Polnische Komponisten des 20. Jahrhunderts

  • Karol Szymanowski höre ich sehr gerne. Die Violinkonzerte liegen natürlich in mehreren sehr guten Einspielungen vor, diese eine möchte ich besonders empfehlen; glühende Intensität, ausgezeichneter Klang:


    Auch seine Oper "Krol Roger" (König Roger) ist mehr als nur einen flüchtigen Lauscher wert, vielmehr handelt sich um ein musikdramatisches Meisterwerk:


    Grundsätzlich würde ich aber schon sagen, dass polnische Musik vom deutschen Klassik-Publikum unterschätzt wird. Der einzige wohl wirklich akzeptierte polnische Komponist ist natürlich Chopin, der jedoch irgendwie auch als 'internationalisiert' gilt. Da spielt von deutscher Seite sicher auch so etwas wie kulturelle Arroganz eine Rolle, die aus den düsteren Zeiten der deutsch-polnischen Geschichte unterschwellig überlebt hat (und mit den düsteren Zeiten sind nicht nur die NS-Jahre gemeint. Erinnert sei an die preußische Germanisierungspolitik in den von Preußen in den polnischen Teilungen annektierten polnischen Gebieten) . Das Polnische galt als minderwertig. Ich glaube, dass diese alten Haltungen auch noch ein wenig nachwirken.


    Grüße,
    Garaguly

  • ich möchte auf Krzystof Penderecki aufmerksam machen. Anläßlich der EU-Erweiterung 2004 habe ich Pfingsten 2004 im Gewandhaus in Leipzig ein Konzert mit einer Uraufführung erlebt, die mich ziemlich beeindruckt hat. Leider weiß ich nicht mehr, wie das Stück heißt. Eigentlich tue ich mich immer sehr schwetr mit zeitgenössischen Komponisten, aber bei Penderecki ging es mir nicht so.


    Bartolifan


  • Die "Sinfonie der Trauerlieder" von Gorecki erstürmte Anfang der 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts nicht nur die Klassik-Hitparaden. Sie ist ein Beleg dafür,daß zeitgenössische Musik durchaus in der Lage sein kann,die "Massen" zu begeistern.
    Die Aufnahme mit Zinman/Upshaw gehört m.E. in jede gutsortierte Klassiksammlung.


    Nigel Kennedy nahm zwei verschollene Violinkonzerte der polnischen Romantiker Mieczyslaw Karlowicz und Emil Mlynarski auf.

    mfG
    Michael

  • In Beitrag 8 von Garaguly wurde Witold Lutosławski (* 1913 in Warschau; † 1994 ebenda) in diesem Thread kurz erwähnt. Der polnische Komponist könnte dieses Jahr den 100. Geburtstag feiern.



    In dieser BOX sind Werke Lutosławskis, die der Komponist dirigiert. (Louis Devos, Krakow Radio Chorus, Polish Chamber Orchestra, Polis RSO, Witold Lutoslawski)

    Naxos hat einiges in der Interpretation mit dem Polish National Radio Symphony Orchestra unter Antoni Wit veröffentlicht.


    Das Label Chandos widmet sich ebenfalls dem grossen polnischen Komponisten. Das BBC Symphony Orchestra und Edward Gardner haben es inzwischen auf fünf CDs gebracht. (Aufnahmeformat SACD)


    Der Dirigent Esa-Pekka Salonen war Schüler Lutosławskis. Mit dem Los Angeles Philharmonic Orchestra hat er alle vier Sinfonien eingespielt.

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo,


    zu polnischer Klassik fallen mir neben Chopin sofort Gorecki und Szymanowski ein. Die in diesem Thread schon vorgestellte 3te Symphonie von Gorecki habe ich mit David Zinman und Dawn Upshaw in der Davis Hall in San Francisco gehört - die lokale Erstaufführung. Das war sehr eindrucksvoll und auch meine erste Begegnung mit minimalistischer Musik.


    Von Szymanowski habe ich etwas mehr in meiner Sammlung. Das erste Violinenkonzert, die Symphony Concertante for Piano and Orchestra (Op. 60), das Stabat Mater und die Symphonie Nr. 3. Leider sind die CDs, die ich habe, weder bei Amazon noch bei JPC zu sehen - das Preisschild zeigt als Kaufdatum 1994.


    Während Chopin für mich in der ersten Reihe der Klassik Komponisten steht ist Szymanowski eher ein Vertreter der zweiten Reihe. Die oben aufgeführten Werke sind aber trotzdem sehr hörenswert. Genies wie Chopin werden eben nicht pausenlos geboren!


    Herzliche Grüsse
    Eckhard

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  • Polnisches von einem hochbegabten Polen gespielt:


    Der Szymanowski ist sehr hörenswert - eine gewisse Scriabin-Nähe unüberhörbar!



    Ebenfalls sehr hörenswert:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ergänzend zu der bereits vorgestellten dritten Symphonie von Górecki möchte ich auch auf die geistliche Musik dieses hochinteressanten Komponisten verweisen. Górecki selber sagt:


    Tarkowski said that art is prayer. It is something that I also emphasize. But it is difficult to understand: one has to mature to this thought. It seems to many people that prayer means to "recite the Hail Mary"-- but someone may recite "Hail Mary" as many times as one wants and it will not be prayer. Olivier Messiaen said during a meeting in Katowice that he is a man of prayer. But what does he do? He writes his notes down, he listens to his birds. And this is supposed to be prayer?" [Górecki, interview with Maja Trochimczyk, 1997]

    meine Übersetzung:


    "Tarkowski hat gesagt, dass die Kunst ein Gebet sei. Diesen Sachverhalt möchte ich ebenfalls betonen. Aber das ist schwer zu verstehen: man muss erst reif werden für diesen Gedanken. Scheinbar denken viele Menschen, Beten bedeutet, das Ave Maria aufzusagen - aber man kann das Ave Maria so oft aufsagen, wie man will, ohne dass es ein Gebet ist. Olivier Messiaen sagte bei einem Treffen in Kattowitz, er sei ein Mann des Gebetes. Aber was tut er? Er schreibt seine Noten auf, er hört seinen Vögeln zu. Und das soll ein Gebet sein?"


    Ausführlicher nachzulesen hier:
    "http://www.usc.edu/dept/polish_music/composer/gorecki.html"


    Diese Komponente tiefer Gläubigkeit, die noch befeuert wurde durch den polnischen Papst Johannes Paul II, hat ihren Niederschlag auch in der Musik gefunden. Empfehlen möchte ich zum Beispiel das schöne, ergreifende Werk "totus tuus", das Górecki für gemischten a capella Chor in den 1980er Jahren geschrieben hat. Zu finden ist es auf dieser rundum empfehlenswerten CD:


  • [timg]http://upload.wikimedia.org/wi…d.jpg;l;170;249;*;Tadeusz Baird[/timg]
    Tadeusz Baird (* 26. Juli 1928 in Grodzisk Mazowiecki; † 2. September 1981 in Warschau) war ein polnischer Komponist. Er lernte privat 1934 und von 1940 bis 1944 Klavier in Warschau. Nach dem Warschauer Aufstand 1944 wurde er von den Nazis verhaftet und in der Nähe von Münster inhaftiert. 1945 befreiten ihn die Briten, die ihn in ein Militärkrankenhaus bei Hagen brachten.
    Im Jahr 1946 kehrte er zurück nach Polen, wo er Musikwissenschaften und Komposition studierte. Seit 1974 unterrichtete er an der staatlichen Hochschule für Musik und wurde 1977 Professor für Komposition.



    Zitat von wiki

    Die persönliche Sprache des Komponisten zeichnet sich durch Intensität im Lyrischen aus. In Werken seit etwa 1956 erprobte Baird musikalische Mikrostrukturen nach dem Vorbild Anton Weberns. Sie sind aber immer von sehr starker Expressivität geprägt, da er sich vor allem dem Vorbild Alban Bergs zuwandte.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Wojciech Kilar (* 17. Juli 1932 in Lwów, Ukraine; † 29. Dezember 2013 in Katovice, Polen) war ein polnischer Komponist von Klassischer und Filmmusik.


    R. I. P.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Alexandre Tansman (1897-1986) war ein jüdisch-polnisch-französischer Komponist, der wie alle Komponisten seiner Generation durch die Zeitläufte des 20. Jahrhunderts geprägt wurde. In Lodz geboren studierte er dort und Warschau Musik und gewann 1919 zwei Preise für Kompositionen. 1920 ging er nach Frankreich und floh nach dem Einmarsch der Nazis erst nach Südfrankreich und später in die USA. Dort war er in Hollywood vor allem als Komponist für Filmmusik tätig und erhielt auch eine Oscar-Nominierung.
    1946 kehrte Tansman nach Paris zurück. Hier schrieb er u.a. eine Biografie über Igor Strawinsky, den er in den Jahren des Exils gut kennengelernt hatte. Verheiratet war er seit 1937 mit der Pianistin Colette Cras , der Tochter des französischen Komponisten Jean Cras.


    Sein Werkkatalog ist umfangreich und umfasst u.a. 9 Symphonien.


    Das Ballett Bric-a-Brac entstand 1937 in Berlin. Der Begriff bedeutet Nippes, Trödelkram, Ramschladen. Das fast 40-minütige Werk ist eine freche, muntere Mischung aus Petroushka, Rhapsody in Blue, und was sonst so im Paris der Zeit zwischen den Kriegen an Musikstilen populär war. Recht kurzweilig, nicht sehr tiefschürfend und vielleicht ein Tick zu lang. Die Bamberger unter Israel Yinon haben offenkundig Spaß daran.


  • Witold Maliszewski war ein polnischer Komponist und Musikpädagoge. Er hat in Sankt Petersburg bei Nikolai Rimski-Korsakow studiert. Maliszewski gründete und leitete von 1908 bis 1921 das Konservatorium von Odessa. Außerdem leitete er später die Leitung der Musikschule »Fryderyk Chopin« für ca. 3 Jahre. Einer seiner bekannten Schüler war Witold Lutosławski.


    Es gibt von ihm einiges auf Tonträger:


    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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  • diese CD habe ich auch und bin begeistert.


    Aber mal eine Frage: müsste eigentlich Karol Szymanowsky auch längst genannt werden sollen, gerade unter uns Pianophilen ?

    Lieber Siamak,


    für mich war G. Bacewicz eine wirkliche Entdeckung! Mit Szymanowsky hast Du natürlich völlig Recht - und außerdem fehlt auch noch Krzyztof Penderecki, der bei einem Konzert in der Bielefelder Oetkerhalle, das ich erleben konnte, sogar selber anwesend war, als eine Symphonie von ihm aufgeführt wurde.


    Rafal Blechacz setzt sich zum Glück für Szymanowsky sehr ein. Von Arthur Rubinstein hätte man gerne sehr viel mehr, denn Rubinstein war mit Szymanowsky Zeit seines Lebens sehr eng befreundet und hat ihn sehr häufig gespielt. Das ist aber wohl auf Platte kaum dokumentiert.




    Penderecki habe ich auf CD leider gar nicht - das muss sich ändern.


    Dafür aber von Lutoslawski manches wie das hier:



    Schöne Grüße
    Holger


    Schöne Grüße
    Holger

  • Von der Klaviermusik Szymanowski gibt es einige herausragende Einspielungen:



    Für die Mythen ist wohl nach wie vor diese Aufnahme Referenz, die Geigerin spielt auch auf der Bacewicz CD die 1. Geige:


  • Hallo,


    bei einem Gastkonzert der Krakauer Philharmoniker (hervorragende Bläser) in der Meistersingerhalle Nürnberg hörte ich neben Szymanowski, Konzert-Ouvertüre op.12 (Die Hörer im Parkett 1. Reihe taten mir akustisch leid, ich saß am Ende des Konzertsaales im 1. Rang), Chopin, Fantasie op. 13, Penderecki, Sinfonie. Nr. 2, Lutoslawski, Variationen über ein Thema von Paganini; seine 1. Fassung für Soloklavier, dann 2 Klaviere, dann Orchesterfassung, die mich begeisterte und nun kurz vorstelle.
    https://www.youtube.com/watch?v=kJrcObgcl_Y Bitte auf "mehr anzeigen" klicken.



    Sofort bei der Themavorstellung wird die Paganini-Harmonik von Lutoslawski in den Beginn des 21. Jh. verschoben, dabei bleibt aber Chopin durchgehend hörbar. Die Rhythmik bleibt weitgehend erhalten, bekommt aber zu“hörends“ mit Rhythmusverschiebungen, -erweiterungen, Synkopen einen Hauch von Jazz (langanhaltender Beifall, 3 Zugaben!).


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler