Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960, CD (DVD)-Rezensionen und Vergleiche (2017)

  • Ich vermisse das Atmen, den Raum, das Leuchten der Töne. Und das ist gerade bei der B-Dur Sonate für mich ganz wesentlich.

    Das werde ich mir noch anhören, lieber Christian. :D Es gibt Sachen in der Tat, da passt die Ashkenazy-Ästhetik einfach nicht, z.B. bei der 8. Prokofieff-Sonate. Auch seine Mozart-Konzerte finde ich teilweise schon sehr spröde - aber darin auch gerade wieder sehr "eigen" und ungewöhnlich. Er ist eben ein Epiker und eher kein Lyriker. Allerdings haben gerade die älteren CD-Überspielungen einiges versaut. Die sind z.B. schauerlich blechern im Vergleich mit dem warmen Klang der LP (Scriabin-Sonaten). Auch den Liszt bei Youtube kann man kaum hören, da wird die Quad-Elektrostaten-Abmischung tatsächlich gläsern. Mit einer guten Anlage abgespielt ist das etwas Anderes.


    Liebe Grüße
    Holger

  • Das ist aber wirklich grandios - und "typischer" Ashkenazy, wie es typischer nicht mehr geht. Er erzählt eine Geschichte auf dem Klavier mit einem wunderbar warmen und runden Ton und einer Traurigkeit, die jedoch nichts Auratisches hat, sondern total diesseitig ist. Sozusagen Schubert vom enthusiastischen Romantiker zum Humanisten des Rein-Menschlichen konvertiert. Wie immer beeindruckend bei Ashkenazy - und das hat er Affanasjew voraus - dass er bei der Erzählung nie den Sinn für das große Ganze verliert. Er spielt das wie er eine Symphonie dirigiert - diese Sonate bekommt unter seinen Händen wahrlich symphonische Dimensionen. Das ist wirklich der interpretatorische Gegenentwurf zu Berman. Ich finde das beeindruckend - auch wenn es keine Schubert-Melodie-Romantik zum Dahinschmelzen ist. :)


    Einzig und allein die Decca-Aufnahmetechnik entspricht nicht ganz den sonst üblichen hohen Standards. Der Bass klingt wirklich topfig. Leider!


    P.S. Bei der "Wandererfantasie" gefällt er mir dagegen gar nicht. Das wird - ohne jegliche Ästhetisierung - dann doch sehr rustikal.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber WilliamB.A.
    Diese Ashkenazy-Aufnahme habe ich im Regal stehen und werde sie mir nach langer Zeit wieder anhören.


    Lieber Dr. Holger Kaletha


    Und deinen Vorschlag der älteren DECCA Aufnahme mit den Schubert-Sonaten werde ich erwerben. Werde mich mal umsehen, ob es sie noch irgendwo angeboten wird.


    LG moderato
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Und deinen Vorschlag der älteren DECCA Aufnahme mit den Schubert-Sonaten werde ich erwerben. Werde mich mal umsehen, ob es sie noch irgendwo angeboten wird.

    Lieber Moderato,


    als Einzel-CD ist sie relativ teuer für 22 Euro. Da lohnt es sich, für 110-120 Euro diese komplette Box (56 CDs!) zu kaufen, wo sie drin enthalten ist. :)



    Schöne Grüße
    Holger

  • Hier ist die Box noch fast um 12 € günstiger:



    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Mein Gott- welch eine Offenbarung vom ersten Ton an, Ein derartig beklemmend schöner Klang voll Wärme und Intimität, dass mir der Atem stocken wollte. Und dann der kristallklare tiefe Triller mit einer kaum merkbaren dynamischen Bewegung auf der Mitte der Phrase- grandios!

    So ging es mir auch, lieber Willi! Sonst spare ich mir auch schon mal die Expositionswiederholung, wenn ich nicht viel Zeit zum Hören habe, aber bei Ashkenazy habe ich alles komplett durchgehört. Das war einfach zu fesselnd! :)

    Hier ist die Box noch fast um 12 € günstiger:

    jpc hatte die Box eine Zeit lang auch zu dem Preis im Angebot - da habe ich zugeschlagen. :) Das lohnt ich wirklich - nicht nur wegen vieler Aufnahmen, die sonst nicht oder nur sehr schwer zu bekommen sind sondern auch wegen der technisch hervorragenden Überspielung. Die Sciabin-Sonaten klingen hier wirklich so schön, wie sie mal auf der LP geklungen haben. Dagegen kann man die ältere CD-Überspielung - blechern und unausgewogen - wirklich in die Tonne schmeißen! :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Das nächste Dutzend Interpretationen, lieber Holger, wird dem Interpretenbuchstaben "B" vorbehalten sein, lieber Holger, und da habe ich doch die eine oder andere mir vorher ungekannte Aufnahme entdeckt. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    A4830_Paul_Badura_Skoda_gd.gif?w=240
    Instrument: Fortepiano Conrad Graf, Grand, c. 1826
    AD: 11/12/2011
    Spielzeiten: 19:36-8:26-4:16-8:33 --- 40:51 min.;


    Zu Beginn dieser Besprechung möchte ich Paul Badura-Skoda aus dem Booklet dieser Doppel-CD zitieren, da er dezidiert auf die Wiederholung der Exposition eingegangen ist:

    Zitat

    Paul Badura-Skoda: Die Frage, ob man den 1. Teil eines Schubertschen Sonatensatzes soll, ist umstritten, gerade in dieser Sonate. Mein Freund Alfred Brendel ist strikt dagegen. Er schreibt:

    Zitat

    Alfred Brendel: In Schuberts B-dur-Sonate, die so oft als Beispiel herangezogen wird, verzichte ich auf diese Überleitung [zur Wiederholung] mit besonderem Vergnügen: so ohne jede logische oder atmosphärische Beziehung steht dieser zuckende Ausbruch da, als hätte er sich aus einem fremden Stück in die großartige Harmonie dieses Satzes verirrt (Nachdenken über Musik, 1977 S. 93)


    Badura-Skoda sagt dann:

    Zitat

    Ich selbst bin anderer Meinung: In diesen unheimlichen neun Takten (ab T. 117) sehe ich einen Geniezug, gerade deshalb, weil sie "aus dem Rahmen" fallen wie der plötzliche Einbruch einer anderen Welt, der die vorherrschende Heiterkeit der Exposition brüsk unterbricht. Nur dieses einzige Mal , einen Takt vor der Wiederholung, erscheint das entfernte leise "Donnergrollen" vom 8. Takt des Themas ganz "nahe", im drohenden Fortissimo". Dadurch gewinnt der Wiedereintritt des Hauptthemas eine andere Bedeutung als am Beginn, er vermittelt weniger das Bild einer sanften Abendstimmung als erlösendes Aufwachen nach einem Albtraum".


    (P.S.: in meinen bisherigen 73 Aufnahmen sind 56 mit Wiederholung der Exposition und 17 ohne, also fast 80 % der Aufnahmen mit Wiederholung.)


    Paul Badura-Skoda, der bei Entstehen dieser Aufnahme gerade 84 geworden ist, gehört zu den rascheren Pianisten, zumindest im Kopfsatz und im Andante. Der Graf-Flügel klingt heller und direkter als der Flügel, den Ashkenazy gespielt hat, und besonders im tiefen Bass-Triller hat er nicht die runde, samtene Tiefe, was mir bei Ashkenazy besser gefiel. Zudem ist er im Kopfsatz eine Minute schneller als Ashkenazy, bleibt aber durchaus noch im zeitlichen Rahmen, wie ich finde.
    Möglicherweise ist es der wesentlich neueren Aufnahmetechnik geschuldet, dass der dynamische Pegel auch wesentlich höher ist als bei Ashkenazy. Pianissimo ist das nicht.
    Im dritten Teil des Themas (Takt 20 bis 35) hält er das äußere Tempo exakt bei und steigert auch in den letzten beiden Takten auf der Basis der höheren Grundlautstärke entsprechend, so dass wir am Ende von Takt 35 eher bei einem Fortissimo sind, aber das ist so durchaus in Ordnung.
    Allerdings könnte er in den Taktübergängen 40/41 und 42/43 die dynamischen Akzente präziser spielen, die so angesichts der hohen Grundlautstärke, wie ich finde, nicht deutlich genug herauskommen. Das war bei Ashkenazy wesentlich präziser. Ähnlich behält es sich mit der Steigerung in Takt 46/47 zum Fortissimo hin (nach voraufgegangenem Decrescendo). Auch da ist der dynamische Verlauf zu unkonturiert. Vor allem ragt hier das Fortissimo, wie ich finde, nicht deutlich heraus.
    Auch im zweiten Thema (Takt 49 bis 69) in fis-moll scheinen mir die dynamischen Bewegungen auf der Basis einer nach wie vor zu hohen Grundlautstärke zu wenig ausgeprägt, d. h. die Entwicklung der allein in diesen 30 Takten fünf Crescendi und vier Decrescendi hätte ich mir deutlicher gewünscht.
    Im dritten Thema ab Takt 80 setzt sich dieser Trend fort. Auch hier hätte as dynamische Spiel kontrastreicher sein können. In der Schlussgruppe spielt er allerdings ein prachtvolles Crescendo mit einem veritablen Fortissimo in Takt 105. Danach sind allerdings die Decrescendi in Takt 114, 116 und 118, als Kontraste zu den Mezzoforti in Takt 117a, 119a, und 121a wiederum zu kontrastarm, wie ich finde, und der Abschlusstriller ffz in Takt 124a/125a klingt auf diesem Flügel gelinde gesagt nicht schön, sondern hässlich. Die anschließende Pausenfermate am Ende von Takt 125a empfinde ich als zu kurz.
    Für die Darbietung der Wiederholung gelten m. E. die gleichen Anmerkungen zum dynamischen Verlauf wie zur ursprünglichen Exposition, d. h., sie ist mir nicht zu dynamikarm, sondern zu kontrastarm.
    Das erste Mal empfinde ich ein zutreffendes Pianissimo in Takt 117b, auf dem Ritardando. In der Durchführung (ab Takt 118 b138 empfinde ich dies Kontrastarmut auf hohem dynamischen Level immer noch, erst nach dem Forte in Takt 140 geht er deutlicher zurück und spielt dann nach der Rückkehr zum B-dur von einem niedrigeren dynamischen Level aus eine etwa ab Takt 163 großartige dynamische Steigerung bis hin zum Fortissimo in Takt 172/173, die ihren Namen auch wirklich verdient. Auch das Dramatische kommt in diesen teilweise dissonanten klopfenden Achtelakkorden in der Begleitung besonders eindrucksvoll zum Tragen. Mit Wiedereintritt des Basstrillers, Takt 186 und Wiederkehr des Themas ab Takt 188 mit Auftakt spielt er in der Tat ein sehr ansprechendes Pianissimo, allerdings erreicht er keinesfalls am Ende der Durchführung nach dem Decrescendo-Achtelabwärtsgang in den beiden letzten Trillern das notierte ppp.
    Auch die Reprise setzt m. E. nicht "pp" ein, sondern bestenfalls "mp". Auch ein Unterschied zwischen dem pp In Takt 216 mit Auftakt und dem ppp in Takt 223 mit Auftakt ist nur zu erahnen. Im weiteren Verlauf werden die dynamischen Kontraste wieder deutlicher. Das hätte ich gerne durchgängiger gehört. Warum das hier so selten zu hören ist, entzieht sich meiner Kenntnis. (Was Paul Badura-Skoda dagegen in seinem Recital am 25. 11. 2017, 7 Wochen nach seinem 90. Geburtstag als "Einspringer" für den erkrankten Bruno Leonardo Gelber in Burgsteinfurt geboten hat, war im Vergleich zu dieser Aufnahme von einem anderen Stern.
    Und wenn man dann die letzten 13 codartigen Takte hört, fragt man sich, warum das nicht immer so berührend geklungen hat.


    Im Andante sostenuto ist Badura-Skoda signifikant schneller als Ashkenazy, aber durchaus noch im Rahmen, und vor allem beginnt er hier dynamische deutlich zurückhaltender und zeichnet hier auch die dynamischen Bewegungen sorgfältiger nach, arbeitet die Kontraste deutlicher heraus. Er lässt dem gleichmäßig gesteigerten Crescendo (ab Takt 9) ein ebenso deutliches Decrescendo folgen. Auch in der Wiederholung (ab Takt 189 sind die dynamischen Bewegungen hier durchaus präzise wiedergegeben und entfalten erst auf diese Weise ihre stark Wirkung und dringen tief in den musikalischen Kern vor. Auch die Folge pp(Takt 30)-decr. (Takt 34-ppp (Takt 38 gelingt hier eindrucksvoll und leitet zum wundersamen Seitenthema über.
    In diesem (ab Takt 43)dreht er allerdings temporal, wie ich finde, etwas stark auf, im ersten variierten Teil (ab Takt 51 mit den Sechzehntelquintolen, hier in der Begleitung in der oberen Oktave hätte er dagegen durchaus noch etwas mehr steigern können (von p -- mf), wohingegen er ab der neuerlichen Themenvariation ab Takt 59 wieder stärker nach oben geht, sodass der Kontrast zwischen diesen beiden Themenvariationen m. E. hätte größer sein müssen (mf - p). Die anschließende Rückgang nach pp (Takt 63) und anschl. Crescendo (Takt 67) gelingen wieder besser.
    Die letzte Variation (ab Takt 76, mf, mit Rückgang und pp ab Takt 80) sowie abschließendem Diminuendo gestaltet er geradezu grandios und legt hier auch in Takt 90 eine ausreichende Generalpause ein.
    Im reprisenförmigen Teil gestaltet er die insistierend klopfenden Sechzehntel im Bass sehr eindringlich, was durch den Klopfrhythmus der Staccato-Sechzehntel noch intensiviert wird.
    Die herrliche Coda ab Takt 123 spielt auch er sehr berührend und bringt sie zu einem grandiosen Morendo.


    Das Scherzo beginnt er m. E. zu laut, es sollte pp sein, ist aber mindestens mp. Das Problem hatten wir schon mal im Kopfsatz. Erst im Mittelteil des Scherzos, wo "p" notiert ist, ist er nahe an der Partitur, und etwa ab Takt 41 (pp) ist er dann in der Spur. Man muss ja auch die dynamischen Bewegungen als solche noch erkennen können, was hier dann auch gegeben ist.
    Das Trio mit den synkopierenden Forzandopiani gefällt mir ausnehmend. Dann wiederholt er das Scherzi da capo und schließt dann die vier Codatakte an.
    Durch die durchlaufenden klopfenden Viertel in der Begleitung verdeutlicht auch er sehr schön, dass die Fröhlichkeit und Verspieltheit nur vordergründig ist.


    Im Finale, in dem er ebenso wie im Scherzo etwas langsamer unterwegs ist als Ashkenazy, spielt er dynamisch sehr aufmerksam, zeichnet jetzt die Wendungen deutlich nach, gestaltet die Crescendi ebenfalls sehr deutlich und spielt das auch rhythmisch in dem ständigen Wechsel von Staccato und Legato sehr sorgfältig.
    Auch im Seitensatz ab Takt 85, dem zweiten Teil des Rondos, mit durchgängigem Legatocharakter, erfüllt er im Großen und Ganzen die dynamischen Vorgaben, wenn auch zu Beginn seine Grundlautstärke noch etwas hoch ist. Aber rhythmisch ist das doch sehr beachtlich, treten die Bewegungen deutlich hervor.
    Mit hörbarer Verve stürzt er sich dann auf den ersten durchführenden, hoch dynamisch-dramatischen Teil, ab Takt 156, den er erst in Takt 184 mit einem organischen Decrescendo auslaufen lässt.
    Den zweiten Abschnitt, wieder mehr legatoförmig mit den durchlaufenden Achteltriolen, von Takt 185 bis 223, lässt er ohne Unterbrechung des musikalischen Flusses folgen.
    Den insgesamt vierten Teil des Rondos, der sowohl reprisenhafte als auch weiterhin durchführende Züge trägt, ab Takt 226 mit Auftakt, spielt er sehr engagiert weiter, in der ersten Hälfte hochdynamisch, in der zweiten Hälfte, wo das Geschehen durch tonleiterartige Sechzehntelfiguren im Diskant (ab Takt 292) eingebremst wird, führt er zum originalen Thema zurück (ab Takt 313 mit Auftakt.
    Auch hier arbeitet er dynamisch wieder sehr sorgfältig, rhythmisch sowieso. und führt wieder zum lyrischen Seitenthema (ab Takt 360 mit Auftakt und lässt es bis Takt 427 weiter fließen, bevor sich nach den beiden Generalpausentakten die Durchführung nochmal, zwar kürzer, aber "mit der gleichen Wucht wie früher" zurück meldet, jedenfalls wiederum in der ersten Hälfte (bis Takt 457), bevor di zweit Hälfte wieder im p und überwiegenden Legato ertönt.
    Ein letztes Mal setzt in Takt 490 das Thema ein, aber nur kurz und mit stets schwächer werdenden fp-Akkorden, bis Badura-Skoda die Sonate mit der furiosen Presto-Coda zu einem frappierenden Ende bringt.
    Abgesehen von den großen Irritationen im Kopfsatz, schlägt sich Paul Badura-Skoda in den weiteren drei Sätzen teils bravourös, teils zumindest zufriedenstellend.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Auch die Reprise setzt m. E. nicht "pp" ein, sondern bestenfalls "mp".

    Das Scherzo beginnt er m. E. zu laut, es sollte pp sein, ist aber mindestens mp.

    Lieber Willi,


    wenn ich das lese, werde ich an meine Rezensionen von Aufnahmen mit Hammerflügel erinnert, wo ein immer wiederkehrendes Problem war, dass sich auf diesen Instrument ein wirklich klingendes, tragfähiges pp nicht realisieren lässt. Das hören die Freunde des historischen Klavierklangs nicht gerne, aber das sind einfach die bautechnischen Schwächen des Instruments. :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Der Hammerflügel, lieber Holger,


    hat, wie ich bem Recital am letzten Donnerstag (ich berichtete darüber) in Köln (Kristian Bezuidenhout), nicht nur Probleme im Pianobereich, sondern fast noch mehr im f/ff-Bereich. Ich habe jetzt zum zweiten Mal eine völlig unzureichende Patheitque gehört, dazu eine völlig unzureichende Sonate Nr. 7.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P. S. Ich muss jetzt singen.

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Der Hammerflügel, lieber Holger,


    hat, wie ich bem Recital am letzten Donnerstag (ich berichtete darüber) in Köln (Kristian Bezuidenhout), nicht nur Probleme im Pianobereich, sondern fast noch mehr im f/ff-Bereich. Ich habe jetzt zum zweiten Mal eine völlig unzureichende Patheitque gehört, dazu eine völlig unzureichende Sonate Nr. 7.

    Das war auch das falsche Hammerklavier, zudem noch mit dem völlig falschen Programm, lieber Willi. Das goldrichtige ist hier :D :



    (Zum Singen müsste jetzt die Loriot-Version von den Comedian Harmonists hier hin!) :D


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Das überracht mich doch. Die Mozartaufnahmen von Bezuidenhut sind exquisit und wunderbar frei. Dabei tue ich mich mit dem Klang des Hammerklaviers eigentlich auch eher schwer. Die Grenze war für mich Beethoven, dessen Sonaten einen größeren Klang verlangen. So ist es offenbar auch bei Bezuidenhut. Aber es gibt eine Ausnahme: die beiden Schubert-Aufnahmen von Lahusen auf dem Hammerklavier sind was ganz Besonderes. Und Lahusen spielt pp. Ich hatte ihn ja schon mal empfohlen.


    Viele Grüße
    Christian

  • Aber es gibt eine Ausnahme: die beiden Schubert-Aufnahmen von Lahusen auf dem Hammerklavier sind was ganz Besonderes. Und Lahusen spielt pp. Ich hatte ihn ja schon mal empfohlen.

    Lahusen ist wirklich sehr gut, das finde ich auch, lieber Christian. Ihn hatten wir mal in einem speziellen Thread besprochen. :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

  • Zitat

    Christian B.: Aber es gibt eine Ausnahme: die beiden Schubert-Aufnahmen von Lahusen auf dem Hammerklavier sind was ganz Besonderes. Und Lahusen spielt pp. Ich hatte ihn ja schon mal empfohlen.


    Nikolaus Lahusen, lieber Christian, habe ich selbstverständlich auch in meiner Sammlung, und als ich im August (während der Erweiterung meiner Sammlung diese Aufnahme erhielt und durchhörte:

    packte es mich vom ersten Takt an genauso wie bei Ashkenazy. Lahusen, dessen persönliches Schicksal ich ja bald nach der Aufnahme meiner Erinnerungstätigkeit erfuhr und das mich sehr betroffen machte, spielt die B-dur-Sonate auf einem Conrad Graf Flügel aus 1835. Dem Aussehen nach scheint er auch etwas voluminöser zu sein als der, auf dem Bezuidenhout spielte. Er ist aus der Collection Edwin Beunk:

    Conrad%20Graf%20bj1835.JPG


    Schubert habe ich einmal vor Jahren von Andras Schiff auf dem Klavierfestival Ruhr gehört. Er spielte dort auf einem Broadwood-Flügel von 1865, ich meine er habe so ausgesehen:

    1865_broadwood_01.jpg


    Schiff spielte die komplette Schubert-Schlusstrias D. 958. D. 959 und als Krönung D.960. Es war gigantisch. So hatte ich mir die Schlusstrias immer vorgestellt. Der Broadwood-Flügel war großartig, und Schiffs Interpretation gehörte mit zu dem Besten, was ich bis heute von Schubert live gehört habe, und D.960 habe ich schon von einer ganzen Reihe von Pianisten ilve gehört, von denen ich die meisten auch in meiner Sammlung habe. Brendel habe ich gar innerhalb eines Vierteljahres zweimal live mit dieser Sonate erlebt, und das lag daran, dass meine Tochter und ich in Köln wegen eine vollen Autobahn zu spät gekommen waren und nur noch nach der Pause in den Saal konnten, wo wir dann noch die B-dur-Sonate live erleben konnten. Ich habe dann noch in der Nacht nach meiner Rückkunft eine Karte für Flensburg (SHMF) bestellt, um das ganze Konzert zu hören. Das war in Brendels letztem Jahr 2008.
    Aber nur zweimal habe ich die ganze Trias live in einem Konzert erlebt, beide Male auf dem Klavierfestival Ruhr, einmal von Elisabeth Leosnkaja und einmal von Andras Schiff. Was übrigens Nikoluas Lahusen zu den Vorzügen des Hammerflügels bei Schubert sagt, und was es mit dem "Moderatorpedal" auf sich hat, werde ich dann zitieren, wenn ich bei ihm angelangt bin. Als nächste Aufnahme werde ich die zweite Aufnahme von Paul Badura-Skoda vorstellen, die er vier Monate nach der auf dem Graf-Flügel gespielten mit einem Steinway (2004) augenommen hat.
    Ich muss meien Beitraag noch erweitern, als ich vorhin im Thread "Konzertbesuche und ihre Bewertung" gelesen habe, fand ich einen Beitrag, den ich am 13. Mai 2011 verfasst habe, und aus dem hervorgeht, dass ich die Trias noch ein drittes Mal live gehört habe, und zwar von Mitsuko Uchida:


    Konzertbesuche und Bewertung


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lieber Willi,


    ich habe die Sonaten-Trias nur einmal live gehört, das muss im Frühjahr 1989 gewesen sein. Ich weiß das noch so genau, weil ich am nächsten Tag eine Abiturprüfung hatte und überlegt habe, ob ich am Abend zuvor von Augsburg nach München fahren kann und ob das dann nicht zu spät wird. Aber ich habe es natürlich gemacht - es war großartig. Das Abitur hat auch nicht darunter gelitten. Ich bedauere ja, dass Brendel - der an diesem Abend gespielt hat - die Sonaten aus dieser Zeit nicht live veröffentlicht hat. Das war viel aufregender als die digitalen Studioaufnahmen, und auch viel eindringlicher und differenzierter als die Live-Aufnahmen, die er dann 15 Jahre später rausgebracht hat. Damals war er auf seinem Zenit.


    Herzliche Grüße
    Christian

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  • Dazu passt auch diese Aufnahme, lieber Christian, die ich jetzt erhalten habe, und die schon seit einer ganzen Zeit in Youtube zu hören und zu sehen ist:



    Hier hat er die Trias im Januar 1988 in der "Great Hall fo the Middle Temple" in London aufgenommen.


    Hör' selbst!


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Danke für den Hinweis, Willi, aber ich bin kein großer Fan von DVD's - die Qualität der Musikspur ist selten gut genug, als dass es sich lohnen würde, sie zu überspielen und nur anzuhören. Und es ist letztlich auch eine Studioaufnahme ohne Publikum. Brendel ist damals in München - ich war auch an einem weiteren Abend anwesend - viel stärker aus sich rausgegangen, hat mehr riskiert - auch im Ausdruck - und war nicht so sehr um eine klassische, ausgwogene Haltung bemüht. Es gibt eine frühe Live-Aufnahme der Diabelli-Variationen von ihm (wiederveröffentlicht auf der Great Pianists-Reihe), auf der diese Qualität ebenfalls aufblitzt. Und die Beethoven-Konzert #1-4 live mit James Levine atmen auch diesen Geist.


    Viele Grüße
    Christian

  • Nun die versprochene zweite Badura-Skoda-Aufnahme:



    Schubert, Klaviersonate Nr. 2 B-dur D.960
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    Instrument: Steinway Nr. 569686 (2004)
    AD: 4/2012
    Spielzeiten: 19:21-8:30-4:15-8:43 --- 40:49 min.;


    Auch diese Aufnahme scheint höher ausgesteuert, oder Badura-Skoda spielt zu laut, ich würde sagen, hier liegt der Pegel im Vergleich zu Ashkenazy oder Lahusen bei einem satten p/mp, aber der erste Triller ist in einem wahrhaftigen, wie ich finde, glänzend getroffenen Pianissimo. Überhaupt ist der Klang runder und gefällt mir besser.
    Im Tempo ist er etwas rascher als auf dem Graf-Flügel, hier im Kopfsatz etwa 20 Sekunden. Im 3. Thementeil ab Takt 20 spielt er die Sechzehntel in der Begleitung eigentlich schon im Pianissimo, und lässt die Musik sehr schön fließen, ohne merklich zu beschleunigen und schließt mit einer kraftvollen Steigerung in den Takten 34/35 ab.
    Im 4. Thementeil ab Takt 36 spielt er auch die dynamischen Bewegungen viel deutlicher als in der Graf-Aufnahme, wohl auch wegen der niedrigeren Grundlautstärke und schließt hier mit einem deutlichen Decrescendo und anschließenden Crescendo hin zum zweiten Thema (ab Takt 49).
    Auch dies Seitenthema steht in der dynamischen Feinzeichnung auf einem ganz anderen Niveau wie noch in der Graf-Aufnahme, wie ich finde. Hier erkennt man doch die Partitur sofort wieder.
    Und das herrliche dritte Thema mit den Staccato-achtel-Triolen ab Takt 79 spielt er sehr eindrucksvoll und mit einer ganz anderen Leichtigkeit. Man sollte es sich eigentlich, wenn man die Klangstärke des Graf-Flügels mit der des Steinway vergleicht, genau umgekehrt vorstellen.
    Auch die Schlussgruppe (Takt 99 bis 116) spielt er grandios, desgleichen die für ihn und viele andere (auch für mich) so wichtige Überleitung zur Expositions-Wiederholung.
    Auch die Wiederholung der Exposition spielt er wie aus einem Guss, mit aufmerksamer Ausführung der dynamischen Bewegungen und einem organisch fließenden Rhythmus. Wunderbar sind auch wieder die pp-Takt e 115, 118a und 120a sowie das Ritardando in Takt 117b ausgeführt.
    Im ersten Teil der Durchführung (Takt 118b bis 145) lässt er es ruhig und traurig fließen mit sanften dynamischen Bewegungen, die auch hier deutlich machen, welche Welten zwischen den beiden Aufnahmen liegen. Während die dynamischen Amplituden in der Graf-Aufnahme einer Hügellandschaft glichen, haben wir es hier mit Höhenkontrasten wie im Hochgebirge zu tun, und stimmungsmäßig ist auch hier trotz zweitem Thema und späterem Wechsel von cis-moll nach B-dur (ab Takt 146) keine wirkliche Entspannung zu sehen bzw. zu hören, im Gegenteil, die Bässe grummeln tief vor sich hin, und ab Takt 160 treten zunehmen dichtere, dissonante Akkorde, nach wie vor im Klopfrhythmus hinzu und münden ab Takt 163 in eine hochdramatische Steigerung mit dem Höhepunkt in Takt 171. Auch das spielt Badura-Skoda grandios, wenn wir nicht vergessen, dass er bei der Aufnahme 84 1/2 Jahre alt ist. Auch den nächsten Abschnitt mit Wiederhinzutreten des Basstrillers (ab Takt 186 bis zum Eintritt der Reprise (ab Takt 215) spielt er sehr berührend und geradlinig, und hier ist in der Tat in Takt 212 in etwa ein "ppp" erreicht.
    Hier spielt er auch in der Reprise dynamisch viel stimmiger als in seiner ersten Aufnahme und schließt den ersten Teil ab Takt 264 bis Takt 266 mit einem herrlichen Decrescendo-Crescendo ab, bevor nach dem Überleitungstakt wieder das Seitenthema an uns vorüberzieht. Auch hier ist es eine Freude, den dynamischen Bewegungen zu folgen, die das Seitenthema, auch in den Diskant-Oktavierungen mit munterem, kristallinen Klang ausführt und die Badura-Skoda hier so kongenial wiedergibt.
    Auch das dritte Thema, vom Legato wieder ins Staccato wechselnd, spielt er sehr anrührend, in die gleichgestimmte, schon fast überirdische Schlussgruppe einfließend. Und diese schließt dann an die ganz gewisse, wenn auch kurze, so doch überirdische Coda ein.
    Es ist mir ein vollkommenes Rätsel, wie ein Pianist innerhalb von noch nicht einmal 5 Monaten zwei so qualitativ völlig unterschiedliche Sätze spielen kann. Liegt es wirklich nur am Flügel? ist der Steinway wirklich um so viel besser? dagegen spricht eigentlich die Interpretation von Nikolaus Lahusen, wie wir später noch sehen werden, und auch mein Live-Erlebnis von vor etlichen Jahren auf dem Klavierfestival Ruhr, wo Andras Schiff, wie ich schon berichtete, an einem Abend die komplette Schlusstrias auf einem Broadwood von 1865 spielte und eine Interpretation vorlegte, wie man sie sicherlich nur alle Jubeljahre einmal erleben darf.
    In diese Aufnahme ist Paul Badura-Skoda im Andante geringfügig langsamer als in der Graf-Aufnahme.
    Auch ist er dynamisch weitgehend an der Partitur orientiert, wenn auch die Grundlautstärke geringfügig erhöht schein gegenüber dem ätherischen Pianissimo von Vladimir Ashkenazy. Temporal ist er natürlich um Äonen von einem Valery Afanassjew entfernt, aber dies ist ja auch ein Andante, und so ist seine Tempowahl schon in Ordnung. Die kurze E-dur-Episode (Takt 14 bis 17) spielt er atemberaubend. Auch die Themenwiederholung (Takt 18 bis 42) spielt er grandios, vor allem diesmal auch die Stelle am Schluss der Themenwiederholung, Takt 37, wo das Geschehen ins ppp absinkt und er damit auch ein kaum merkliches Ritardando einhergehen lässt.
    Das himmlische Seitenthema ist auf einem ebenfalls sehr hohen Niveau, dynamisch wie interpretatorisch, wie ich finde. Auch hier zeichnet er die dynamischen Bewegungen sorgfältig nach, wenngleich auf einem anderen temporalen Niveau wie Afanassjew. Dennoch behält er in allem anderen sein hohes Niveau bis zum Schluss bei und endet nach dem letzten Diminuendo in Takt 88 mit einem deutlich langen Generalpausentakt 89, bevor er Teil A wiederholt.
    Auch hier gestaltet er die Staccato Sechzehntel im Bass mit der jeweils abschließenden Achtel sehr eindringlich und spielt das Crescendo ab Takt 98 sehr kraftvoll, bevor im anschließenden Decrescendo wieder die E-dur-Wendung auftaucht, was aber, wie schon in der vorigen Interpretation besprochen, nur äußerlichen Effekt hat, da die insistierenden Staccato-Sechzehntel weiter durchlaufen.
    Auch die wundersame Coda spielt er hier sehr berührend, die auch ihre Unerbittlichkeit durch die Änderung der Staccato-Sechzehntel verliert, quasi eine versöhnlichere Form annimmt, wie ich finde.
    Er spielt dies wunderbar zu Ende.


    Im Scherzo ist er temporal dicht bei seiner ersten Aufnahme. Dynamisch ist er allerdings auch hier an der Obergrenze ist jedoch in den dynamischen Verläufen wesentlich näher an der Partitur als in der Graf-Aufnahme, im zweiten Teil des Scherzos hat er sie sozusagen erreicht.
    Das Trio gefällt mir auch rhythmisch wieder ausgezeichnet, wo er den Dreier-Rhythmus durch die Forzandopiani derart verstärkt, dass das Ganze einem Teufelstanz ähnelt, also alles andere als harmlos und lebenslustig ist.
    Badura-Skoda schließt dann das Scherzo da capo an und endet mit den 4 Codatakten.


    Im finalen Rondo ist Paul Badura-Skoda wieder ungefähr im gleichen Tempo unterwegs wie in der Graf-Aufnahme. Auch hier hält er die partiturgetreue Beachtung der dynamischen Verläufe sehr aufmerksam durch, und auch der rasche Wechsel von Staccato- und Legato-Figuren gelingt, wie ich finde, ausgezeichnet, einschließlich der strukturierenden fp-Akkorde, in denen diesmal das dynamische Abschwellen besser zu vernehmen ist.
    Den Seitensatz spielt er mit großer Ruhe und konstantem Legatofluss, auch hier wieder dynamisch wunderbar die Bewegungen nachzeichnend.
    Im dritten Teil, dem ersten durchführungsartigen, dreht er zuerst wieder mächtig auf, wobei er aber nicht überbordet und lässt die Oktavierungen im hohen Diskant organisch einfließen, und anschließend zelebriert er den zweiten Abschnitt im Piano bis Pianissimo die Achteltriolen unter dem Thema munter voran fließen.
    Im nächsten Thementeil, der den durchführungsartigen Charakter weiter fortträgt, zumal hier zum Wiederanstieg der dramatischen kurve auch die Achteltriolen ab Takt 257 im Bass und ab Takt 261 im Diskant merklich beitragen. Erst im letzten Abschnitt dieses vierten Rondoteils kommt das Geschehen unter den Sechzehntel-Tonleiter-Figuren langsam zur Ruhe, von Badura-Skoda ebenfalls großartig umgesetzt.
    Im nun erreichten originalen Thema im reprisenförmigen Gewande lässt er wieder die erforderliche Sorgfalt in der Behandlung der Dynamik walten und spielt anschließend ab Takt 370 wieder das lyrische Seitenthema in großer Ruhe und sanften dynamischen Bewegungen , um danach nach den beiden GeneralpausenTakten 428/429 ein letztes Mal in den dramatischen Furor der Durchführung einzutauchen, angetrieben von den Sechzehntelfiguren im Bass, die in der letzten Hälfte dieses Abschnitts den Achteltriolen Platz machen, die zusammen mit den kurzen Bögen im Diskant den lyrischen Fluss wieder verstärken.
    Badura Skoda bringt auch diesen -Abschnitt großartig hinter sich, steuert ein letztes Mal auf das Thema zu in einem prachtvollen Diminuendo-Ritardando, bevor nach verkürzter Form die mitreißende Presto-Coda erreicht und bravourös bewältigt ist.


    Im Gegensatz zur ersten Aufnahme eine rundum großartige Interpretation, wie ich finde und, ganze zwei Sekunden kürzer als die erste!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich kann aus Zeitgründen nicht so tief einsteigen wie Ihr, aber würde wenigstens gerne nach einigem Hören meine persönliche Favoriten bekanntgeben:


    Von denen, die ich hören konnte, gefallen mir diese Aufnahme



    und diese


    besonders gut, wobei ich am Ende Uchida den Vorzug gebe, auf Brendels Schubert aber auf keinen Fall verzichten möchte.


    Man kann auch auf YouTube Uchidas Interpretation hören:



    Uchida Klavierspiel und ihr Musikverständnis beinhaltet eine hohe lyrische Qualität, ebenso eine unglaublich angenehme und kontrollierte Klangqualität des Anschlags. Klavierspiel transzendiert bei ihr zum Gesang, wodurch der am Ende m.E. immer entscheidende Ur-Aspekt der Menschlichkeit besonders klar herauskommt. Uchida verbindet m.E. die wichtigsten Aspekte einer großartigen Schubert-Interpretation auf eine meisterhafte Art und Weise miteinander.
    Wenn es um die Seelenverwandten Mozart und Schubert geht, bin ich in den letzten Jahre zunehmend "auf ihrer Seite", ebenso bei Beethoven.
    Ich habe bei dessen Klavierkonzerten einmal "Blindtests" gemacht ( d.h. jemand hat für mich aufgelegt). Sie war es, die bei mir meistens die Seele am stärksten zum Mitschwingen bringen konnte und mich in vielen Parametern einfach überzeugen konnte. Allerdings muss ich da auch zugegeben, dass ich gerade sie und auch Brendel eh schnell heraushören kann.


    Wie fast schon erwartet, ist es auch bei diese Sonate für mich so, dass ich sie bei ihr in besonders guten Händen höre.
    Je länger ich ihr zuhöre, deste stärker "hat sie mich". Es geht bei ihr immer um alles, um den Kern, um "the real thing",wie man es neudeutsch sagen würde. Der Versuchung einer "billigen" pianistischen Effekthascherei widersteht sie stets standhaft. Es erinnert mich an so manche Interpretation von Bachkantaten mit Philippe Herreweghe. Nicht ganz so viele kommen auf dieses Niveau, auf diese Verbindung von Geschmack, Reife und Durchdringung.
    Weil sie mit ihrer immer vollkommen uneitlen Herangehensweise zum Kern der künstlerischen Aussage des Werks hinführt, reagiere ich auf diese Musik mit Betroffenheit, Bewegtheit und auch einer merkwürdigen Hilflosigkeit, weil ich nicht auf diese Wucht des inneren Anrührens vorbeireitet bin. Und ich rede hierbei gerade nicht von wuchtig-knalligen Anschlägen, die mich nebenbei gesagt immer weniger beeindrucken. Ihr Weg zum Kern ist eben gerade nicht Rohheit, sondern eine klangliche und auch in anderen Aspekten wunderbar durchgeführte Hochkultur, die das Hässliche meidet, auch das Nicht-Fließende.
    Nach dem Ende des zweiten Satzes von D960 wache ich wie aus einem Traum auf. Dieses "in eine bessere Welt entführt" wird für mich bei Uchida sehr konkret. Wenn sie nur diesen Satz irgendwo so aufführen würde ( man sollte es nicht tun), dann wäre das Schlimmste, was daraufhin passieren könnte, Applaus. Danach sollte man eher still nach Hause gehen.
    Es erschreckt mich geradezu, wenn es mir in solchen Momenten möglich wird, in die Seele des Komponisten Schubert auf diese Weise hineinzuhören, hier gerade beim zweiten Satz.
    Einen tragischeren Komponisten wie Schubert kenne ich eigentlich nicht, wobei er für diesen Ausdruck keineswegs auf Molltonalitäten angewiesen ist.
    Fast kann man von Glück sagen, dass er den Hörer durch den dritten und letzten Satz versöhnt und wieder etwas aufgeheitert in die "normale Welt" entlässt.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton,


    schön dass du dich hier jetzt auch zu Wort gemeldet hast, und wie du dir denken kannst, habe ich deine beiden Favoriten auch in meiner Sammlung, und von Brendel habe ich jetzt vier Aufnahmen (1971, 1976/77, 1988 und 1997). Da ich von Badura-Skoda fünf Aufnahmen habe, wird es noch etwas dauern, bis Brendel an die Reihe kommt, wenn mir JPC die neue Badura-Skoda-Box, die ich heute wegen des Fehlens einer CD zurückgeschickt habe, rechtzeitig in kompletter Ausführung zurücksendet. Sonst ziehe ich doch Brendel vor.
    Etwas weiter oben habe ich geschrieben, dass Mitsuko Uchida eine von Dreien ist, die ich bisher live mit der ganzen Schlusstrias gehört habe, neben Elisabeth Leonskaja und Andras Schiff. Alle drei Konzerte waren singulär, und die glutvolle Sanglichkeit von Mitsukos Vortrag kann ich nur bestätigen. Auch, was sie auf sich nimmt, ist beispielhaft. So hat sie vor Jahren in Köln Schuberts G-dur-Sonate D.894 und Beethovns Diabelli-Variationen gespielt. Sie sit schon eine der ganz Großen.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S.: Gerade fällt mir ein, dass ja zwischen Badura-Skoda und Brendel noch Barenboim (2 Aufnahmen) und Berman drankommen. Bis dahin werde iwerde ich Badura-Skoda whl wieder komplett haben.

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  • Uchida Klavierspiel und ihr Musikverständnis beinhaltet eine hohe lyrische Qualität, ebenso eine unglaublich angenehme und kontrollierte Klangqualität des Anschlags. Klavierspiel transzendiert bei ihr zum Gesang, wodurch der am Ende m.E. immer entscheidende Ur-Aspekt der Menschlichkeit besonders klar herauskommt.

    Lieber Glockenton,


    schon die Hörschnipsel nehmen einen gefangen - diese ungemein zarte Empfindsamkeit als Ausdruck von total verinnerlichtem Gesang ist wirklich wunderbar. Die CD muss ich mir wohl anschaffen... :)


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Lieber Holger,


    ich darf dir diesgezüglich einen Tipp geben:


    Mitsuko tritt am 26. 4. 2018 beim Klavierfestival Ruhr auf, und zwar in der Stadthalle Mülheim. Folgendes Programm spielt sie:


    Franz Schubert
    Sonate Nr. 9 in H-Dur D 575 | Sonate Nr. 16 in a-Moll D 845 | Sonate Nr. 17 in D-Dur D 850 "Gasteiner".


    Es sind noch einige Karten zu haben.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Schau mal in deine Mails.

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  • Lieber Willi,


    ganz herzlichen Dank! ;) - auch für den Konzerttip! :) Wegen meiner Arbeitszeiten ist es leider etwas schwierig in der Woche! Aber ich schaue mal!


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Inzwischen, lieber Holger, habe ich auch eine Karte für ein Konzert am 28. Mai 2018 in Bochum.


    Dort spielt Arcadie Volodos
    - die Papillons op. 2 von Robert Schumann,
    - die 8 Stücke op. 76 von Johannes Brahms und
    - die Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960 von Franz Schubert.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960
    Paul Badura-Skoda, Klavier
    Instrument: Bösendorfer Imperial (1923)
    AD: 3/2011
    Spielzeiten: 14:40-8:37-4:13-8:31 --- 36:01 min.;


    Für diese Aufnahme gilt, was Paul Badura-Skoda im Booklet dieser Box weiter gesagt hat:

    Zitat

    Aus...der praktischen Erfahrung meiner langjährigen Konzerttätigkeit bin ich zu der Auffassung zurückgekehrt, die in meiner Jugendzeit vorherrschte: Die Wiederholung ist kein Zwang, sondern es ist dem freien Ermessen des Ausführenden überlassen, ob er einen Teil zweimal spielen will oder nicht. Um aber auch dem Zuhörer diese Wahl zu ermöglichen, hab ich mich entschlossen, bei dieser Sonate auch eine Version ohne Wiederholung zu präsentieren.


    Auch in dieser Aufnahme gehört Paul Badura-Skoda eher zu den etwas Schnelleren in der Ausführung. Er verströmt mit dem Bösendorfer einen warmen, aber dennoch transparenten Klang. Dynamisch ist er m. E. mit etwas höherer Grundlautstärke unterwegs als in der zuletzt besprochenen Aufnahme mit dem Steinway.
    Im Hauptthema spielt gegen Ende des dritten Teils eine kraftvolle Steigerung (ab Takt 34) wie auch schon mit dem Steinway. Die in diesem Teil folgenden dynamischen Bewegungen zeichnet er aufmerksam nach und lässt das Hauptthema in einer neuerlichen großen Steigerung aus laufen (Takt 46 und 47).
    Im dann folgenden Seitenthema in fis-moll spielt er schön die rhythmischen und dynamischen Verläufe und das Wechselspiel von Legato und Non-Legato aus. Im dritten _Thema ab Takt 70 kommt vor allem in den Diskantoktavierungen der brillante Klang des Bösendorfer in den ganz hohen Lagen zum Tragen. Auch nach dem Wechsel zum staccatoartigen Abschnitt ab Takt 80 fällt seine sorgfältige Behandlung des dynamischen Verlaufs und auch des geänderten, durch Viertelpausen am Ende des dritten Themas strukturierten Fortgangs wieder positiv auf.
    Auch die höchst kontrastreiche Schlussgruppe gelingt ihm, wie ich finde ganz vortrefflich, jetzt direkt in die Durchführung wechselnd, Dabei spielt er zum Eingang ein sehr berührendes Ritardando (Takt 117b).
    Im ersten Teil der Durchführung in cis-moll gestaltet er den ruhigen, traurigen Fluss der Musik in weiterhin klarem Klang und in organischem Wechsel von Staccato und Legato mit den insistierenden Achteln in der Begleitung, vor allem in dem stärker staccatoförmigen zweiten Abschnitt. Auch nach der Rückkehr kommt hier keine Entspannung auf, und auch in dieser Aufnahme spielt er einen herrlich dramatischen Anstieg in dem immer dichteren musikalischen Geflecht der teilweise dissonanten Achtelakkorde im Diskant, ebenso, als nach der Steigerung die dreistimmigen Achtelakkorde im Wechsel im Diskant und im Bass das Kommando übernehmen und wie zur Bestätigung ab Takt 186 die bedrohlichen Basstriller wieder hinzutreten.
    Doch unmerklich wendet sich das Empfinden mit dem Eintritt des hohen Bogens ab Takt 204 und dem Staccato-Legato-Übergang zur Reprise hin, da selbst die Basstriller nur noch ganz sanft im ppp aufscheinen, auch im ersten Erscheinen in der Reprise, die Badura-Skoda dann genauso überzeugend spielt wie die Exposition und schließ eine sehr anrührende, fast schon verklärende Coda an.


    Auch in dieser Aufnahme spielt Badura-Skoda das Andante in eher etwas schnelleren Tempo, vielleicht geringfügig langsamer als die Steinway-Aufnahme vom April 2012, im Ton wieder sehr klar und transparent, mit etwas erhöhter Grundlautstärke und in sehr trauriger Grundstimmung, weiterhin auch sehr aufmerksam in der Ausführung der dynamischen Bewegungen sowie der Crescendi und wunderbar zurückgehend in der Schlussgruppe in ein veritables Piano Pianissimo, hin zum Seitenthema ab Takt 43.
    Dieses spielt er bewegter in einer ergreifenden Stimmung, im ersten Abschnitt bis Takt 50 im Bass in Melodie und Begleitung, im zweiten Abschnitt Ab Takt 51 bis 58 durch die Sechzehntel-Quintolen in der Mittellage scheinbar nochmals (innerlich) beschleunigt, im dritten Abschnitt ab Takt 59 bis 66 wieder ruhiger im Bass verlaufend und erst im letzten Abschnitt ab Takt 76 in der Melodie in den Diskant gehend, wobei er hier schon wieder die begleitenden Achteloktaven (ebenfalls ab Takt 76) scheinbar unauffällig, aber durchaus insistierend spielt, um auf diese Weise vielleicht klarzumachen, dass der Fortgang in diesem unglaublichen Satz unaufhaltsam und unumkehrbar, eben Schicksal ist .
    Auch hier gestaltet er den Generalpausentakt 89 ausreichend lang.
    Im reprisenförmigen Teil A ab Takt 90 gestaltet er die hinzugekommenen Sechzehntel-Staccato-Figuren im Tiefbass ebenfalls sehr bestimmend, fordernd und spielt in der Mitte (ab Takt 98) wieder eine beeindruckende Steigerung und noch einmal ab Takt 115, bis er ebenfalls die wundersame Coda
    musikalisch sehr tiefgehend spielt und diesen herrlichen Satz würdig abschließt.


    Auch das Scherzo spielt er in etwa dem gleichen Tempo wie mit dem Steinway. Dabei ist er wiederum am oberen dynamischen Rand der Aufnahmen, spielt den Dreiertakt sehr gleichmäßig und lässt die Musik organisch fließen.
    Das Trio spielt er mit maßvollen Forzandopiani, etwas runder als schon gehört und wie noch zu hören sein wird. Dann schließt er das Scherzo da capo an und am Ende die Kurzcoda.
    Ein sehr anmutig gespielter Satz!


    Im finalen Rondo Allegro m non troppo spielt er, wie ich finde, nochmal geringfügig dynamisch etwas
    niedriger beginnend und geht nach maßvollen Steigerungen noch etwas mehr zurück, z. B. ab Takt 45 und ab Takt 62.
    Den Seitensatz ab Takt 85 lässt er wunderbar fließen, fasst die dynamischen Akzente zu einer großen Bewegung zusammen, die erst in den Generalpausentakten 154/155 zum Stillstand kommt.
    kraftvoll lässt er dann den dritten Abschnitt des Rondos einsetzen, den ersten mit Durchführungscharakter, der nach einigen Steigerung und Ausdehnungen über mehrere Oktaven etwa ab Takt 184 erst einmal zur Ruhe kommt, und das thematische Material in der unteren dynamischen Hälfte entspannt hin und her wiegt, bevor in Takt 225 mit Auftakt das Thema im Originalgewand mit dem Fortepiano-Akkord wieder einsetzt, aber nach wie vor mit durchführungsartigen Zügen und dynamischem Impetus, ständig erweiterten rhythmischen Figuren wie plötzlich ab Takt 261 den Oktavwechsel-Achtel-Triolen und ab Takt 274 den abwärts fallenden Achteltriolen und schließlich ab Takt 292 den Sechzehntel-Tonleitern, in denen der Furor wieder zur Ruhe kommt. und das neuerliche Thema ankündigen. All das setzt Paul Badura-Skoda partiturgerecht um.
    Im Thema lässt er die Musik in maßvollen dynamischen Bewegungen weiter voran fließen und in das beseligende Seitenthema einfließen, bis zum zweiten Mal die zweitaktige Generalpause erreicht ist und dann der Furor erneut losbricht und in der zweiten Hälfte ebenfalls wieder in der leichten Bewegung durch die hohen Oktaven seinerseits zur Ruhe kommt, um dann in Takt 491 mit Auftakt zum letzten Mal und dann auch noch verkürzt dem Thema Platz zumachen, stets im fp-Akkord schwächer werdend und letztlich im befreiten Jubel der Presto-Coda befreit zu werden.


    Eine ebenfalls große Aufnahme!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Willi,


    das Volodos-Programm ist wirklich zum Schwachwerden! :) :hello:


    (Morgen Abend spielt hier - Eintritt frei - das Münsteraner Studentenorchester die 4. Schumann-Symphonie und das 3. Klavierkonzert von Rachmaninow. Und das direkt vor meiner Haustür. Man muss nur rechtzeitig da sein, um noch einen Sitzplatz zu bekommen!)


    Liebe Grüße
    Holger


  • Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960
    Paul Badura-Skoda, Klavier

    Instrument: Steinway oder Bösendorfer?
    AD: 6/1968
    Spielzeiten: 19:57-9:09-4:27-8:21 --- 41:54 min.;


    In dieser gegenüber den ersten drei fast 45 Jahre älteren Aufnahme fällt sofort auf, dass die Lautstärke einen wesentlich niedrigeren Grundlevel hat und der Klang wärmer und runder ist. Das mag an der Aufnahmetechnik und an der Instrumentenwahl liegen, aber dass das Instrument unter den beiden o. a. Marken einzuordnen ist, geht m. E. auch aus den im Booklet enthaltenen Fotos hervor:


    Hier eher zu erahnen!


    Der erste Basstriller ist grandios gespielt, der zweite ebenfalls. Das ganze Thema spielt er derart entspannt fließend, dass es eine reine Freude ist. Die Krönung des Hauptthemas gelingt ihm im dritten Teil (Takt 20 bis 35) am Ende dieses Abschnitts in der grandiosen Steigerung, die so wunderbar organisch von statten geht. (Es spricht jetzt schon Einiges dafür, dass, zumindest was diese Sonate betrifft, er sich damals mit 40 Jahren auf dem Höhepunkt seiner pianistischen Leistung befand).
    Im fis-moll-Seitenthema geht er wieder deutlich zurück ins Pianissimo. Und nirgends wird es deutlicher als in solchen Passagen, wenn bei niedriger Grundlautstärke die dynamischen Bewegungen prägnant wiedergegeben werden, wie er das hier vorbildlich tut. Auch am Ende des Seitenthemas und zu Beginn des dritten Themas (ab Takt 70) fällt das wieder stark ins Gewicht. Auch die Bögen mit den Diskantoktavierungen spielt er sehr anrührend, desgleichen in dem Abschnitt mit den auf- und abstrebenden Staccato-Achteltriolen ab Takt 79 - grandios!
    In der Schlussguppe schließlich (ab Takt 99) spielt er kraftvolle Steigerungen und dehnt dadurch die Kontraste pp - ff gewaltig aus. Bemerkenswert auch sein Übergang zur Wiederholung der Exposition (Takt 117 a bis 125a), wo er die Sechzehnteltakte rascher vorantreibt als andere Pianisten. Am Schluss bringt er auch eine große Pausenfermate, zwar nicht ganz so ausgedehnt wie Afanassjew, aber immerhin!
    Dann wiederholt er die Exposition genauso packend wie zu Beginn. Und den Übergangstakt 117b zur Durchführung spielt er unglaublich.
    AM Beginn der Durchführung entfaltet sich aus dem Pianissimo eine zwar traurige, aber im Klang klare schreitende Bewegung ohne unendliche Erdenschwere, die sich, wie schon in den vorigen Interpretationen, im Staccatoabschnitt (ab Takt 131) noch mehr aufhellen will, aber durch die stete Wiederholung der musikalischen Figuren, in der Wiederholung auch noch dynamisch gesteigert und selbst nach dem neuerlichen Tonartwechsel nach B-dur zeigt er permanent klopfende Puls der Musik, hier von Badura-Skoda wieder kongenial abgebildet, dass sich im Grunde nichts geändert hat, dass im Gegenteil , auch durch die Verdunklung des Grundpulses, sich im Fortgang, auch durch die steigende Dichte und Dissonanz der musikalischen Figuren sich der dynamisch-dramatische Furor, durchführungsgerecht, grandios steigert bis zum Fortissimo in Takt 171 und in diesem Abschnitt intensiviert Badura-Skoda sein Spiel in den ebenfalls dichter werdenden Achtelakkorden, die bis zum Wende der Durchführung ihren Weg durch die Oktaven (unerbittlich) unvermindert fortsetzen, wobei sie ab Takt 186 wieder regelmäßig in den Takten 186 -192 -198 von den dunklen Basstrillern bekräftigt werden. Erst am Ende verstummen die Achtelakkorde und den Basstrillern geht die Luft aus.
    Zu Beginn der Reprise klingt dann das Thema unter Badura-Skodas Händen, wie ich finde, fast noch beseligender als zu Beginn, und auch der Basstriller verbleibt, wie gegen Ende der Durchführung, im Piano Pianissimo.
    Paul Badura-Skoda spielt die Reprise genauso engagiert und berührend, in den Steigerung so zwingend wie in der Exposition, dynamisch wie rhythmisch äußerst aufmerksam. und schließt diesen grandios gespielten Satz mit einer herausragenden Coda ab.


    Das Andante beginnt er unheimlich traurig im Ausdruck, wobei er deutlich langsamer ist als in seinen drei späten Einspielungen von 2011/2012. Dynamisch entfaltet er hier einen großen Kontrast zwischen Pianissimo und Forte, und nach der zweiten großen Steigerung führt er in Takt 37 wunderbar zum ppp hin. Die ganze Skala des dynamischen Kontrastes, den diese Partitur bietet, nutzt er hier im Gegensatz vor allem zu seiner Graf-Aufnahme von 11-12/2011 komplett aus, wobei er vor allem den Bereich unterhalb des Mezzopianos voll erschließt.
    Vom Ausdruck her zeigt er hier, dass er auch lyrisch Einiges zu bieten hat, und ein um`s andere Mal muss ich beim Hören dieser Passagen an Ashkenazy denken, der bei seiner Aufnahme 48 Jahre alt war, Badura-Skoda bei dieser Aufnahme 41. Brendel war bei seiner ersten Aufnahme 40. Schau'n wir mal.
    In der Wiederholung von Teil A des Andante, sozusagen dem reprisenförmigen Teil, spielt Badura-Skoda die zusätzliche musikalische Figur im Bass, die dreiteilige Staccato-Sechzehntel-Figur, die die traurige Bestimmtheit dieses Satzes noch verstärkt, in ihrem klaren Ausdruck sehr insistierend. Die erste dynamische Steigerung, hier auf dem Höhepunkt in Takt 101, spielt er wenigstens genauso kraftvoll wie im expositionsartigen Teil A, doch auch in der scheinbaren Stimmungsaufhellung der Auflösung in Takt 103ff. will sich die Situation nicht entspannen, da die klopfenden sechzehntel im Tiefbass ungerührt weiter laufen, zumindest bis zur wundersamen Coda, die in Takt 123 mit Auftakt einsetzt, ein kurzes musikalisches Wunder mit 8 letzten Takten vom ppp ausgehend und morendo endend, von Badura-Skoda abermals herausragend gespielt!


    Auch im Scherzo ist Badura-Skoda nun etwas langsamer als in der zuletzt gehörten Aufnahme, die er im März 2011 fertigte (die ohne Wiederholung im Kopfsatz). Auch hier gefällt mir diese Aufnahme in ihrer dynamischen Stimmigkeit, vor allem der niedrigeren Grundlautstärke, viel besser als die Graf-Aufnahme. Der Dreiertakt läuft wunderbar durch, und die dynamischen Bewegungen sind sehr aufmerksam ausgeführt.
    Auch das Trio mit den leicht schwankenden temporalen Bewegungen und den vielfältigen dynamischen Kontrasten auf engem Raum, vor allen den eigentümlichen Forzandopiani spielt er großartig. Dann schließt er mit dem Scherzo da capo und der kurzen viertaktigen Coda.


    Im finalen Rondo ist er interessanterweise etwas schneller als in den beiden Aufnahmen zuvor mit dem Steinway und dem Bösendorfer.
    Auch hier gefällt mir wieder die enge dynamische Bindung zur Partitur, in der man jede dynamische Bewegung sehr gut nachverfolgen kann, und die kurzen rhythmischen Wechsel vom Staccato zum Legato sind ebenfalls vorzüglich getroffen.
    Im wunderbaren Seitensatz ab Takt 85 zeigt er einmal mehr, welch vorzüglicher Legatospieler er auch ist, vor allem in den Takten, in denen die Legatobögen in den Sechzehnteln des Diskants und in den Vierteln des Basses so wunderbar harmonieren und das alles so klar zu vernehmen ist.
    Auch der erste durchführungsartige Abschnitt ab Takt 156 mit den vielfältigen Terzsprüngen fließt entspannt-spannend dahin.
    Im zweiten Thementeil ab Takt 225 mit Auftakt, der formal in den musikalischen Figuren doch vom ersten abweicht, nachdem er zuerst reprisenförmig aussah, schließt Badura-Skoda organisch das erweiterte rhythmische Spektrum und die Zunahme der dynamischen Bewegungen in den Ablauf mit ein, ebenso wie die originellen Achteltriolen ab Takt 261, zuerst als Oktavwechsel, dann als absteigende Figuren und vereinzelt auch als aufsteigende Figuren (z. B. in Takt 283 und 287, gegen Schluss dieses Abschnitts dann die zuerst hochdynamischen Sechzehntel-Tonleiterfiguren, die dann in einem langen Decrescendo auslaufen, zu dem in den letzten Takten bis zum neuerlichen Themenauftritt noch ein Ritardando tritt.
    Diesen neuerlichen Themenauftritt mit anschließender Wiederholung des Seitenthemas spielt Badura-Skoda wieder in wunderbarem Legatofluss und schließt ihn mit einem gehörigen Fermaten-Doppeltakt ab.
    Hier schließt er den zweiten durchführungsartigen Abschnitt an mit seinen ausgedehnten Oktavierungen und munteren Oktavgängen, den vielen dynamischen Akzenten, Forzandi immer wieder auftretenden Decrescendi und Ketten von kurzen Legatobögen. Es ist auch bei dieser Aufnahme Badura-Skodas "wieder allerhand los" in diesem Abschnitt, auch die dynamische Entwarnung mit der rhythmischen Entspannung durch die wunderbaren Achteltriolen ab Takt 459 unter den kurzen Legatobögen bis hin zum letzten kurzen Themenauftritt ab Takt 491 mit Auftakt, der dann zügig ab Takt 513 mit Auftakt in einer famosen Prestocoda endet, womit Schubert zum wiederholten Male seine Fähigkeit, auch originelle Codas zu komponieren, unter Beweis gestellt hat und Badura-Skoda seine Fähigkeit, diese Codas adäquat wiederzugeben.


    Meines Erachtens Paul Badura-Skodas bisher beste Leistung in dieser Reihe, der er vorläufig nur noch eine hinzugefügt hat, vorläufig deshalb, weil er im Booklet dieser Box im April 2017 Folgendes gesagt hat:

    Zitat

    Ein Wort noch zu meiner Interpretation dieser Sonaten: Selten habe ich mich mit solcher Freude und Hingabe einer so großen Aufgabe gewidmet. Vieles ist gut gelungen, anderes weniger - wie könnte es anders sein! So finde ich, dass ich gerade in dieser letzten Sonate, geschrieben an der Pforte zur Ewigkeit, heute mit 90 Jahren ihrem Geist näher bin als damals mit 44. Ich sollte sie vielleicht neu einspielen.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Franz Schubert, Klaviersonate Nr. 21 B-dur D.960
    Paul Badura-Skoda, Klavier

    Instrument: Steinway oder Bösendorfer?
    AD: 5/1971
    Spielzeiten: 19:15-9:00-4:16-8:18 --- 40:49 min.;


    Paul Badura-Skoda spielt in seiner Aufnahme von 1971, knapp drei Jahre später als in der zuvor besprochenen (s. o.), etwas schneller als 1968, aber nichtsdestoweniger mit ruhigem Fluss, und er lässt die Musik entspannt atmen. Auch dynamische ist das durchaus in Ordnung, also pp.
    Im dritten Teil des Hauptthemas legt er in der inneren Beschleunigung wieder kleinschrittig zu und endet diesen Teil wieder in einer großartigen Steigerung mit einem satten Forte in Takt. Dabei entfaltet er bis dahin einen warmen, jedoch transparenten Klang. In der Themenwiederholung zeichnet er abermals die dynamischen Bewegungen aufmerksam nach und endet auch diesen Abschnitt in einer kraftvollen Steigerung bis zum Fortissimo in Takt 47.
    Auch in dieser Aufnahme ist seine Grundlautstärke entsprechend der Partitur niedrig, so dass er auch hier die dynamischen Bewegungen mit signifikanter Ausprägung abbilden kann. Die lyrischen Bögen lässt er mit melancholischem Überzug überzeugend aussingen.
    Das anschließende dritte Thema, nach einigen Eingangstakten wieder in B-dur, zeichnet er weiter die Bögen in dem wunderbaren hohen Gesang in den Oktavierungen und wechselt dann unter Beibehaltung des musikalischen Flusses in die anmutigen Auf- und Abwärtsfiguren der Achteltriolen in Terzabständen, im Richtungswechsel jeweils eine Quart zunächst im Diskant, später im Bass, die sich abwechseln mit anders geformten Achteltriolen und jeweils in der Begleitung kontrastiert werden von Achtel-Sext, -Septim und-Oktavakkorden, und schließlich in die Schlussgruppe übergehen (Takt 99ff.). Dabei lässt er weiterhin die dynamischen Bewegungen wunderbar auf- und abfließen.
    In der Schlussgruppe spielt er abermals eine kraftvolle Steigerung bis zum fortissimo. Den mirakulösen Übergang (Takt 117a bis 125a) gestaltet er höchstdynamisch, wirklich eine herausragende Schlüsselstelle, für mich unverzichtbar.
    Nach einer langen Generalpause spielt er dann die Wiederholung der Exposition mit dem gleichen tiefen Ernst und der gleichen Grandezza wie zu Beginn.
    Den Übergangstakt 117b spielt er mit dem gleichen betörenden Pianissimo und Ritardando wie in der 1968er-Aufnahme.
    Die Durchführung, zuerst in cis-moll, spielt er wieder sehr stringent, im Ausdruck tief melancholisch, wie schon 1968, unaufhaltsam in der Vorwärtsbewegung, woran sich auch, angesichts der weiterhin konstant klopfenden Achtel im Tiefbass, nichts ändert.
    Auch hier spielt er in der zunehmenden musikalischen Verdichtung und Dissonanz der Begleitakkorde genauso zwingend und läuft auf eine grandiose Steigerung in ein hochdramatisches Fortissimo hinein, die im nächsten Abschnitt wieder von den bedrohlichen Basstrillern abgelöst werden, denen aber schließlich am Ende "die Puste" ausgeht. Kongenial, wie Badura-Skoda das hier ausdrückt!
    Die Reprise spielt er entsprechend den dynamischen und rhythmischen Verläufen der Exposition.
    Hierbei meine ich, dass die erste große Steigerung, hier ab Takt 253, noch kräftiger ausfällt als in der Exposition. Herrlich wieder die Rhythmuswechsel und die Oktavierungen sowie die langen lyrisch-dynamischen Bögen und kontrastierenden Staccati.
    Er schließt mit einer ganz anrührend gespielten, leise verdämmernden Coda.
    Ein grandios gespielter Satz, in dem ich keinesfalls den Eindruck gewonnen habe, er sei etwa zu schnell gespielt!


    Das Andante spiel Badura-Skoda in einem ähnlichen Tempo wie 1968, vieleicht geringfügig schneller.
    Im Ausdruck findet sich die gleiche stille, aber doch unausweichliche Trauer wie in der etwas älteren Aufnahme, hervorragend wieder die Steigerung ab Takt 26 hin zu einem kraftvollen Forte in Takt 28.
    Auch hier "versinkt" er wieder (ab Takt 38), quasi als Übergang zum überirdischen Seitenthema, im Piano pianissimo.
    Das Seitenthema spielt er schlichtweg überragend, in einem riesigen Bogen, permanent begleitet von den klopfenden Sechzehnteln bis hin zu einem veritablen Forte in Takt 72/73 und im letzten Abschnitt, dem langen Decrescendo ab Takt 80 mit Auftakt permanent zurückgehend, auch im Tempo und genau drei Sekunden eher als in der älteren Aufnahme den langen Generalpausentakt 89 erreichend.
    Die letzten 49 Takte gehören wieder dem unendlich traurigen Thema, was mich gelegentlich zu der Frage führt, ob nicht d-moll, sondern cis-moll die Todestonart ist. Auch hier spielt er die begleitenden Klopffiguren, hier aus Staccato-Sechzehntel-Dreiern bestehend wieder in besonders insistierenden Akzentuierungen, praktisch ein Steigerung der Ausweglosigkeit der geschilderten Situation, was sich auch gleich in der nächsten Steigerung (ab Takt 98) manifestiert.
    Doch etwas Licht scheint auf in der wundersamen Kurzcoda ab Takt 123 mit Auftakt, die Badura-Skoda in trostreichem Cis-dur kongenial spielt und zum grandiosen Morendo wandelt.
    Ebenfalls ein Satz auf sehr hohem Niveau!


    Auch im Scherzo ist Badura-Skoda schneller als drei Jahre zuvor, jedoch auch hier nicht über Gebühr. Auch hier ist er dynamisch im Rahmen der Partitur-Vorgaben, Rhythmisch und in den dynamischen Bewegungen ist das ebenfalls ausgezeichnet musiziert. Klanglich ist das nach wie vor auf hohem Niveau und zeitigt eine erstaunliche Transparenz für eine 47 Jahre alte Aufnahme.
    Im Trio setzt er wieder das Tempo etwas herab und hebt die rhythmischen und dynamischen Kontraste, auch durch die zahlreichen Forzandopiani und anderen dynamischen Zeichen bedingt, stärker hervor, temporal eine Entspannung, rhythmisch/dynamische eine Steigerung.
    Das Scherzo schließt er dann da capo an und schließt den sehr gelungenen Satz mit den vier kurzen Coda-Takten ab.


    Im Finale ist er exakt so schnell wie in der 1968er Aufnahme. Auch hier fällt mir wieder auf, wie exakt er hier mit seinem modernen Flügel die dynamischen Kontraste darstellt und um wie viel weniger ihm das vierzig Jahre später mit dem "Graf-Flügel" gelungen ist, auch, weil m. E. dieses Instrument gar nicht in der Lage ist, die dynamischen Kontraste, die in dieser Partitur stecken, adäquat abzubilden und in den späten Schubert-Sonaten stecken gehörigen dynamische Kontraste, denken wir nur mal an das Andantino der Sonate Nr. 20 A-dur D.959 oder an den Kopfsatz der Sonate Nr. 18 G-dur D.894.
    Wenn man auf dem Graf-Flügel ein Pianissimo so spielt, wie Badura-Skoda es hier auf dem Steinway oder Bösendorfer tut, hört man das z. b. in der 10. Reihe in einem großen Konzertsaal kaum noch, und auch das Fortissimo hört man in der gleichen Reihe keinesfalls als Solches. Ich musste das wieder einmal vor Kurzem in der Kölner Philharmonie leidvoll erfahren, und da saß ich in der vierten Reihe.
    Schubert ist wohl gar nicht so alt geworden, dass er sich wie Beethoven Gedanken über dieses Dynamikproblem der ihm zur Verfügung stehenden Klavier machte wie Beethoven, der an einen befreundeten Verleger schrieb, dass die Klaviere, die ihm für seine Sonaten zur Verfügung ständen, allesamt schlecht seien.
    Wie dem auch sei, hier macht Badura-Skoda das vorbildlich. Da sitzt jede Steigerung, jeder Akzent. Nach dem vielfach staccatogeprägten Hauptthema lässt er den wunderbar lyrischen Seitensatz mit kleinsten dynamischen Bewegungen vorbildlich an unserem Ohr vorüberziehen bis hin zum Ende in Takt 153, hin zu den beiden Generalpausen-Takten 154 und 155.
    Umso stärker wirkt ab Takt 156 das dann einfallende Fortissimo des ersten Durchführungsteils, nach dem vorherigen Pianissimo am Ende des Seitenthemas, und Badura-Skoda geht hier in diesem ersten Abschnitt mit hörbarem Vergnügen an die hochdynamischen Verläufe, bevor im zweiten Abschnitt nach dem Decrescendo ab Takt 184 der logische dynamische Kontrast im pp folgt, hier begleitet von zarten Achteltriolen im Bass. Zwar hat Schubert auch hier strukturierende dynamische Bewegungen komponiert, aber sie haben, auch dank der hohen Oktavierungen und der alerten Achteltriolen, jede Erdenschwere verloren.
    Auch im zweiten Thementeil, der wieder von größeren dynamischen Ausschlägen geprägt ist und der Rhythmus wieder eckiger wird, ist eine gewisse Leichtigkeit dank der immer wieder auftretenden Achteltriolen, die wechselweise im Diskant oder im Bass auftauchen, immer wieder gegeben, und Am Ende dieses Abschnitts spielt Badura-Skoda wieder das ausgedehnte Decrescendo ab Takt 298 ganz berückend, einhergehend mit einem leichten Ritardando und hinführend zum nächsten Themenauftritt (ab Takt 312). Dieser ist im Ganzen zum zweiten Themenauftritt (ab Takt 156) durchaus auch als dynamischer Kontrast anzusehen, was Badura-Skoda auch sehr sorgfältig ausdrückt., im Anschluss im Seitenthema ab Takt 369 sowieso. Dies spielt er genauso beseligend wie bei dessen ersten Auftauchen ab Takt 86, im Grunde als einen einzigen großen Bogen- wunderbar!
    Nach den neuerlichen Generalpausentakten, hier 428/429, lässt er ein letztes Mal den Durchführungsteil mit Vehemenz einfallen, bevor nach dem Decrescendo ab Takt 458 das lyrischen Geschehen wieder die Oberhand gewinnt durch die Reihung kürzester Bögen auf ihrer Reise durch die höchsten Oktaven. und bis hin zum letzten, jetzt nur noch mit nicht einmal halber Kraft mehr agierenden Themenauftritt von sehr kurzer Ausdehnung, der dann alsbald (ab Takt 513) der wundersamen Credo Platz macht, das Badura-Skoda nochmal mit großer Vehemenz spielt, chronologisch erst zum zweiten Mal in seinen Aufnahmen, aber hier zum (vorläufig) letzten Mal, in dieser Reihung auch ein würdiger Abschluss. Wir dürfen gespannt sein, ober er noch ein sechstes Mal diese Sonate aufnimmt. zuzutrauen wäre es ihm, so wie er im November , also vor nicht mal einem Vierteljahr bei uns eine grandiose Hammerklaviersonate aufgeführt hat.


    Ebenfalls eine ganz große Aufnahme.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Instrument: Steinway oder Bösendorfer?
    AD: 6/1968
    Spielzeiten: 19:57-9:09-4:27-8:21 --- 41:54 min.;


    In dieser gegenüber den ersten drei fast 45 Jahre älteren Aufnahme fällt sofort auf, dass die Lautstärke einen wesentlich niedrigeren Grundlevel hat und der Klang wärmer und runder ist. Das mag an der Aufnahmetechnik und an der Instrumentenwahl liegen, aber dass das Instrument unter den beiden o. a. Marken einzuordnen ist, geht m. E. auch aus den im Booklet enthaltenen Fotos hervor:

    Lieber Willi,


    woran erkennst Du das auf dem Bild? :D Das müsste man doch aber rauskriegen können. Bei den Hörschnipseln (jpc) reingehört könnte ich mir denken, dass das ein Bösendorfer ist - oder ein amerikanischer Steinway, die Aufnahme ist ja von RCA. Ich habe z.B. Alicia de Larrocha, auch RCA auf einem amerikanischen Steinway aufgenommen. Auch da klingt der Flügel im Bass dunkler und mächtiger und das Klangbild ist runder.


    Ansonsten hast Du die Aufnahme einmal mehr sehr schön zu lesen detailreich und mit leidenschaftlicher Zuwendung beschrieben. :hello:


    Liebe Grüße
    Holger

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: ...woran erkennst Du das auf dem Bild? :D


    Ich erkenne es nicht, lieber Holger, weder auf diesem Bild noch auf den Bildern aus dem Booklet noch auf anderen Abbildungen, sondern ich leite es ab aus dem Booklet der späten Aufnahmen, in denen er auf drei verschiedenen Flügeln, dem Graf, dem Steinway und dem Bösendorfer spielte. Deshalb habe ich das auch im Text mit angegeben. Und weil das so ist, habe ich auch in diesem letzten Bericht meine Gedanken zu den dynamischen Ausdrucksmöglichkeiten, die ein Steinway oder auch ein Bösendorfer gegenüber dem Graf bietet, um der Dynamik der späten Schubertsonaten oder auch der Beeethovensonaten gerecht zu werden, zum Ausdruck gebracht. Ich hatte es ja auch zuletzt innerhalb einer Woche live erlebt, erst in Köln mit Bezuidenhout den Graf-Flügel und dann wenige Tage später in Coesfeld den Steinway mit Magdalena Müllerperth- ein Unterschied wie Nacht und Tag. :D
    Ich berichtete über beide Konzerte.
    Als Nächste bespreche ich hier die beiden Aufnahmen von Daniel Barenboim.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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