Ravel: Gaspard de la Nuit

  • Je länger ich mir Aufnahmen des Gaspard anhöre, umso mehr bemerke ich, wie entscheidend die Intonation des Flügels ist.
    Eigentlich müsste vor Beginn des Scarbo in Richtung "leicht dunkler" neu abgestimmt werden.
    Den hier besten Kompromiss zu finden, trägt nicht unwesentlich zum Gesamteindruck des Gaspard bei.
    Wunderbare Klangfarben sind ein Merkmal bei Argerich, allerdings auch der etwas zu schlank geratene Tiefton.
    Wie macht das ihr früherer Lehrer Arturo Benedetti Michelangeli?


    Vom Vatikan-Konzert aus dem Jahre 1987 gibt es eine Sonderausgabe aus dem Hause Steinway & Sons.
    Inwieweit die von anderen Veröffentlichungen abweicht, kann ich momentan nicht beurteilen.
    Die Mikrofonierung ist ungewöhnlich nah am Flügel, man kommt sich vor, als spiele man selbst.
    Schön wäre es. :rolleyes:


    Die Abstimmung des Flügels ist - für mich - auf den Punkt genau. Weder Richtung hell noch dunkel, auf die Spielweise des Pianisten präzise abgestimmt.
    Und der überrascht mich im positivsten Sinn.
    Erwartet habe ich ganz unbedarft ein Feuerwerk an Klang und Spielkunst, brilliante Tastenläufe garniert mit feinsten Tonnuancen.


    ABM kommt aus einer anderen Richtung.
    Nach einer kurzen Zeit der Verwunderung über den Vortrag wird es deutlich, überdeutlich:
    Während ich gelegentlich den Eindruck habe, daß manche Pianisten fast froh sind, die schwierigen Stellen dieses Klavierstückes bravourös zu meistern, herrscht hier einer in völliger Gelassenheit und Verinnerlichung über das Werk.
    Es ist nicht irgendeine Besonderheit, wie er dies oder das macht, es ist die fast schon brutale künstlerische Vereinnahmung dieser Komposition.


    Keine weitere Anmerkung.

  • Wie macht das ihr früherer Lehrer Arturo Benedetti Michelangeli?

    Wenn ich nur die Begabung gehabt hätte, lieber Karl! :D Nein, nein, ich bin nur ein stümperhafter Amateur-Pianist ohne Übung! :untertauch: Mein Klavierlehrer und Freund ist Konzertpianist, hat u.a. die Meisterklasse von Claudio Arrau besucht und ist ein großer Bewunderer von ABM.



    Vom Vatikan-Konzert aus dem Jahre 1987 gibt es eine Sonderausgabe aus dem Hause Steinway & Sons.
    Inwieweit die von anderen Veröffentlichungen abweicht, kann ich momentan nicht beurteilen.
    Die Mikrofonierung ist ungewöhnlich nah am Flügel, man kommt sich vor, als spiele man selbst.
    Schön wäre es.

    Was ist denn das für eine Auflage? Ich habe die von ABM selbst autorisierte.



    Es fällt schon auf, dass der Flügel-Klang beim späten ABM dunkler wird. Da spielen sicher verschiedene Dinge zusammen. Die andere Körperhaltung im Alter, das veränderte Ohr, die Wahl der Flügel und die Aufnahmetechnik. Ich habe ihn 1986 mit "Gaspard de la nuit" in der Düsseldorfer Tonhalle gehört. Da kann ich bestätigen, was oft geschrieben wird, dass er zwei verschiedene Interpretationsansätze für "Ondine" hatte. In Düsseldorf machte er es genau entgegengesetzt wie im Vatikan: Die Tremolos in der rechten Hand waren schier unglaublich dicht, wie eine Farbfläche. Diese Gelassenheit kommt bei ihm im Alter tatsächlich - besonders nach seinem Zusammenbruch in Bordeau, wo er dem Tod nur entging, weil zufällig zwei Herzchirurgen unter den Zuhlrern waren. In seinem letzten Hamburger Konzert ist das zu spüren. Da ist er geradezu engelhaft gelöst - singt mit wie einst Glenn Gould. Der Spätstil von ABM ist etwas wirklich Großes. Da fehlen einfach die Veröffentlichungen, besonders auch die Mitschnitte seiner Konzerte mit Celibidache. Ich hoffe doch, da kommt noch etwas heraus! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Danke Karl! Ich glaube, da haben sie einfach diese Einzel-CD nochmals herausgebracht (da steht ja auch, Lizenz von Memoria ABM):



    Ich habe die Doppel-CD, wo noch Debussy Preludes Heft 2, sowie Beethoven KK 5, Liszt Totentanz und das Schumann-Konzert drauf ist. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Meine Suche nach lohnenswerten Einspielungen des Gaspard haben zu folgenden neuen Einkäufen geführt:


    Pierre-Laurent Aimard, den ich für sein feines Gespür für die jeweilige perfekte Tonlage des Flügels sehr schätze.



    und


    Philippe Entremont, den ich bei meinen Recherchen erstmals zur Kenntnis nahm.




    Aimard hat - wie erwartet - eine sehr eigene Abstimmung des Flügels vorgenommen, der Steinway klingt recht dunkel, voluminös, weich.


    Er erzeugt damit einen eigenartig seltsamen Klang, der bei Ondine dieser etwas unheimlich wirkenden, erotisch verlockenden Atmosphäre die richtige Stimmung gibt.


    Dieser Klang bleibt natürlich bei Le Gibet und Scarbo erhalten, kann aber bei diesen Handlungsstücken nicht mehr eine besondere Wirkung bei mir auslösen.


    Insgesamt aber eine hörenswerte künstlerische Leistung, die ihren besonderen Reiz hat.



    Im direkten Anschluß muss man sich bei Entremont erst mal neu justieren. Ein erkennbar helleres Klangbild, anfangs dachte ich, er spielt mit einem Konzertklavier, es geht auch flotter zur Sache.


    Ondine wirkt um einiges lebhafter, ohne daß daraus ein Geklimpere entsteht. Diesen Fehler habe ich leider bei anderen - auch bekannten Künstlern - schon wahrnehmen müssen. Sie verlieren bei diesem Stück gelegentlich die Kontrolle über den genau zu dosierenden Tastendruck.


    Le Gibet hat eine andere Stimmung wie bei Aimard, ohne daß ich hier eine qualitative Wertung abgeben könnte.


    Dann der Scarbo. Das schwierigste Stück, den hat François für sich gebucht. Bisher.


    Je länger das Stück dauert, umso mehr fesselt es mich. Wie Entremont hier in die Tasten haut, wie der Flügel und die Saiten vibrieren, mit welchen fast brutalen Tastenläufen er ein Spektakel der besonderen Art entfacht, ist für mich begeisternd.


    Genau so fühlt es sich an, wenn ein Kobold einem den Schlaf raubt, ein Auf und Ab, ein Hin und Her und plötzlich ist der Spuk vorbei und man schaut verdattert drein.


    So erlebte ich es beim ersten Hören, deshalb gleich nochmal von vorne und erneut in diese Achterbahn eingestiegen.


    Anschließend habe ich mir meine Gedanken gemacht, wie diese außergewöhnliche Wirkung entstehen konnte.


    Es liegt wohl auch daran, daß hier der Toningenieur entweder eine Glanzstunde hatte oder tatsächlich weiß, wie man einen Flügel mikrofonieren muss.


    Man hört bei dieser Aufnahme sehr tief in das Instrument hinein und trotzdem ist die räumliche Abbildung hervorragend. Auch tonal hat der Aufnahmeleiter es im Griff, keine störenden Verzerrungen erkennbar.

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  • Meine Suche nach lohnenswerten Einspielungen des Gaspard haben zu folgenden neuen Einkäufen geführt:


    Pierre-Laurent Aimard, den ich für sein feines Gespür für die jeweilige perfekte Tonlage des Flügels sehr schätze.

    Von Aimard habe ich ja Eingiges, lieber Karl, aber diese Aufnahme nicht. Vielleicht muss ich sie mir doch zulegen, da hast Du mich neugierig gemacht. Auch auf Entremont, die Ravel-GA ist ein zusätzlicher Anreiz für mich als Sammler. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Guten Morgen,


    Wie so oft bringt mich ein Beitrag hier zum nachschauen und zum hören - ich habe nur eine Aufnahme bei mir gefunden :


    https://www.amazon.de/Ravel-In…-4&keywords=ravel+tharaud


    Sorry über asin funktioniert es bei mir nicht....





    Vielleicht kennt jemand meine Aufnahme ? Aufnahmetechnisch ist sie wunderbar, Tharauds Spiel feingliedrig - zieht mich in die Musik hinein.


    Kalli


    P.S. Ich habe noch eine weitere Aufnahme gefunden :
    https://www.amazon.de/Klavierw…r=8-2&keywords=ravel+Roge
    Die höre ich mir später an....

  • Hallo,


    seit gestern bin ich Besitzer dieser seltenen CD, die ich nach langer, langer Suche endlich ordern konnte.





    Es ist eine Aufnahme mit ABM von 1969 aus Lugano.


    Ich frage mich nun, ob diese vielleicht sogar identisch ist mit der von Holger angesprochenen Aufnahme von 1973?


    Sehr auffällig ist bei dieser Liveaufzeichnung ein ordentlicher Huster gleich am Beginn des 1.Satzes "Odine"


    Kannst du mal nachschauen bzw. nachhören, Holger?


    Danke.


    Karl

  • Ja natürlich, lieber Karl. Ich habe diese CD auch mit demselben Cover-Bild, identischem Programm, aber nicht unter dem Label Arcadia, sondern HUNT. Das angegebene Aufnahmedatum ist aber nicht ganz richtig, sondern korrekt ist Lugano 4.6.1968. 1973 ist der Mitschnitt aus Tokyo (in Stereo). Der Lugano-Mitschnitt - im hervorragend aufgenommenen Mono - ist der perfekteste, ausgefeilteste und puristischste von ABM. Über ihn habe ich Gaspard de la nuit kennengelernt - und die Komposition wurde sofort zu einem meiner absoluten Lieblingsstücke, die mich nach wie vor magisch anziehen. :) :hello:


    Schöne Grüße
    Holger


  • 7702693


    Der Perlemuter-Ravel ist exemplarisch - und er zudem eine äußerst sympathische Musikerpersönlichkeit.


    Schöne Grüße
    Holger

    Diese Einschätzungen teile ich ausnahmslos. Er ist in der Spätphase primär als Klavierpädagoge aktiv gewesen.


    Eine weitere Aufnahme dieser "Drei Gedichte für Klavier" scheint mir erwähnenswert zu sein. Es ist diejenige von Charles Rosen:


    Eine irrwitzige Interpretation. Aktuell wohl nur noch in dieser Box erhältlich.


    Viele Grüße
    Novalis

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  • Hallo Holger,


    danke für die hilfreichen Infos.


    Zitat

    Der Lugano-Mitschnitt - im hervorragend aufgenommenen Mono - ist der perfekteste, ausgefeilteste und puristischste von ABM.


    Wo ich mit dir deckungsgleich bin, ist das Attribut "puristisch".


    ABM arbeitet bei dieser Aufnahme einiges besonders deutlich heraus, indem er sich bei anderen Passagen auffallend zurücknimmt.


    Das ist ein interessanter Ansatz, den ich so bisher noch nicht woanders gehört habe.


    Man ist ja wirklich froh, nicht immer das Gleiche vorgesetzt zu bekommen oder noch schlimmer, wenn die Interpretation vor Effekthascherei strotzt und in sinnloser Tastenakrobatik untergeht.


    Bei Ondine muss sich diese seltsame erotische Stimmung einstellen, bei Le gibet ist es das gesetzte, wie festgemeiselte Zeitmaß, das mir als Hörer eine ungewöhnliche Aufmerksamkeit abverlangt, bei Scarbo der nicht faßbare Schrecken und die Raserei.


    Nette Grüße


    Karl

  • Hallo,


    kurz nach der Luganoeinspielung von ABM kam noch eine CD mit Yukio Yokoyama


    Yokoyama,


    die sich - im Nachhinein - perfekt zum Vergleich anbot.


    Ich nehme mir das 1.Stück "Ondine" dazu heraus.


    Bei ABM bemerkt man sofort, wie unterschiedlich beiden Hände zu Werke gehen. Die eigentliche Melodie wird lauter, sehr pointiert, manchmal einzelne Töne fast hackend hintereinander gespielt, als wenn jemand aufgefordert wird, zu kommen.


    So um 3.30 schwillt die Musik bis zu einem gesetzten Höhepunkt um die 3.37 spektakulär an, um danach wie erschöpft abzustürzen.


    Was könnte ABM sich dabei nur gedacht haben? :whistling:


    Demgegenüber eine untergeordnete Begleitung mit der anderen Hand, die sich von Zeit zu Zeit dann doch gezielt vernehmlicher bemerkbar macht.


    Aus diesem Mix entsteht eine Lebendigkeit in der Darbietung, die einen emotional stark anspricht und etwas Eigenständiges im Hörer auslösen kann.


    Und wie macht das Yokoyama?


    Ganz einfach, der spielt das technisch sauber, Note für Note runter.


    Gähnend langweilig und so, als wenn ihm der gedankliche Hintergrund des Stückes nicht bekannt ist.


    Handwerklich eine 1, Künstlerisch 6 (Thema verfehlt).


    Nette Grüße


    Karl

  • Lieber Karl,


    was Du da beim Hören entdeckt hast, hat Olivier Messiaen als den Rhythmus von „anacrouse – accent – désistence“ bezeichnet, den Ravel in „Ondine“ geradezu exemplarisch verwirklicht. „Anacrouse“ ist das langsame Anwachsen der Spannung, „accent“ ist der dynamische Höhepunkt, wohin die rhythmische Steigerungsbewegung hintreibt und „désistence“ ist die darauf folgende Entspannung. Keiner spielt diesen Rhythmus in „Ondine“ so klar heraus wie der „Analytiker“ ABM.


    Um ABM zu verstehen, muss man zudem auf Jean Cocteau verweisen. (Selbst ABMs Schüler und Produzent Cord Garben hat ABMs Interpretation von "Ondine" nicht verstanden - offenbar war ihm die Verbindung zu Cocteau nicht präsent.) Für Cocteau war Ravel die Korrektur des Impressionismus:


    „Ravel hat sozusagen die Kunst der großen impressionistischen Meister der Musik geläutert, genauso wie Vuillard und Bonnard, denen er verwandt ist, den Stil der großen Impressionisten, für die Monet das Symbol ist, verfeinert, vereinfacht, verstärkt haben. {...} Musik ohne >sauce<! Das bedeutet: keine Schleier, die Nacktheit der Rhythmen, die Trockenheit der Linie, die Kraft des Einsatzes und eine gelehrte Naivität des Tonfalls und der Akkorde.“

    Ravel ist "Musik ohne Soße!" Entsprechend spielt ABM die Tremoli der rechten Hand in „Ondine“ betont „unimpressionistisch“, „entschleiert“ sie im Sinne von Cocteau und arbeitet statt dessen „trocken“ ihre „nackte“ rhythmische Struktur heraus. Impressionistische Klangsäuseleien empfindet er hier offenbar als banal – wie Cocteau sieht er in Ravel einen Modernisten, der in gewisser Hinsicht der „Trockenheit“ von Strawinskys „Sacre“ näher steht als Debussys Klangmischungen - auf die "Linie" kommt es an mehr als auf die impressionistischen "Valeurs".


    Und noch ein Hinweis ist wichtig: Ravel liebte Automaten, besonders Uhren, mit denen er sich nicht nur umgab, sondern sogar eine ganze Uhren-Oper schrieb. Dazu schreibt der französische Philosoph und Musikwissenschaftler Vladimir Jankélévitch in seiner Ravel-Monographie: „Die Lebenden sind wie die Maschinen, aber die Maschinen haben eine Seele.“ Es macht die herausragende Qualität von ABMs Interpretation von „Ondine“ aus, dass man bei ihm jenseits aller spätromantisch-impressionistischen Naivität hört, dass auch „Ondine“ ein Ravelsches Uhrwerk ist – eine Maschine, die eine Seele hat. Und so schließt sich dann auch schlüssig „Le Gibet“ an: Bedeutet das Ravelsche Uhrwerk in „Ondine“ „Leben“, so erstarrt es in „Le Gibet“ – aus der Mechanik mit einer lebenden Seele wird eine tote Mechanik. Diese „Entwicklung“ des Ravelschen Uhrwerks aufzuzeigen, dass macht die Größe von ABMs Lugano-Mitschnitt aus. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo Holger,


    für mich versucht ABM nicht, das Stück möglichst brilliant oder perfekt zu spielen, sondern er macht daraus eine Art Geschehen.


    Es ist eine sehr eigenwillige Sache, die einen sicherlich besonders prägt, wenn man dieses Stück - wie du - gleich zu Beginn kennengelernt hat.


    Mir geht es vielleicht ähnlich bei Bruno Walters 4. Sinfonie von Beethoven, die klingt für mich einfach nur so "richtig".



    Hallo Novalis,


    die Rosen Aufnahme als Einzel CD werde ich mir auf jeden Fall zulegen, mal schauen, wie lange das dauert.


    Seine Beethoven Late Piano Sonatas höre ich mir immer wieder gerne abends an.


    Nette Grüße


    Karl

  • für mich versucht ABM nicht, das Stück möglichst brilliant oder perfekt zu spielen, sondern er macht daraus eine Art Geschehen.

    So sehe ich das auch. Die Perfektion dient dem Ausdruck. Bei ABMs "Hyper"-Perfektion ist es dann so, dass die Perfektion als Perfektion gar nicht mehr auffällt. Atemberaubend immer wieder, wie er im Bereich des kaum noch Hörbaren, wo Andere nur noch improvisieren können, bewusst und absolut kontrolliert gestaltet, z.B. im "Scarbo", an der Stelle des verlöschenden und im Verlöschen crescendierenden Basses, bevor die abenteuerlichen Triller kommen (die ABM, der "Triller-König" unter den Pianisten, auch noch diabolisch rhythmisiert!) Da hört man Strukturen, die man bei keinem Anderen hört.

    Es ist eine sehr eigenwillige Sache, die einen sicherlich besonders prägt, wenn man dieses Stück - wie du - gleich zu Beginn kennengelernt hat.


    Mir geht es vielleicht ähnlich bei Bruno Walters 4. Sinfonie von Beethoven, die klingt für mich einfach nur so "richtig".

    .. wobei ABM ja von 1959 bis 1987 durchaus unterschiedliche Interpretationen gegeben hat. Besonders von "Ondine" wollte er offenbar demonstrieren, dass man hier geradezu entgegengesetzte Interpretationsansätze geben kann. Ich habe es in Düsseldorf erlebt, wo er die Tremoli von "Ondine" schier unglaublich dicht spielte - im Vatikan im selben Jahr klingt das dann wieder distinkt.

    die Rosen Aufnahme als Einzel CD werde ich mir auf jeden Fall zulegen, mal schauen, wie lange das dauert.

    ... gibt es aber wohl leider nur als Box für die Kleinigkeit von 724 Euro! ;(


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Noch jemand, der vom Geiste Jean Cocteaus durchdrungen ist - die von mir hochgeschätzte Monique Haas. Sie gehörte dem Pariser-Modernisten-Kreis ja auch tatsächlich an (die vollständige Aufnahme ist in der Erato-Box):


  • Lieber Holger,


    Monique Haas hat den „Gaspard“ meines Wissens nach nur einmal aufgenommen. Die Einspielng findet sich in dieser Box:





    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Monique Haas hat den „Gaspard“ meines Wissens nach nur einmal aufgenommen. Die Einspielng findet sich in dieser Box:

    Ja, lieber Thomas - die Box meinte ich und habe sie auch!


    Der Preis ist ja unheimlich inzwischen - 487,80 Euro bei Amazon.de. Aber bei Amazon.com gibt es sie zum Glück deutlich günstiger für 81 Dollar! Ein "Muss" finde ich - exemplarisch! :) :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Nachdem wir bereits Beethovens Glissandi, Schumanns Stretta und Brahms' Doppelgriffe betrachtet haben, möchte ich auf ein Video von Marc André Hamelin hinweisen mit Ravels "Gaspard".


    Ich poste das Video mit allergrößtem Respekt vor Hamelin, der Schwierigkeiten eher zu suchen scheint, als ihnen aus dem Weg zu gehen.

    Hier fliegt er allerdings bei ONDINE beträchtlich aus der Spur.


    So bewunderswert, wie er das auffängt, unglaublich!


  • Nachdem wir bereits Beethovens Glissandi, Schmanns Stretta und Brahms' Doppelgriffe betrachtet haben, möchte ich auf ein Video von Marc André Hamelin hinweisen mit Ravels "Gaspard".


    Ich poste das Video mit allergrößtem Respekt vor Hamelin, der keinen Schwierigkeiten aus dem Weg geht. Hamelin fliegt hier nicht bei SCARBO aus der Spur, sondern bei ONDINE.


    So bewunderswert, wie er das auffängt, unglaublich!

    Auch, wenn seine Ondine sich an einer Stelle verschluckt, ich mag sie sehr! Ich finde die Einspielung ausgezeichnet, meine aber auch in Scarbo kleinere ungenauigkeiten gehört zu haben. Man muss aber bedenken, dass es offensichtlich ein Konzert ist.


    Auf der anderen Seite bin ich begeistert, wie er bei Ondine und Scarbo die Stimmen behandelt. So differenziert und klar!

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  • Auch, wenn seine Ondine sich an einer Stelle verschluckt, ich mag sie sehr! Ich finde die Einspielung ausgezeichnet, meine aber auch in Scarbo kleinere ungenauigkeiten gehört zu haben. Man muss aber bedenken, dass es offensichtlich ein Konzert ist.


    Auf der anderen Seite bin ich begeistert, wie er bei Ondine und Scarbo die Stimmen behandelt. So differenziert und klar!

    Ich habe jetzt nur Ondine gehört und bin ehrlich gesagt nicht so begeistert. Der kurze Aussteiger kann passieren, aber ich vermisse so etwas wie ein gestalterisches Konzept. Am Anfang gibt es z.B. einen äußerst raffiniert ausgetüftelten rhythmischen Schwebezustand, bei dem man die durchlaufenden 32stel sowohl in Vierergruppen (also als Achtel) als auch in der Teilung drei-drei-zwei hören kann:


    Diese Gleichzeitigkeit zweier grundverschiedener metrischer Modelle ist meines Erachtens der Kern dieses Beginns, und das ist bei Hameling überhaupt nicht hörbar. Michelangeli spielt in dieser Aufnahme nur leicht langsamer, aber bei ihm kann man als Hörer sozusagen zwischen beiden metrischen Varianten wählen oder sich sogar beim Hören von einer zur anderen treiben lassen. Diese in aller Strenge komponierte Uneindeutigkeit erinnert vielleicht an Grafiken von M. C. Escher und ist meines Erachtens ganz wesentlich für den kühlen, eisigen Ausdruck dieses Beginns. Hameling weicht das durch sein extremes Tempo sowie (auch im weiteren Verlauf) mit romantischer Phrasierung und traditionellem Rubato auf. Im Ergebnis ist das eine sehr emotionale Darstellung (der "Unfall" beim Höhepunkt ist so gesehen nicht zufällig ;)), was dem Stück meines Erachtens aber nicht entspricht.

    "Herr Professor, vor zwei Wochen schien die Welt noch in Ordnung."
    "Mir nicht."
    (Theodor W. Adorno)

  • Die Erläuterung des Notentextes leuchtet mir ein, und ich meine, eine Aufnahme zu haben, die genau das "Schwebezustand, bei dem man die durchlaufenden 32stel sowohl in Vierergruppen (also als Achtel) als auch in der Teilung drei-drei-zwei hören kann:" erfüllt. Ist freilich langsamer als jene von MAH. Schierer Zufall übrigens, daß es diese Aufnahme ist, die ich poste: sie erweitert seit gestern meine kleine "Gaspard"-Sammlung (neben jener von Gina Bachauer).



    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Meines Erachtens - ich bin nun wirklich kein Pianist, sondern nur Hobbyklimperer mit nachlassenden Fähigkeiten - zeigt sich bei diesem Beginn aber vor allem die Relativität der Dynamik-Bezeichnungen. Ganz unabhängig davon, ob man die Musik live hört - ich habe sie live gehört mit Hamelin - und ich besitze natürlich ein paar Einspielungen, die ich über eine anständige, aber auch nicht wirklich teure Stereoanlage hören kann: pp - oder ist es sogar ppp, so genau erinnere ich mich jetzt nicht, könnte natürlich nachsehen - ist verdammt schwer zu realisieren. Vielleicht mag sich Christian Köhn dazu aus der Praxis äußern.


    Im Konzertsaal - so denke ich als Laie - muss die Basislautstärke eine andere sein als im Wohnzimmer, das ist klar, und am Gerät wird zwangsläufig nivelliert. Wie geht man da ran? Worauf achtet man bei einem - wenn ich das richtig sehe - ohnehin unpraktischen Figurenwerk wie bei der Ondine?


    Ich hab mir mal die Noten der Skrjabin-Sonaten zum bequemen Mitlesen gekauft - mehr ist leider nicht drin. Im langsamen, finsteren Finale der Nummer eins heißt es ja so hübsch: Quasi niente - vermutlich ist das auch nicht einmalig in der Profiliteratur.


    Den Gedanken mit M. C. Escher oben fand ich sehr reizvoll.


    :) Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ich habe jetzt nur Ondine gehört und bin ehrlich gesagt nicht so begeistert. Der kurze Aussteiger kann passieren, aber ich vermisse so etwas wie ein gestalterisches Konzept.

    Ich meine eines zu vernehmen. Dazu gleich etwas mehr.



    Ja der Michelangeli spielt glasklar und noch einmal auf einem anderen Niveau differenziert als Hamelin, aber tatsächlich vermisse etwas den Zauber der Komposition .... :(. Sorry, wegen der vielleicht etwas dämlichen Bezeichnung, aber gemeint ist etwas Verwunschenes, was ich bei den Klängen der Ondine verspüren möchte und wo Michelangeli fast eine Stimmenanalyse dagegen setzt ....


    Um noch einmal auf das Konzept zurückzukommen. Ich vermute tatsächlich eine völlig andere Klangwelt bei beiden Pianisten. Dieses plastische und irgendwo auch etwas neutrale Klangbild von ABM passt wunderbar zu Debussy, bei Ravel vermisse ich eine Art leichten Vorhang ... Noch einmal sorry, wegen des unbeholfenen Formulierens. Ich finde, dass Hamelin diesen Dynamikdifferenzen in den Stimmen einen Sinn verleiht, den ich bei Michelangeli nicht in dem Maße zu hören vermeine. Es ist tatsächlich etwas schade, dass das rhythmische Schweben bei Hamelin am Ende doch etwas verwaschen ist.


    Eine Aufnahme, die für mich eine Art Mediator zwischen diesen beiden Welten sein kann, ist die des jungen Franzosen Chamayou



    PS: Für alle die noch Grosvenor gesehen haben... Ich werde offensichtlich alt. Ich hatte den vorher mit Ondine gehört, wollte aber Chamayou angeben und habe die Pianisten verwechselt .. :( da hilft nur noch cheers

  • Dieses plastische und irgendwo auch etwas neutrale Klangbild von ABM passt wunderbar zu Debussy, bei Ravel vermisse ich eine Art leichten Vorhang ...

    .. . und genau der "Vorhang" gehört auch nicht zu Ravel. :D Michelangeli macht genau das, was Jean Cocteau über Ravel gesagt hat:


    "Ravel hat sozusagen die Kunst der großen impressionistischen Meister der Musik geläutert. (...)


    >Musik ohne <sauce>! Das bedeutet: keine Schleier, die Nacktheit der Rhythmen, die Trockenheit der Linie, die Kraft des Einsatzes und eine gelehrte Naivität des Tonfalls und der Akkorde."


    Hamelin spielt Ravels Ondine schön - nur macht er - mit Schleier und viel Soße - aus Ravel einen Romantiker, der er eben nicht (mehr) ist, sondern ein Komponist des 20. Jhd. Hier bin ich - man lese und staune - ganz auf der Seite von Christian Köhn. :D Michelangeli hat übrigens verschiedene Interpretationen von Ondine gegeben, wie berichtet wird. Ich habe es selbst in Düsseldorf erlebt, wo er die Tremolos mit einer unglaublichen Dichte spielte. Das ist auf keinem Mitschnitt nachvollziehbar leider. Für mich der beste ist der radikal-puristischste und perfekteste aus Lugano (Ondine ungemein rhythmisch gespielt) von 1971 (P.S., s.u.!, korrektes Aufnahmedatum ist 4.6.1968) - bei Youtube leider nicht zu hören.


    Schöne Grüße

    Holger

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  • .. . und genau der "Vorhang" gehört auch nicht zu Ravel. :D Michelangeli macht genau das, was Jean Cocteau über Ravel gesagt hat:


    "Ravel hat sozusagen die Kunst der großen impressionistischen Meister der Musik geläutert. (...)

    Das kann ich nachvollziehen.


    Hameling weicht das durch sein extremes Tempo sowie (auch im weiteren Verlauf) mit romantischer Phrasierung und traditionellem Rubato auf. Im Ergebnis ist das eine sehr emotionale Darstellung (der "Unfall" beim Höhepunkt ist so gesehen nicht zufällig ;) ), was dem Stück meines Erachtens aber nicht entspricht.

    auch das. Trotzdem kann ich mich des Charmes der Einspielung von Hamelin nicht entziehen. Ich bitte da um Entschuldigung. Manches ist bei mir manchmal auch einfach ein Sache der momentanen Lust und Laune.....


    ChKöhn und Dr. Holger Kaletha wie findet ihr denn den Chamayou?


    Für mich der beste ist der radikal-puristischste und perfekteste aus Lugano (Ondine ungemein rhythmisch gespielt) von 1971 - bei Youtube leider nicht zu hören.

    wo findet man denn diese Aufnahme?

  • Das ist die CD - Aufnahmedatum Gaspard de la nuit Lugano 4.6.1968. Sagenhaft - das wäre eine Wiederveröffentlichung als Studioaufnahme wert! Auch aufnahmetechnisch (in Mono!) makellos.


    Michelangeli-HUNTCD904_BIG.jpg


    (War damals auch als LP erschienen) :hello:

  • Die Schallplatte war diese hier:


    Michelangeli-RR404_BIG.jpg


    Discocorp : Michelangeli - Brahms, Ravel (pianistdiscography.com)


    Auf dieser Seite ist auch das Aufnahmedatum vermerkt:


    "June 4, 1968 in Lugano, Teatro Kursaal" - auf der LP selbst steht "1968".


    Auf meiner LP ist noch ein Aufkleber "Import" drauf. Erscheinungsjahr der LP war 1980. :)


    Ich habe die Aufnahme noch auf einer anderen CD vom Label Nuova Era - leider ist die Qualität dieser CD-Überspielung nicht optimal, die bei der oben abgebildeten von HUNT dagegen ist es. :)

  • Trotzdem kann ich mich des Charmes der Einspielung von Hamelin nicht entziehen. Ich bitte da um Entschuldigung.

    Dafür brauchst Du Dich nicht zu entschuldigen. ^^ Hamelin ist ja nicht der Einzige, der Ondine so "schön romantisch" spielt. Zweifellos hat das "Charme". Aber ob das dem Stück wirklich gerecht wird, ist eben eine tiefer gehende, ziemlich komplexe Interpretationsfrage. Selbst Cord Garben, ABMs ehemaliger Schüler und Produzent, hat seinen Lehrer hier überhaupt nicht verstanden, warum er es so macht wie er es macht. ^^ Da Gaspard de la nuit mein Lieblingsstück ist, seit mich der Beginn von Ondine "in den Bann schlug", als ich es in einem Radio-Portrait über ABM als Jugendlicher hörte und mir daraufhin dann 1980 die oben abgebildete Schallplatte kaufte, hätte ich dazu sehr viel zu sagen. Das tue ich vielleicht, wenn ich demnächst die Aufnahme von Yevgeny Sudbin bespreche auf meiner Kolumnenseite. Ansonsten gibt es zu Gaspard de la nuit einen Thread, wo ich auch einiges dazu geschrieben habe. ;)

    ChKöhn und Dr. Holger Kaletha wie findet ihr denn den Chamayou?

    Das höre ich mir noch an. Bin gestern dazu nicht mehr gekommen.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Zweifellos hat das "Charme". Aber ob das dem Stück wirklich gerecht wird, ist eben eine tiefer gehende, ziemlich komplexe Interpretationsfrage

    Ich mache mir das als Laie, aber immerhin doch engagierter Hörer, etwas einfacher. Es gibt Einspielungen, die mich überzeugen, manchmal kürzer, manchmal länger. Wenn mir etwas über dreißig oder sogar fünfzig Jahre bei regelmäßigem Hören gefällt, gehe ich davon aus, dass etwas dran sein muss. Es kann sein, dass mir irgendwelche Interpretationen nach einiger Zeit dann doch zu oberflächlich vorkommen ....


    Bei Hamelin habe ich nun trotz der technischen Fehler, von denen einer sogr in der Interpretation angelegt sein mag, neue und überraschende Linien gehört. So etwas gefällt mir beim ersten Hören fast immer. Selbstverständlich höre ich die eiserne Klarheit bei Michelangeli. Ich habe allerdings keine Idee im Hinterkopf, dass es nur eine einzige Interpretation geben müsste, die dem Werk gerecht würde, bin also ein Verfechter von mehreren Interpretaionen, denen ich etwas abgewinnen kann.


    Auf der anderen Seite bin ich aber auch bereit, musikalischen Erklärungen zu folgen, wenn sie mir beim Hören die Ohren öffnen! :)

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