Karl Richter - Dirigent, Organist und Cembalist

  • Ich wollte gerade eine Karl Richter Thread eröffnen, der Richter "rehabilitiert" - aber wie ich sehe ist das gar nicht notwendig.
    Er ist hier im Forum relativ beliebtr und anerkannt.
    Richters "Tragik" bestand ja darin, daß er zu Lebzeiten als "zu forsch" und temperamentvoll in Sachen Bach galt, auch als respektlos und bald nach seinem Ableben als "zu romantisch und zu langweilig" eingstuft wurde - vorzugsweise von Leuten, die noch nie eine seiner Aufnahmen gehört haben. Eigentlich hat er "frischen Wind" in die "Bach-Szene gebracht, die ja teilweise derart von "Demut dem Komponisten gegenüber" geprägt war, daß seine Werke teilweise wie Trauermusik zelebriert wurde, oder man den "Ernst" der Musik betonen wollte - aber nicht wusste wie - oft einfach nur deshalb, weil man mit Bach nichts richtiges anzufangen wusste. Richte hingegen zelebrierte Bach nicht, sondern interpretierte ihn temperamtvoll - wobei er nie ins exzessive verfiel - zumindest nach heutigen Maßstäben nicht.
    Richte suchte nach einer lebendigen Bach-Interpretation - das Historische war ihm nicht so wichtig.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hier eine Aufnahme, die ich von unserem geschätzten Tamino operus bekommen habe und die seitdem einen Ehrenplatz in meiner Sammlung einnimmt. Ich habe sie schon in einem anderen Thread vorgestellt, will dies hier jechoch nochmal tun:



    Verdi : Messa da Requiem
    Münchner Philharmoniker
    Leitung: Karl Richter
    Philharmonischer Chor Muenchen
    Muenchner Bach-Chor
    Ingrid Bjoner - soprano
    Hertha Töpper - mezzo-soprano
    Waldemar Kmentt - tenor
    Gottlob Frick - bass


    (Aufnahme: Deutsches Museum Congress Saal, Muenchen 28. 2. 1969)


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Eine wahre Fundgrube für Karl Richter Fans ist das
    folgende Buch:



    Roland Wörner:
    Karl Richter - Musik mit dem Herzen
    Eine Dokumentation aus Anlass seines 75. Geburtstags


    mit:
    - Porträt des Musikers und Dirigenten
    - Musikalische Stationen
    - Chronik
    - Diskographie


    ISBN 3-935965-01-x, © Panisken Verlag, München 2001

    :):):)

  • Es ist wirklich eine Schande, daß die Kantaten-Aufnahmen z. T. gar nicht mehr oder nur noch gebraucht zu horrenden Preisen zu haben sind. X(



    Bleibt festzuhalten: Karl Richter bleibt für mich meine persönliche Barock-Referenz.

    Immerhin ein Indiz dafür, was Karl Richter geleistet hat und wie eine ignorante Nachwelt mit ihm verfährt! Dieser Rummel um Mediokritäten und so einen Mann muss man immer wieder ins Gedächtnis rufen. Allerdings sind 3000 Euro schon ein starkes Stück; und selbst die 425 können sich sehen lassen. Ich will die Aufnahme schon lange, aber das kann ich mir nicht leisten.

  • Wer sich das Phänomen Karl Richter morgen Abend noch einmal vergegenwärtigen will oder für die jüngeren unter uns, die ihn gar nicht mehr kennen: Das ist nicht HIP, es ist die Interpretation der 50er und 60er Jahre - fett, prächtig, mächtig, satter Klang, meist über 100 Sänger in Laienchor; natürlich nicht mit den Konzeptionen von Harnoncourt, Gardiner, Koopman oder Herreweghe zu vergleichen; wenngleich Richter beinahe immer auf die besseren Solisten als seine Nachfahren zurückgreifen konnte. Und dennoch von einer Schönheit und Klangpracht, die heute kaum noch erreicht wird. Nicht selten sind es die fanatischsten Anhänger der historischen Aufführungspraxis, die im stillen Kämmerlein sich heimlich hin und wieder die Aufnahmen Richters anhören, in stiller und verzehrender Sehnsucht, wie ich annehme.



    http://www.classica.de/show.cf…4&ZIEL=21.01.2013&REF=day


  • Wo ich gerade Karl Richter lese: zu ihm bin ich kürzlich auf ein leicht themenfremdes, aber hoffentlich dennoch interessantes Detail gestossen, das sicher als Beleg der großen Wertschätzung dienen darf, die ihm entgegengebracht wird und wurde:


    seine Lesart des 2. Brandenburgischen Konzerts von Bach eröffnet die Sammlung musikalischer Erdenschätze, die an Bord der Raumsonde Voyager untergebracht wurde, um den Bewohnern anderer Galaxien die Errungenschaften der Menschheit zu vermitteln.


    Außerdem sind noch vertreten Glenn Gould mit dem Wohltemperierten Klavier, ebenfalls von Bach, Otto Klemperer mit Beethovens 5. Sinfonie und eine Menge andere. Wer es genau wissen möchte, kann einen Blick auf die Website der NASA werfen. :)

  • Ich freue mich, daß KARL RICHTER in Yorick einen so vehementen Apologeten dieses so sympathischen, bescheidenen, sicher aber auch genialen Interpreten vor allem sakraler Musik, und natürlich an erster Stelle der Werke BACHs, gefunden hat. Auch wenn manche Musikkritiker heute seine Aufführungspraxis und seinen Musizierstil als nicht mehr aktuell abtun, so sollte man dennoch auch seine Sichtweise auch heute noch respektieren und neben anderen Interpretationsrichtungen nicht nur gelten lassen, sonden auch respektieren und würdigen.


    Ich habe KARL RICHTER noch in Konzerten erlebt und war von seiner Ausstrahlung und seiner großartigen Musizierkunst - sei es nun als Chor- und Orchesterleiter oder als Organist, tief beeindruckt und war damals auch schockiert über seinen so plötzlichen frühen Tod. Besonders gerne denke ich an seine Konzerte anläßllich der ANSBACHER BACHWOLEN , vor allem an eine Aufführung im August 1961 von BACH's Hohe Messe , für die er wie fast immer hervorragende Gesangs- und Instrumentalsolisten gewinnen konnte. In diesem Fall waren es URSULA BUCKEL, Sopran, HERTA TÖPPER (Alt), ERNST HAELIGER Tenor, KIETH ENGEN (Baß), OTTO BÜCHNER (Violine), WILLI BAUER (Trompete), AURELE NICOLET (Flöte), KURT HAUSMANN und EDGAR SHANNS (Oboe), und FRANZ ORTNER (Kontrabaß).


    Das Publikum dieser Bachwochen waren in der Regel nicht nur Liebhaber bachscher Musik und Anhänger der großen Persönlichkeit KARL RICHTER , sondern es waren darunter viele wirkliche Kenner dieser Musikgattung. Ich habe über diese Konzerte nur Positives gelesen und über begeisterte Reaktionen gehört, und es kann nicht sein, daß sich der Musikgeschmack innerhalb von 50 Jahren derart verändert haben soll, daß man über diese Aufführungskunst von KARL RICHTER heute nur noch mitleidig lächelte.


    KARL RICHTER hatte sich aber nicht nur J.S. BACH verschrieben, sondern auch HÄNDEL , und auch weniger bekannte Komponisten spielten bei seinen Konzerten und Einspielungen eine große Rolle. Er war auch einer der wirklich großen Könner als Organist, und seine Einspielung z. B. der Orgelkonzerte von HÄNDEL op. 4 (besonders schön Nr. 4!!) und op. 7 (ebensfalls mit dem herrlichen Konzert Nr. 4) mit seinem KAMMERORCHESTER KARL RICHTER , aufgenommen in der Markuskirche in München, haben für mich bis heute absoluten Referenzcharakter, und ich habe diese Konzerte nie wieder so wunderbar gehört.



    Wie Yorick meine ich, daß es diese große Interpretenpersönlichkeit auch heute noch verdient, sich unvoreingenommen und fair mit ihr auseinanderzusetzen.


    Viele Grüße


    wok

  • Gerne möchte ich noch auf einige Aufnahmen mit KARL RICHTER und seinem MÜNCHENER BACHORCHESTER hinweisen, die trotz der zwischenzeitlich so zahlreichen Einspielungen diesesr Werke für mich immer noch die 1. Wahl sind:


    MOZART: Konzerte für Flöte und Orchester Nr. 1, KV 313 und Nr. 2, KV 314
    Konzert für Flöte, Harfe und Orchester KV 299
    Andante für Flöte und Orchester KV 315


    HAYDN: Konzert für Flöte, Streicher und B. c. , D-Dur H 7f


    GLUCK: "Reigen seliger Geister " aus Orpheus und Euridike


    Bei allen 4 Konzerten ist AURÈLE NICOLET der Solist, für das Konzert für Flöte, Harfe u. Orchester KV 299 ist die Harfenistin die exzellente ROSE STEIN.


    J. S. BACH: Brandenburgische Konzerte Nr. 2, 4 und 5


    Die bewährten KARL RICHTER - Solisten dieser Konzerte sind beim Konzert Nr. 2 PIERRE THIBAUD, Trompete, HANS-MARTIN LINDE Blockflöte, MANFRED CLEMENT Oboe, HANSHEINZ SCHNEEBERGER Violine und die von KARL RICHTER zurecht besonders geschätzte HEDWIG BILGRAM.


    Im Konzert Nr. 4 kommt zu HANSHEINZ SCHNEEBERGER, HANS-MARTIN LINDE und HEDWIG BILGRAM noch GÜNTHER HÖLLER als 2. Blockflöte hinzu.


    Das Konzert Nr. 5 gestalten AURÈLE NICOLET, HANSHEINZ SCHNEEBERGER und KARL RICHTER am Cembalo.


    Allein schon diese ganz kleine Auswahl von Einspielungen möge die großartige Kunst KARL RICHTERs auch auf dem Gebiet der Instrumentalmusik belegen.



    Viele Grüße


    wok

  • Mit einer großartigen Aufnahme der Matthäuspassion:


    möchte ich daran erinnern, dass Karl Richter am 15. Februar 1981 gestorben ist.


    Heute ist sein 34. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Bei Karl Richter scheinen mir gerade die Live-Tondokumente die künstlerisch wertvollsten zu sein. Das fiel mir bereits vor vielen Jahren bei der h-Moll-Messe auf. Die wohl gelungenste Darbietung entstand 1969 live in Tokio für die DG. Nebengeräusche gibt es praktisch keine (japanische Disziplin). Sie ist in der Box "Sacred Masterpieces" enthalten und nicht mit der bekannteren Studioeinspielung von 1961 zu verwechseln.



    Hohe Messe h-Moll BWV 232


    Ursula Buckel, Sopran
    Marga Höffgen, Alt
    Ernst Haefliger, Tenor
    Ernst-Gerold Schramm, Bass


    Münchener Bach-Chor
    Münchener Bach-Orchester
    Karl Richter


    Bunka-Kaikan, Tokio, 9. Mai 1969
    (Konzertmitschnitt Japanisches Fernsehen NHK, Stereo; DG 463 701-2)


    Und auch die beiden großen Passionen gibt es live:


    [timg]http://www.bilder-upload.eu/upload/f74aec-1518543363.jpg;l[/timg]Matthäus-Passion BWV 244


    Ursula Buckel, Sopran
    Marga Höffgen, Alt
    Ernst Haefliger, Tenor
    Kieth Engen, Bass
    Peter van der Bilt, Bass


    Münchener Bach-Chor
    Münchener Bach-Orchester
    Karl Richter


    Bunka-Kaikan, Tokio, 29. April & 5. Mai 1969
    (Konzertmitschnitt Japanisches Fernsehen NHK, Stereo; DG POCA-3001/3)



    [timg]http://www.bilder-upload.eu/upload/a46d10-1518543348.jpg;l[/timg]
    Johannes-Passion BWV 245


    Ursula Buckel, Sopran
    Hertha Töpper, Alt
    Ernst Haefliger, Tenor
    Peter van der Bilt, Bass


    Münchener Bach-Chor
    Münchener Bach-Orchester
    Karl Richter


    Konservatorium, Moskau, 16. April 1968
    (Konzertmitschnitt Melodija, Stereo; Melodija C10 21753 006)


    Die Matthäus-Passion ist, obwohl Archiv/DG, scheinbar nie außerhalb Japans erschienen. Die Johannes-Passion aus Moskau hat es wohl noch nicht einmal zur CD-Veröffentlichung gebracht. Da Melodija derzeit aber sehr umtriebig ist, darf man noch hoffen.


    P.S. Übermorgen jährt sich Karl Richters Todestag bereits zum 37. Male.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich wollte gerade eine Karl Richter Thread eröffnen, der Richter "rehabilitiert" - aber wie ich sehe ist das gar nicht notwendig.
    Er ist hier im Forum relativ beliebtr und anerkannt.

    Viele, vor allem diejenigen, die öfter mal in meinen thread "YouFail" hineingeschaut haben, wissen, dass ich diese Ansicht nicht teile. Ein neuer Beitrag ist schon geplant. Ich will jetzt die Harmonie hier nicht stören, aber es gibt doch ein schlagendes Argument. Auch Mark Minkowski spielt am Karfreitag in Essen die "Matthäuspassion", wobei die beiden Chöre durch Doppelquartett besetzt sind. Das ist nicht so mein Geschmack. Aber: eine Matthäuspassion mit einem über 100 Sänger starken Chor ist für mich eine Bearbeitung, und keine gute. Auch die hochgelobten Solisten singen wie in der Oper; auch das eine Bearbeitung, und auch das keine gute. Jeder möge sich auf YouTube die Matthäuspassion von 2010 aus Köln (Herrweghe) anhören und dann Karl Richter. Oder umgekehrt. Ich werde es nicht machen, denn ich habe es schon gemacht.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)