Sinn und Unsinn von Hosenrollen

  • Kleiner Nachtrag: Der Baron ist in beiden Inszenierungen derselbe, nämlich Günther Groisböck! Der ist klasse! In beiden Fällen fehlt da die Lächerlichkeit, die dem Baron ja meistens anhaftet.Was ich gut finde, denn zum Lachen ist das Ganze genauso wenig wie das Verhalten des Grafen! Bleibt zu hoffen, dass Octavian weiterhin beherzigt, was er gelernt hat, nachdem er am eigenen Leibe die Opferrolle kennengelernt hat. Sollte er vorher auch gerne einmal das eine oder andere Dienstmädchen begrabscht haben, so wird er sich das in Zukunft vielleicht zwei Mal überlegen...



    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Zitat von »Mme. Cortese«
    In welcher Hinsicht? Sein promiskuitives Verhalten war zu der Zeit allgemein üblich.
    Dann ist aber der Verzicht auf das Recht der ersten Nacht nicht standesgemäß!
    Aber wieso regt sich die Gräfin dann eigentlich so auf und singt da zwei wunderschöne , herzzerreißend Leidensarien?
    Und lässt sich obendrein noch von einem "Contessa, perdone!" einwickeln?


    Wenn ich mich recht erinnere, hat der Graf das "Ius primae noctis" bei seiner Hochzeit als "Liebesbeweis" für seine Rosina aufgegeben, ein Beschluss, den er sehr bald bereut hat. Dass er es nun gerne heimlich wieder einführen möchte, sieht die Gräfin folgerichtig als Beweis, dass seine Liebe erloschen ist. Dass der Graf seinerseits eifersüchtig ist, hat natürlich nichts mit Liebe zu tun, sondern mit Besitzdenken. Was die Herren bei sich selber für verzeihlich hielten, war den Ehefrauen noch lange nicht erlaubt.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Wenn ich mich recht erinnere, hat der Graf das "Ius primae noctis" bei seiner Hochzeit als "Liebesbeweis" für seine Rosina aufgegeben, ein Beschluss, den er sehr bald bereut hat. Dass er es nun gerne heimlich wieder einführen möchte, sieht die Gräfin folgerichtig als Beweis, dass seine Liebe erloschen ist.

    Das hat er für Rosina aufgegeben? Das wusste ich nicht, dann wird mir manches klarer! Wobei ich es dann wiederum merkwürdig finde, dass so sehr auf diesem Verzicht herumgeritten wird, wenn der schon eine Weile besteht ( siehe den Chor, den Figaro da inszeniert und das Duett der Brautjungfern...), denn ein paar Jährchen sind sie ja nun schon verheiratet.


    Dass der Graf seinerseits eifersüchtig ist, hat natürlich nichts mit Liebe zu tun, sondern mit Besitzdenken. Was die Herren bei sich selber für verzeihlich hielten, war den Ehefrauen noch lange nicht erlaubt.


    Deswegen ja mein Hinweis, dass sie sich als Frau da wohl besser nicht erwischen lassen sollte!Tja, da hat sich bis zur heutigen Zeit wohl nur insofern etwas geändert, dass nun auch teilweise Frauen im Zuge der Gleichberechtigung solches Verhalten für sich in Anspruch nehmen...


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Rodolfo39 hatte aber explizit auf die Inszenierung mit Fleming und Garanca hingewiesen. Vielleicht haben wir uns da ja in dem Punkt irgendwie missverstanden?


    Ich habe jetzt die beiden Stellen von rodolfo rausgesucht. Er schreibt:


    Da ich die DVD gestern per Amazon bekommen hab , möchte ich mich nur kurz einmischen. Gekürzt wird häufig im ersten Akt der Monolog des Ochs . Und die Chemie zwischen Frau Flemming und Garanca stimmt tatsächlich da die beiden ganz natürlich miteinander umgehen und es nicht einstudiert wirkt.


    Auf deine Frage, wie die Inszenierung sei, schrieb er:


    Der Monolog des Ochs geht fast 10 Minuten im ersten Akt. Ohne Striche hab ich den Rosrnkavalier vor Jahren in Dortmund gesehen. (...)


    Für mich klang das ebenfalls so, als ob er sich beim Monolog auf die MET-Version bezieht.



    LG,
    Hosenrolle1

  • Für mich klang das ebenfalls so, als ob er sich beim Monolog auf die MET-Version bezieht.

    Klingt für mich auch so... Naja, vielleicht meldet er sich ja noch einmal und gibt Aufklärung!




    Und wie fandest du speziell Garanča als Octavian? War der sehr burschikos, oder wirkte er eher eleganter oder so?

    Garancas Octavian ist klasse!!! Sie gibt da echt alles, schade, dass es ihr endgültiger Abschied von den Hosenrollen sein soll...
    Nein, elegant ist Octavian hier wirklich nicht, sondern ganz schön frech und selbstbewusst. Und schon der erste Akt sprüht vor witzigen ( nicht übertriebenen!) Regieeinfällen.
    Octavian wechselt da überzeugend zwischen männlich und weiblich und wirkt, als hätte er mächtig viel Spaß daran, den Baron zu veralbern.
    In jedem Fall zu empfehlen!



    Liebe Grüße von der Dritten Dame

  • Zitat von »Dritte Dame«




    Dann dürfte er Barbarina aber auch nicht mehr besuchen...

    Hmm ... auch wieder wahr. Meinst du, dass sie keine mehr ist?

    Was Barbarina angeht, bin ich mir da immer noch nicht schlüssig...
    Ich kann mir irgendwie immer noch nicht vorstellen, dass zwischen ihr und Cherubino mehr läuft als Herumknutschen.
    Aber der Graf würde sich ja wohl kaum mit Händchenhalten und Küsschen zufriedengeben, oder?
    Es sei denn, er ist bei Barbarina auch noch nicht weitergekommen als bei Susanna und versucht, mit Schmeicheleien und Bestechungsversuchen ans Ziel zu kommen.
    Wenn Barbarina nach dem Chor der Blumenmädchen zum Grafen sagt : "Nun geben Sie mir Cherubino zum Mann und ich will Sie so lieb haben wie mein Kätzchen!" kann ich mir nicht helfen, es wirkt auf mich so, als wenn sie gar nicht weiß, was der Graf mit "lieb sein" eigentlich meint!
    Ebenso wie diese Bitte, Cherubino heiraten zu dürfen auf mich den Eindruck macht, sie würde "Heiraten" spielen wollen so wie wir damals in der Grundschule...
    Ich habe sie bis vor kurzem noch für eine ca. sechzehnjâhrige, frühreife Göre gehalten, aber seit ich weiß, dass sie erst zwölf sein soll, sehr ich manche ihrer Bemerkungen irgendwie in einem anderen Licht!



    Liebe Grüße von der Dritten Dame

  • Nein, elegant ist Octavian hier wirklich nicht, sondern ganz schön frech und selbstbewusst. Und schon der erste Akt sprüht vor witzigen ( nicht übertriebenen!) Regieeinfällen.


    Das klingt schon gut, finde ich :)
    Wie macht der Regisseur das eigentlich mit Grapschereien und Knutschereien, die man da im Trailer sieht? Bleibt es dabei, oder wird das die ganze Oper über fortgesetzt, dass es vielleicht schon übertrieben wirkt?



    Octavian wechselt da überzeugend zwischen männlich und weiblich und wirkt, als hätte er mächtig viel Spaß daran, den Baron zu veralbern.


    Wie meinst du "überzeugend weiblich" genau? Dass er sich natürlich bewegt, oder doch ein bisschen mit leicht übertriebenem Hüftwackeln etc.?



    Wenn Barbarina nach dem Chor der Blumenmädchen zum Grafen sagt : "Nun geben Sie mir Cherubino zum Mann und ich will Sie so lieb haben wie mein Kätzchen!" kann ich mir nicht helfen, es wirkt auf mich so, als wenn sie gar nicht weiß, was der Graf mit "lieb sein" eigentlich meint!
    Ebenso wie diese Bitte, Cherubino heiraten zu dürfen auf mich den Eindruck macht, sie würde "Heiraten" spielen wollen so wie wir damals in der Grundschule...


    Der Ansicht bin ich im Grunde auch, andererseits kommt es mir schon so vor, als wolle sie Cherubino nur zum Mann als Notlösung, damit Cherubino im Schloß bleiben kann. Dass sie jetzt auf die Schnelle versucht, ihn irgendwie da zu behalten, und so einen Vorschlag macht.



    Aja, wir sprachen ja öfter mal darüber, ob Cherubino bei "Venite inginocchiatevi" irgendwann wieder aufsteht, oder bis zum nächsten Rezitativ auf den Knien bleibt, und auch über diese Stelle, wo die Streicher diese Synkopen spielen. Ich sah dieser Tage eine Inszenierung dieser Arie, die an sich für mich nicht besonders erwähnenswert ist, aber an einer Stelle hab ich schön geschaut, und zwar ab 1:50!



    Zwar kniet Cherubino hier nicht, obwohl Susanna ja singt, dass sie sich seine Schritte anschauen, wenn er wieder auf den Beinen ist, aber lassen wir diesen Fehler mal beiseite: der Regisseur interpretiert diese Synkopen so, dass SUSANNA ihm vormacht, wie man geht, und zwar werden ihre Schritte dabei genau mit diesen Synkopen getimt. Ich dachte immer, dass diese Synkopen eindeutig zu Cherubino gehören, dass er hier anfangs noch etwas ungeschickt und holprig geht ... aber andererseits singt Susanna während dieser Synkopen "wenn ihr wieder auf den Beinen seid", also würde ich fast ausschließen, dass Cherubino hier schon geht - denn warum sollte sie, wenn er schon wackelig herumgeht, zu ihm sagen "wenn ihr wieder auf den Füßen steht"?


    Ich finde diese Interpretation hier sehr einleuchtend, und diese Synkopen bekommen in diesem Zusammenhang (Susannas vornehm-zierliche Schritte) eine neue Bedeutung, einen neuen Sinn.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Eine Stelle gibt mir auch Rätsel auf: als der Graf die Türe öffnen will, hinter der er Cherubino vermutet, meint die Gräfin:


    Giuro al ciel, ch'ogni sospetto...
    (tremante e sbigottita)
    e lo stato in che il trovate,
    sciolto il collo, nudo il petto...


    Laut meiner Übersetzung:


    Beim Himmel schwöre ich, jeder Verdacht ...
    (zitternd und entsetzt)
    und der Zustand, in dem ihr ihn findet,
    mit geöffnetem Kragen, nackter Brust ...


    Nackte Brust?? Haben Mozart und/oder Da Ponte das tatsächlich so erwartet, wie es da steht? Wieso sollte die überhaupt nackt sein? Ich glaube nicht, dass die Gräfin sowas leichtfertig dahin sagt, wenn es nicht zutreffen würde, denn mit solchen Aussagen bringt sie sich in ärgste Schwierigkeiten.


    Die "Filmübersetzung" verharmlost und verfälscht hier übrigens stark:


    Könnt' ich dir nur seine Unschuld ...
    Zwar sein Anzug erscheint verdächtig,
    ohne Mantel, blaß die Arme ...




    LG,
    Hosenrolle1

  • Nackte Brust?? Haben Mozart und/oder Da Ponte das tatsächlich so erwartet, wie es da steht? Wieso sollte die überhaupt nackt sein? Ich glaube nicht, dass die Gräfin sowas leichtfertig dahin sagt, wenn es nicht zutreffen würde, denn mit solchen Aussagen bringt sie sich in ärgste Schwierigkeiten.

    Theoretisch wäre seine Arme nackt, weil sie ihm ja die Ärmel hochgeschoben haben... Aber selbst wenn ihm schon das Hemd aufgeknöpft worden sein sollte ( was ja regietechnisch nirgendwo angegeben ist! ), weil sie ihm das Kleid überziehen wollten: Hält die Gräfin Cherubino wirklich für so dämlich, dass er in diesem Zustand im Ankleidezimmer verbleiben würde? Selbst, wenn er vor Angst völlig kopflos wäre, glaube ich schon, dass er zumindest noch so weit Herr seiner Sinne wäre, dass er das Hemd wieder zuknöpfen ( wenn nötig ;) ) und die Ärmel wieder herunterziehen würde, oder?


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Ich hätte da noch eine andere Frage: Würde der Graf Cherubino wirklich umbringen, wenn er ihn im Ankleidezimmer fände? Ich meine, der ist kein "dummer, kleiner Bauernlümmel", der ist ein Standesgenosse! Das würde für ihn doch nicht ohne Konsequenzen bleiben, nehme ich an! Zumal Cherubino völlig wehrlos ist und noch nicht einmal einen Degen tragen darf!
    Aber sowohl Cherubino als auch Susanna gehen davon aus ( "Wenn er mich/ ihn findet, bringt er mich/ ihn um").
    Auch die Gräfin sieht es so ( "Er rast vor Eifersucht! Er ist imstande, es zu tun!") .
    Ach ja, auch Joachim Kaiser ist der Meinung ;) In dem besagten Buch, das wir beide kennen, meint er "Würde in diesem Moment Cherubino statt Susanna aus dem Kabinett treten, er wäre verloren."
    Wie denkst Du darüber?


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

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  • Theoretisch wäre seine Arme nackt, weil sie ihm ja die Ärmel hochgeschoben haben... Aber selbst wenn ihm schon das Hemd aufgeknöpft worden sein sollte ( was ja regietechnisch nirgendwo angegeben ist! ), weil sie ihm das Kleid überziehen wollten


    Das ist ja grade das, was mich stutzig macht. Nirgendwo wird gesagt, dass das Oberteil geöffnet wird, es ist nur davon die Rede, dass der Ärmel höher gezogen wird (damit man das Band sieht). Gut, bei Mozart stehen die Regieanweisungen nicht alle in schriftlicher Form da, vieles steckt auch in der Musik, aber trotzdem verstehe ich nicht, warum ihm überhaupt das Hemd vorne geöffnet werden sollte. Vielleicht wollten sie das Hemd ganz ausziehen, damit er besser ins Kleid passt? Dann würde es für mich noch Sinn machen, aber nur ein bisschen geöffnet, das wäre schon sehr unpraktisch.


    Und wie gesagt, ich glaube nicht, dass die Gräfin sowas schwerwiegendes ohne jeden Grund sagt, weil sie ja nicht nur sich selbst, sondern auch Cherubino durch solche Beschreibungen seines Zustands in Bedrängnis bringt. Da Ponte oder Mozart hätten auch irgendwas anderes sagen können, nackte Ärmel, ohne Mantel, offene Haare, irgendsowas. Vielleicht haben die beiden diese Stelle nur reingenommen in der Hoffnung, dass der Bühnen-Cherubino tatsächlich mit aufgeknöpftem Hemd herumläuft? :D



    Hält die Gräfin Cherubino wirklich für so dämlich, dass er in diesem Zustand im Ankleidezimmer verbleiben würde? Selbst, wenn er vor Angst völlig kopflos wäre, glaube ich schon, dass er zumindest noch so weit Herr seiner Sinne wäre, dass er das Hemd wieder zuknöpfen ( wenn nötig ;) ) und die Ärmel wieder herunterziehen würde, oder?


    Gute Frage ... andererseits, ich weiß nicht, ob er als 13 jähriger sein aufgeknöpftes Hemd oder seine Ärmel als "erotischen" Zustand, als verfänglich sieht. Ich meine, es ist ja schon eigenartig genug, dass der Graf auszuckt, weil ein halbes Kind ein aufgeknöpftes Hemd hat.


    Was das Töten des Pagen angeht, ich vergesse immer wieder dass er ja ein Adeliger ist! Vielleicht würde er auf ihn losgehen, aber ich glaube, wirklich töten würde sogar er ihn nicht. Zumal er dann vermutlich nicht nur Probleme mit Cherubinos Eltern hätte (falls denen sowas nicht egal ist), sondern vermutlich auch seine Frau, Susanna und Figaro sich völlig von ihm abwenden würden. Obwohl, die Gräfin sieht ja auch darüber hinweg, dass der Graf auf Kinder steht, also vielleicht wäre ihr ein Kindsmord auch egal, wenn der Graf sich nur schön entschuldigt.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Oh, ein neuer Figaro-Trailer, diesmal von der "Opéra Nice Côte d'Azur":



    Leider ziemlich rasch geschnitten, so dass ich öfter und in Zeitlupe schauen musste (Doppelrechtsklick auf das Video -> Wiedergabegeschwindigkeit -> Langsam). Der Graf scheint hier besonders brutal zu sein, läuft mit einer Hacke herum, tritt Cherubino, der auf dem Boden liegt, und geht so auf ihn los, dass Susanna oder die Gräfin dazwischengehen muss.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Gute Frage ... andererseits, ich weiß nicht, ob er als 13 jähriger sein aufgeknöpftes Hemd oder seine Ärmel als "erotischen" Zustand, als verfänglich sieht. Ich meine, es ist ja schon eigenartig genug, dass der Graf auszuckt, weil ein halbes Kind ein aufgeknöpftes Hemd hat.

    Das denke ich schon! Ich glaube, die wurden schon als Kinder darauf gedrillt, was sich schickt und was nicht! Gerade die Spanier...
    Und der Graf ist ja schon total ausgeflippt, als er Cherubino bei Barbarina und tags darauf bei Susanna im Zimmer gefunden hat. Was würde dann erst passieren, wenn er ihn im Zimmer seiner Ehefrau findet und dann auch noch ohne Mantel?
    Wobei ich mich auch immer wieder Frage, inwieweit der Graf tatsächlich selber glaubt, dass Cherubino da die weiblichen Schlossbewohner in Serie vernascht oder ihn nur als lästigen Mitwisser loswerden will... Oder als Konkurrenten in spe?
    Immerhin nennt er ihn im Originaltext einmal sogar einen "Verführer". Das wird in jeder deutschen Übersetzung, die ich kenne unterschlagen: Als Basilio im ersten Akt von Cherubinos "unbescheidenen" Blicken berichtet, mit denen er bei Tisch die Gräfin bedenkt, erteilt der Graf Basilio den Befehl "Jag den Verführer sofort aus dem Haus!"


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Oh, ein neuer Figaro-Trailer, diesmal von der "Opéra Nice Côte d'Azur":

    Au warte, da wird einem ja schwindlig vom Zuschauen...
    Okay, mit der Axt wird der Graf wohl die Tür öffnen wollen- was schon ziemlich drastisch ist!
    Aber als er auf den am Boden liegenden Cherubino eintritt ( vor allen Leuten, wie's aussieht! ), dachte ich echt, ich sehe nicht richtig! Wirkt umso brutaler, da Cherubino hier wirklich äußerst jung und zart aussieht...
    Okay, der Graf ist ja wirklich aggressiv und unberechenbar, aber Cherubino ist, wie gesagt, auch von Adel! Es würde nur Sinn machen, wenn der Graf in seiner Wut nicht mehr Herr seiner Sinne wäre ( was ja auch sein kann. ).
    Wobei ich keine Probleme hätte, mir vorzustellen, dass er auf einen Bediensteten, nach dem kein Hahn kräht, so losgeht.
    Ich fand es in der Ponelle- Verfilmung auch realistisch, dass er der Gräfin ins Gesicht schlägt, als sie gesteht, dass sich Cherubino im Ankleidezimmer befindet!


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Das denke ich schon! Ich glaube, die wurden schon als Kinder darauf gedrillt, was sich schickt und was nicht! Gerade die Spanier...


    Na gut, stimmt auch wieder :)
    Trotzdem wundert mich die "nackte Brust". Mozart war ja bekanntermaßen kein Kind von Traurigkeit, was die Frauen anging, da wäre für mich schon denkbar, dass er wollte, dass zumindest das Oberteil vorne offen ist (ob das auch erlaubt gewesen wäre ist eine andere Frage; vielleicht gingen andere Länder, in denen er aufgeführt wurde damals, anders damit um?).


    Wobei ich mich auch immer wieder Frage, inwieweit der Graf tatsächlich selber glaubt, dass Cherubino da die weiblichen Schlossbewohner in Serie vernascht oder ihn nur als lästigen Mitwisser loswerden will... Oder als Konkurrenten in spe?


    Ich glaube beides, denn wie du schon sagst, er nennt Cherubino auch Verführer. Der Graf will der Einzige sein, dem alle Frauen zur Verfügung stehen (notfalls mit Gewalt), da kann er einen jungen Burschen, der ihm zuvorkommt, nicht brauchen.


    Immerhin nennt er ihn im Originaltext einmal sogar einen "Verführer". Das wird in jeder deutschen Übersetzung, die ich kenne unterschlagen: Als Basilio im ersten Akt von Cherubinos "unbescheidenen" Blicken berichtet, mit denen er bei Tisch die Gräfin bedenkt, erteilt der Graf Basilio den Befehl "Jag den Verführer sofort aus dem Haus!"


    In meiner Übersetzung nennt er ihn Schürzenjäger, aber der Sinn ist schon der gleiche. Nur in der schlechten Filmübersetzung sagt er "der lose Bube".


    Aber als er auf den am Boden liegenden Cherubino eintritt ( vor allen Leuten, wie's aussieht! ), dachte ich echt, ich sehe nicht richtig! Wirkt umso brutaler, da Cherubino hier wirklich äußerst jung und zart aussieht...
    Okay, der Graf ist ja wirklich aggressiv und unberechenbar, aber Cherubino ist, wie gesagt, auch von Adel! Es würde nur Sinn machen, wenn der Graf in seiner Wut nicht mehr Herr seiner Sinne wäre ( was ja auch sein kann. ).


    Ich finde es auf jeden Fall ganz gut, wenn man den Grafen so darstellt, ohne jede Rokoko-Tändelei und Freundlichkeit, damit man diese Bilder im Kopf hat bei seinem "contessa perdono".




    LG,
    Hosenrolle1

  • Gerade ist mir noch etwas aufgefallen:
    Was die Beleidigungen angeht, die da so durch die Gegend fliegen, wird in der deutschen Übersetzung wieder einmal sehr verharmlost: Im Italienischen beschimpft der Graf ihn als "Verführer", "Stutzer", sogar das Wort "Schurke" fällt zwischendurch!
    Die Übersetzung macht daraus einen "frechen Bengel", "losen Buben", "verworfnen Knaben". Damit passt man den Grafen merkwürdigerweise den verbalen Äußerungen der anderen an, denn die benutzen ihm gegenüber eher Diminuitive.
    Die anderen Personen in diesem Stück sehen in ihm offenbar eher noch ein Kind, während der Graf in ihm schon einen potentiellen Nebenbuhler wittert...
    ( Susanna: "Ach, er ist ja ein Kind noch!" Und der Graf :"Nicht so sehr, wie Du denkst!" ).


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Das ist auch einer der Gründe, warum ich Übersetzungen nicht gut finde. Klar, wenn man sowieso vorhat, eine Oper nur einmal oberflächlich anzuhören, dann sind einem diverse Feinheiten egal, aber wenn man sich genauer damit beschäftigt, dann sind solche Übersetzungen verfälschend und daher absolut unbrauchbar.


    In einer Szene in dem Video sah man Susanna und die Gräfin, die sich an Cherubinos Schulter anlehnen. Also offenbar ist es hier auch so, dass beide Frauen ein gewisses Interesse an ihm haben, im Gegensatz zu anderen Inszenierungen aber wird (soweit man das sehen konnte) aber nicht gefummelt, sondern eher gekuschelt. Ich hoffe, dass es bald mehr zu sehen gibt von dieser Inszenierung!




    LG,
    Hosenrolle1

  • In einer Szene in dem Video sah man Susanna und die Gräfin, die sich an Cherubinos Schulter anlehnen. Also offenbar ist es hier auch so, dass beide Frauen ein gewisses Interesse an ihm haben, im Gegensatz zu anderen Inszenierungen aber wird (soweit man das sehen konnte) aber nicht gefummelt, sondern eher gekuschelt.

    Wobei das Anlehnen auf mich eher wie ein freundschaftliches Kuscheln unter Frauen wirkt ( Und auch die Gräfin und Susanna halten sich in einer Szene liebevoll im Arm... ). Ist die Frage, inwieweit dieses "Interesse" dann erotischer Natur ist, denn Cherubino wirkt hier wirklich sehr, sehr jung!
    Allerdings sieht man auf 0:36 wie er einer der Damen den Strumpf herunterzieht, während diese äußerst offensiv das Kleid anhebt! Mann sieht leider die Gesichter nicht, aber der Kleidung nach zu urteilen, ist das tatsächlich die Gräfin?!?


    Ich hoffe, dass es bald mehr zu sehen gibt von dieser Inszenierung!

    Das hoffe ich auch! Scheinen sehr interessante Ansätze zu sein!!!


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Wobei das Anlehnen auf mich eher wie ein freundschaftliches Kuscheln unter Frauen wirkt ( Und auch die Gräfin und Susanna halten sich in einer Szene liebevoll im Arm... ). Ist die Frage, inwieweit dieses "Interesse" dann erotischer Natur ist, denn Cherubino wirkt hier wirklich sehr, sehr jung!
    Allerdings sieht man auf 0:36 wie er einer der Damen den Strumpf herunterzieht, während diese äußerst offensiv das Kleid anhebt!


    Das war vielleicht missverständlich von mir formuliert: die Annahme, dass in dieser Inszenierung die beiden Frauen ein Interesse an Cherubino haben könnten beruht nicht auf der Anlehn-Szene, sondern auf dieser Strumpfband-Szene, die ich leider nicht erwähnt habe. Das Anlehnen selber kommt mir auch sehr freundschaftlich vor, wobei es m.E. doch auffällig ist, dass BEIDE Frauen sich anlehnen.


    Das mit dem Strumpfband finde ich schon sehr ungewöhnlich. Falls das die Gräfin ist (wovon ich einmal ausgehe), dann glaube ich, dass sie weiß, dass Cherubino solche "Spielereien" gefallen, denn wenn er in dieser Inszenierung tatsächlich als quasi unschuldiger Junge dargestellt wird, würde sie das nicht machen. Die müsste doch befürchten, dass er fragt "Was soll das werden?" :D
    Meine Vermutung ist, dass der Regisseur es vielleicht so macht, dass die Gräfin nicht Susanna ein neues Band holen lässt, sondern ihm eines gibt, das sie selbst schon trägt, und er darf es sich auch noch selbst nehmen.


    Ich gehe mal auf die Homepage der Oper und suche nach weiteren Bildern, Videos und/oder Infos.


    EDIT: nichts. Eine Inhaltsangabe, die vom "Humor" des Stückes und der Musik von Mozart schwärmt (die dort aber nicht zu hören ist), eine Besetzungsangabe, und das war´s. Keine weiteren Videos, keine Fotos, nicht mal die Option, die Seite auf Englisch anzeigen zu lassen, zumindest habe ich keine gefunden.


    In der Beschreibung wird Cherubino als Konkurrent des Grafen bezeichnet. Wie gesagt, ich hoffe wirklich, dass diese Inszenierung mal ganz zu sehen sein wird, sehe aber schwarz :(




    LG,
    Hosenrollle1

  • Und das Frage ich mich immer : woher kommt bei einem Kind wie Cherubino das Interesse an älteren Frauen. Normalerweise sollte er dich doch mit anderen Dingen beschäftigen mit denen sich Kinder in seinem Alter beschäftigen.

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  • Und das Frage ich mich immer : woher kommt bei einem Kind wie Cherubino das Interesse an älteren Frauen.


    Naja, Interesse an ALLEN weiblichen Wesen, an der um ein Jahr jüngeren Barbarina genauso wie an Susanna, der Gräfin und wer halt sonst noch da ist :D
    Er ist ja auch kein Verführer im klassischen Sinne, kein Don Giovanni oder so, sondern selbst noch sehr unsicher.


    Normalerweise sollte er dich doch mit anderen Dingen beschäftigen mit denen sich Kinder in seinem Alter beschäftigen.


    Naja, aus heutiger Sicht vielleicht. Damals mussten Kinder aber schnell erwachsen werden, entweder weil sie viele Stunden am Tag zwangsarbeiten und im Dreck leben mussten, oder weil sie (wie hier) adelig waren und eine strenge Erziehung und wenig Freiräume hatten.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Und das Frage ich mich immer : woher kommt bei einem Kind wie Cherubino das Interesse an älteren Frauen. Normalerweise sollte er dich doch mit anderen Dingen beschäftigen mit denen sich Kinder in seinem Alter beschäftigen.

    Nun ist Cherubino aber auch nicht mehr wirklich ein "Kind" , allerdings auch noch lange nicht erwachsen. Er steckt in dieser verflixten Phase dazwischen, kurz gesagt, er pubertiert aufs heftigste!
    Zwar offenbar noch nicht allzu lange, denn man merkt an der Art, wie die Menschen seines Umfeldes mit ihm umgehen, dass er schon noch in dieser "Kinderrolle" verhaftet ist.
    Und er selber beschreibt ja seine verwirrenden Gefühle als "neu".
    Und ihn beschäftigt ja im Grunde nichts anderes außer diesen faszinierenden Empfindungen, die auf einmal jedes Mädchen, jede Frau, die ihn umgibt, in ihm auslöst.
    Dass er da für eine wesentlich ältere ( und verheiratete!) Frau so glühend schwärmt, finde ich überhaupt nicht ungewöhnlich, im Gegenteil!
    Wie oft passiert es auch heutzutage, dass sich Jugendliche gerade diesen Alters Hals über Kopf in Lehrer, Trainer, Betreuer usw. verlieben!
    Da ist dann erst einmal schon eine grundsätzliche Vertrautheit vorhanden, eine Sicherheit, dass derjenige einen nicht verletzen wird ( was bei Gleichaltrigen nicht unbedingt der Fall ist! Die können sehr mies zueinander sein! ). Außerdem ist das Objekt der Begierde sowieso erst einmal unerreichbar ( weil häufig in festen Händen... ) , so, dass erst einmal eh nichts passieren kann!
    Wer ganz sicher gehen will, verliebt sich in Filmstars, Sänger oder andere unerreichbare Promis!
    Cherubino ist da also in guter Gesellschaft!
    Was ich wiederum interessant finde ist, dass der Begriff "Pubertät" ja damals noch gar nicht bekannt war- aber offenbar jeder wusste, dass die jungen Damen und Herren ab einem gewissen Alter "durchknallten".
    Nur konnten die damals auf wenig Verständnis hoffen: Cherubino ist ja permanent Opfer von Hohn und Spott, reden wird mit ihm auch keiner über das, was ihn umtreibt, und vermutlich kann er sich glücklich schätzen, wenn er wenigstens über rein anatomische Vorgänge mehr oder weniger aufgeklärt wurde...



    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Jetzt habe ich mal auf Amazon doch einige Figaro-DVD oder Blu-ray-Cover überflogen, um zu sehen, welche Personen da drauf sind. Tatsächlich habe ich nur zwei gefunden, auf denen man auch Cherubino sieht:



    Ansonsten wird er, soweit ich das gesehen habe, praktisch überall unterschlagen. Würde mich ja interessieren, wie die Produzenten dieser beiden Scheiben hier gerade diese Figur zeigen, statt etwa den titelgebenden Figaro.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Irgendwie Ironie des Schicksals, oder? Octavian ist die Titelrolle des "Rosenkavalier" und auf beinahe jedem Cover zu sehen! Er ist ständig präsent auf der Bühne- aber hat nicht eine einzige Arie zu singen!!!


    Liebe Grüße, die Dritte Dame

  • Stimmt, und Cherubino hat gleich zwei, wird da aber verschmäht, weil man den Grafen oder Figaro oder Susanna für interessanter hält.


    Wobei, bei Octavian ist es vielleicht auch, weil er im Titel genannt wird, könnte ich mir denken. Aber trotzdem irgendwie schade.




    LG,
    Hosenrolle1