Gustav Mahler: 7. Sinfonie e-Moll – Lied der Nacht

  • Stichwort "Tschechische Philharmonie" - da fällt mir diese außergewöhnliche Aufnahme ein:



    Exton scheint ja so einige Mahler-Aufnahmen mit diesem Orchester und verschiedenen Dirigenten herauszubringen.


    Diese ist live von 2007 und bietet einen vollen, räumlichen Klang ohne irgendwelche Dynamikbeschneidungen - der Klang ist sehr natürlich, und so ist auch das Spiel der TP unter Zdenek Macal. Einfach wunderbar, eine regelrechte Liebhaberaufnahme. Ich bin froh und auch ein wenig stolz darauf, sie zu haben. "Exton" ist schon ein sehr besonderes Label.

  • Auch ich habe gestern wieder einmal Mahlers 7. Symphonie gehört und zwar in einer Aufnahme durch die Bamberger Symphoniker unter Jonathan Nott. Es war die erste Begegnung mit Mahler aus dieser Quelle. Und ich war positiv überrascht (hatte die CD mal für kleines Geld bei Oxfam erstanden und bis jetzt nicht gehört). Gleich der Beginn lässt aufhorchen, ein Tempo fast wie bei Klemperer, das dann aber schnell in "normalere Bahnen" übergeht. Ich hörte viele Details, die ich in anderen Aufnahmen nicht gehört habe und trotzdem zerfällt das Ganze nicht in schöne Einzelstellen, sondern gehorcht einer stringenten Logik. Wer auf Excitement a la Solti und Bernstein steht, wird diese Aufnahme vielleicht nicht ganz so hoch einschätzen, aber wem "musikantischere" Spielarten zusagen, dem könnte die Aufnahme gut gefallen; sie liegt also eher in der Richtung Kubelik/Neumann. Die internationale Presse scheint geteilter Meinung zu sein. David Hurwitz z.B. vergibt für die Aufnahme der 9. nur 6 Punkte, sie hat aber 2009 den Internationalen Schallplattenpreis "Toblacher Komponierhäuschen" gewonnen. Dafür ist m.W. u.a. Attila Csampai mit verantwortlich. Wem vertraut man mehr?
    Ich werde jedenfalls noch andere Nott-Einspielungen hören.




    Lieber lutgra,


    das, was Du bei der 7. Sinfonie gehört hast, zeichnet alle Mahler-Aufnahmen von Jonathan Nott aus. Der musikalische Fluss ist stets gewahrt, aber gleichzeitig hört man Details, die in vielen Interpretationen unter gehen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • Ich bin froh und auch ein wenig stolz darauf, sie zu haben. "Exton" ist schon ein sehr besonderes Label.


    Ja, leider sind die CDs von Exton ziemlich teuer und schwer zu bekommen. ;( Na mal sehen, was der Weihnachtsmann bringt.


  • Ja, leider sind die CDs von Exton ziemlich teuer und schwer zu bekommen. ;( Na mal sehen, was der Weihnachtsmann bringt.

    Ich weiß. Das ist der Nachteil dabei. Man muß sie regelrecht suchen und hinterher sein.
    In diesem Falle hat mich einfach der Dirigent Macal interessiert und wie das Orchester unter Ihm klingt.
    Ich finde, es lohnt sich. Exton sind halt keine Massen- sondern Liebhaberproduktionen. Es ist schön, daß es so etwas noch gibt.


  • Vladimir Ashkenazy hatte ich als Mahler-Dirigent bisher nicht auf dem Schirm, aber was er hier mit der Tschechischen Philharmonie abliefert ist erste Sahne. Interpretatorisch vielleicht etwas weniger individuell als Nott in Bamberg, hat er klar das bessere Orchester und lässt es seinen Mahler auf höchstem Niveau spielen ohne allzuviel einzugreifen.Die Klippen des letzten Satzes werden mit zügigem Tempo gut umschifft und insgesamt stellt sich der Eindruck ein: so und nicht anders. Interessant wäre jetzt ein Vergleich mit dem gleichen Orchester unter Macal und Inbal. Klanglich ist die Exton-Aufnahme selbst auf mp3 reduziert besser als vieles andere unkomprimiert. Ich hoffe, die CD findet sich mal irgendwann etwas günstiger.

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  • Lieber Lutz,


    da bist Du mir zuvorgekommen! :D Der Bericht meiner Hörsitzung von gestern folgt nun nach! Vielleicht höre ich heute zum Vergleich noch einmal Neumann, wenn ich die Zeit finde. :)


    Aus der kurzen Phase, in der Vladimir Ashkenazy Chef der Tschechischen Philharmonie war, stammt diese Aufnahme beim Label Exton (das übrigens Eigentum von V. Ashkenazy ist), die ich mir nun in der MP3-Version angehört habe – die SACD kann ich leider nicht abspielen.


    Um zuerst die Stärken der Aufnahme zu benennen: Die Orchesterleistung ist ganz vorzüglich. Die Tschechische Philharmonie spielt absolut souverän, virtuos, ausgewogen und hoch poetisch, ihren eigenen „böhmischen“ Klang bewahrend. Eine Glanzleistung und Anknüpfung an die großen alten Zeiten unter Talich, Ancerl und Neumann. Ashkenazy dirigiert alles andere als routiniert oder langweilig, sondern drückt dem Geschehen von Anfang an seine Sicht auf. Seine große Stärke zeigt sich darin, dass er sich gewissermaßen zum Ende hin zu einer Höchstleistung steigert. Überzeugt hat mich am meisten die 2. Nachtmusik und das Finale. Die 2. Nachtmusik wird quasi zum Zentrum der Symphonie als ein berührendes Seelendrama, dessen Entwicklungen dramatischer Gegensätze Ashkenazy wirklich sehr eindringlich und eindrucksvoll aufzuzeigen vermag. Das ist weit entfernt von harmloser Nachtmusik-Idylle. Im Finale schafft er es, eine ausgelassene Leichtigkeit zu gewinnen ohne Knalligkeit und „affirmatives“ Auftrumpfen, wozu auch das spieltechnisch völlig mühelose und dabei poetisch ungemein differenzierte, unplakative Spiel der Tschechischen Philharmonie das Ihrige beiträgt. Das „widerlegt“ Adornos Verdikt über den Satz auf sehr eigene und eindrucksvolle Weise, indem Ashkenazy ein erleichterndes Kehraus-Finale vorführt, ohne irgendeinen „Willen“ bedenkenloser Selbstbehauptung. Dabei unterschlägt er die „dunklen“ Erinnerungen keineswegs in einer eindimensionalen Fröhlichkeit, was die untergründige Tragik auch in diesem Satz verfehlen würde.


    Kehren wir nun zurück vom Ende zum Anfang: So überzeugend sich bei Ashkenazy das Finale ausnimmt, so vermisse ich andererseits im Kopfsatz ein wirklich immer einleuchtendes interpretatorisches Konzept. Ashkenazy beginnt „langsam“ wie es auch Mahlers Vortragsanweisung für die Einleitung entspricht. Er arbeitet dabei ungewöhnlich klar und klug die thematischen Kontraste heraus. Da er in der Einleitung jedoch kein einheitliches Tempo durchhält - der Scherzando-Teil setzt sich bei ihm durch einen schroffen Charakter- und Tempowechsel ab – ist die Zäsur von Einleitung und Exposition nicht mehr zu erkennen. Insgesamt ist der Eindruck der einer „Novellenkette“ – so wie Friedrich Schlegel einst den „Roman“ kennzeichnete. Der Grundzug des Romanhaften ist sicher Mahler-gemäß, so wie es ja auch Adorno herausstellte. Allerdings verlieren bei Ashkenazy die „Durchbruchs“-Passagen ihren Durchbruchs-Charakter, der sich nivelliert in einer Episodenkette. Das rührt letztlich vom Heiklen in diesem Satz her, dass der Interpret sowohl das Romanhafte als auch das „Architektonische“ gleichermaßen deutlich machen muss. Fehlt das „formale“, architektonische Element (wie die Zäsur von Einleitung und Exposition), dann können die Durchbrüche, welche die „Form“ und formimmanente Entwicklung sprengen, auch nicht mehr als solche erscheinen. Zudem bedarf es hier doch einer gewissen „Emphase“, eines enthusiastischen Überschwanges, den Ashkenazys eher neusachliche Nüchternheit ganz bewusst meidet. Wenn es auch sehr überzeugende Momente in diesem Satz gibt – Ashkenazy zeigt sich auch hier einmal mehr als höchst intelligenter Interpret – so finde ich letztlich doch, dass Ashkenazy diesem so schwierig zu interpretierenden Satz letztlich nicht ganz gerecht zu werden vermag, indem er ihn etwas einseitig „episiert“.


    Ashkenazys Mahler ist insgesamt sehr „irdisch“ und ganz und gar unmystisch und unmetaphysisch. Das zeigt sich in der ersten Nachtmusik, die zwar sehr klangsinnig, aber auch etwas vordergründig „impressionistisch“ – um nicht zu sagen unromantisch geheimnislos – wirkt. Diese Tendenz setzt sich im Scherzo fort. Das ist bei Ashkenazy ungemein präzise gespielt, aber auch völlig undämonisch und undiabolisch, ohne jedes Grauen. Da fehlen einfach die Schatten, die dem Hörer Angst und Schrecken einjagen oder ein beklemmendes Gefühl hinterlassen könnten. Entsprechend verliert dann auch der Einsatz der zweiten Nachtmusik seine Funktion der Beschwichtigung. Aufs Ganze gesehen geraten die drei Mittelsätze in ihrer Grundstimmung bei Ashkenazy zu sehr ähnlich, so dass die formale Symmetrie des Symphonie-Aufbaus nicht wirklich deutlich wird: das dämonische Scherzo umgeben von zwei beruhigenden Nachtmusiken, die das bedrohliche „schwarze Loch“ in der Mitte wie einen Krankheitserreger gleichsam einkapseln und so wirkungslos zu machen versuchen.


    Interpretatorisch ist Ashkenazys 7. finde ich rundum nicht so ganz stimmig, gleichwohl eine bemerkenswerte, wirklich sehr hörenswerte Aufnahme jenseits jeglicher Routine und Langweiligkeit, einmal der vorzüglichen Orchesterleistung wegen sowie Ashkenazys interpretatorischer Intelligenz, nicht zuletzt aber einer überragenden Darstellung der zweiten Nachtmusik und des Finales, die man im Gedächtnis behält. :) :) :)


    Schöne Grüße
    Holger


  • Nach dem Wiederhören muss ich einmal mehr vor Neumann den Hut ziehen! Schon in der Einleitung zeigt er sein Gespür für die groß angelegte symphonische Entwicklung. Da ist einfach eine dramatische Sukzession drin, ein dynamischer Zug und eine anhaltende Spannung, welche die Musik trotz aller episodischen Buntheit nie loslässt. (Diese Qualität macht auch Neumanns Interpretation des Kopfsatzes von Mahlers 2. so einzig.) Man hat den Eindruck: So und nicht anders muss es sein. Diese "musikdramatische", symphonische Qualität fehlt bei Ashkenazy. Interessant: Da wo Ashkenazy in der Einleitung beschleunigt, verlangsamt Neumann das Tempo und schafft so ein retardierendes Moment. (Hier möchte ich mal in die Partitur schauen.) Neumanns 7. ist ungeheuer facettenreich, das Scherzo wirklich dämonisch und expressionistisch, die Bläser "schreien" regelrecht. Genial dann der Einsatz der 2. Nachtmusik mit einer "gespielten" Gemütlichkeit - das Orchester ist keineswegs behäbig, es imitiert diesen deutschen Schlendrian eines "die Welt ist doch so schön, was kann mir schon passieren" nur! Und dann im Finale traut er sich loszulegen. Auch merkt man die Leidenschaft und innere Bewegung in jedem Moment. Neumann dirigiert nicht distanziert. Die einzige Schwäche dieser Großtat in Sachen Mahler-Interpretation ist vielleicht die Aufnahmetechnik: zwar ungemein klar, aber die Bläser vielleicht ein bisschen zu vordergründig abgebildet. Das muss ich mir aber nochmals mit meiner "Erstbesetzung" in Sachen Hifi-Anlage anhören. :D Schade, dass Neumann so früh gestorben ist und die 7. nicht noch einmal aufnehmen konnte. Vielleicht muss ich mir doch endlich auch seine 10 Jahre früher in Leipzig entstandene Aufnahme anschaffen. Da interessiert mich die Entwicklung.


    Was mich zudem reizt ist ein Interpretationsvergleich der russischen Orchester und Dirigenten. Ich habe ja Kondrashin sowohl mit Mrawinskys Leningradern als auch mit dem Concertgebouw-Orkest. Demnächst bekomme ich auch noch Sveltlanov. Dann sind es drei für einen vielversprechenden, interessanten Mahler-Interpretationsvergleich. :)


    P.S. Neumanns 7. aus Leipzig habe ich gerade portofrei bei jpc bestellt. Ich konnte es doch nicht lassen - bevor die CD vergriffen ist.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Demnächst bekomme ich auch noch Sveltlanov.


    Freut mich zu lesen, lieber Holger, dass Jewgeni Swetlanow in diesem Thread auch noch Erwähnung findet. Er war offenbar der erste russische Dirigent, der alle Mahler-Symphonien aufführte (aufführen konnte). Die Einspielungen stammen, soweit ich das richtig in Erinnerung habe, aus den frühen 1990er Jahren. Er hat dieses Repertoire, das er davor eigentlich nicht dirigiert hat, dann scheinbar sehr rasch einstudiert.


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    Eine Aufnahme, die man auch einbringen sollte, ist die letzte von Klaus Tennstedt aus dem Jahre 1993. Danach konnte er krankheitsbedingt nicht mehr dirigieren. Sie ist also eine Art musikalischer Abschied. Sie soll dem Vernehmen nach deutlich gelungener sein als die Studioaufnahme. In der nachfolgenden Box ist sie scheinbar enthalten:



    Einzeln sah das so aus:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine Aufnahme, die man auch einbringen sollte, ist die letzte von Klaus Tennstedt aus dem Jahre 1993. Danach konnte er krankheitsbedingt nicht mehr dirigieren. Sie ist also eine Art musikalischer Abschied. Sie soll dem Vernehmen nach deutlich gelungener sein als die Studioaufnahme. In der nachfolgenden Box ist sie scheinbar enthalten:

    ... oh Gott, lieber Joseph, meine Wunschliste reicht inzwischen himmelweit! :angel:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Eine Aufnahme, die man auch einbringen sollte, ist die letzte von Klaus Tennstedt aus dem Jahre 1993. Danach konnte er krankheitsbedingt nicht mehr dirigieren.



    Diese Aufnahme liegt gerade bei mir im Player. Ich habe sie schon ein paar Wochen, aber die 2. CD mit dem letzten Satz der 6. und dem ersten der 7. war verlegt, nun habe ich sie zum Glück wiedergefunden (unter einem Stapel ungehörter CDs :untertauch: ). Ja, Tennstedt ist als Mahler-Dirigent nicht unumstritten, aber seine späten Live-Aufnahmen geniessen unter Mahlerianern ein hohes Ansehen. Erste Eindrücke: relativ langsame Tempi (Solti-Fans brauchen jetzt nicht weiterlesen), sehr individuelle Gestaltung dieser Tempi mit mehr Agogik als sonst üblich, aber m.E. immer im Sinne der Musik. Also ein Dirigat ähnlich wie beim späten Bernstein. Eher romantisch als in Richtung Moderne, die z.B. Gielen in exzellenter Weise ausspielt. Offenkundig war Tennstedt auch ein Live-Dirigent, den die Studiosituation eher hemmte. Wertvolle Aufnahmen als Ergänzung zu den üblichen Verdächtigen. Die Tonqualität ist gut, gerät aber an einigen Höhepunkte etwas an ihre Grenzen.

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  • Ja, leider sind die CDs von Exton ziemlich teuer und schwer zu bekommen. Na mal sehen, was der Weihnachtsmann bringt.


    Hallo Lutz!


    Wie ich Dir erzählt habe, habe ich amazon streaming unlimited. Dort gibt es zahlreiche Scheiben zum Direkthören.


    Gruß
    Wolfgang

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo


  • So hörenswert der Diepenbrock ist, so fade ist dagegen der Kopfsatz der 7.: Chailly dirigiert das "ohne Punkt und Komma", man hat das Gefühl, dass er sich routiniert durch diesen Satz "durchhangelt", ohne einen Blick und eine Idee für das Ganze zu haben und ein wirklich tieferes Verständnis von Mahler zu gewinnen. Wenn ich über Ashkenazy gemeckert habe, dann ist das dagegen Mäkeln auf wirklich hohem Niveau!


    Schöne Grüße
    Holger

  • Dieser Tage stieß ich auf einen hochinteressanten Artikel (dt. "Das versteckte Programm von Mahlers siebter Symphonie") von Niall O'Loughlin von der Loughborough University, Leicestershire, England, der vor 20 Jahren in einem Sammelband der slowenischen Universität Ljubljana (zum Glück auf Englisch) erschienen und online als PDF abrufbar ist.


    O'Loughlin spricht sich für eine "faustische Interpretation" der Siebenten von Mahler aus und sieht deutliche Anlehnungen an Wagner. So erwähnt Mahler in einem Brief an seine Frau Alma ein Konzert mit dieser Symphonie in Amsterdam, dem Wagners "Eine Faust-Ouvertüre", das "Siegfried-Idyll" sowie das "Meistersinger"-Vorspiel vorangegangen seien. O'Loughlin datiert dies auf 1908 oder 1909 und zitiert dazu auch eine Edition der Briefe Mahlers. Sieht man ins Archiv des Concertgebouw-Orchesters, so stößt man am 7. Oktober 1909 tatsächlich auf eine Aufführung der 7. Symphonie unter des Komponisten eigener Leitung, der allerdings nur das "Meistersinger"-Vorspiel vorangestellt wurde. Zumindest scheint Mahler die beiden anderen Wagner-Werke aber in einem Kontext mit seiner Symphonie gesehen zu haben.


    Am Ende des Artikels ist eine Tabelle mit einem möglichen Programm der 7. Symphonie skizziert, das allemal bedenkenswert ist, selbst wenn man dem Autor nicht in jedem Detail folgen mag. Ich erlaube mir mal, diese Tabelle, auf Deutsch übersetzt, hier abzubilden:


    programmmahler7ciknk.png


    Quelle: O'Loughlin, Niall, The Hidden Programme of Mahler's Seventh Symphony, in: Muzikološki Zbornik / Musicological Annual XXXVI, Ljubljana 2000, S. 73-82.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Dieser Tage stieß ich auf einen hochinteressanten Artikel (dt. "Das versteckte Programm von Mahlers siebter Symphonie") von Niall O'Loughlin von der Loughborough University, Leicestershire, England, der vor 20 Jahren in einem Sammelband der slowenischen Universität Ljubljana (zum Glück auf Englisch) erschienen und online als PDF abrufbar ist.

    Sehr interessant, lieber Joseph. Ich werde mir das mal anschauen. Das Thema ist natürlich schwierig, weil solche Versuche letztlich ziemlich spekulativ bleiben. Deswegen habe ich mich auch nicht getraut, da selber eine Deutung zu versuchen und zu vertreten. Weil ich nicht gerne spekuliere, sondern schon gerne etwas handfestere Belege hätte. ^^ :hello:


    Schöne Grüße

    Holger

  • O'Loughlin spricht sich für eine "faustische Interpretation" der Siebenten von Mahler aus und sieht deutliche Anlehnungen an Wagner.

    Und spricht dabei von einem "versteckten Programm" von Mahlers Siebter. Das ist zu beachten, denn es handelt sich hier um einen zwar interessanten, aber eben nur hypothetischen Interpretationsansatz, der aus der Tatsache abgeleitet wird, dass Mahler diese Sinfonie zusammen mit Wagner-Musik aufführte.

    Nur weiß man nicht, warum er das tat, denn es gibt von ihm keine Erklärung dafür, und in der Mahler-Literatur finden sich unterschiedliche Deutungsversuche dazu.


    Mir scheint der Interpretationsansatz von Constantin Floros, und das sieht ja Herr Dr. Kaletha, wie er an anderer Stelle bekundete, wohl genauso, eher plausibel, dass Mahler mit dieser Sinfonie einen "symphonischen Entwurf zu Nietzsches >Also sprach Zarathustra< und zum gleichnamigen Tongedicht von Richard Strauss" schaffen wollte. Er stützt sich dabei unter anderem auf den "panegyrischen Ton" des Finales mit seinem sieben Mal wiederkehrenden Ritornell, wobei das ja letztmals mit der Anweisung "etwas feierlich, prachtvoll" versehen ist.


    Aber wie unterschiedlich dieses Finale in der Literatur aufgefasst und verstanden wird - Constantin Floros findet es ja auch da und dort ein wenig "lärmend" - , das wurde mir heute wieder einmal bewusst, als ich auf diese Äußerung von Michael Gielen stieß (in "Mahler im Gespräch", Stuttgart 2002). Ich zitiere mal daraus, weil sich darin ein Bezug zu der Aufführung mit der Meistersinger-Musik findet:

    "Wenn man ihn (diesen Finalsatz) ... ernst nimmt, dann stellt sich doch heraus, dass die Reprisen der Hauptideen immer weiter deteriorieren, daß es einen Abbau dieser Positivität im Klang gibt. Wenn dieser Refrain (der Anfang des Rondos) wiederkommt und wiederkommt, dann wird er immer schütterer instrumentiert. Er ist zwar immer noch sehr laut, aber nicht mehr voll: es gibt ein Loch in der Instrumentation. (...) Oder ein andermal spielen die Glocken nicht so wie eben bei einer echten Krönung (...), sondern sie machen die Musik nieder, das ganze verkommt (...) zu einer äußerlichen Zeremonie.

    Oder ein anderer Charakter, das Tempo II, auch ein Teil de Refrains, eine eher biedere, arbeitsame, ehrliche Musik, verkommt in den Reprisen (...) immer mehr zu einer Stickdeckchen-Sache, zu Kitsch. Beim letzten Mal schließlich erscheint er als ein langsames Menuett, und dazu wird gejodelt.

    Mahler bleibt da ziemlich lange dabei sogar, das ist nicht nur so ein momentaner Einfall, sondern ich meine, daß das eine Konsequenz seines Denkens ist:

    Er gibt sich Rechenschaft, daß einem modernen Komponisten um 1905 die Positivität der >Meistersinger< von 1870 nicht mehr gegeben ist." (S.132/33). (Fettdruck von mir)


    Das ist, finde ich, eine interessante und, weil sich auf die Anlage der Musik stützende, sachlich fundierte Deutung des Finalsatzes und überdies - so verstehe ich diese Äußerung - indirekt eine Erklärung für die von Mahler vorgenommene Verbindung der Siebten mit dem Meistersinger-Vorspiel bei der Aufführung in München und Amsterdam.

    Robert Hirschfeld sah übrigens in seiner Kritik der Wiener-Aufführung von 1909 in dem "trostlos zerfahrenen Finale" eine "fürchterliche Verhöhnung des Vorspiels zu den >Meistersingern<".


    Bemerkenswert, dass da einer im Finale - wohl an dem vermutlichen Meistersinger-Zitat Mahlers darin Anstoß nehmend - wie auch Gielen einen Bezug zu Wagners Musik zu vernehmen und zu erkennen meint, - ihn aber in der dahinterstehenden kompositorischen Intention völlig anders deutet und wertet.

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  • Gustav Mahler

    Sinfonie Nr.7 E-Moll

    Takashi Asahina

    Osaka Philharmonic Orchestra

    Live: Toyko Bunka Kaikan, 28.07.1981

    1.24:40

    2.18:50

    3: 9:45

    4.16:43

    5.21:12

    asahina-7.1981.jpg


    Mahlers siebte Sinfonieist ein komplexes Werk, aber eines seiner besten Sinfonien. Der erste Satz ist hauptsächlich in E-Moll und soll die erziehende Dämmerung bei Einbruch der Dunkelheit hervorrufen. Die nächsten drei Sätze sind dunkel und geheimnisvoll und erinnern an die Nacht selbst. Die abschließende Bewegung ist in C-Dur und erinnert an den Sonnenaufgang, so dass die Arbeit mit einer optimistischeren Note endet. Asahina hält die Sinfonie in einem schönen Tempo voran.


    Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie. Wem meine Musik sich verständlich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die anderen schleppen.

    Ludwig van Beethoven


    Bruckner+Wand So und nicht anders :)