Szenen aus der Klassikwelt - Anekdoten -Zitate - Wahre Begebenheiten

  • Meine liebste Anekdote:
    Pierre Boulez zu Ned Rorem (amerikanischer Komponist, beeinflusst von der französischen Musik, lebte lange in Paris, komponierte Lieder und die Oper "Miss Julie", lebt noch): "Any musician who has not experienced the necessity for dodekaphonic language is USELESS!"
    Ned Rorem: "Omit the word 'not' and I agree!"
    Weitere Gehässigkeiten gegen die sog. Neue Musik findet Ihr in meinem Beitrag "Fraktale 11" im Forum unter "Feuilleton und Satire".
    Meine liebste wahre Begebenheit:
    Mailand, 13. 12. 2006. Tenor Roberto Alagna wird in "Aida" nach der Auftrittsarie ("Celeste Aida") ausgebuht und verlässt wütend die Bühne. Die Sängerin der Amneris singt weiter, dreht sich um - und sieht sich einem neuen Radames im schwarzen Straßenanzug gegenüber, der ziemlich korpulent ist - und den Radames nahtlos weitersingt (zu sehen bei YouTube, suchen unter "Alagna, Milano").

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Vor wenigen Monaten bei den Braunschweiger Sinfoniekonzerten. Es wird Mendelsohns 4. gespielt.


    Der 1. Satz hat geendet, plötzlich fällt das Licht aus. Nur der Dirigent wird noch angestrahlt. Sichtlich verunsichert dreht sich Alexander Joel rum und spricht zum Publikum und hält small-talk. Das Orchester wird unruhig.


    Immer noch stockdunkel meint er zum Publikum:
    "Ach, es ist ja nur das Andante, so einen langsamer Satz.", und r gibt den Einsatz zum Beginn, worauf das Orchester zu spielen beginnt.


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    In geschriebener Form vielleicht nicht ganz so
    lustig, doch wer dabei war hätte den small-talk
    sowie die ganze Situation bestimmt auch sehr
    belustigt...


    LG

  • Bei der Probe einer neuen Oper von Goldmark kam der Klarinettist mit einer bestimmten Stelle einfach nicht klar. Immer wieder klopfte Mahler ab und ließ die Stelle wiederholen. Verzweifelt sagte der Musiker: "Dauernd schreibt der Kerl sechs B - und da soll man nicht Antisemit werden?"


    Hellmesberger, Geiger bei den Wiener Philharmonikern und berühmt für seine Schlagfertigkeit, konnte Wettbewerben nichts abgewinnen. Als ein preisgekrönter Musiker über die erste Beifallsrunde nicht hinauskam, meinte er lakonisch: "Je preiser gekrönt, desto durcher er fällt!"


    Auch Freunden gegenüber konnte Hellmesberger sehr kritisch sein. Als ihm Robert Fuchs einmal eine Komposition vorspielte, in der ihm so einiges bekannt vor kam, sagte er: "Fuchs, das hast du ganz gestohlen!"


    Hellmesberger half einmal eine neue Operette an einer österreichischen Provinzbühne aus der Taufe zu heben. Nach der Generalprobe meinte er zu dem Dirigenten: "Den Mangel an Blech im Orchester gleicht das Textbuch völlig aus!"

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    MUSIKWANDERER

  • 1967 erschien im Wiener Paul Neff Verlag ein Anekdotenband von Alexander Witeschnik über die Wiener Philharmoniker und zwar aus Anlaß ihrer 125-Jahr-Feier. Dieses „Büchl“ enthält soviele humorvolle Beispiele von „Geschichten hinter den Geschichten“ - man kommt aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus. Es sind nicht nur Anekdoten über einzelne Persönlichkeiten des Orchesters, sondern auch der Wiener Musikszene aller Epochen ganz allgemein. Ich zitiere hier einige schöne Anekdoten aus diesem Band:


    Richard Strauß bedankte sich überschwenglich bei dem Kapellmeister der „Deutschmeister“, die in der Stadt X ein „Rosenkavalier“-Ständchen gebracht hatte. Der wackere Militärkapellmeister erwiderte ebenso strahlend: „Ja, ja, i sag's Eana, schreib'n kann's a jeder, aber spül'n, des is scho a Sauarbeit!“


    Zu den berühmtesten Originalen der Wiener Musikszene im 19. Jahrhundert gehörte Josef Hellmesberger senior. Die von ihm und über ihn überlieferten Anekdoten sind geradezu köstlich:


    Auf Kritiker war Hellmesberger nicht gut zu sprechen. Als Eduard Hanslick wegen eines Leberleidens von einer Kur in Karlsbad nach Wien zurückkehrte, schüttelreimte Hellmesberger: „Der Hanslick ist leberleidend nach Karlsbad gefahren und leider lebend wiedergekommen.“


    Eduard Schelle, Kritiker der alten „Presse“, wurde nachgesagt, er richte sein Urteil sehr oft nach der Meinung seiner Kollegen aus. Als Hellmesberger ihn aus einer Premiere kommen sah, stellte er mitfühlend fest: „Der gäb was drum, wenn er heut wüßt, wie ihm morgen die Oper gefallen wird.“


    Als der junge Brahms die Leitung der Wiener Singakademie übernahm, brachte er viel Kantaten- und Motettenmusik - und immer wieder Bach. Selbst in einem Faschingskonzert gab es nur ernste Bibelchöre. Hellmesberger spottete daraufhin: „Wenn der Brahms mal besonders gut aufgelegt ist, dann komponiert er bestimmt: Das Grab ist meine Freude!“


    Als das Joachim-Quartett mit dem Cellisten Robert Hausman in Wien gastierte, stellte Hellmesberger folgenden Vergleich auf: „Hausmannskost ist ja ganz gut, aber wir sind an Hummer gewöhnt!“ Die Erläuterung: Reinhold Hummer war erster Solocellist der WP und muß einen glutvollen Ton gehabt haben, denn seit seinem „Gustostückl“, dem Cellosolo in „Liebe pflegt mit Kummer stets Hand in Hand zu gehn“ aus dem „Freischütz“
    änderte man augenzwinkernd den Text: „Liebe pflegt mit Hummer stets Hand in Hand zu gehen.“


    Bei einer Probe des Hellmesberger-Quartetts riß dem Sekondgeiger zuerst die A-Saite und kurz danach die E-Saite. Hellmesberger stellte lakonisch fest: „'s A is e o, jetzt is 's E a o.“


    Hofoperndirektor Jahn klagte über seine zunehmende Dickleibigkeit. Hellmesberger riet ihm: „Herr Direktor, trinken's jeden Tag Bitterwasser um gehen's dreimal um die Wilt herum.“ Erklärung: Marie Wilt war damals eine hochgefeierte Sopranistin an der Hofoper. Ihre wunderschöne Stimme stand diametral zu ihrem unvorteilhaften Äußeren, weshalb ganz Wien von der „Reise um die Wilt in 80 Tagen“ witzelte. Recht drastisch brachte das ein Statist gegenüber der Sängerin zum Ausdruck: Der mußte nämlich, mit anderen, in der „Afrikanerin“ die Wilt auf einem Thron über die Bühne tragen. Als die Sängerin in leichter Selbstironie sagte: „Na, ihr habt's aber heuer schwer zu tragen“ antwortete jener: "Aber, gnä' Frau, des san mir g'wohnt, mir hab'n scho im Zirkus Renz an Elefanten außatrag'n.“

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    MUSIKWANDERER

  • Sorry, ich kann's nicht lassen und stelle hier noch ein paar lustige Anekdoten ein - etwas zum Schmunzeln, manchmal sogar zum Lachen:


    Orchesterproben sind für Musiker nicht immer ein Vergnügen. Ein Zeuge dieser Behauptung ist der philharmonische Geiger Johann Czapauschek gewesen. Im Archiv der Wiener Philharmoniker findet sich in der zweiten Geigenstimme des LOHENGRIN, nach jener Stelle, wo Lohengrin schwungvoll bekennt: "Elsa, ich liebe dich!" von Czapauscheks Hand eingetragen: "Hier empfiehlt Czapauschek Tusch in A-Dur und Ende der Oper."


    Enharmonik nennt man jene Tatsache, daß Töne und Akkorde verschiedentlich notiert werden können, obwohl sie im temperierten System gleich klingen - zum Beispiel "gis" und "as". Daher nannte Hellmesberger seinen griechischen Kollegen Eurysthenes Ghisas den "enharmonischen Flötisten".


    Als der Cellist Sulzer einmal im Künstlerzimmer des Musikvereinssaales einfand, um sich von dort aus die Wiedergabe einer Cellosonate von Brahms anzuhören, traf er dort auf Brahms, der sich seine Sonate ebenfalls dort anhören wollte. Beide begrüßten sich kurz und hörten dann zu. Der Pianist spielte gerade ein Klavier-Solo und Sulzer fragte halblaut: "Was spielt der da?" Brahms antwortete: "Ach, das klingt so mendelssohnisch, daß es von Reinecke sein könnte, ist aber ein Intermezzo - von mir."


    Sulzer bat einmal Brahms für eine Bekannte um ein Autogramm. Brahms fragte augenzwinkernd: "Ist sie hübsch? Blond oder schwarz?" Worauf Sulzer erläuternd meinte: "Wenn Sie das Andante Ihres B-Dur-Klavierkonzertes ins Weibliche verkörpert erblicken würden, könnten Sie sich ein Bild von Ihrer Schönheit machen." Da knurrte Brahms: "Also, so häßlich? Na, dann ist die Sache schlimm!" und setzte seinen Namen in das gezückte Autogrammbuch.


    Das Hellmesberger-Quartett hat den Wienern nicht nur die Kammermusik-Werke Schuberts nahe gebracht, sondern auch die letzten Beethoven-Quartette und Bruckners Quintett. Auch Brahms hatten die Musiker "im Programm". Als Vermittler zwischen dem Komponisten und den Musikern fungierte der Musikverleger Albert Gutmann. Als der wieder einmal bei Brahms nach Neuem anfragte, erhielt er ein Telegramm vom Thunersee, wo Brahms bei einem Spezereihändler urlaubte: "Kaviar ausgegangen, frische Wurst auf Hackbrett mit Sardinen vorrätig. Spezereihändler Spring." Gutmann telegraphierte umgehend zurück: "Spezereihändler Spring, Thun, Schweiz. Nehme mit Freuden ganzes Warenlager ab. Gutmann." Erläuterung: Gutmann vermutete hinter der "frischen Wurst auf Hackbrett mit Sardinen" richtigerweise eine neue Sonate für Klavier und Geige (con sordino).


    Wilhelm Jahn setzte nach reiflicher Überlegung Bruckners "Vierte" auf ein Programm der WP. Bei der ersten Probe, der auch Bruckner beiwohnte, kam es zu einem Disput, ob E- oder Es-Hörner verwendet werden sollten. Um eine endgültige Entscheidung herbeizuführen, wandte sich Jahn an Bruckner und rief: "Na, Herr Bruckner, was soll es den sein - E oder Es?" Der Meister, so unverrmittelt angesprochen, erschrak und stotterte ganz devot: "Ganz wie Sie wollen, Herr von Jahn, ganz wie Sie wollen! Da gibt's nix!"


    1942 probte Karl Böhm in der Wiener Staatsoper ARABELLA; Strauss saß in der ersten Parkettreihe. Böhm klopfte häufig ab, weil er immer wieder auf Fehler in der Partitur stieß. Schließlich drehte er sich um und sagte mit nicht zu überhörendem Vorwurf: "Jetzt dirigier' ich die ARABELLA schon so lange - und immer wieder finden sich Fehler... Sie haben aber das Werk doch selbst kollationiert!" Worauf Strauss ungerührt antwortete: "Ja eben...!"

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    MUSIKWANDERER

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  • Liebe Taminos,


    in einer Biografie habe ich eine, wie ich fand, sehr schöne Anekdote des Irischen Dirigenten und Komponisten Sir Hamilton Harty (1879-1941) entdeckt. Nachdem Harty als junger Mann das erste Mal in Dublin ein Orchester gehört hatte war er wie elektrisiert und wünschte sich nichts mehr als ein Dirigent zu werden. Kurze Zeit nach diesem Erlebnis spielt folgende Anekdote.


    Harty hat sich mit einer hübschen jungen Dame verabredet und spazierte mit ihr durch einen idyllischen Park. Sie hatte deutlich Interesse an dem jungen Musiker und umgarnte ihn, er war gelangweilt. Bald kamen die beiden an einem Blumenstand vorbei und Harty kaufte eine prächtige Rose. Seine Begleitung sah sich bereits als Zukünftige, doch Harty riss die Blüte ab, entfernte die Stacheln und setzte den Weg, mit dem Stängel in der Rechten dirigierend mit ihr fort. Man kann sich denken, dass aus den beiden nichts geworden ist :D


    Beste Grüße
    Christian

  • In einer Wiener Tageszeitung war zu lesen: Am ... kommt Karl Böhm nach Wien, um an der Staatsoper Lulu zu machen.


    ...


    Böhm leitete in der Arena von Orange den "Tristan". Als bei eiiner Probe, die am Nachmittag begann, bei Anbruch der Dunkelheit Tausende Möwen laut kreischend die Arena überflogen, um zu ihren Schlafplätzen zu gelangen, warf der enervierte Böhm den Dirigentenstab aufs Pult und klagte vernehmlich: Ja kann man das denn nicht abstellen? (erzählt vom Kurwenal-Sänger Walter Berry).


    ...


    Truls Mörk spielte im Musikverein Schostakowitschs Es-Dur-Cellokonzert ungemein aufregend. Nach Ende des Konzerts fragte ich ihn, welches sein Lieblingskonzert wäre. Mörk: Natürlich das von Brahms - wenn er denn eines geschrieben hätte.


    ...


    Leo Slezak kleidete sich für eine Vorstellung eben an, als er sich harsch an den Garderobier wandte: Nowak, heut' nacht hab' ich geträumt von Ihnen. Wenn das noch einmal passiert, kriegen's von mir eine Watschen!


    ...


    Karl Böhm dirigierte in Tokio ein Konzert, als urplötzlich ein Stromausfall den Saal in völlige Dunkelheit hüllte, worauf das Orchester prompt zu spielen aufhörte. Da vernahm man Böhms tadelnde Stimme: Meine Wiener hätten da weitergespielt!

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Händel fand zu Lebzeiten bei weitem nicht den Beifall, mit dem man ihn nach seinem Tode belohnte. Seine Oratorien führte er nicht selten vor einem Auditorium auf, das schwächer war als ein Orchester. Wer aber nie fehlte, war König Georg der zweite. Der berühmte Lord Chesterfield kam einst vom Auditorium im Covent Garden. Ein anderer angesehener Mann wollte dahin – „Wie Mylord“ – fragte dieser, „ist heute kein Oratorium ?“ – „Oh ja“, war die Antwort. Es ist schon angegangen. Ich bin nur weggegangen, um den König nicht in seiner Einsamkeit zu stören


    aus „Allgemeine musikalische Zeitung“
    Leipzig, April 1799

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Maria Stader berichtete, dass sie ihrer ersten Zusammenarbeit mit Otto Klemperer - im Amsterdamer Concertgebouw - mit einer gewissen Ehrfurcht entgegensah. Artur Schnabel hatte ihr nämlich gesagt, dass Klemperer "...groß, sehr groß, einer der Allergrößten, vielleicht der Größte überhaupt" sei. Dabei, so schreibt sie in ihren Erinnerungen, wusste sie nicht, ob er die körperliche Statur oder die des Geistes meinte.


    Bei der Probe stand die kleine Maria Stader neben dem riesenhaften Klemperer - der sie von oben bis unten musterte - und erkennbar nicht ohne Skepsis sagte: "Man sagte mir, Sie seien gut." Die aufgeregte Sängerin hatte, nach eigenen Worten, das Gefühl, dass Klemperer in der Probe schon sich und dem Concertgebouworkest das Gegenteil beweisen wollte. Plötzlich klopfte er ab, musterte sie erneut und rief: "Sie sind es!"


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

  • "Why do we have to have all these third-rate foreign conductors around — when we have so many second-rate ones of our own?" (Sir Thomas Beecham, Bart., C.H.)
    (Weshalb müssen wir all diese drittklassigen ausländischen Dirigenten um uns herum haben, wo wir doch selbst so viele zweitklassige haben?)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

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  • In ihrem Erinnerungsbuch "Die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren" erinnert sich Anja Silja an die Einspielung des "Fliegenden Holländer" unter Otto Klemperer in London, bei der sie die Senta singt. Sie habe ein "sehr originelles und herzliches" Verhältnis zu Klemperer gehabt, der es liebte "völlig unerwartet Sätze in den Raum zu werfen", um andere zu provozieren. Als eine Szene des Holländers (Theo Adam) im Abhörraum überprüft wurde, habe er plötzlich die andächtige Stille mit der Bemerkung unterbrochen "Anja, was hältst du eigentlich von der Geburtenkontrolle?" Die Frage sei so aus der Luft gegriffen gewesen, dass sie "alle Anwesenten aus dem Gleis warf. Das machte ihm Spaß". Damit habe Klemperer, aber auch sein "partielles Desinteresse an Konservenmusik" gezeigt.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent