Was ist dran an Karajan? - Versuch einer Analyse

  • Ja, das ist auch ein Problem, was aber nicht so klar und absehbar war wie heute. Es ging damals nach Kriegsende im zerstörten Deutschland darum, ein anderes, besseres Deutschland aufzubauen. Dass dies gelingen muss und kann, davon waren die Deutschen in Ost- und Westdeutschland überzeugt. Und auf beiden Seiten diktierten die jeweiligen Alliierten, wie dieses neue Deutschland in ihrem jeweiligen Herrschaftsbereich auszusehen habe. In Westdeutschland setzt man eine Demokratie nach dem Vorbild der Westalliierten durch - obwohl man mit den alten Eliten und auch sehr vielen Nazis zusammenarbeitete. In Ostdeutschland stülpte die UdSSR ihr System über - mit der Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln, die einen Bruch mit der Herrschaft der alten Eliten bedeuteten, aber mit vielen Maßnahmen, die in der Tat ebenfalls undemokratisch und diktatorisch waren und letztlich die Hoffnung auf eine neue und gerechtere Gesellschaftsordnung zerstörten. Deshalb ist die DDR auch zu Recht untergegangen. Aber der Versuch, etwas neues und besseres aufzubauen als der Mörderreich davor, noch dazu unter den schwierigen Bedingungen des Diktats aus Moskau, war erst einmal nicht ehrenrührig. Letztlich hat die Geschichte gelehrt, dass der westliche Weg doch der bessere Weg war, auch wenn dort wie gesagt auch nicht alles ganz koscher war. Aber so schlimm das Unrecht in der DDR teilweise auch war - man kann es nicht mit dem Nationalsozialismus vergleichen, der die halbe Welt mit Krieg überzogen hat und eine ganze "Rasse", Millionen Juden, systematisch auszurotten versuchte. Jede diesbezügliche Gleichsetzung DDR-Nazis ist eine bewusste Verharmlosung der Verbrechen des Nationalsozialismus!


    Da fehlen mir die Worte


    ;(?(

  • Da fehlen mir die Worte


    ;( ?(



    Wen du so gütig gewesen wärest, die Aussage von "m.joho", auf die ich geantwortet habe, mitzuzitieren, hätte sich dir der Sinn meiner Antwort womöglich erschlossen.


    Oder anders gefragt, Herr Schlaumeier: Was hatte diese mit dem Thema dieser Rubrik zu tun? ;( ?(


    Und wenn dir die Worte fehlen, dann spare sie dir doch einfach - und deinen ganzen nichtssagenden Beitrag am besten gleich mit! Oder lerne mal was über Geschichte!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Seinem Mozart kann ich kaum etwas abgewinnen ( schon das bei ihm süßliche, die Pausen und Abphrasierungen bewusst überspielendes Thema der großen g-moll-Symphonie ist m.E. ein einziges Mißverständnis


    Lieber Glockenton,


    vieles, ja das meiste in Deinem Beitrag Nr. 413 kann ich unterstreichen. Mir ging es sicher nicht darum, nur den Karajan "der frühen Jahre" gelten zu lassen, als ich vor einigen Tagen vor allem seine Londoner Aufnahmen aus der Zeit von 1948 bis 1960 besonders herausgestellt habe. Mein Motiv war vielmehr aufzuzeigen, dass das immer wieder gestreute Gerücht vom "Schönklangfetischisten" und "Glattbügler" Karajan zu widerlegen, und das ist ganz besonders durch seine Philharmonia-Aufnahmen eindrucksvoll zu belegen, die einen selbst aus heutiger Betrachtungsweise "modernen" Karajan zeigen, mit einer recht "sachlichen" Sicht auf die interpretierten Werke, während Furtwängler ja mehr das Mystische, das was hinter den Noten steht, betonte.


    Sicher war Karajan kein geborener "Mozart-Dirigent" wie Böhm oder Bruno Walter, aber ich glaube, Du beurteilst ihn etwas einseitig. Was die DGG-Serie aus den späten 70er Jahren angeht, so kann ich Dir weitgehend folgen, aber es gibt IMO einige Mozart-Sinfonien unter Karajan, die ich für sehr gelungen halte, so zum Beispiel diese:


    Sinfonien Nr. 40 & 41 "Jupiter"
    mit den Berliner Philharmonikern (Aufnahme: 9/1970, Jesus-Christus-Kirche Berlin).
    Sie enthält sogar Probenausschnitte, und zwar von der Sinfonie KV 550 zum 1. Satz, und von der KV 551 zum Finalsatz. Sehr interessante Einblicke in Karajans Probenarbeit, die einen recht umgänglichen Karajan zeigen. Da Du gerade seine Interpretation der Nr. 40 bemängelst, erhältst Du hier einen guten Einblick in seine Intentionen zu diesem Werk.
    Es gibt in dieser Reihe auch die anderen späten Sinfonien, Nr. 35-39, die ich ebenfalls ausgezeichnet finde.


    Dann gibt es noch (von diversen Klavier- und Bläserkonzerten abgesehen) folgende sehr ansprechende, um nicht zu sagen wunderschöne Versionen der Sinfonien Nr. 40 & 41 mit den Wiener Philharmonikern:



    Aufnahmen: DECCA 1960 (KV 550), 1962 (KV 551).


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Mein Motiv war vielmehr aufzuzeigen, dass das immer wieder gestreute Gerücht vom "Schönklangfetischisten" und "Glattbügler" Karajan zu widerlegen, und das ist ganz besonders durch seine Philharmonia-Aufnahmen eindrucksvoll zu belegen, die einen selbst aus heutiger Betrachtungsweise "modernen" Karajan zeigen, mit einer recht "sachlichen" Sicht auf die interpretierten Werke, während Furtwängler ja mehr das Mystische, das was hinter den Noten steht, betonte.

    Lieber Nemorino,


    dass Karajan keineswegs nur der "Glattbügler" war, zeigt z.B. auch seine wunderbare Aufnahme der 5. Mahler, die ich zu den allerbesten zähle:



    Sein Mozart ist ja immer sehr kritisch betrachtet worden. Ich habe mich mit dem Karajan-Mozart nicht intensiv beschäftigt, würde aber spontan Glockentons Kritik teilen. Ich werde mir demnächst einige exemplarische Karajan-Aufnahmen vornehmen und sie besprechen.


    Noch eine Frage: Lohnt die Anschaffung dieser mit 13.99 Euro sehr günstigen Box, der Beethoven-Zyklus von 1961/62, als Alternative zum 1977iger Zyklus?



    Und kennt jemand diese Aufnahmen?



    Herzlich grüßend
    Holger

  • Zitat

    Oder anders gefragt, Herr Schlaumeier: Was hatte diese mit dem Thema dieser Rubrik zu tun? ;( ?(


    Und wenn dir die Worte fehlen, dann spare sie dir doch einfach - und deinen ganzen nichtssagenden Beitrag am besten gleich mit! Oder lerne mal was über Geschichte!


    Liegt es am Wetter oder was ist los mit Dir?

  • Es ist interessant, daß Karajan auch in meiner Jugend irgendwie als Mozart- Dirigent om sinfonischen Bereich eher "verachtet" wurde. Ich erinnere mich noch, daß man sagte, er habe kein "Gefühl", sei zu kühl. Das ist umso verwunderlicher, als es im Falle seiner operndirigat nie behauptet wurde. Mir ist schon klar, daß jeder Wiener Klassiker sein eigenes klangliches Profil hat, aber, wer ein maßstabsetzende Einspielung aller Beethoven-Sinfonien zustande bringt, der wird wohl bei Mozart (und auch Schubert) nicht so sehr daneben liegen können.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Noch eine Frage: Lohnt die Anschaffung dieser mit 13.99 Euro sehr günstigen Box, der Beethoven-Zyklus von 1961/62, als Alternative zum 1977iger Zyklus?


    Hallo Holger,


    ich meine ja, unbedingt. Der Zyklus von 1961/62 ist eigentlich derjenige, der Karajans Ruhm als führender Beethoven-Dirigent so richtig begründet hat. Ich würde Dir indes zu einer originalen DG-Ausgabe raten (z. Zt. auch nur EUR 22,99). Wer weiß, wie diese inoffizielle Billigausgabe klanglich herüberkommt. Das Original klingt gut und für das Alter völlig akzeptabel. Mich persönlich haben Karajans spätere Neuauflagen von 1976/77 und 1982/84 nur partiell überzeugen können (manche sehen es anders). Unbestritten dürfte aber sein, dass der 60er-Zyklus der Klassiker ist. Besonders die Interpretation der Fünften war bahnbrechend und für mich jahrelang unangefochten die Nummer 1.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Es ist interessant, daß Karajan auch in meiner Jugend irgendwie als Mozart- Dirigent om sinfonischen Bereich eher "verachtet" wurde. Ich erinnere mich noch, daß man sagte, er habe kein "Gefühl", sei zu kühl. Das ist umso verwunderlicher, als es im Falle seiner operndirigat nie behauptet wurde. Mir ist schon klar, daß jeder Wiener Klassiker sein eigenes klangliches Profil hat, aber, wer ein maßstabsetzende Einspielung aller Beethoven-Sinfonien zustande bringt, der wird wohl bei Mozart (und auch Schubert) nicht so sehr daneben liegen können.


    Das ist in der Tat eine diskussionswürdige Frage. Als Beethoven-Dirigent ist Karajan noch heute weitestgehend voll anerkannt und wird nicht selten sogar noch als Erstempfehlung genannt. In Sachen Haydn, Mozart und Schubert dürfte das kaum der Fall sein und war es offensichtlich auch noch nie so wirklich. Ich habe mir neulich auf Empfehlung des geschätzten Nemorino die ganz späte Einspielung der 39. Symphonie KV 543 zugelegt und war sehr angetan. Karajans Lesart passt zumindest bei den späten und "großen" Mozart-Symphonien durchaus. Sein Schubert-Zyklus ist weit besser als sein Ruf. Mir gefiel da besonders die Zweite sehr. Und die "stählerne" "Große" C-Dur aus den späten 60ern (DG, nicht EMI!) ist eine "Hammeraufnahme" (danke an dieser Stelle an Teleton, ohne dich hätte ich die nicht gehört).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

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    – Luís de Camões

  • Am Bedauerlichsten ist für mich, dass von seinen Operninszenierungen mit unübertroffen Besetzungen in den 50ern in Wien weder Ton- noch gar Filmaufnahmen erhalten sind, insbesondere was die Wagnerschen Werke betrifft. Später waren leider die Sänger nicht mehr vorhanden, als er es in Salzburg wieder versucht hat!

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Später waren leider die Sänger nicht mehr vorhanden, als er es in Salzburg wieder versucht hat!


    Also zumindest die Besetzung seiner Salzburger "Meistersinger" (1974/75) ginge heutzutage wohl als erstklassig durch. Ich warte noch immer darauf, dass Orfeo sie endlich offiziell herausbringt. Vom Dirigat her dürfte dies das Nonplusultra darstellen und ist für mich sogar noch besser als die EMI-Einspielung aus Dresden. Es gäbe Unmengen an weiteren Salzburger Festspieldokumenten unter Karajan, die in den Archiven liegen und nur auf dem grauen Markt zu haben sind. Dass damals noch nicht mitgefilmt wurde, finde ich aber genauso schade.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Nemorino,


    vielen Dank für Deinen Beitrag. Die von Dir genannten Aufnahmen kann ich gerne versuchen bei Spotify zu finden und bei entsprechender zeitlicher Möglichkeit auch zu hören.


    Ich kritisierte bei der g-moll-Symphonie konkret, dass Karajan bei der von mir gehörten Aufnahme ( müsste sie erst einmal auf Spotify wiederfinden) die eigentlich angesagte Abphrasierung in Takt 3, in den die Melodie tragenden ersten Violinen nicht macht. Man müsste hier schon beim gebundenen Sextsprung D-Bb auf der Takt-Eins das D lauter und das Bb leiser, auch etwas kürzer hören. Das D wäre demnach der Zielpunkt einer Kette von sich wiederholenden Seufzermotiven Eb-D im Achtelrhythmus mit einer darauffolgenden Viertelnote.
    Genau das macht er aber nicht, wohl um eine sehr lange Phrase zu erzeugen, mindestens bis Takt 15, ab dem ja die Bläser das Sekundmotiv im Vierteltempo mit einem verminderten Vorhalt spielen, der sich dann in die Dominante D-Dur auflöst, während die Streicher den Grundton der Dominante D des in Takt 1 eingeführten rhythmischen Motivives unisono im Forte spielen.


    Seine große, geradezu phänomenale Fähigkeit, große Bögen über ganze Symphonien zu ziehen, kann manchmal auch ein Malus sein, dann nämlich, wenn sich rhetorische Einzelereignisse innerhalb eines Satzes ( Mozarts Musik ist noch auf ihre Weise rhetorisch gedacht) in einen Klang, in ein unwichtiges Detail der ganz großen "Geschichte" einfügen müssen und damit an eigenständiger Bedeutung verlieren. Das Zuhören kann dann etwas langweilig werden, und der ganz große Bogen ist dann auch dahin. Mozarts Musik muss nach meinem Dafürhalten auch verstanden werden.
    Aber - wie gesagt- das ist jetzt eine allgemeine Aussage, und ich kann gerne einmal versuchen, die von Dir genannten Aufnahmen zu finden und dazu einige konkrete Gedanken loszuwerden.
    Da müsste ich dann ohnehin bemüht sein, daran zu denken, was für diese Musik eigentlich "richtiger" wäre. Ich mag ja - warum auch immer- für diesen ersten Satz die im Vergleich zu späteren Einspielungen anderer Dirigenten sehr langsame Aufnahme mit Böhm und den Wiener Philharmonikern am liebsten. Mit HIP und solchen Dingen hat das wenig zu tun, aber dennoch scheint sie mir der Musik Mozart viel eher zu entsprechen, als die immer ziemlich großbogige Denkweise Karajans, die möglicherweise ( ich werde es ja hören) aus dem Thema unfreiwillig eine sentimentale Melodie im Stile der bekannten "Carmen-Arie" macht, was eben dann schnell passieren kann, wenn das Bb durch den Versuch, viel größere Bögen zu schaffen, auf einmal eine Bedeutung bekommt, die dem Ton an sich nicht geziemt, wohl aber dem davor erklingenden D.


    Bei entsprechender Musik, zu der Karajans Ästhetik viel besser passte, konnten die erzielten Wirkungen grandios und rauschhaft werden, denn vom Klang her konnte er ja aus einem Orchester wirklich etwas herausholen, was einem vor allem live sehr unter die Haut gehen konnte, vielleicht sogar musste, ob man wollte oder nicht ( ein musikalisches Empfinden vorausgesetzt).
    Er konnte vor allem verführen und überwältigen, wollte wohl weniger dem Hörer einen analytischen Einblick in die Partitur usw. gewähren und zum Verständnis des Werkes beitragen. Sein Publikum sollte mehr genießen, als verstehen.


    Von daher finde ich, dass sein Musizieren vor allem zu der von mir oben geposteten DG-CD (Wagner - Karajan) hervorragend passte, denn hier höre ich eine Zielgleichheit zwischen dem Komponisten und dem Interpreten.
    Eine vergleichbar gute Ouvertüre zum Tannhäuser plus Bacchanal kenne ich wirklich nicht. Alles, was ich sonst davon hörte, wird - jedenfalls für mich- von dieser grandiosen Leistung weggewischt, selbst Karajans eigene andere Aufnahmen derselben Musik. Man kann da viel herumreden und zerreden...doch ich empfehle interessierten und musikalischen Lesern, sich diese Aufnahme einfach einmal anzuhören.


    Wenn ich eine Musik wie diese derart kongenial vorgetragen hören, dann sind für mich auch all jene politisierenden Einwände förmlich wie weggeblasen, ebenso wie ein starker Westwind-Wetterumschwung auf Sylt den Mief aus Malboro plus Pommes-Majo vom Strand inklusive verweichlichter Kurgäste und Resten der Bildzeitung vertreibt, und zwar sehr effektiv.
    Solche Aufnahmen wie dieses Tannhäuser-Vorspiel sind mir ein eineindeutiges Statement, geradezu mit dem Druck einer Erdbebenwelle....


    Ja durchaus, ich habe eine Menge gegen Beckmesserei, vor allem dann, wenn man die richtig guten Dinge in der Kunst schmälern will, vielleicht weil man sich dann wichtiger fühlt, weil man in der Netzöffentlichkeit etwas gegen eine Berühmtheit losgeworden ist, obwohl man selbst nicht einmal in der Lage wäre, die erste Phrase einer Symphonie korrekt nachzusingen.
    Das gibt es im Netz bei Amazon-Kritiken ja auch im Bereich der Filme zu observieren: Natürlich taugte der damals neue Matrix II oder III für gewisse Leute überhaupt nichts ( was völliger Blödsinn ist), ebenso wie vielleicht ein neuer Starwars-Film natürlich die eigentliche Zerstörung des "Franchise" für gewisse Leute darstellt.


    Dieses Kritikastertum ist so vorhersehbar wie vernachlässigbar. Ärgerlich ist es aber für diejenigen, die sich im Netz suchend für ein bestimmtes künstlerisches Produkt interessieren, und sich dann erst durch einen Wust von Beckmessereien kämpfen müssen, bis sie zu interessanteren Einschätzungen kommen.



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Nachtrag:


    Die Nr. 40 g-moll -Symphonie unter Karajans Leitung konnte ich bei Spotify nur in der EMI-Aufnahme finden, zusammen mit der Nr. 41 und einem Oboenkonzert. Auf diese Aufnahme trifft- wie ich finde- meine Kritik mit dem nahezu Überspielen einer Viertelpause in Takt 3 auf der Zählzeit 3 leider zu. Es so zu spielen, mag karajanitisch sein, aber es ist eben kaum noch Mozart. Auch die verminderten Akkorde hätte man stärker akzentuiert spielen müssen, während man die Auflösung nach D-Dur ab Takt 16 etwas leiser und kürzer hätte anhängen sollen. Karajan macht es hier fast anders herum.
    Sein spezieller Ansatz kann mich bei Beethoven bei allem Wissen um die eigentliche historische Korrektheit manchmal überzeugen bis mitreissen, bei Mozart indes habe ich doch meine Schwierigkeiten, seinem Ansatz positiv folgen zu können.
    Das ist bei Böhm z.B. ganz anders, denn der hielt sich als "Anwalt der Partitur" natürlich sehr penibel an die in der Partitur verzeichneten Pausen.



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Die Überlegenheit Böhm in Sachen Mozart war Karajan nicht nur bewusst - Er akzeptierte sie sogar, und es gab so etwas wie eine Freundschaft zwischen den beiden.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Von daher finde ich, dass sein Musizieren vor allem zu der von mir oben geposteten DG-CD (Wagner - Karajan) hervorragend passte, denn hier höre ich eine Zielgleichheit zwischen dem Komponisten und dem Interpreten.
    Eine vergleichbar gute Ouvertüre zum Tannhäuser plus Bacchanal kenne ich wirklich nicht.

    Lieber Glockenton,


    Du meinst die Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern und Jessye Norman?

    Es so zu spielen, mag karajanitisch sein, aber es ist eben kaum noch Mozart.

    "Karajanitisch" - das ist wirklich gut! :D :D :D


    Seine Qualitäten hatte Karajan als Begleiter von Solisten finde ich. Bemerkenswert, dass er beim Tschaikowsky-Konzert sich auf den jeweiligen Solisten einzustellen vermochte, er also keineswegs immer gleich dirigiert. Allerdings war sein Verhältnis zu Solisten nicht immer harmonisch. Es ging bis hin zum offenen Dissens - mit Svjatoslav Richter gab es Zoff, weil Karajan stur nicht bereit war, einen Einsatz zu geben, den Richter gerne gehabt hätte. Auch seine Tempo-Vorstellung im Kopfsatz gefiel Richter nicht. Beim Tripelkonzert von Beethoven passte es Richter zufolge gar nicht zwischen Karajan und den russischen Solisten. Beim Tschaikowsky-Konzert finde ich die Paarung Berman/Karajan ideal. Karajans Orchesterpart ist hervorragend und die beste "Ergänzung" zu Bermans Subtilität, der bewusst Virtuosen-Plakativität vermeidet. (In Lazar Bermans Autobiographie ist zu lesen warum: Tschaikowsky hasste nämlich jeglichen leeren Virtuosendonner auf dem Klavier!)



    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Glockenton,


    Du meinst die Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern und Jessye Norman?


    Lieber Holger,


    nein, ich meine diese hier:




    Die Musik zu Tannhäuser wird bei der tollen CD mit Jessey Norman zwar auch sehr gut gespielt, aber die Über-Aufnahme ist für mich eben diese mit den Berliner Philharmonikern. Hier gibt es aufnahmetechnisch auch räumliche Tiefe zu erleben.


    Das strömend-energetische und mit saftig-warmen Lebensklang erfüllte Legato und die bei den entsprechenden Stellen unglaubliche Strahlkraft des Orchesters verbindet sich hier in idealer Weise mit der wagnerschen Musik.
    Zwar ist - wie man in meinem Beitrag oben sehen kann- auch die Aufnahme mit Norman ( war es nicht sogar sein letztes Konzert?) für mich eine CD, die man als Wagnerfan haben sollte und zu Karajans besten Einspielungen gehört, aber in diesem Fall übertrifft für mich noch die Berliner Studioaufnahme alles andere.
    Wenn es um "Isoldes Liebestod" geht, ist zählt jene Aufnahme mit Norman m.E. zum Besten, was man da überhaupt gesungen bekommen kann.
    Allerdings höre ich hier auch Waltraud Meier sehr sehr gerne.


    Das Vorspiel zu Tristan und Isoldes Liebestod als Instrumentalversion gibt es auf der CD mit den Berliner Philharmonikern - ebenfalls fantastisch gut gespielt.
    Bei der Ouvertüre zum Tannhäuser wird bei der Aufnahme mit den Wienern das "Arrangement" gespielt, bei dem die Musik einen Schlusspunkt findet und nicht in das wilde Bacchanal übergeht.



    Nachdem ich die Tannhäuser-Ouvertüre und das Bacchanal einmal mit meinem Organisten und Dirigentenfreund in der Berliner Karajan-Version hörte, konnte wir erst einmal eine Zeit lang gar nichts mehr sagen....



    Gruß nach Münster


    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Hallo Nemorino,


    ich habe bei Amazon wenigstens die Hörschnipsel hören können, und zwar zu dieser CD:



    Da höre ich es so, dass das Thema des Kopfsatzes zwar auch, aber noch nicht so sehr wie in späteren Jahren ins Gleitende gezogen wird. Es hört sich für mich noch nicht wie eine Entstellung an. Sehr profiliert klingt es insgesamt wohl eher nicht, aber es hat seine Qualitäten. Ich mag auch das moderate, nicht zu aufgeregte Tempo und das kultivierte Klangbild der Wiener Philharmoniker.


    Auch der 4. Satz klingt recht schön nach kultiviertem, vielleicht etwas an der Belanglosigkeit schrammenden Mozartspiel. Der 2. Satz ist mir schon zu sehr auf Klangstrom hingebogen, beim 3. Satz kommt zum uneleganten Stampfen ( das machten früher alle so) noch eine mir zu klebrige Artikulation hinzu.


    Für diesen 3. Satz mag ich vor allem Harnoncourts Interpretation, der den Kontrast der Affekte zwischen Menuetto und Trio sehr eindrücklich herausarbeitet, sowohl dynamisch/artikulatorisch, als auch vom Tempo her.
    Beim ihm wird das Tempo des Menuetto schon bald als Scherzo aufgefasst, so dass man eigentlich 6/4 hört, mit den Betonungen auf 1 und 4. Hier kommen dann die Vorzüge des klangrednerischen Verständnisses heraus, weil durch Phrasierung und Artikulation bedeutsame Zusammenhänge klar werden ( z.B. auch der Beginn von Figuren auf schwachen Zählzeiten, die dann einen synkopischen Akzent bekommen) und man nicht nur hintereinandergesetzte Noten hört, die irgendwo zu einer ganz lang- imaginierten Melodielinie gehören.
    Beim letzten Satz allerdings wird Harnoncourt unerwartet langsam, wohl weil er die "Mannheimer Rakete" im Thema ähnlich herausarbeiten will, wie es z.B. Brendel im ersten Satz der ersten Klaviersonate Beethovens tut. Mag sein, dass der Satz ( jetzt Mozart) oft zu schnell gespielt wird, weil man damit seine Phantasielosigkeit und sein Unverständnis für die Bedeutung der Noten einem unbedarften Hörer gegenüber leicht kaschieren kann. Dennoch empfinde ich es so, dass der 4. Satz ein wenig schneller sein könnte, als er es bei Harnoncourt normalerweise ist, weil der Verlust von "Flüssigkeit" mit einer gewissen Steifheit einhergeht, die man nach dem Hören der Sätze 1-3 bei ihm so gar nicht vermuten würde.
    Bei Karajan ist es schon sehr schnell. Er versteht "Allegro assai" als "sehr schnell", wobei es doch eigentlich bedeutet " sehr bewegt".
    Die Bewegung indes kann bei einem langsameren Tempo als stärker empfunden werden. Das hat etwas mit der menschlichen Fähigkeit zu tun, hinter Bewegungen Massen mit kinetischer Energie zu vermuten. Da werden dann Erfahrungen aus dem wirklichen Leben in das Musikerlebnis übertragen.


    Bekannterweise nimmt Harnoncourt ja den ersten Satz ja fast doppelt so schnell wie Böhm. Aus der Wesensverwandschaft zu Schubert und zum Beginn der Unvollendeten bei Böhm wird dann ein Kampf um Leben und Tod, der über den knisternden Flammen der Achtelbewegung in den Violen stattfindet bzw. in den ersten Takten so beginnt.


    Doch es soll hier ja um Karajan gehen.
    Für mich klingen diese oben angeführten Ausschnitte der g-moll Symphonie besser, als die EMI-Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern, die es bei Spotify zu hören gibt. Aber sie würden mich jetzt nicht zum Kauf animieren. Wenn es ums Drama geht, finde ich für diese Symphonie Harnoncourt am besten, doch wenn ich vergeistigte, tiefere und schon bald "schubertsche" Schichten in aller eindrücklichen Einfachheit und Alterweisheit vorgetragen hören will, dann lege ich mir den Böhm auf.


    Die Wesensverwandschaft Schuberts zu Mozart ist für mich übrigens eindeutig vorhanden, worin ich mich durch die Aussagen Frau Uchidas ( die muss es ja aus Erfahrung wissen) und Schuberts Symphonie Nr. 5 bestätigt sehe. Von daher empfinde ich Böhms tragischen, geradezu trostlos Leiermann-mäßigen Anfang der Nr. 40 als sehr legitim, auch wenn einem die dramatische Harnoncourt-Lesart erst einmal beim oberflächlichen Lesen der Partitur als die sich aufdrängende vorkommt. Es scheint mir in dem Werk aber mehr zu stecken, als es vielleicht sogar Mozart selbst beim Schreiben empfunden und beabsichtigt hat. Das liegt in der Natur von echten Kunstwerken, und wenn ein Interpret das erkennt und deutlich macht, dann ist das im Sinne der Kunst auch legitim, finde ich.


    Genauso geht es mir bei manchen Stellen in Beethovens Symphonien, die bei Karajan an Wagner erinnern. Es mag so nicht in Beethovens Zeit geklungen haben ( denke an eine Stelle mit Hörnern aus dem zweiten Satz der Eroica), aber die Keimzelle zu dem, was später bei Wagner kam, höre ich bei manchen Stellen in Beethovens Symphonien als schon vorhanden. Von daher empfinde ich Karajans "in die Vollen gehendes" saftiges und aufblühendes Klangbild für diese Musik (z.B. der Trauermarsch) als erlebnisvertiefend und legitim - und hier spreche durchaus nicht nur vom frühen Karajan und von der ersten legendären DG-Aufnahme, sondern von der letzten digitalen Einspielung.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)


  • Lieber Holger,
    was Beethoven betrifft schließe ich mich Joseph II an: genau diese GA hat Karajans Ruf als Beethoven-Dirigent gefestigt (begründet wäre hier falsch, denn aus seiner mono-GA hats immerhin die c-moll Sinfonie geschafft, in Deutschland eine Goldene Platte zu erhalten). Auch ich würde dazu tendieren, das Remaster der DGG zu kaufen. Bei mir drehen sich freilich die alten Platten mit dem Tulpen-Label.
    Die CD mit Werken der Wiener Schule ist arg zusammengestutzt. Das war zu LP-Zeiten eine Box mit vier LP. Die bei den LP's zu findende Aufnahme von Schönbergs "Pelleas und Melisande" stellt fast die von mir hochfavorisierte Aufnahme durch Sir John Barbirolli in den Schatten. Auf der CD ist sie leider nicht, dafür aber der vorzüglich Webern. Die Box gehört zu meinem wirklich unveräußerbaren Bestand, was Du gerne als Kaufempfehlung meinerseits betrachten kannst.
    Liebe Grüße sendet der Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Bei der Ouvertüre zum Tannhäuser wird bei der Aufnahme mit den Wienern das "Arrangement" gespielt, bei dem die Musik einen Schlusspunkt findet und nicht in das wilde Bacchanal übergeht.


    Lieber Glockenton,


    tatsächlich handelt es sich bei der Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern schlichtweg um die Dresdner Fassung von 1845, also die Urfassung der Ouvertüre zu "Tannhäuser". Vor kurzem erklang seit langem wieder die wirkliche Pariser Fassung von 1861 (mit französischem Text), die erstaunlicherweise noch sehr eng an dieser liegt (ob sie 1:1 identisch ist, weiß ich nicht). Die Version mit dem Bacchanal schließlich entstammt der Wiener Fassung von 1875, welche auch die Letztfassung dieser Oper darstellt und zumindest für mich nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Die Ouvertüre in der ursprünglichen Form ist ein in sich abgeschlossenes Werk, das auch alleine bestehen kann und die Quintessenz der Oper formidabel zusammenfasst. Bei der Bacchanal-Fassung, die man auch eher Vorspiel als Ouvertüre nennen sollte, habe ich zumindest den Eindruck, dass das im Zusammenhang mit der kompletten Oper besser funktioniert als für sich allein stehend. Es fehlt dort die dramatische Zuspitzung am Ende, wo Wagner eine der besten Blechbläserstellen überhaupt zustande gebracht hat. Wagner selbst schien bis zuletzt auch unschlüssig zu sein, welcher Fassung er den Vorzug geben solle, meinte er doch kurz vor seinem Tode, dass er der Welt den "Tannhäuser" noch schulde. Soweit ich weiß, hat sich Karajan mit dieser Oper relativ wenig beschäftigt. Es gibt einen Mono-Mitschnitt aus der Wiener Staatsoper von 1963, wo die Wiener Fassung gespielt wurde. Als einzige der Wagner-Opern des Bayreuther Kanons gab es von ihm vom "Tannhäuser" niemals eine Studioaufnahme. Die Urfassung der Ouvertüre hat er wohl tatsächlich nur 1987 mit den Wiener Philharmonikern eingespielt und im selben Jahr in Berlin beim Silvesterkonzert dirigiert (mir ist davon keine offizielle Aufnahme bekannt).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • Liebe Mitforianer!


    Gestern am Spätnachmittag erfolgte der nächste Totalausfall meines Internets, incl. der Telefonverbindung. Seit wenigen Minuten bin ich nun wieder online, es fragt sich aber für wie lange! Die Hotline der Telekom konnte ich auch nicht erreichen, wegen der Telefonunterbrechung. Über Handy wird ein solcher Anruf meist - wegen langer Wartezeiten - unverschämt teuer.


    Ich muss nun zunächst einmal die neuen Einträge lesen, bevor ich sie beantworten kann. Deshalb bitte ich um ein wenig Geduld. Ich hoffe, dass nun der Schaden (welcher und warum weiß ich nicht) behoben ist.


    Liebe Grüße
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • dass Karajan keineswegs nur der "Glattbügler" war, zeigt z.B. auch seine wunderbare Aufnahme der 5. Mahler

    Lieber Holger,



    die Aufnahme schätze ich ebenfalls sehr, obwohl ich kein unbedingter Mahler-Freak bin :untertauch: . Mein Zugang zu seinen Sinfonien beschränkt sich im wesentlichen auf die 1., 4. und 5. Sinfonie (wobei die Vierte meine ganz besondere Sympathie hat). Außer der Karajan-Version habe ich die Fünfte noch mit Solti (Decca), Barbirolli (EMI) und Leinsdorf (RCA). Karajan hat recht spät zu Mahler gefunden, aber seine späten Aufnahmen, vor allem die 5. und die Live-Aufnahme der Neunten aus der Berliner Philharmonie, haben schon Referenzcharakter. Sogar Klaus Umbach, ein bekennender Karajan-Verächter, gibt neidlos zu, dass Karajan in dem Berliner Mitschnitt "die sinfonische Endzeit mit wirklich erschütternder Radikalität ausmalte". Ein Lob, das ihm bestimmt nicht leicht aus der Feder geflossen ist.


    Was den Beethoven-Zyklus von 1962 angeht, so kann ich mich nur dem Urteil von Joseph II. und Thomas anschließen. Wäre der frühe Londoner Zyklus (EMI), von dem schon die Rede war, komplett in Stereo produziert worden, würde ich diesen allerdings um einen kleinen Tick noch vorziehen, während die Nachfolge-Aufnahmen von 1977 und aus den 80ern eigentlich (für mich) nur den Rang von Doubletten haben, die nichts Neues zu bieten haben (noch nicht einmal was den Klang betrifft).


    Zur "Zweiten Wiener Schule" kann ich leider nichts sagen; diese Musik hat sich mir bis heute nicht erschlossen :( . Allerdings weiß ich, dass selbst ein so leidenschaftlicher Karajan-Kritiker wie Theodor W. Adorno zugegeben hat, dass Karajan diese Musik überzeugender darzustellen wisse wie manch ein Apologet der Neuen Musik.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Eine hervorragende Aufnahme dieses Klavierkonzertes mit HvK als Begleiter:



    Lieber Karl,



    das ist tatsächlich eine der herausragenden Aufnahmen dieses Konzerts, obwohl sie leider nie so recht bekannt geworden ist, aus welchen Gründen auch immer. Sicher hatte es mit dem bald danach erfolgten Wechsel Karajans zur DGG zu tun, was die EMI veranlasste, für seine Aufnahmen wenig die Werbetrommel zu rühren. Und der Pianist wurde in einer sogenannten "Sparaktion" vom EMI-Konzern "entsorgt", so dass keine weiteren Aufnahmen mit ihm erschienen.
    Hans Richter-Haaser galt zum Zeitpunkt der Aufnahme (1958) als ein berufener Nachfolger von Gieseking, Kempff und Backhaus, zumindest aus deutscher Sicht. Leider war seine Karriere nur kurz, er musste krankheitsbedingt seine Konzertauftritte aufgeben und arbeitete danach viele Jahre als Lehrer an der renommierten Musikhochschule Detmold.


    Es war übrigens eine der ersten Stereo-Aufnahmen des deutschen EMI-Ablegers ELECTROLA, und zugleich eine der ersten Nachkriegsproduktionen Karajans mit den Berliner Philharmonikern, nach seiner Berufung zum Chefdirigenten in Berlin. Wenig später wechselte er zur DGG, und da begann seine zweite Karriere, die dann so richtig durchstartete.


    Es gibt die Aufnahme auch noch in einer weiteren Ausgabe:



    im Rahmen einer aufwendigen "Karajan-Edition" der EMI. Sie ist, im Gegensatz zu der lizenzierten Disky-Ausgabe, mit einem schönen Booklet ausgestattet. Die Klangqualität ist übrigens überraschend gut.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Auch ich würde dazu tendieren, das Remaster der DGG zu kaufen. Bei mir drehen sich freilich die alten Platten mit dem Tulpen-Label.

    Das mache ich dann auch, lieber Thomas!

    Die CD mit Werken der Wiener Schule ist arg zusammengestutzt. Das war zu LP-Zeiten eine Box mit vier LP. Die bei den LP's zu findende Aufnahme von Schönbergs "Pelleas und Melisande" stellt fast die von mir hochfavorisierte Aufnahme durch Sir John Barbirolli in den Schatten. Auf der CD ist sie leider nicht, dafür aber der vorzüglich Webern. Die Box gehört zu meinem wirklich unveräußerbaren Bestand, was Du gerne als Kaufempfehlung meinerseits betrachten kannst.

    Besten Dank für den Tip. :) Es wird wohl eine weitere Phase "Aufarbeitung des bei mir unterrepräsentierten Karajan" kommen. :) Ich habe diese 3 CD-Box gefunden. Da ist wohl alles aus der LP-Box drin? :hello:



    Die Musik zu Tannhäuser wird bei der tollen CD mit Jessey Norman zwar auch sehr gut gespielt, aber die Über-Aufnahme ist für mich eben diese mit den Berliner Philharmonikern. Hier gibt es aufnahmetechnisch auch räumliche Tiefe zu erleben.


    Das strömend-energetische und mit saftig-warmen Lebensklang erfüllte Legato und die bei den entsprechenden Stellen unglaubliche Strahlkraft des Orchesters verbindet sich hier in idealer Weise mit der wagnerschen Musik.

    Die beiden CDs werde ich mir wohl anschaffen, lieber Glockenton. :) Für diese "ideale" Verbindung gibt es ja auch einen Grund: Wagner selbst schrieb, dass es ihm um eine "Kunst des Übergangs" ginge, die alles "Schroffe und Jähe" meidet. Man wird glaube ich Karajan nur gerecht, wenn man diesen musikgeschichtlichen Kontext sieht: Aus dem chromatischen Kontinuitätsprinzip Wagners hat Karajan einen Dirigierstil gemacht. In diesem Sinne ist er genau wie Furtwängler als Dirigent ein Wagnerianer. :)

    Wenn es um "Isoldes Liebestod" geht, ist zählt jene Aufnahme mit Norman m.E. zum Besten, was man da überhaupt gesungen bekommen kann.

    Interessant ist, was Jessye Norman über Karajan sagte: Bei ihm hätte sie wirklich leise singen können und nicht gegen ein tendentiell immer zu lautes Orchester anzusingen gebraucht.

    Da höre ich es so, dass das Thema des Kopfsatzes zwar auch, aber noch nicht so sehr wie in späteren Jahren ins Gleitende gezogen wird. Es hört sich für mich noch nicht wie eine Entstellung an.

    Diese Analyse ist ungemein spannend! Denn Karajans wagnerianisches Kontinuitätsprinzip ist eigentlich eine Folge der romantischen Entrhetorisierung, die um 1800 beginnt. Nun wendet das Karajan aber retrospektiv an auf Mozart, der eben noch maßgeblich von der rhetorischen Tradition geprägt ist. Da zeigt sich dann die ganze Problematik von Karajans Universalisierung des Wagnerianismus zu einem Stil, der auf alles passen soll. Wirklich "total" ist die Entrhetorisierung letztlich auch in der Romantik nie vollzogen worden, es gibt schließlich die Gegenbewegung der Individualisierung. Da hat sich Karajan "sperrig" und radikal wie er war einer bestimmten Traditionslinie verschrieben und die andere mehr oder weniger unterdrückt. Das Ergebnis kann dann entweder wie Du sagst wirklich "berauschend" sein - oder es misslingt ebenso klar und deutlich. :D

    Die Bewegung indes kann bei einem langsameren Tempo als stärker empfunden werden. Das hat etwas mit der menschlichen Fähigkeit zu tun, hinter Bewegungen Massen mit kinetischer Energie zu vermuten. Da werden dann Erfahrungen aus dem wirklichen Leben in das Musikerlebnis übertragen.

    Das hast Du trefflich ausgedrückt. Wie wunderbar dynamisch kann ABM das Allegro von op. 7 langsam spielen - die Bewegung steckt in den Binnendramen im mikroskopischen Raum und nicht in einem flotten Drüberwegspielen über alles! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Glockenton,


    vielen Dank für Deine ausführlichen Antworten zu Karajans Mozart.


    Da ich weder Musik studiert habe noch ausführender Musiker bin, kann ich zu Deinen Ausführungen leider nicht viel sagen. Ich höre Musik seit meiner frühen Jugend, kann sie aber nur rein gefühlsmäßig, nicht professionell beurteilen. Ich richte mich da ausschließlich nach meinen Höreindrücken.


    Wie schon gesagt, waren Karajans Mozart-Auslegungen schon zu seinen Lebzeiten umstritten, damals galten Böhm, Walter und Krips als die führenden Mozart-Interpreten. Doch ich denke, dass auch Karajan, der ja von Geburt Salzburger war wie Mozart, eine Affinität zu Mozart hatte, was vor allem in seinen frühen Opern-Aufnahmen (Così, Figaro u. Zauberflöte) dokumentiert ist. Auch die Hornkonzerte mit Brain sowie die (vielleicht nicht originale Mozart-Komposition) Sinfonia Concertante KV 297b aus London, aber auch die Klavierkonzerte KV 488 & 491 mit Walter Gieseking, sämtlich aus London und leider nur Mono, zeugen von einem tiefen Verständnis für seinen Salzburger Landsmann.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Besten Dank für den Tip. :) Es wird wohl eine weitere Phase "Aufarbeitung des bei mir unterrepräsentierten Karajan" kommen. :) Ich habe diese 3 CD-Box gefunden. Da ist wohl alles aus der LP-Box drin? :hello:



    Jawoll, lieber Holger, da ist alles drin. Schon jetzt viel Hörvergnügen, ich habe die Box auch gerade auf dem Plattenteller.
    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Bei dieser Musik von Hörvergnügen zu sprechen, finde ich ja gewagt - zu 'unterhalten' war nicht die Intention der Komponisten.


    Ich habe irgendwo gelesen, dass Karajan sich äußerst intensiv mit diesen Werken auseinandergesetzt hat und dass die Berliner Philharmoniker am Ende der Aufnahmesitzungen bspw. die atonalen Schönberg-Variationen op. 31 regelrecht mitpfeifen konnten, so sehr hatten sie das Stück verinnerlicht und in und auswendig gelernt, was bei dieser Musik ja schwer ist. Aber anhören mag ich mir das nicht, bis auf die Sachen von Alban Berg vielleicht.


    Grüße
    Christian

  • Aber anhören mag ich mir das nicht, bis auf die Sachen von Alban Berg vielleicht.


    Na ja, Schönbergs "Verklärte Nacht" und "Pelleas und Melisande" zu hören, dazu noch in der Luxusversion der Berliner unter Karajan bedarf ja nun keiner übermässigen Anstrengung. :S

  • Jawoll, lieber Holger, da ist alles drin. Schon jetzt viel Hörvergnügen, ich habe die Box auch gerade auf dem Plattenteller.

    :thumbsup: Bei mir, lieber Thomas, ist die Reihenfolge leider vorerst: erst bestellen, dann genießen! :)



    Bei dieser Musik von Hörvergnügen zu sprechen, finde ich ja gewagt - zu 'unterhalten' war nicht die Intention der Komponisten.

    Du bist jetzt aber ein Humorist, lieber Christian. :D Wieso Unterhaltung? Vergnügen bereitet alles, was eine sinnlich-ästhetische Reizqualität hat - und die hat diese Musik doch reichlich! Auch Schönberg war ein Wagnerianer. Von wem hat er wohl die Idee der "Klangfarbenmelodie"?

    Ich habe irgendwo gelesen, dass Karajan sich äußerst intensiv mit diesen Werken auseinandergesetzt hat und dass die Berliner Philharmoniker am Ende der Aufnahmesitzungen bspw. die atonalen Schönberg-Variationen op. 31 regelrecht mitpfeifen konnten, so sehr hatten sie das Stück verinnerlicht und in und auswendig gelernt, was bei dieser Musik ja schwer ist. Aber anhören mag ich mir das nicht, bis auf die Sachen von Alban Berg vielleicht.

    Ich finde besonders Anton Weberns Aphorismen geradezu magisch! Da wird wirklich fühlbar, was die humanistische Tradition unter einer "Verfeinerung der Sinne" versteht. Da hat eine halbe Minute Musik den Reichtum einer ganzen Symphonie. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Wenn ich mich erinnere, warum Karajan nicht zu den prägenden Dirigenten wurde, als ich mir in der Jugendzeit das Orchesterrepertoire erschloss, dann kommt mir ein "Karajan-Abschreckungs-Erlebnis" in den Sinn - und das war wohl nicht zuletzt eine Aufnahme mit tschechischen Repertoire, ich glaube Smetanas "Moldau". Vor allem die Bläser fand ich einfach fürchterlich.


    Als ich mich dann vor etlichen Jahren endlich dem Phänomen Karajan intensiver widmen wollte, kaufte ich mir - wieder mit tschechischem Repertoire - diese Aufnahme:



    Die Aufnahme gefiel mir gut. Heute nun habe ich sie nochmals in den CDP gelegt.


    Ich muss sagen: Karajan erfüllt hier einfach keines der existierenden Karajan-Klischees. Da wird nichts "verweichlicht", nirgendwo die Musik auf Schönklang getrimmt oder irgendwie wattiert. Sein Dvorak klingt frisch, fast schon jugendlich. Die Phrasierung ist expressiv mit einer eigenen Karajan-Note, aber ohne irgendwelche Forcierungen und Manierismen. Die Orchesterbalance ist perfekt, das Spiel der Berliner Philharmoniker ebenso und auch wirklich inspiriert. Hier zeigt Karajan, dass er ein ganz großer Dirigent ist. Das muss man einfach ganz objektiv so feststellen.


    Trotzdem wird das nie "meine" Aufnahme der beiden Symphonien werden. Der Grund ist, dass ich durch meine Aufenthalte in Holland seit meiner frühen Jugend von der gewissen "Quarantäne" bewahrt wurde, was den Orchesterklang angeht, die für den deutsch-österreichischen Raum typisch ist: nämlich die Fixierung auf die Berliner und Wiener Philharmoniker. Eigentlich schade, denn die europäische Tradition lebt von der Vielfalt der verschiedenen Orchestertraditionen in den verschiedenen Ländern. Genauso wie es beim Klavier eine gewisse Monotonisierung durch den Steinway-Klang gibt nach 1945, finde ich diese deutsch-österreichische Orchesterklang-Monotonie, die vielleicht durch den Karajan-Mythos mit befördert wurde (und natürlich den "eisernen Vorhang" im "kalten Krieg"), durchaus würdig, in Frage gestellt zu werden. In den Benelux-Ländern und in Frankreich war es immer so, dass ein Orchester mit einem so idiomatischen Klang wie die Tschechische Philharmonie aus Prag eine viel größere Bekanntheit hatte. Die Dvorak-Symphonien lernte ich damals kennen in der Supraphon-Aufnahme mit Vaclav Neumann und der Tschechischen Philharmonie. (Heute habe ich von Neumann drei Aufnahmen, zweimal Supraphon und einmal Exton.) Dvoraks Symphonien haben einen sehr idiomatischen Klang. Und es ist einfach so, dass man diesen böhmischen Klang nur aus Prag hören kann. Besonders zeigt sich das im wunderbaren langsamen Satz der 8. Dvorak. Die Tschechische Philharmonie hat da eine Beschwingtheit und Beseeltheit, die einen wirklich zu Tränen rühren kann. Da können sich die Berliner Philharmoniker mit Karajan mühen sie sie wollen, das erreichen sie einfach nicht. Von Karajans Aufnahme muss ich sagen gefallen mir die Sätze 1-3 der 8. insgesamt wirklich sehr gut - nicht aber das Finale. Die Fanfaren sind bei Karajan viel zu laut, die Pauken und Trompeten so deutsch-derb, dass der Dvorok fast wie ordinäre Bierzelt-Musik klingt. Perfekt dirigiert - aber Idiomatik völlig verfehlt, kann man da nur sagen. Die Bläser der Tschechischen Philharmonie, die in ihren besten Tagen unter Ancerl und Neumann wohl wirklich die besten der Welt waren, haben diese spezifisch böhmische Eleganz, Leichtigkeit und dabei Wärme, welche so die Musik adeln können und sie weit über ordinäre U-Musik zu einem Bacchanal hinausheben. Die 9. von Karajan ist wirklich hervorragend, allerdings im Finale fehlt mir wiederum die idiomatische Ausgelassenheit. Karajan dirigiert mir das etwas zu streng. Seine Virtuosität klingt doch etwas nach durchgepeitschtem Toscanini-Orchesterdrill. Da fehlt dann das Befreiende dieses Kehraus-Finales, wenn es auch beeindruckend virtuos dirigiert ist. :)


    Schöne Grüße
    Holger

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