Sergej Prokofjew: Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur, op. 26

  • Liebe Forianer und Forianerinnen,


    es gibt bereits einen Thread über die Klavierkonzerte von Prokofjew, aber halt noch keinen Spezialthread über einzelne Konzerte.
    Und da mir das durchaus angebracht erscheint, fange ich mal mit dem wohl populärsten der von Prokofjew geschriebenen fünf Klavierkonzerte an.



    Entstehungsgeschichte


    Das Werk an sich entstand über mehrere Jahre im Zeitraum von 1917 bis 1921. Wenn man es ganz genau nimmt, waren die ersten Teile sogar noch früher da, denn die parallelen Dreiklänge aus der Reprise des ersten Satzes schrieb Prokofjew schon 1911 auf Vorrat, als er an einem großen Konzert für Klavier schrieb.
    Andere Themen plünderte er aus einem geplanten zweisätzigen Streichquartett, das er aber nicht vollendete. Das Konzert entstand in der Nähe des Balletts "Der Narr" und der Oper "Die Liebe zu den drei Orangen". Im Jahr 1921 reiste Prokofjew in die Bretagne und vollendete sein Drittes Klavierkonzert, indem er die restlichen Themen komponierte und alles in eine richtige Form brachte.


    Uraufgeführt wurde das Konzert am 16.12.1921 in Chicago. Prokofjew spielte selbst unter der Leitung von Frederick Stock. Es folgten Aufführungen in New York, Paris und London. Überall hatte er großen Erfolg mit dem Konzert, auch als es 1923 in seinem Heimatland in Moskau erstmals gespielt wurde.


    Prokofjew hat nie am Werk nachträglich herumgewerkelt, wie er das bei einigen anderen gemacht hat. Er schien damit also so zufrieden zu sein, wie es war.



    Werkbetrachtung


    Eine hervorstechende Eigenart ist das merkbar russische Kolorit. Obwohl es ohne Volksweisen o.ä. auskommt, wirkt es doch ziemlich russisch.
    Ich persönlich meine auch an manchen Stellen einen französischen Stil herauszuhören. Vielleicht ließ er sich in seiner Zeit in der Bretagne auch von dort noch etwas beeinflussen.
    Das Konzert ist sehr rhythmisch geprägt, genauso kommt aber auch die melodiöse Seite zum Tragen. Technisch ist es für den Pianisten höchst anspruchsvoll, obwohl es in der Klaviertonart C-Dur steht. Der Solist hat toccatenartige Elemente und komplizierte Akkordgirlanden zu bewältigen.



    Prokofjew im Jahr 1921


    Der 1. Satz ist ein Sonatensatz, in der die Durchführung sehr spärlich daherkommt. Eingeleitet wird er durch eine sehr kantable Klarinettenmelodie, die als Introduktionsthema dient. Doch schon bald fangen die Streicher einen regen Lauf an, der in das Hauptthema des Klaviers mündet. Durch reichlich Passagenwerk kommt der Pianist in eine kleine Solo-Übergangsstelle, die zum 2. Thema führt. Dieses 2. Thema ist besonders charakteristisch für seine Kastagnetten-Begleitung. Es folgt dann noch ein drittes Thema, das vom Orchester nahezu unisono kommt und im Klavier triolisch umspielt wird.
    Die Durchführung kommt ziemlich abrupt und bringt das Einleitungsthema wieder, das sich jetzt etwas mehr ausbreiten darf und auch vom Klavier verarbeitet wird.
    Es folgt die Reprise, die wieder durch den Passagenwettlauf, dieses Mal vom Klavier, eingeleitet wird. Die Streicher lassen sich mitreißen und das erste Thema kommt erneut, dieses Mal noch virtuoser und kühner. Daran erschließt sich dann zuerst das dritte Thema wieder, bevor das zweite Thema harmonisch und klanglich verfremdet wieder auftaucht.
    Wieder leitet das Klavier durch diesen Wettlauf den nächsten Abschnitt ein. Die Coda ist aber plötzlich mit einem lauten Knall vorbei, als sich alle Instrumente von diesem Sog haben mitreißen lassen.


    Der 2. Satz ist ein Variationssatz, der ein Originalthema variiert. Dieses Thema ist sehr sanglich und wahrscheinlich das am Besten zu merkende Thema des ganzen Konzerts. Es folgen fünf Variationen, die zum Teil sehr frei bearbeitet sind. Mal als Stimmungsbild, mal motorisch extrem verzerrt. Auffällig ist die Plagalkadenz am Ende einer jeden Variation.


    Das Finale ist eine Rondo-Form mit einem Haupt- und zwei Seitenthemen. Das diatonische Hauptthema ist mit dem Hauptthema des ersten Satzes verwandt, bekommt aber durch den Rhythmus eine ganz entschiedene eigene Akzentuierung. Eines der Seitenthemen ist äußerst lyrisch und eine ruhige Insel im sonst so wilden Finalsatz. Zum Schluss steigert sich wieder alles und in rhythmischen und frivolen Schlägen findet das Konzert sein Ende.


    Das diatonische Element habe ich schon erwähnt. In der Tat ist es so, dass es einige Passagen in der Partitur gibt, in denen taktelang über das ganze Orchester verteilt kein Vorzeichen vorkommt. Und das will ja für Prokofjew schon was heißen. Diese Idee dieser Diatonik ist aus seinem ursprünglichen geplanten Streichquartett entnommen. Er hat es nämlich deshalb nicht vollendet, da er meinte, die Diationik wäre auf die Dauer zu eintönig. Es sollte ein komplett "Weißes Quartett" werden.


    Insgesamt gesehen lebt das Konzert von den unerwarteten Kontrasten. Man kann sich gerade in einer ruhigen Stimmung wähnen, schon kommt der Paukenschlag zum nächsten Teil mit motorisch-rhythmischen Passagen.


    Momentan ist das Dritte Klavierkonzert mein Lieblings-Klavierkonzert, da es mich von der Tonsprache ungemein anspricht und manche Stellen (wie z.B. das Thema im 2. Satz :jubel:) einfach zum Niederknieen schön sind.


    Meine Aufnahmen werde ich demnächst noch gezielt vergleichen und dann hier vorstellen.



    :hello:


    LG, Peter.

  • Zitat

    Original von petemonova
    Meine Aufnahmen werde ich demnächst noch gezielt vergleichen und dann hier vorstellen.
    LG, Peter.


    Ein Vergleich sollte meiner Meinung bei dieser Aufnahme beginnen, der ältesten Einspielung (?).Mit PROKOFIEV selber wurde 1932 eine Aufnahme gemach!.



    Gruß pt_concours

    Hören, hören und nochmals hören: sich vertraut machen, lieben, schätzen.
    Keine Gefahr der Langeweile, im Gegensatz zu dem, was viele glauben, sondern vielmehr Seelenfrieden.
    Das ist mein bescheidener Rat. (S. Richter, 1978)

  • Hallo,


    Danke Peter für den überfälligen und gut verfassten Thread!
    Danke concours für den Tip - Überraschend, wie schnell Prokovieff sich den zweiten Satz offenbar vorstellte!


    Ich habe nur folgende aufnahme, mit der ich recht zufrieden bin:



    LG
    Raphael

  • Hallo, miteinander!


    Auch meinerseits ein Danke an Peter! :angel:


    Eine Handvoll Aufnahmen des 3. Klavierkonzerts besitze ich auf CD bzw. in Gestalt von Rundfunkmitschnitten.


    Die beiden folgenden schätze ich am meisten:



    Die in Moskau entstandene Einspielung aus dem Jahr 1962 ist äußerst agil, kraftvoll und farbig. Dauer: knapp 27 Minuten



    Auch wenn mich das 2. und das 4. Konzert aus dieser Gesamtaufnahme noch mehr begeistern, besticht doch das Raffinement auch des 3. Konzerts (Aufnahme von 1996) bei gegenüber Janis oft etwas zurückgenommenen Tempi. Dauer: knapp 31 Minuten


    Nicht ganz so schätze ich eine Einspielung mit Vladimir Ashkenazy auf DECCA.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo Peter,


    eine gute und den Werken angemessene Idee die Klavierkonzerte auch einzeln zu betrachten.


    :angel: Das Prokofieff-Klavierkonzert Nr.3 ist auch mein Lieblingskonzert von Prokofieff.
    Der Zufall, oder meine immer schon vorhandene Auswahllust für spektakuläre Aufnahmen, führte dazu, das ich schon zur LP-Zeit meine heute immer noch favorisierte Aufnahme als CBS-LP kaufte (heute auch als CD):



    KK Nr. 1 und 3
    Graffmann / Cleveland Orchestra / Geroge Szell
    SONY, 1962, ADD


    Graffmann / Szell bieten eine hochvirtuose Sicht, die nicht nur kraftvoll farbig ist, sondern auch im agilen präzisen Orchesterspiel voll überzeugt.
    Die angemessen straffe Spielzeit: 8:52 - 9:28 - 9:32 = 27:52



    Zitat

    Zitat von WolfgangZ
    Nicht ganz so schätze ich eine Einspielung mit Vladimir Ashkenazy auf DECCA.


    Ich wollte eigendlich fragen - Wieso ?
    Aber die Frage beantwortet sich für mich durch folgende Überlegungen:
    Ich hatte die Ashkenazy-Aufnahmen der KK alle auf LP. Die KK-GA ist rundum gelungen und für sich gesehen eigendlich voll OK ohne Fehl und Tadel. Gerade das KK Nr.3 habe ich eigendlich mit Ashlenazy immer gerne gehört. Auf CD habe ich diese dann nicht mehr erworben, weil die bessere Konkurenz dies einfach unnötig gemacht hat.


    Zu dieser fabelhaften Konkurenz gehören neben Graffmann/Szell die Aufnahmen mit
    Krainew / Moskauer PH / Kitaenko (Eurodisc 1985)
    9:00 - 9:39 - 8:50 = 27:29


    Kitanko /Krainew bieten hier noch das fabelhafte russische Flair, das in ihrer späteren Frankfurter Aufnahme (APEX/Teldec) verloren ging.


    und


    Postnikowa / Großes SO des Kultusmin.der UDSSR / Roshdestwensky (Melodiya 1985)
    9:50 - 9:47 - 10:56 = 30:33


    Das Victoria Postnikowa langsamer spielt, als ihre Konkurenz ist deutlich zu spüren (auch bei den Tschaikowsky - KK) schmälert das Gesamtergebnis aber nur gering und wird durch die stahlharte mannhafte russische Orchesterbegleitung ihres Mannes wieder aufgewogen.
    Ein Interpretation voll Emotionen.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo, Wolfgang!


    Es ist wohl so, dass das Bessere der Feind des Guten ist. Und im Vergleich zu Toradze oder Janis oder Krainjew, Graffman oder Argerich oder wohl auch Kissin (die ich zum Teil auch schon gehört und von denen ich vor allem Gutes gehört und gelesen habe) ist Ashkenazy doch glatter. Außer Zweifel stehen der souveräne Klang und der perfekte Klavierpart.


    :hello: Besten Gruß von Wolfgang von weiter im Süden (dennoch etwas entfernter von Wien als von Bonn)

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Auch auf die Gefahr hin, mein Urteilsvermögen als zweifelhaft erscheinen zu lassen: Die Interpretation des Konzertes durch Ashkenazy (unter Previn) hat für mich nach wie vor einen hohen Rang.


    - Seine Technik ist außerhalb aller Diskussion.
    - In rhythmischer Hinsicht ist Ashkenazy überaus pointiert und zeigt auch Sinn für Humor (2. Satz).
    - Den herrlichen Mittelteil des Finale, der mich immer an einen sehr langsamen und etwas unheimlichen Tanz von Spinnen erinnert (wie sie ihre Beine erst zögernd strecken und dann plötzlich sehr rasch hervorschnellen lassen - einfach herrlich gruselig!), vermag er viel besser als z.B. Kissin oder selbst die Argerich zu einer Traumlandschaft zu verwandeln, in die dann mit dem wiederaufgenommenen Hauptthema des Satzes ein Wirbelsturm hereinbricht, um sie in einem einzigen Rausch aus Glissandi und Akkordkaskaden untergehen zu lassen.


    Ich weiß nicht vieles, was man da besser machen könnte. Vielleicht sollte ich mir diejenigen anhören, denen ich noch mehr zutraue: Pletnev, Lugansky und vor allem - Prokofiev-Geheimtip! - Frederic Chiu. Kennt jemand die Aufnahmen?

    Musik: Atem der Statuen. Vielleicht: Stille der Bilder. Du Sprache wo Sprachen enden. Du Zeit, die senkrecht steht auf der Richtung vergehender Herzen. (Rilke)

  • Noch nicht genügend gelobt wurde hier die folgende Aufnahme



    von Martha Argerich und Charles Dutoit. Das muss ich nachholen.


    Leider habe ich keine Vergleichsaufnahme, so dass ich diese CD nicht wirklich einordnen kann. Jedenfalls gefällt mir diese Einspielung sehr gut. Ich habe den Eindruck, dass man Prokofievs 3. Klavierkonzert nicht besser spielen könnte (gilt auch für die anderen Konzerte auf dieser CD). Das Nebenthema im dritten Satz ist wirklich herzerweichend. Auch vom Klangbild halte ich die Aufnahme für sehr gelungen.


    Viele Grüße
    Frank

  • Nach 10 Jahren kann man hier ja auch mal wieder etwas schreiben. :rolleyes: ich kann nicht vergleichen, weil ich nur diese eine Aufnahme habe

    Von Kempf mit dem Bergen Philharmonic Orchestra unter Litton.


    Aber es ist wirklich ein tolles Klavierkonzert und auch die Aufnahme gefällt mir sehr gut. Einfach sehr sanglich.


  • Ich wollte eigentlich fragen - Wieso ?
    Aber die Frage beantwortet sich für mich durch folgende Überlegungen:
    Ich hatte die Ashkenazy-Aufnahmen der KK alle auf LP. Die KK-GA ist rundum gelungen und für sich gesehen eigendlich voll OK ohne Fehl und Tadel. Gerade das KK Nr.3 habe ich eigendlich mit Ashlenazy immer gerne gehört. Auf CD habe ich diese dann nicht mehr erworben, weil die bessere Konkurenz dies einfach unnötig gemacht hat.


    Inzwischen sind einige Jahre ins Land gegangen.
    Da ich einige der Ashkenazy-Aufnahmen der Prokofieff-KK früher mal in ganz guter Erinnerung auf LP hatte und letztes Jahr diese Ashkenazy/Previn-GA (Decca) für wenige Cent bestellen konnte, habe ich diese als Prokofieff- und Ashkenazy-Fan auch auf CD vorliegen.
    *** Nun gut, der Kauf wäre nach der genannten Konkurrenz nicht mehr so zwingend notwendig gewesen, denn der Schwachpunkt liegt eigentlich nur orchestral bei Previn ...
    ansonsten insgesamt eine brauchbare GA ... diesesmal der oberen Mitte ...
    :) Am besten gefällt mir in dieser GA noch das KK Nr.3



    Decca, 1974-5, ADD


    :thumbup: Meine Favoriten finden sich (nach wie vor) in Beitrag 5.





    Hallo lieber Friese,


    es freut mich, dass Du eine aktuelle Aufnahme nach 2000 der KK Nr.2 und 3 gefunden hast, die Dich zufriedenstellt. Vielleicht hast Du im Laufe der Zeit mal die Gelegenheit für weitere Vergleiche ...
    auch die in Beitrag 8 von Frank Pronat genannte Aufnahme mit Argerich/Dutoit (EMI, 1997, DDD) habe ich inzwischen seit ca 10 Jahren. Die ist auch ganz grosse Klasse ... aber doch nicht ganz so umwerfend, wie die Russen oder Szell/Graffmann ...


    Warum sollte Freddy Kempf (BIS) nicht gut sein, solange es nicht :D Freddy Quinn ist !?
    :?: Wie gefällt Dir das tolle (= meine Meinung) KK Nr.2 ?

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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