wohl enden könne, als ich ihre Armuth erfuhr, ich selbst, so fleißig ich auch war, nur wenig von mir brachte, so fing es mich an wie Fesseln zu drücken – ich sah kein Ziel, keine Hülfe – noch dazu hörte ich von unglücklichen Familienverwicklungen, in denen Ernestine stand und was ich ihr allerdings übelnahm, daß sie mir es so lange verschwiegen hatte. Das Alles zusammengenommen, –verdammt mich – ich muß es gestehen, ich wurde kälter;"


    Dieses "ich wurde kälter" ist den seltsamen Fratzen des Carnavals eingeschrieben: das Ich, das sich selbst beobachtet und dabei fremd wird und das bei dieser spiegelartigen Selbstbetrachtung - wie bei Jean Paul - den Verstand zu verlieren droht.

    Aber wofür steht den die "Kälte"? Auch und gerade bei Jean Paul geht es um Reflexion, also höchsten Verstand. Schumann gesteht, er wurde "kälter" - d.h. er nimmt emotionale Distanz, verliert also gerade nicht den Kopf, wie es für die emotionale Reaktion aus der Nähe typisch ist, sondern fängt an aus der Distanznahme heraus gerade seinen Verstand zu aktivieren, nämlich zu reflektieren. Der "Carnaval" ist hoch reflektiert. Dazu passt auch die "Sphinx", die verschlüsselten Noten. Schumann hatte ja das Konzept einer musikalischen Geheimsprache, welche nur die Eingeweihten verstehen. Das fordert gerade höchsten Verstand, ihn ein- und nicht auszuschalten, um die verschlüsselte "Logik" hinter den Masken zu erkennen. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Auch und gerade die Reflexion kann in den Wahnsinn führen, wie Jean Paul (in Anspielung auf Fichte) ausführt: "Das Ich setzt Sich und den Ich samt jenem Rest, den mehrere die Welt nennen... Das Ich denkt Sich, es ist also Ob-Subjekt und Lagerplatz von beiden..." Bei der Jean Pauls Schoppe/Leibgeber-Figur (nicht bei Walt und Vult, da habe ich mich gestern geirrt) führt das in den Wahnsinn.



    Eine ähnliche Denkbewegung registriere ich bei Schumann, wenn er distanziert über sich selber sagt: "verdamm mich, ich wurde kälter". Da beobachtet sich das Ich und die Welt von außen und von oben herab. Diese Kälte durchzieht den Carnaval, ich stimme Dir zu, dass das ein hochreflektives Werk ist, aber gerade die Gegensätzlichkeit der scharf gezeichneten Charakterbilder steht für die Erfahrung, dass ein objektives Ich nicht mehr vorhanden ist, sondern dass es sich in unzähligen verschiedenen Masken, in unzählige Ichs, aufspaltet: Ein Ich, das Ernestine vermutlich begehrt und geliebt hat, steht nebem dem Ich, das kälter wurde, als es ihre schwierigen finanziellen Verhältnisse kennegelernt hat. Das ist eine Erfahrung, die man in ihrer Gegensätzlichkeit schwer auszuhalten vermag. Eine Erfahrung, die sich meines Erachtens in der Maskenhaftigkeit der Figuren des Carnaval ausgedrückt hat.


    Viele Grüße
    Christian

  • Auch und gerade die Reflexion kann in den Wahnsinn führen, wie Jean Paul (in Anspielung auf Fichte) ausführt: "Das Ich setzt Sich und den Ich samt jenem Rest, den mehrere die Welt nennen... Das Ich denkt Sich, es ist also Ob-Subjekt und Lagerplatz von beiden..." Bei der Jean Pauls Schoppe/Leibgeber-Figur (nicht bei Walt und Vult, da habe ich mich gestern geirrt) führt das in den Wahnsinn.

    :D Das ist Jean Pauls Fichte-Parodie! Jean Paul versteht Fichte so (falsch ästhetisch natürlich!), als meine er, die Welt wäre nur ein Produkt seiner Vorstellungsfantasie. Deswegen lässt er auch Fichtes Ich humoristisch ohne Wasser und Brot in einen Turm einsperren, weil es ja nicht verhungern kann, da es die Welt selber "setzt". :D Darüber, über diesen Realitätsverlust, wird das Ich schließlich wahnsinnig. (Das nur in groben Zügen so, denn ich bin kein besonders guter Jean Paul-Kenner!)

    Eine ähnliche Denkbewegung registriere ich bei Schumann, wenn er distanziert über sich selber sagt: "verdamm mich, ich wurde kälter". Da beobachtet sich das Ich und die Welt von außen und von oben herab. Diese Kälte durchzieht den Carnaval, ich stimme Dir zu, dass das ein hochreflektives Werk ist, aber gerade die Gegensätzlichkeit der scharf gezeichneten Charakterbilder steht für die Erfahrung, das ein objektives Ich nicht mehr vorhanden ist, sondern dass es sich in unzähligen verschiedenen Masken, in unzählige Ichs, aufspaltet: Ein Ich, das Ernestine vermutlich begehrt und geliebt hat, steht nebem dem Ich, das kälter wurde, als es ihre schwierigen finanziellen Verhältnisse kennegelernt hat. Das ist eine Erfahrung, die man in ihrer Gegensätzlichkeit schwer auszuhalten vermag. Eine Erfahrung, die sich meines Erachtens in der Maskenhaftigkeit der Figuren des Carnaval ausgedrückt hat.

    Völlig einverstanden. Nur "Wahnsinn" hat im romantischen Kontext, insbesondere im musikphilosophischen, eine sehr spezifische Bedeutung. Die Grundlage ist eigentlich C. Ph. E. Bach, der subjektiv-sprunghafte expressive, "erhabene" Stil. Bei E.T.A. Hoffmann ist das dann die "schöne Verworrenheit" eines Shakespeareschen Dramas als Ideal der Symphonie. Die Romantik ist allerdings vielfältig. Es gibt auch die Ironie, die Wiederentdeckung der Prosa, das, was in der Musik die "charakteristische Melodie" ist. Da geht es eher um eine Poetisierung des Prosaischen als um den "wahnsinnigen", d.h. einen "erhabenen" dramatischen Stil. Der "Carnaval" wie auch "Faschingsschwank aus Wien", die "Kinderszenen", "Waldszenen" etc. gehören eher zur letzteren Kategorie finde ich. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Darüber, über diesen Realitätsverlust, wird das Ich schließlich wahnsinnig. (Das nur in groben Zügen so, denn ich bin kein besonders guter Jean Paul-Kenner!)


    Lieber Holger, das habe ich bei Jean Paul anders in Erinnerung: der Wahnsinn Schoppes/Leibgebers (!) entsteht nicht aus einem Reallitätsverlust heraus, sondern wurzelt in der Aufspaltung des Ichs. Aber da müsste ich nachlesen und das gehört wohl auch nicht hier her.
    Viele Grüße, Christian


  • Lieber Holger, das habe ich bei Jean Paul anders in Erinnerung: der Wahnsinn Schoppes/Leibgebers (!) entsteht nicht aus einem Reallitätsverlust heraus, sondern wurzelt in der Aufspaltung des Ichs. Aber da müsste ich nachlesen und das gehört wohl auch nicht hier her.
    Viele Grüße, Christian

    Das kann natürlich sein - ich bin einfach kein Jean-Paul Kenner. Die Geschichte mit dem Turm kommt glaube ich in Heinrich Heines göttlich-boshafter Philosophiegeschichte. :D Die positive Antwort auf diese Ichspaltung ist dann ja Schlegels Konzept der romantischen Ironie - siehe Kierkegaard! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Vielleicht hat Jean Paul noch eine Handvoll Leser, mehr wird es nicht sein. Ich habe vor 25 Jahren den Siebenkäs, Flegeljahre und den Titan gelesen. Die Bücher enthalten viel Abschweifungen und Exkurse, das macht es eingangs schwer, aber man kann diese Passagen auch überblättern (obgleich sie natürlich schon eine Funktion haben). Jean Pauls Innigkeit - da ist er ganz nahe bei Schumann! - und sein böser Humor sind einzigartig, es gibt kaum einen Schriftsteller, der mich so beglückt und so zum Lachen gebracht hat! In seiner Zeit war er wegen seiner Empfindsamkeit, vor allem in den frühen Werken, sehr beliebt und auch erfolgreich! Später gewann dann der Sarkasmus die Oberhand (Dr. Katzenbergers Badereise). Titan und den famosen Siebenkäs möchte ich unbedingt noch einmal lesen. Das sind ganz große Texte.


    Viele Grüße
    Christian

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  • Vielleicht hat Jean Paul noch eine Handvoll Leser, mehr wird es nicht sein. Ich habe vor 25 Jahren den Siebenkäs, Flegeljahre und den Titan gelesen. Die Bücher enthalten viel Abschweifungen und Exkurse, das macht es eingangs schwer, aber man kann diese Passagen auch überblättern (obgleich sie natürlich schon eine Funktion haben). Jean Pauls Innigkeit - da ist er ganz nahe bei Schumann! - und sein böser Humor sind einzigartig, es gibt kaum einen Schriftsteller, der mich so beglückt und so zum Lachen gebracht hat! In seiner Zeit war er wegen seiner Empfindsamkeit, vor allem in den frühen Werken, sehr beliebt und auch erfolgreich! Später gewann dann der Sarkasmus die Oberhand (Dr. Katzenbergers Badereise). Titan und den famosen Siebenkäs möchte ich unbedingt noch einmal lesen. Das sind ganz große Texte.

    Lieber Christian,


    Jean Paul muss ich wirklich endlich einmal lesen - bis auf die "Vorschule der Ästhetik" habe ich es nicht zu den großen dicken Büchern geschafft. Das Kreuz eines Geisteswissenschaftlers, der viel liest, dass er kaum Zeit zum Lesen hat. Und was Jean Paul schreibt, sind dicke Bücher! :D :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • In den letzten Wochen war ich viel unterwegs, auch zum Musik hören, v.a. bei zwei Orgelkonzerten einer Holzhey- (Klosterkirche Obermarchtal / Donau) und Gabler- Orgel in Ochsenhausen bei Biberach / Riss in Oberschwaben. Ursprünglich wollte ich danach noch die Carnavals von W. Gieseking 1943 und mindestens eine ABM- Version sowie meine sehr geschätzte Mitsuko Uchida und evtl. die bei mir neue CD von Lilian Akopova - und auf jeden Fall Boris Giltburg besprechen, und dann das Projekt von meiner Seite zu einer Art Zwischenergebnis führen, um dann vielleicht auch von anderen Taminos was zu lesen.


    Es kam anders, vor allem, weil ich inzwischen Jörg Demus und Wilhelm Kempf gehört und mich etwas über diese "fortgebildet" habe.



    Deren Hörbeispiele führten zur Anschaffung einer DGG Kempf- CD. Sodann habe ich Arrau - live in Schwetzingen 1963 (SWR- will heissen SWF Baden- Baden- Bänder-, Mono remastered) erstanden. Meiner Sofronitzky- CD mit einer Aufnahme von 1959 habe ich eine Aufnahme von 1951 beigestellt. Sie sind jetzt beide wieder auf meinem Musik- und Desk Top- Schreibtischle.Desweiteren habe ich eine vergebliche Suche nach Carnavals als LP, CD oder YouTube- Clip hinter mir nach Aufnahmen von Sv. Richter, Marta Argerich und Emil Gilels hinter mir. Von letzterem existiert ein ziemlich grauenhafter YT- Mitschnitt. Richter hat mit Vorliebe den Faschingsschwank aus Wien op. 26 (von Schumann) wohl gespielt und aufgenommen und es gibt ja von Richter eine Unzahl von "unautorisierten" Mitschnitten. Vielleicht weiss da jemand was Hilfreiches !


    Ich habe also meine Recherche- Energie zusammengenommen und ausgeweitet.



    Dennoch kann ich heute


    a) einen- keinen schlechten - Argerich- Ersatz präsentieren. Doch zuvor kurzes Verweilen bei einer

    b) Künstlerin, die heute noch wie eh und je aktiv ist und die ich immer wieder höre :jubel: :thumbup:

  • Im Zusammenhang mit vielen Events in Deutschland und Österreich fällt der Name Elisabeth Leonskaya immer noch häufig. Sie ist jetzt 73 und spielt noch reichlich schwere Brocken und das auch technisch noch richtig gut. Ich habe Frau Leonskaya sicher sechs bis achtmal gehört und mir gefällt auch ihre ladyhafte Art, die gut in den süddeutsch- österreichischen Raum mit seinen kleineren Städten passt (ja - ausser Wien, München und Stuttgart). Früher dachte ich, dass sie eher etwas langweilig spiele, heute möchte ich dieses Wort in diesem Zusammenhang keinesfalls mehr äussern, wg. seines abwertenden Potentials und weil es meist nichtssagend ist. Kurzum: sie spielt genau das Richtige für ihr bildungsbürgerliches Publikum, in dem ich sitze und dem ich geistig entstamme. Dazu gehört seitens L. der weitgehende Verzicht auf interpretatorische Extreme, die wir woanders suchen können.


    https://www.youtube.com/watch?v=4jr0s-hL5Qw



    Die Aufnahme ist 1999 in Frankreich entstanden.



    Dementsprechend ist ihr CARNAVAL sehr in sich geschlossen, in Klang, Tempo und Proportionen ausgewogen durch und durch solide, deutlich mehr als gutes Pianistenhandwerk. Wunderbar poetisch empfundene Abschnitte wechseln ab mit herzhaftem und sicherem Zugriff. Die Gesamtspieldauer ist 31`45. Wie als Ansage nimmt sie die Anfangsakkorde breit, dabei kurz aber weich arpeggiert. Wobei alle Akkorde stimmen ;) , was überraschenderweise bei einer grossen Mehrheit der Pianistinnen und ihren männlichen Kollegen NICHT der Fall ist.


    Einfach mal reinhören ! :thumbup:

  • Desweiteren habe ich eine vergebliche Suche nach Carnavals als LP, CD oder YouTube- Clip hinter mir nach Aufnahmen von Sv. Richter, Marta Argerich und Emil Gilels hinter mir. Von letzterem existiert ein ziemlich grauenhafter YT- Mitschnitt. Richter hat mit Vorliebe den Faschingsschwank aus Wien op. 26 (von Schumann) wohl gespielt und aufgenommen und es gibt ja von Richter eine Unzahl von "unautorisierten" Mitschnitten. Vielleicht weiss da jemand was Hilfreiches !

    Da, lieber Damiro, Svjatoslav Richter penibel Tagebuch über alle seine Auftritte geführt hat, wissen wir, dass er den Carnaval nie gespielt hat! Gilels mit dem Carnaval, das ist mir zu russisch monumental. Vladimir Sofronitzky müsste ich mal wieder hören! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Gilels mit dem Carnaval, das ist mir zu russisch monumental.


    Ja, leider - das ist aber auch eine sehr frühe Aufnahme und das Stück wird regelrecht runtergedonnert. Wäre schon interessant, wie er das später gespielt hätte, gerade bei Schumann war Gilels der Ansicht, dass er zumeist viel zu schnell gespielt wird (siehe auch seine langsame Aufnahme des Klavierkonzerts).
    Viele Grüße
    Christian

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  • Ja, leider - das ist aber auch eine sehr frühe Aufnahme und das Stück wird regelrecht runtergedonnert. Wäre schon interessant, wie er das später gespielt hätte, gerade bei Schumann war Gilels der Ansicht, dass er zumeist viel zu schnell gespielt wird (siehe auch seine langsame Aufnahme des Klavierkonzerts).

    Ja, lieber Christian, das ist wirklich schade! Vielleicht lag ihm aber auch der Carnaval nicht so und er hat sich in späteren Jahren gezielt den Schumann ausgesucht, der ihm besonders am Herzen lag! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Mit Argerich gibt es meines Wissens auch weder Einspielung noch Mitschnitt des Carnaval.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Bezeichnend, dass Claudio Arrau den "Carnaval" in Schwetzingen nach den Händel-Variationen von Brahms aufführte. Die Kontinuität ist deutlich vernehmbar in der monumentalen Wucht, der klassisch-präzisen Zeichnung und auch der wühlenden Leidenschaftlichkeit, die Arrau Schumann als eine Art ebenso schwerwiegendem Suppelement zu seinem schwergewichtigen Brahms angedeihen lässt. Schumanns Werk bekommt so die Größe einer Kathedrale oder Orgel-Symphonie, wenn man so will. Da ist jede Spur von Salon-Eleganz und "Aufforderung zum Tanz"-Geselligkeits-Virtuosen-Brillanz getilgt. Zum Schluss steigert er sich in einen leidenschaftlichen Rausch, so dass der Marsch der Davidsbündler gegen die Philister die Musik aus den Fugen geraten lässt in einer Anwandlung von Furor. Arrau und Schumann - das ist einmal mehr erhebend! :) :) :)


    Schöne Grüße
    Holger


  • Auch Walter Giesking verzichtet bei seiner Studioaufnahme des "Carnaval" auf jegliches oberflächliche Zurschaustellen von Virtuoseneffekten. Doch anders als Arrau bleibt er ganz bewusst nicht in den Grenzen des Klassisch-Seriösen. Da gibt es diesen nonchalenten Zugriff, die Labilität, die flattrige subjektive Unruhe, die auch schon man die Genauigkeit aufs Spiel setzt - ohne aber jemals wie bei Horowitz exaltiert zu werden. Wo es aber sein muss, gestaltet Gieseking mit seiner an den französischen Impressionisten geschulten klangsinnigen Feinsinnigkeit mit großer Sorgfalt und Behutsamkeit. Eindrucksvoll die Leichtigkeit, wie er in "Paganini" über die Tasten huscht! Ein zugleich klassischer und freizügiger Schumann, für mich eine der exemplarischen Aufnahmen.


    Die Mono-Aufnahmequalität ist hervorragend - gehört zu den besten meiner hostorischen Sammlung! :)


    Schöne Grüße
    Holger

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