Ludwig van Beethoven - Klavierkonzert Nr 1 in C-dur op 15

  • Serkin spielt mit Toscanini aber das vierte Konzert, oder?

    Ja, stimmt, lieber Christian! :) Das höre ich mir vielleicht gleich an. Die Musikstunde habe ich mir verdient, nachdem die Arbeit für heute getan ist, die Blumenkästen bepflanzt sind... :D


    Schöne Grüße
    Holger


  • Karajan bekannte ja, dass sein Ideal eine Synthese von Toscanini und Furtwängler gewesen sei. Woher die Hochachtung für Toscanini kommt, kann man in dieser Aufnahme hören: Toscanini schafft es, aus dem Orchester einen großen einheitlichen Klangkörper zu machen. Da ist alles ausbalanciert, es wird quasi pianistisch phrasiert, als wäre der Dirigent kein Dirigent, sondern ein Pianist, der auf dem Orchester wie auf einem Klavier spielt. Das Gegeneinander der Stimmen in der Orchestereinleitung habe ich noch nie so deutlich gehört. Dazu trifft Toscanini den Beethoven-Ton genau: Energisch, aber ohne jemals zu forcieren. Eine Perfektion, welche dazu führt, dass die technische Seite der Musik verschwindet und sich in reine Musik verwandelt. Man merkt, dass Toscanini Beethovens Musik leidenschaftlich liebt. Ania Dorfmann spielt auf hohem Niveau, virtuos, geschmackssicher und mit Toscanini hervorragend harmonierend. Der letzte Tiefgang in Sachen Beethoven ist ihr eher burschikoser Zugriff allerdings nicht. Diese Aufnahme ist für mich vor allem hörenswert wegen Toscanini. Denn hier zeigt sich ein wirklich großer Dirigent, der so vieles, was andere namhafte Pultstars dirigiert haben, schlicht und einfach relativiert.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Leider habe ich die spätere Philips-Einspielung mit Haitink und dem Concertgebouw-Orkest nicht

    Lieber Holger,


    wie der Zufall so spielt, habe ich mir gestern nach langer Pause mal wieder das Beethoven-Konzert Nr. 1 mit Arrau/Haitink und dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam (Philips) hervorgeholt und mit wahrem Genuss gehört. Ich besaß das Konzert schon auf LP, habe es später dann aus der Reihe "Claudio Arrau Collection" auf CD erworben.
    Ich spiele z.Zt. meine sämtlichen Versionen dieses Konzerts durch (mit Abständen natürlich, damit keine "Übersättigung" eintritt), und diese hier hat mich mal wieder aufhorchen lassen. Nun bin ich ohnehin ein alter Arrau-Fan. Besonders hat mich die mir unbekannte Kadenz des 1. Satzes beeindruckt. Ich weiß nicht, ist es eine eigene von Arrau oder von jemand anders, die originale Beethoven-Kadenz ist es jedenfalls nicht. Wahrscheinlich hat mich gerade das so beeindruckt, was Dich an der früheren Arrau/Galliera-Version gestört hat (die ich übrigens nicht habe, daraus nur die Konzerte 2 & 3), die reife Gestaltung aus der Sicht des späteren Beethoven. Da fehlt tatsächlich der jugendliche Schwung, das hört sich mehr nach dem späten Beethoven an. Die letzte Aufnahme mit Davis aus Dresden kenne ich auch nicht; ich fand die Arrau/Haitink-Aufnahme so ausgereift, dass ich keine weitere angeschafft habe. Sie wurde 1964 produziert und klingt ganz hervorragend.


    Vor ein paar Monaten stieß ich auf einem Flohmarkt auf eine Aufnahme, die wahrscheinlich bei ihrem ersten Erscheinen Anfang der 50er Jahre als sensationell empfunden wurde. Es ist diese hier:

    Friedrich Gulda (Klavier) und die Wiener Philharmoniker, Dirigent: Karl Böhm (Aufnahme: 1951, Großer Musikvereinssaal, Wien).


    Gulda war demnach zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade 21 Jahre alt. Sie sprüht vor jugendlichem Ungestüm, die Beethoven-Kadenz des Kopfsatzes ist fast atemberaubend virtuos gespielt. Leider ist die Aufnahmequalität nicht sonderlich gut, alles klingt recht entfernt, ein bisschen topfig. Doch das Klavier ist recht natürlich eingefangen. Aber ich kenne aus dieser Zeit wesentlich besser klingende Aufnahmen (z.B. Furtwänglers Schubert Nr. 9, DGG). Interessant ist die Interpretation auf alle Fälle; ich habe die CD für 1 € mitgenommen, da konnte man nichts falsch machen. Außerdem ist Böhm hier (neben Mozarts Linzer Sinfonie) noch als Weber-Dirigent zu erleben, mit einer schön gespielten, aber ebenso dumpf klingenden Oberon-Ouvertüre.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • wie der Zufall so spielt, habe ich mir gestern nach langer Pause mal wieder das Beethoven-Konzert Nr. 1 mit Arrau/Haitink und dem Concertgebouw-Orchester Amsterdam (Philips) hervorgeholt und mit wahrem Genuss gehört. Ich besaß das Konzert schon auf LP, habe es später dann aus der Reihe "Claudio Arrau Collection" auf CD erworben.

    Lieber Nemorino,


    es ist wieder einmal zum Haareraufen, wie stiefmütterlich Arrau von seiner Plattenfirma behandelt wird. Die Arrau/Haitink-Aufnahme ist einfach nicht mehr zu kriegen - wohl nur in der großen Arrau-Box. Es stimmt natürlich, dass Arrau das so unglaublich souverän und in sich stimmig spielt, dass es eine Entdeckung absolut wert ist, den frühen Beethoven aus der Perspektive des späten zu hören. Ich habe ihn ja noch im Konzert erlebt - in seinen späten Jahren spielte er den Beethoven eher noch etwas klassisch-entspannter - eine Art von Altersgelassenheit. Gerade beim 1. Konzert wäre das spannend zu hören! Die Kadenz wird glaube ich nicht von ihm stammen - ich glaube, Arrau hat nie eigene Kadenzen komponiert. Irgendwo müsste aber doch etwas darüber zu lesen sein! Ein absoluter Arrau-Verehrer bin ich auch! :)

    Friedrich Gulda (Klavier) und die Wiener Philharmoniker, Dirigent: Karl Böhm (Aufnahme: 1951, Großer Musikvereinssaal, Wien).


    Gulda war demnach zum Zeitpunkt der Aufnahme gerade 21 Jahre alt. Sie sprüht vor jugendlichem Ungestüm, die Beethoven-Kadenz des Kopfsatzes ist fast atemberaubend virtuos gespielt. Leider ist die Aufnahmequalität nicht sonderlich gut, alles klingt recht entfernt, ein bisschen topfig. Doch das Klavier ist recht natürlich eingefangen. Aber ich kenne aus dieser Zeit wesentlich besser klingende Aufnahmen (z.B. Furtwänglers Schubert Nr. 9, DGG). Interessant ist die Interpretation auf alle Fälle; ich habe die CD für 1 € mitgenommen, da konnte man nichts falsch machen. Außerdem ist Böhm hier (neben Mozarts Linzer Sinfonie) noch als Weber-Dirigent zu erleben, mit einer schön gespielten, aber ebenso dumpf klingenden Oberon-Ouvertüre.

    Die Aufnahme würde mich auch interessieren und ich hätte sie auch mitgenommen :) - denn die spätere Studioaufnahme, die ich von Gulda habe, finde ich gar nicht so berauschend! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Die Arrau/Haitink-Aufnahme ist einfach nicht mehr zu kriegen

    Lieber Holger,


    doch, zumindest die Konzerte 1, 4 & 5 sind noch in der zwar nicht sonderlich attraktiven "eloquence"-Serie zu haben:

    und zwar beide gebraucht für ganz wenig Geld. Die Konzerte 2 & 3 finde ich allerdings z.Zt. nicht, nur in teuren Boxen oder als LP.
    Ich habe die Konzerte komplett aus der "Claudio Arrau Collection", mit zweisprachigem Booklet, aber über die Kadenzen wird kein Wort verloren. Schade.
    Auch in der alten originalen LP-Kassette, die ich noch habe, hüllt sich das Textheft über die Kadenzen in Schweigen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).


  • Die DECCA (als "Erbe des Philips-Nachlasses) könnte die 3 CDs aus der großen Arrau-Box in eine 3-CD-Box umpacken,
    dazu noch dieses Cover (jetzt mit Decca-Namenszug).
    Es ist alles bereit, worauf wartet ihr Decca-Leute noch?


    Beethovens 5 Klavierkonzerte mit Gilels/Szell hatten ein ähnliches Schicksal. EMI hatte es nie geschafft, alle 3 CDs in eine 3-CD-Box zu stecken.
    Das hat dann endlich Warner (als Erbe des EMI-Nachlasses) gemacht.
    Warner sei Dank!

    mfG
    Michael

  • Die Aufnahme habe ich, lieber Holger, damals gab es sie sogar bei Bertelsmann. Ich habe sie sogar als Video.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Am Morgen gehört bekommt man gleich ein erhebendes Gefühl für den ganzen Tag! Was für eine wunderbare Aufnahme! Bernard Haitink mit dem wie nicht anders zu erwarten hervorragenden Concertgebouw Orkest und Claudio Arrau ergänzern sich einfach ideal. Haitink gibt der Orchestereinleitung eine gewisse barocke Fülle und majestätische Gewichtigkeit, ohne jedoch jemals schwerfällig zu wirken. Das führt dazu, dass Arraus Spiel mit seiner entspannten Klassizität im Kontrast dazu sichtbar wird und seine mühelose, völlig unverkrampfte Leichtigkeit hörbar wird. Dadurch entsteht eine faszinierende Balance zwischen der Aura eines gereiften Klassikers sozusagen aus dem Rückblick des Spätwerks musiziert aber eben zugleich auch jugendlicher Klassizität, die so in sublimierter Form erscheint. Das ist einmalig - Arrau hat hier eine seiner Sternstunden! Das ist so subtil und delikat gespielt mit feinsten Abtönungen, die bisweilen eine romantische Atmosphäre zaubern, aber ohne zu romantisieren, zugleich fehlt auch Beethovens Saft und "Kraft" nicht. Arraus Spiel besonders in dieser Zeit hat "Wucht", die er hier mit traumwandlerischem Stilempfinden dosiert einsetzt. Die offenbar nur von Arrau zu hörende orgelhafte, faszinierende Kadenz fügt sich in diese perfekte Balance von Kraftfülle und gelassener Klassizität ideal ein. Dass Arrau einer der ganz Großen ist, zeigt er im wunderbar klassisch, völlig unsentimental und zugleich empfindsam gespielten langsamen Satz. Beeindruckend, wie er den Alberti-Bässen die Banalität nimmt durch die sehr geschickte Betonung der Stimmenpolyphonie. Das Finale spielt er mit einer mozarthaften Delikatesse, wo die scharfen Akzente dann zu typisch Beethovenschen Widerhaken werden, ohne dass es jemals plump wirkt. Bernhard Haitink "begleitet" ihn zu jeder Zeit auf demselben überragenden Niveau.


    Auch die hervorragende Aufnahmetechnik trägt das Ihre zu dem überragenden Gesamteindruck bei - Philips von 1964! Die Instrumente sind sehr präsent und großräumig aufgenommen, dass Klavier vorbildlich klar, farbig und plastisch. Man hört die Nebengeräusche - sind es die Notenständer? Auch die Klaviermechanik kann man vernehmen. All das vermittelt quasi eine Live-Atmosphäre.


    Die Aufnahme ist ein Glücksfall in jeder Hinsicht - eine der ganz, ganz wenigen, wo Dirigent, Orchster und Solist auf demselben höchsten Niveau spielen. Mit dieser Aufnahme hat mich das Arrau-Konzept voll überzeugt. :) Die Aufnahme zähle ich ab sofort zu meinen Top 5 - rangiert bei mir noch vor Eschenbach/Karajan jedenfalls. ;)


    :) :) :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Am Morgen gehört bekommt man gleich ein erhebendes Gefühl für den ganzen Tag! Was für eine wunderbare Aufnahme!


    Lieber Holger,


    da kann ich Dir nur 100 %ig zustimmen! Das ist wirklich eine fantastische Version, die ich nach langer Pause vor ein paar Tagen mal wieder gehört habe. Immer wieder stellt man fest, welche verborgenen Schätze man in seiner Sammlung hat! Ich will zwar nicht so weit gehen und sie noch über die Eschenbach/Karajan-Aufnahme stellen, aber zumindest ist sie, wenn auch ganz verschieden, gleichwertig. Und Deine Analyse finde ich ganz großartig, besser kann man die Aufnahme nicht beschreiben. Vielen Dank dafür.

    Die offenbar nur von Arrau zu hörende orgelhafte, faszinierende Kadenz fügt sich in diese perfekte Balance von Kraftfülle und gelassener Klassizität ideal ein.


    Auch da sind wir ganz einer Meinung. Schade nur, dass jeder Hinweis auf die Herkunft dieser Kadenz fehlt. Vielleicht kann jemand das Rätsel lösen. Weder in der originalen LP-Kassette noch in der CD-Ausgabe der "Claudio Arrau Collection" gibt es eine Angabe dazu.


    Auch die hervorragende Aufnahmetechnik trägt das Ihre zu dem überragenden Gesamteindruck bei - Philips von 1964!


    Man kann nur staunen, zu welchen Leistungen die Tontechniker damals, vor über 50 Jahren, schon in der Lage waren. Dagegen hört sich manche Digitalaufnahme ärmlich an.


    LG und schönen Abend,
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • Schade nur, dass jeder Hinweis auf die Herkunft dieser Kadenz fehlt. Vielleicht kann jemand das Rätsel lösen.

    Lieber Nemorino,


    da müsste uns jemand helfen, der die LP-Box besitzt. Da kommt mur gerade eine Idee. Vielleicht steht darüber etwas in Arraus Gesprächen mit Joseph Horowitz - das Buch habe ich ja. Da schaue ich nachher mal nach! :)


    Heute habe ich festgestellt, dass ich noch eine Aufnahme habe - sogar zwei, mit Leon Fleisher von 1960/61, eine Studioaufnahme mit George Szell und einen Live-Mitschnitt mit Andre Cluytens hier in dieser Box:



    Gehört habe ich die Aufnahme mit Szell und war doch enttäuscht. Szell scheint das Konzert nicht besonders zu liegen, das ist ziemlich uninspiriert. Fleisher finde ich im Kopfsatz einfach zu glatt. Der langsame Satz ist unglaublich betuhlich-bieder - so fade-langweilig habe ich ihn bisher noch nicht gehört und das Finale eher vordergründig um nicht zu sagen banal. Auf die Aufnahme kann man jedenfalls getrost verzichten!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Vielleicht steht darüber etwas in Arraus Gesprächen mit Joseph Horowitz - das Buch habe ich ja. Da schaue ich nachher mal nach!


    Lieber Holger,


    da bin ich jetzt mal gespannt! Die LP-Kassette (abgebildet in Beitrag 246) habe ich, aber die schweigt zu den Kadenzen ebenso beharrlich wie die späteren CD-Ausgaben. Du wirst uns sicher berichten, ob in dem Buch etwas vermerkt ist.


    Szell scheint das Konzert nicht besonders zu liegen, das ist ziemlich uninspiriert.


    Ich habe sowohl die Szell-Aufnahme mit Leon Fleisher (CBS) als auch mit Emil Gilels (EMI. Die Fleisher-Version habe ich lange nicht gehört, aber sie ist mir nicht als langweilig in Erinnerung. Aber die müsste ich demnächst einmal auffrischen.
    Ich glaube aber nicht, dass Szell das Konzert nicht sonderlich liegt, denn seine Aufnahme von 1968 mit Emil Gilels zählt für mich zu den besten, die ich kenne. Und das liegt nicht nur am herrlichen Spiel des Pianisten, sondern auch an der sehr engagierten Begleitung durch Szell. Jedenfalls Anlaß genug, um beide Versionen wieder einmal vorzunehmen.


    Schönes Wochenende und LG,
    Nemorino :hello:

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Holger,


    wenn das Buch sich ebenfalls über die Kadenzen ausschweigt, gibt es vielleicht noch eine andere Möglichkeit: Du hast ja die Kassette Arrau/Colin Davis mit der Dresdner Staatskapelle bestellt. Möglicherweise spielt Arrau da die gleiche Kadenz wie in seiner älteren Aufnahme mit Haitink. Wenn da der Ursprung der Kadenz genannt wird, hätten wir des Rätsels Lösung.
    Es gibt ja noch eine GA von 1958 (EMI) unter Alceo Galliera. Daraus habe ich aber nur die Konzerte 2 & 3, da spielt Arrau die Originalkadenzen. Aber vielleicht hat jemand die alte GA, und es gibt eventuell dort einen Hinweis, vorausgesetzt Arrau spielt bereits 1958 diese "geheimnisumwitterte" Kadenz.


    Nochmals LG,
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Liebe Freunde,


    soweit ich weiß, gibt es für den 1. Satz des 1. Klavierkonzerts zwei unterschiedliche Beethovensche Kadenzen: Arrau spielt auf jeden Fall eine dieser Kadenzen in der Aufnahme von 1958 mit Galliera.


    LG Siamak

  • wenn das Buch sich ebenfalls über die Kadenzen ausschweigt, gibt es vielleicht noch eine andere Möglichkeit: Du hast ja die Kassette Arrau/Colin Davis mit der Dresdner Staatskapelle bestellt. Möglicherweise spielt Arrau da die gleiche Kadenz wie in seiner älteren Aufnahme mit Haitink. Wenn da der Ursprung der Kadenz genannt wird, hätten wir des Rätsels Lösung.
    Es gibt ja noch eine GA von 1958 (EMI) unter Alceo Galliera. Daraus habe ich aber nur die Konzerte 2 & 3, da spielt Arrau die Originalkadenzen. Aber vielleicht hat jemand die alte GA, und es gibt eventuell dort einen Hinweis, vorausgesetzt Arrau spielt bereits 1958 diese "geheimnisumwitterte" Kadenz.

    Lieber Nemorino,


    ich habe vorhin eine Mail bekommen, wo mir jemand dankenswerter Weise schreibt, dass dies die erste von drei von Beethoven selbst komponierten Kadenzen ist. :) In der Musikbücherei könnte man es natürlich auch finden - in der Notentextausgabe des Konzerts werden wohl die Beethoven-Kadenzen abgedruckt sein. In den Gesprächen mit Joseph Horowtz spricht Arrau nur über das 4. Konzert. :hello:


    Ein schönes Wochenende wünscht herzlich grüßend
    Holger

  • In der Musikbücherei könnte man es natürlich auch finden - in der Notentextausgabe des Konzerts werden wohl die Beethoven-Kadenzen abgedruckt sein.


    Lieber Holger,


    das denke ich auch, aber was nützt es mir, ich kann keine Noten lesen :untertauch: !


    Aber das wäre natürlich eine schlüssige Erklärung. Merkwürdig nur, dass außer Arrau diese Kadenz wohl niemand verwendet. Ich habe sie mit Wissen noch nie gehört.


    In der LP-Kassette der Barenboim/Klemperer-Aufnahme finde ich (in einem Aufsatz von Klaus Umbach) folgende Anmerkung, die ganz interessant erscheint: "Konzert Nr. 1 ..... Zum ersten
    Satz hat Beethoven drei verschiedene Kadenzen hinterlassen. Die erste führt nicht zum Abschluß- bzw. Überleitungstriller, ist folglich fragmentarisch. Die zweite ist ungewöhnlich kurz, die dritte hingegen fast unproportional ausführlich - sie enthält mehr Noten als mancher komplette Haydn-Satz."
    Wenn Arrau also die erste Kadenz spielt, so muss er sie zumindest minimal vervollständigt haben, damit er den Überleitungstriller nahtlos erreicht.
    Inzwischen sind mir übrigens Zweifel gekommen, ob Friedrich Gulda in seiner frühen Aufnahme des Konzerts mit Karl Böhm und den Wiener Philharmonikern (1951) die meist verwendete Beethoven-Kadenz Nr. 3 spielt. Mir klang sie sofort ein wenig ungewohnt, aber ich vermutete, dass er sie vielleicht noch etwas "ausgebaut" hätte. Beim zweiten Hören habe ich eher den Eindruck, dass er da etwas ganz Eigenes spielt, das zwar in Teilen an die 3. Beethoven-Kadenz erinnert, aber doch insgesamt "Marke Eigenbau" ist. Eine ungewöhnlich lange, hochvirtuose Angelegenheit, in der der junge Pianist seine Fähigkeiten ungeniert zur Schau stellt. Leider gibt es auch hier keine Aussage, weder auf dem Cover noch auf der CD.


    Nun aber eine gute Nacht und LG
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Wenn Arrau also die erste Kadenz spielt, so muss er sie zumindest minimal vervollständigt haben, damit er den Überleitungstriller nahtlos erreicht.


    Gramophone schreibt in der Kritik zur dritten Aufnahme in Dresden:


    "Certainly, Arrau has lost none of his ability to release one of Beethoven's transforming trills with perfectly graded tone, timing and dynamic range. The cadenza in the first movement is Beethoven's first, suitably completed. Horns, bassoons and clarinets make a dog's breakfast of the final chords of the Largo but in all other respects the support provided by the Staatskapelle, Dresden is first rate: by turns, trenchant and urbane."


    Ich habe gerade die erste Aufnahme mit Galliera gehört, da spielt er sie wohl auch, jedenfalls kannte ich die Kadenz nicht. Aus irgendwelchen Gründen steht die Box mit Haitink nicht in meiner Sammlung, wird sich aber zeitnah ändern. Ich dachte immer, ich hätte sie. ?(

  • Hallo,


    es gibt tatsächlich 3 Kadenzen von Beethoven. Ich zähle sie nach der zeitlichen Länge auf und dann jeweils zugeordnet die Pianisten mit ihren Aufnahmen :


    Kadenz 1 - etwa 4.30 min
    Arturo Benedetti Michelangeli/Giulini
    Bernd Glemser/Weil
    Krystian Zimerman


    Kadenz 2 - etwa 2.45 min
    Claudio Arrau/Galliera
    Gerhard Oppitz/Janowski
    Rudolf Buchbinder


    Kadenz 3 - etwa 1.00 min
    Boris Berezovsky/Dausgaard
    Geza Anda
    Martha Argerich/Sinopoli
    Martha Argerich/Ozawa


    LG Siamak

  • Die erste führt nicht zum Abschluß- bzw. Überleitungstriller, ist folglich fragmentarisch.

    Jetzt verstehe ich, lieber Nemorino, warum sie so selten gespielt wird.

    Inzwischen sind mir übrigens Zweifel gekommen, ob Friedrich Gulda in seiner frühen Aufnahme des Konzerts mit Karl Böhm und den Wiener Philharmonikern (1951) die meist verwendete Beethoven-Kadenz Nr. 3 spielt. Mir klang sie sofort ein wenig ungewohnt, aber ich vermutete, dass er sie vielleicht noch etwas "ausgebaut" hätte. Beim zweiten Hören habe ich eher den Eindruck, dass er da etwas ganz Eigenes spielt, das zwar in Teilen an die 3. Beethoven-Kadenz erinnert, aber doch insgesamt "Marke Eigenbau" ist.

    Es gibt ja Kadenzen zu den Beethoven-Konzerten nicht nur von Beethoven, sondern u.a. auch von Ferruccio Busoni, wenn ich es richtig im Kopf habe. Die Auswahl, die der Pianist hat, ist also noch ein bisschen größer. :) Ich werde mir in den nächsten Tagen auch nochmal die Gulda-Studioaufnahme anhören, die ich habe, und Artur Schnabel. :hello:


    Einen schönen Muttertags-Sonntag wünscht
    Holger

  • Es gibt ja Kadenzen zu den Beethoven-Konzerten nicht nur von Beethoven, sondern u.a. auch von Ferruccio Busoni, wenn ich es richtig im Kopf habe.


    Lieber Holger,


    entschuldige die verspätete Antwort, aber ich war gestern ganztags unterwegs.
    Busoni war ein fleißiger "Kadenzen-Komponist", aber er war nicht der einzige. So spielt beispielsweise Solomon in seiner Aufnahme des Beethoven-Konzerts Nr. 3 im Kopfsatz eine Kadenz von Clara Schumann, während Backhaus in seiner GA mit Schmidt-Isserstedt im 3. Konzert eine Kadenz von Carl Reinecke einfügt. Einer meiner Lieblingspianisten, Wilhelm Kempff, spielt in beiden GA unter Paul van Kempen (mono) und Ferdinand Leitner (Stereo) ausschließlich eigene Kadenzen.


    Vielen Dank übrigens an lutgra für den Hinweis auf die "Gramophone"-Kritik zur Dresdner GA; damit lichtet sich langsam aber sicher das Dunkel.


    In den nächsten Tagen steht bei mir (soweit es meine Zeit zulässt) noch die alte Anda/Galliera-Aufnahme (EMI) des 1. Konzerts auf dem Programm, da bin ich besonders gespannt auf die Kadenz. In dem Zusammenhang auch Dank an Siamak.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

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  • entschuldige die verspätete Antwort, aber ich war gestern ganztags unterwegs.
    Busoni war ein fleißiger "Kadenzen-Komponist", aber er war nicht der einzige. So spielt beispielsweise Solomon in seiner Aufnahme des Beethoven-Konzerts Nr. 3 im Kopfsatz eine Kadenz von Clara Schumann, während Backhaus in seiner GA mit Schmidt-Isserstedt im 3. Konzert eine Kadenz von Carl Reinecke einfügt. Einer meiner Lieblingspianisten, Wilhelm Kempff, spielt in beiden GA unter Paul van Kempen (mono) und Ferdinand Leitner (Stereo) ausschließlich eigene Kadenzen.

    Lieber Nemorino,


    Solomon mit der C. Schumann-Kadenz kann ich mir ja anhören :) - Backhaus habe ich leider nicht! Die Kadenzen von W. Kempff gefallen mir auch sehr gut!


    Gestern habe ich Artur Schnabel gehört:



    Sehr musikantisch und ziemlich unbedarft, um nicht zu sagen: naiv, jenseits jedem Genauigkeitsfanatismus - so traut sich heute jedenfalls niemand mehr, ein Beethoven-Konzert zu spielen. Am besten hat mir das Largo gefallen. Bei Schnabel spürt man noch, was eine Phrase bei Beethoven bedeutet. Seine Phrasierung ist wirklich exemplarisch - durchaus frei mit einem Rubato-Spiel, was aber einfach vollkommen Beethoven adäquat ist. Das ist wirklich bemerkenswert! :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Gestern habe ich Artur Schnabel gehört


    Lieber Holger,


    von technischer Perfektion war Artur Schnabel meilenweit entfernt, aber die geistige Durchdringung der von ihm gespielten Werke lässt das alles vergessen. Leider sind die alten Aufnahmen aus den 1930er Jahren technisch grottig. Ich besitze auf LP die dritte GA-Reihe der Beethoven-Konzerte (EMI) mit den Dirigenten Issay Dobrowen (Nr. 1-4) und Alceo Galliera (Nr. 5) aus den Jahren 1946/47. Sie sind zwar klanglich besser geraten, aber von Hi-Fi kann da auch keine Rede sein.
    Vorausgegangen waren die von Dir genannte Serie mit Sargent (EMI) und, später, nach seiner Emigration in die USA, mit Frederic Stock (RCA). Von der Sargent-Reihe habe ich die Konzerte Nr. 1 bis 3 auf CD.


    Die GA mit Wilhelm Backhaus (Decca) habe ich nur auf LP, und deshalb sehr lange nicht gehört. Sie gilt aber als ein Klassiker der Aufnahmegeschichte. Auf den LPs ist lediglich beim 3. Konzert die Kadenz von Reinecke genannt, beim 4. heißt es im 1. Satz "Original-Kadenz", im 3. Satz "Kadenz v. Backhaus", bei den Konzerten 1 und 2 steht gar nichts! Merkwürdige Sache. Im übrigen habe ich immer Kempff gegenüber Backhaus bevorzugt.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo Holger,


    soeben finde ich in meinem Regal noch zwei CD-Ausgaben von Beethoven-Konzerten mit Wilhelm Backhaus:
    und:
    Es sind Mono-Aufnahmen aus den frühen 1950er Jahren (Nr. 3 mit Karl Böhm, Nr. 4 & 5 mit Clemens Krauss und den Wiener Philharmonikern). Technisch klingen sie annehmbar, aber eben nur Mono.
    Die Konzerte 4 & 5 habe ich in einer anderen CD-Version (aus der "HISTORIC"-Serie), die lässt sich aber nicht kopieren. Aber nirgendwo steht etwas über die verwendeten Kadenzen. Ich müsste die Aufnahmen mal wieder hören; so kann ich jetzt nichts darüber sagen.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • von technischer Perfektion war Artur Schnabel meilenweit entfernt, aber die geistige Durchdringung der von ihm gespielten Werke lässt das alles vergessen.

    Lieber nemorino,


    das finde ich auch! Besonders die Beethoven-Sonaten sind für mich immer noch unverzichtbar! Auch die "Moments musicaux" von Schubert z.B. sind einfach eine ideale Aufnahme. :)

    Leider sind die alten Aufnahmen aus den 1930er Jahren technisch grottig. Ich besitze auf LP die dritte GA-Reihe der Beethoven-Konzerte (EMI) mit den Dirigenten Issay Dobrowen (Nr. 1-4) und Alceo Galliera (Nr. 5) aus den Jahren 1946/47. Sie sind zwar klanglich besser geraten, aber von Hi-Fi kann da auch keine Rede sein.
    Vorausgegangen waren die von Dir genannte Serie mit Sargent (EMI) und, später, nach seiner Emigration in die USA, mit Frederic Stock (RCA). Von der Sargent-Reihe habe ich die Konzerte Nr. 1 bis 3 auf CD.

    Das wusste ich gar nicht! Bist Du Dir sicher, dass er die Beerhoven-Konzerte tatsächlich dreimal komplett aufgenommen hat? Ich habe Nr. 1-3 mit Sargent, Nr. 4 mit Dobrowen und Nr. 5 mit Galiera. Die EMI hat in den 30igern wirklich weit bessere Aufnahmen gemacht. Schade! Meine Box ist diese hier:



    Die GA mit Wilhelm Backhaus (Decca) habe ich nur auf LP, und deshalb sehr lange nicht gehört. Sie gilt aber als ein Klassiker der Aufnahmegeschichte. Auf den LPs ist lediglich beim 3. Konzert die Kadenz von Reinecke genannt, beim 4. heißt es im 1. Satz "Original-Kadenz", im 3. Satz "Kadenz v. Backhaus", bei den Konzerten 1 und 2 steht gar nichts! Merkwürdige Sache. Im übrigen habe ich immer Kempff gegenüber Backhaus bevorzugt.

    In meiner Sammlung ist Backhaus leider auch sträflich unterrepräsentiert (obwohl ich z.B. seine Aufnahme der Chopin-Etüden habe!) und mir geht es auch wie Dir: Kempff hat eindeutig das Übergewicht. :D Es gibt diese Box mit den Konzerten sehr günstig, die werde ich mir wohl demnächst zulegen:



    Und diese hier ist auch verlockend:



    Schöne Grüße
    Holger

  • Das hatte ich vergessen:


    Artur Schnabels Lehrer Theodor Leschetitzky sagte zu ihm: "Du wirst nie ein Pianist werden, du bist ein Musiker!" :D :D :D


    (Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich mit dem Komponisten Artur Schnabel gar nicht beschäftigt habe.)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Bist Du Dir sicher, dass er die Beerhoven-Konzerte tatsächlich dreimal komplett aufgenommen hat?


    Lieber Holger,


    jetzt nicht mehr ?( ! Ich bin da wohl einem Irrtum aufgesessen, weil ich folgenden Satz in einer alten Kritik missdeutet habe: "Schnabel (Elec) ist großartig in seiner durchschlagenden Logik, doch erreicht er in dieser späteren Aufnahme nicht die einzigartige Konzentration, die seine erste Darstellung unter Malcolm Sargent und selbst noch die zweite unter Frederick Stock ausgezeichnet hatte". Der bezog sich aber nur auf das 5. Konzert unter Galliera! Wie ich inzwischen festgestellt habe, hat Schnabel nur die Konzerte 4 & 5 im Jahr 1942 mit Stock und dem Chicago Symphony Orchestra aufgenommen.
    Aus der Nachkriegsreihe besaß ich auf alle Fälle die Konzerte Nr. 3, 4 & 5, davon die beiden ersten unter Dobrowen auf jeweils einer 25 cm-Platte, Nr. 5 unter Galliera auf einer 30 cm-LP. Meine Suche nach CD-Ausgaben hat folgendes Resultat ergeben:



    Größere Darstellungen konnte ich nicht bekommen (oder nur ganz große!). Leider habe ich aber weder bei Amazon, jpc noch Ebay das Konzert Nr. 1 aus dieser Serie von 1946/47 finden können. Es muss aber wohl existiert haben, denn in einem alten Plattenführer von 1961 heißt es: "....... Leider wurde .... die erste Darstellung Schnabels unter Sargent nicht für die Überspielung herangezogen; aber die angebotenen neueren Versionen sind auch klanglich ausgezeichnet. Die deutsche ELECTROLA hat alle fünf Konzerte in ihren Katalog übernommen, wo die ersten vier unter Dobrowen auf mittleren, das fünfte unter Galliera auf einer großen Platte Platz gefunden haben."


    Die von Dir abgebildete Kassette habe ich auch, da hat man wohl beide GA "gemischt", die ersten drei aus der Sargent-Reihe, die beiden letzten mit Dobrowen bzw. Galliera.


    Die Backhaus-Box von Membran scheint mir ein Sammelsurium diverser Aufnahmen zu sein; es gibt etliche Sonaten, und wohl die kompletten Konzerte, aber es heißt in der Beschreibung: "Wiener Philharmoniker, New York Philharmonic, Dirigenten: Schmidt-Isserstedt und Cantelli!" Guido Cantelli ist 1956 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen; es kann sich da nur um einen Live-Mitschnitt handeln. Es wird aber nicht gesagt, welches Konzert nun von ihm dirigiert wird. Die anderen stammen wohl aus der bekannten DECCA-GA und sind in Stereo. Doch es ist da Vorsicht angesagt: Ich hatte mir vor etlichen Jahren mal das 3. Konzert mit Schmidt-Isserstedt in einer Membran-Sonderausgabe auf CD gekauft; sie ist klanglich um Klassen schlechter als meine alte LP!


    Schönen Abend und LG,
    Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Am Morgen gehört bekommt man gleich ein erhebendes Gefühl für den ganzen Tag! Was für eine wunderbare Aufnahme!


    Lieber Holger,


    ich habe soeben noch einmal das Konzert in der Kombination Arrau/Haitink gehört und kann Dir nur zustimmen! Die große Kadenz im 1. Satz ist ganz einfach großartig, und Arraus Klavierspiel phänomenal! Aber auch Bernard Haitink leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Gelingen dieser wunderbaren Aufnahme, die leider viel zu wenig Beachtung findet und nach dem Erlöschen der PHILPS-Marke als Plattenlabel Gefahr läuft, ganz in Vergessenheit zu geraten. Ich kenne weder die EMI-Produktion mit Galliera und auch nicht die letzte Aufnahme aus Dresden mit Colin Davis, aber ich denke, dass diese hier von keiner der beiden getoppt werden kann.


    LG, Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • ich habe soeben noch einmal das Konzert in der Kombination Arrau/Haitink gehört und kann Dir nur zustimmen! Die große Kadenz im 1. Satz ist ganz einfach großartig, und Arraus Klavierspiel phänomenal! Aber auch Bernard Haitink leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Gelingen dieser wunderbaren Aufnahme, die leider viel zu wenig Beachtung findet und nach dem Erlöschen der PHILPS-Marke als Plattenlabel Gefahr läuft, ganz in Vergessenheit zu geraten. Ich kenne weder die EMI-Produktion mit Galliera und auch nicht die letzte Aufnahme aus Dresden mit Colin Davis, aber ich denke, dass diese hier von keiner der beiden getoppt werden kann.

    Lieber Nemorino,


    dass Arrau und das Duo Arrau/Haitink in Vergessenheit geriete, wäre wirklich unverzeihlich! Heute ist sie gekommen:



    Das ist eine Japan-Edition - in Japan gepresst und das Booklet komplett mit japanischer Bilderschrift. Zum Glück gibt es wenigstens die Titelangaben in lateinischer Schrift! :D So habe ich gleich für Dich meine Einzel-CD mit dem 4. und 5. Konzert aussortiert, die ich nun doppelt habe. Das schicke ich Dir dann mit den anderen CDs, die ich Dir noch versprochen habe, so dass Du dann diesen Arrau/Davis-Zyklus auch kompett hast zum Vergleichen. Aber erst nach den Feiertagen, denn ich habe Besuch! :hello:


    Schöne Pfingsten wünscht
    Holger


  • Dem sehr anregenden Austausch mit einem ganz jungen, hochbegabten deutschen Nachwuchspianisten verdanke ich den Hinweis auf dieses faszinierende historische Dokument. 1925 machte Wilhelm Kempff überhaupt die erste Aufnahme von Beethovens 1. Klavierkonzert auf Tonträger. Wenn man die beiden späteren Studioaufnahmen der Klavierkonzerte kennt, die Kempff für die Deutsche Grammophon machte, dann ist hier doch spürbar, dass dieses Zeugnis von Kempffs immer wieder entwaffnender Musikalität vor einer Epochenschwelle liegt. In den Aufnahmen mit der DGG spielt Kempff „modern“ wie wir es kennen, ein einheitliches Grundtempo wählend vor allem, und bemüht sich um klassische Geschlossenheit. 1925 ist noch die Wagner-Tradition deutlich zu spüren. Kempff gestaltet entsprechend die musikalische Zeit durch „Modifikationen des Tempos“ (der Ausdruck ist aus Wagners Schrift über das Dirigieren). Das Grundtempo wird variabel wie der Lebensrhythmus, der je nach dem Grad der Aufregung den Puls beschleunigt oder verlangsamt, d.h. die lebhaften Passagen im Tempo belebt und ruhigen beruhigt. Für unseren heutigen Geschmack mag das eher tautologisch wirken, dahinter steht aber das Bemühen, der Musik einen Lebensatem einzuhauchen: Lebensphilosophie in Tönen sozusagen. (Ich schreibe gerade einen Aufsatz über Paul Natorp, und Natorp spricht in Bezug auf Beethoven von einer „intuitiven Philosophie“!) Was bei Kempff so beglückt – und meine Stimmung für den ganzen Tag trotz Gewitter ins Sonnig-Heitere gewendet hat (gehört habe ich das vorgestern in einer Arbeitspause) – ist die absolute Zwanglosigkeit und Spontaneität seines Musizierens. Da wird noch nicht versucht, Beethoven als die Verwirklichung eines Klassizitatsideals zu sehen und entsprechend das Naive, Derbe, an der Grenze zum Trivialen Liegende durch Ästhetisierung zu adeln. Dieser Beethoven klingt nicht nur erfrischend spontan, sondern manchmal auch gewagt naiv – aber vielleicht hat Beethoven selbst, der große Improvisator, es auch so gespielt! Kempff scheut sich nicht, die Alberti-Bässe Hm-Tata etwas bäuerlich wirken zu lassen, er macht gar nicht den Versuch, hier zu ästhetisieren. Ein bisschen hat das etwas vom Grimmschen Märchen von einem der auszog, das Fürchten zu lernen. Eine Furchtlosigkeit, die aber nicht kopflos ist, sondern klug und immer natürlich: Freigeisterei und ungebremste Musizierfreude. Einfach entwaffnend – Beethoven alles andere als erhaben und monumental!


    Und noch eine Schlussbemerkung: Nicht nur spielt Kempff eigene Kadenzen, die – besonders im letzten Satz – auch nicht klassizistisch auf stilistische Einheit bedacht sind. Er verändert den Notentext, komponiert Begleitfiguren hinzu, die mit dem Orchester korrespondieren, überschreitet damit die Grenze von der „Interpretation“ zur „Bearbeitung“. Auch in dieser Hinsicht ist diese historische Aufnahme lehrreich, dass unserer heutige Vorstellung von „Werktreue“ durchaus nicht der Aufführungstradition selbst eines Klassikers wie Beethoven entspricht. :):):)


    Schöne Grüße

    Holger

  • Zitat von Dr. Holger Kaletha

    Was bei Kempff so beglückt -...- ist die absolute Zwanglosigkeit und Spontaneität seines Musizierens.

    Auch wenn es ein anderes Werk ist lieber Holger, habe ich genau dies immer bei dieser Sonate, speziell bei diesem Satz so empfunden:


    Liebe Grüße


    Willi:)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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