Das Kunstlied im Interpretenvergleich

  • Woraus geht denn das hervor? Das ist mir bisher nicht aufgefallen. Und ich meine, das Lied seit gut 40 Jahren zu kennen.


    Hallo imhotep!


    Ich habe beim Lesen und Hören des Textes dieselben Assoziation wie Holger:


    Zitat

    Was bedeutet das aber? Mir scheint das auf den Konflikt zweier Existenzweisen hinzudeuten - häusliches Glück und die Erfüllung des Soldatendaseins. Der Soldat sagt: Mein eigentliches Ziel ist nicht Haus und Familie, sondern ruhmvoll im Krieg zu sterben. Mein "Haus", meine Ruhestätte und mein Ziel ist eigentlich das Grab und nicht "Dein" Zuhause. Zugleich verspricht er aber dem armen Mädchen, dass er wegen des "höheren" weltlichen und nicht häuslichen Lebenszieles wegen verlässt, tröstend die Ehe. Was aber nun wirklich ein schwacher Trost ist und den Abschied nur um so trauriger macht. Bei Homer gibt es das Motiv in Bezug auf Achill: Lieber jung sterben und unsterblichen Ruhm erlangen als ein langes ruhmloses häusliches Leben. Auf jeden Fall ist wohl klar, dass es sich bei diesem Soldaten um einen Lebenden handelt und keinen Toten aus dem Jenseits.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ich halte das, ehrlich gesagt, für eine absurde Fehlinterpretation, für die weder der Text und noch viel weniger die Musik einen Anhaltspunkt bieten. Von Stolz auf den Tod fürs Vaterland ist keine Rede, und musikalisch ist nichts von Triumph zu hören. Aus dem Attribut »schön« eine so weitgehende Schlussfolgerung zu ziehen, die alles andere auf den Kopf stellt, halte ich für allzu kühn. Viel einfacher ist: Der Soldat muss in den Krieg. Warum auch immer. Er verabschiedet sich von seiner Liebsten, die sehr wohl weiß, was das bedeutet. Er tröstet sie, indem er ihr vormacht, es wird bald zur Hochzeit kommen, sagt dann aber doch die Wahrheit: er wird sterben. Von Begeisterung ist da wahrlich an keiner Stelle die Rede. Übrigens gibt es in keinem der Soldatenlieder Mahlers irgendeine Begeisterung für den Krieg. Es wäre wirklich seltsam, wenn sie ausgerechnet in dem vorhanden sein sollte, das am wenigsten militant und am traurigsten klingt.

  • Zur Frage: Warum der Griff nach den Wunderhorn-Texten bei Mahler?


    Alle kompositorischen Zeitgenossen Mahlers weisen bezüglich der Auswahl der zur Liedkomposition herangezogenen Texter ein literaturhistorisch breites Spektrum auf, von der klassischen und romantischen bis zur Gegenwartslyrik. Nicht so Gustav Mahler. Seine Textwahl steht in einem auf den ersten Blick wunderlichen Widerspruch nicht nur zu seiner persönlich hochgradigen literarischen Bildung, sondern überdies auch noch zu seinem Anspruch, musikalisch-kompositorische Modernität zu verkörpern. Sieht man einmal von Griffen zu Richard Leander und Tirso de Molina in den „Liedern aus der Jugendzeit“ ab, so nährt sich seine Liedkomposition aus nur zwei Quellen: Den Gedichten aus „Des Knaben Wunderhorn“ und denen Friedrich Rückerts.


    Und die Gründe dafür?
    Wie bei kaum einem anderen Liedkomponisten sind Mahlers Lieder Selbstbekenntnisse, - und die Wahl des jeweiligen Textes zutiefst personal motiviert. Für die Motive seiner Liedkomposition gilt das, was für sein ganzes Leben als Mensch, Musiker und Komponist gilt: Komponieren, Musizieren und Dirigieren brachten ihn in seinem Selbstverständnis in Berührung mit dem, was er „das Höhere in uns“ nannte. Seine Aufgabe als Künstler sah er darin, existenziell relevante Aussagen über den Menschen und zu machen, und über die natürliche und die gesellschaftliche Welt, in der menschliches Leben sich entfaltet. In einer Studie über ihn (erschienen 1976) hat Karl König ihn deshalb mit guten Gründen einen „geistbesessenen Rufer“ genannt.


    Für seinen Griff zum lyrischen Text als Grundlage von Liedkomposition hatte das zur Folge: Nicht der artifizielle Aspekt, die lyrische Aussage in ihrer sprachlichen Gestalt und ihrer Metaphorik, war der maßgeblich motivierende Faktor dabei, es war vielmehr der Grad an unmittelbarer, direkter, also nicht artifiziell vermittelter Aussage über Mensch, Leben und Welt, so wie er sich darin mit seinen eigenen existenziellen Erfahrungen und der daraus hervorgehenden Weltsicht wiederfinden konnte. Daher sein Griff zur Lyrik des „Wunderhorns“. Und von diesem Aspekt der unmittelbaren personalen Betroffenheit durch die lyrische Aussage her wird auch erklärlich, dass er wie kaum ein anderer Liedkomponist in den lyrischen Text eingegriffen hat, - bis hin zu Montagen und eigenen Einfügungen. Für ihn war maßgeblich, dass ein Gedicht „beinahe mehr Natur und Leben … als Kunst“ darstellte. Wunderlicherweise übertrug dieses Urteil, das er über die Wunderhorn-Gedichte fällte, auch auf die Lyrik von Friedrich Rückert, die ja nun in ihrem exzessiv artifiziellen Charakter das absolute Gegenteil zur Wunderhorn-Lyrik darstellt.

  • Aber ich wundere mich erneut, warum sich hier niemand auf das eigentliche Anliegen des Threads einlässt: Es lautet "Interpretenvergleich". Interpreten werden hier ja präsentiert, aber nach einer vergleichenden, auf die jeweilige gesangliche Umsetzung der Liedmusik im Detail Bezug nehmende Betrachtung sucht man vergebens. Der erste, der dazu angesetzt hat, ist orsini, wenn er die Interpretationen des Liedes von Christan Gerhaher und Margaret Price zueinander in Bezug setzt.
    Aber nun wäre doch die Frage: Wer von beiden wird dieser Liedmusik eher gerecht?
    Ich bin zum Beispiel der Meinung, dass dies Gerhaher weitaus besser gelungen ist als Margaret Price. Da meint orsini aber: "Ich stehe dieser Version etwas ambivalent gegenüber", und von Price ist er mehr angetan.
    Ich könnte mein Urteil über die Gerhaher-Interpretation etwas näher begründen, frage mich aber, ob es dafür überhaupt ein Interesse gibt.

  • Ich könnte mein Urteil über die Gerhaher-Interpretation etwas näher begründen, frage mich aber, ob es dafür überhaupt ein Interesse gibt.


    Ganz klar, ja! :!:
    ... auch weil ich glaube, dass diese, Deine Sicht hilft, eigene Ansichten zu überdenken und den eigenen Horizont zu erweitern.

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Hallo!


    Unabhängig davon, ob es sich um lebendige Diskussionen oder Äußerungen in Tamino im Rahmen einer gesetzten Überschrift handelt, ist meine Erfahrung, dass "Störungen", die den freien Blick auf das eigentliche Thema versperren, ausgeräumt werden müssen. Insofern halte ich nichts von dogmatischem Festhalten an einem Threadtitel. Ziel muss es im Anschluss an solche "Zwischenbetrachtungen" wie sie hier erfolgt sind, sein, die Diskussion wieder auf das eigentliche Thema zu lenken. Ansonsten droht die Erstarrung in einer Überschrift. Ganz zu schweigen von der Gefahr, dass derjenige (das war in diesem Falle ich), der darum bittet, ihm den Blick auf das eigentliche Thema frei zu räumen, indem Bedenken aufgenommen und nach Möglichkeit ausgeräumt werden, sich ansonsten zurück ziehen könnte. Das hätte ich sicherlich nicht getan, da ich letztlich als Threadstarter auch eine gewisse Verantwortung für die Steuerung in obigem Sinne habe.


    Es wäre schön, wenn wir an dieser Stelle den Interpretationsvergleich wieder aufnehmen könnten.


    Ich würde mich freuen, wenn der Eine oder Andere auch (sofern verfügbar) zu der Aufnahme von Anna Prohaska seine Eindrücke wiedergeben könnte.


    Ebenso gespannt bin ich auf Dein "Plädoyer" für die Gerhaher - Aufnahme.


    Mir gefällt die Aufnahme ausgesprochen gut; das Klaviervorspiel erscheint mir wie eine Ouvertüre. Dort ist all die Trauer, Dramatik und das vermeintliche Heldentum vorweg genommen. Die Betonung des "r" erscheint mir als Ausdrucksmittel Gerhahers um die Aussagen des "Knaben" zu unterstreichen.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Ich könnte mein Urteil über die Gerhaher-Interpretation etwas näher begründen, frage mich aber, ob es dafür überhaupt ein Interesse gibt.

    Bitte, lieber Helmut, tu es!! Mit Deinen Interpretationen kann ich etwas anfangen, und ich würde mir sogar die Mahler-Lieder anhören. Als Anhänger der Mahlerschen Sinfonik habe ich um seine Lieder bisher einen Bogen gemacht.


    Gestatte mir eine Abschweifung zum Vorspiel im Himmel: "Von Zeit zu Zeit les ich den Hofmann gern!!"


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Zit. WoKa: "...halte ich nichts von dogmatischem Festhalten an einem Threadtitel".
    Darum ging´s mir nicht mit meinem Einwurf. Was heißt hier "dogmatisch"? Ich habe eine Selbstverständlichkeit reklamiert, - als Leser dieses Threads: "Interpretenvergleich". Und den habe ich vermisst! Dass der, der diesen Thread mit dieser Zielsetzung gestartet hat, an dem, was eigentlich nur ein Wunsch ist, Anstoß nimmt, kapiere ich nicht!
    Und, WoKa, schau Dir mal den nachfolgenden Beitrag an, dann verstehst Du vielleicht, worum es mir ging.

  • Ich halte das, ehrlich gesagt, für eine absurde Fehlinterpretation, für die weder der Text und noch viel weniger die Musik einen Anhaltspunkt bieten.

    Ich glaube, Du hast meine Interpretation schlicht nicht verstanden.

    Von Stolz auf den Tod fürs Vaterland ist keine Rede, und musikalisch ist nichts von Triumph zu hören.

    Selbstverständlich nicht! Es geht allerdings darum, zu verstehen, was das Symbol der "schönen Trompeten" bedeutet. Musiksoziologisch ist es so, dass die Trompete ein herrschaftliches Instrument ist. Ihre Verwendung wurde deshalb auch limitiert. Bach z.B. hat bei der Komposition von weltlichen Gebrauchsmusiken für bürgerliche Auftraggeber keine Trompete verwendet - das Instrument war dem Adel vorbehalten. (Man achte auch mal unter diesem Aspekt darauf, wie spärlich die Trompeten in Händels "Messias" eingesetzt werden!) Mahlers Vertoung ist auch so, dass bei den Trompeten ein "faszinierender" Tonfall von Begeisterung kommt, der dann bei dem Rasenhaus (Grab) einem tieftraurigen weicht. Das ist auch musikalisch eine Antithese Leben-Tod.

    Aus dem Attribut »schön« eine so weitgehende Schlussfolgerung zu ziehen, die alles andere auf den Kopf stellt, halte ich für allzu kühn.

    S.o.!

    Der Soldat muss in den Krieg. Warum auch immer.

    Davon steht rein gar nichts im Text. Ihm ist nur zu entnehmen, dass da einer in den Krieg zieht. "Ich zieh in den Krieg..."

    Er verabschiedet sich von seiner Liebsten, die sehr wohl weiß, was das bedeutet. Er tröstet sie, indem er ihr vormacht, es wird bald zur Hochzeit kommen, sagt dann aber doch die Wahrheit: er wird sterben.

    Auch davon steht nichts im Text. Es ist sein Haus dort, wo die schönen Trompeten blasen. Wo Ruhm und Ehre im Krieg sind, da ist auch der Tod.

    Von Begeisterung ist da wahrlich an keiner Stelle die Rede.

    Es ist sein Haus dort, wo die schönen Trompeten blasen. Der Ort, wo die schönen Trompeten blasen, ist ein anziehender Ort. und da dieser Ort nicht im Jenseits liegen kann, ist es der Ort, wo der Krieg stattfindet.

    Übrigens gibt es in keinem der Soldatenlieder Mahlers irgendeine Begeisterung für den Krieg.

    Dass Verhältnis zum Krieg bei Mahler ist völlig desillusioniert. Das stimmt. Dazu gehört aber, dass die Illusion und die illusionäre Begeisterung gezeigt wird, um die Desillusionierung um so stärker wirken zu lassen (siehe "Schildwaches Nachtlied").

    Es wäre wirklich seltsam, wenn sie ausgerechnet in dem vorhanden sein sollte, das am wenigsten militant und am traurigsten klingt.

    Der Ton in diesem Lied ist der von Abschied und Trauer. Das heißt aber nun nicht, dass der Hintergrund nicht da ist, der diesen Konflikt ausmacht.


    Ich werden die Stelle bei Natalie Bauer-Lechner raussuchen, wenn ich nachher Zeit finde.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es wäre schön, wenn wir an dieser Stelle den Interpretationsvergleich wieder aufnehmen könnten.


    Der Auffassung bin ich auch. Nur, es scheint Irritationen darüber zu geben, was darunter zu verstehen ist. Mein Eindruck war, dass bislang fast nichts anderes stattgefunden hat. Es gab doch sehr unterschiedliche Ansichten zu ein und demselben Lied. Die müssen doch nicht in einem einzigen Beitrag zusammenlaufen, wie sich das Helmut offenbar wünscht. Ich verstehe WoKa so, dass am Titel seines Threads nicht buchstabengerecht gehangen werden muss. Wir sind doch nicht in einem Seminar. Gewisse Ausschweifungen gefallen mir immer sehr gut. Sie beleben die Diskussion. Ich bekenne offen, dass ich weder Partituren lesen und mir daraus ein Klangbild gewinnen kann noch über soviele Notenkenntnisse verfüge, um Lieder im Geiste selbst nachsingen zu können. Ich muss mich auf meine Ohren verlassen und auf meine Hörerfahrungen. Aber vielleicht ist das viel zu wenig, und ich dürfte mich hier nicht einmal melden. ;) Es gilt, abzuwarten.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Vielen Dank Rheingold!


    Das war mein Ansinnen.


    Lieber Helmut!


    Ich habe keinen Anstoß an Deiner Einlassung genommen. Du hast Deine Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Thread so lange ausschweift (meine Interpretation). Dieser Verwunderung wollte ich abhelfen, indem ich meine Haltung dazu erläuterte. Ich wollte dadurch für Transparenz sorgen und Dich und Dein Ansinnen in keiner Weise kritisieren. Wenn das so bei Dir ankam, bedaure ich das.



    Die weitere Vertiefung der unterschiedlichen Interpretationen des dem Lied zu Grunde liegenden Gedichtes würde jetzt tatsächlich den Rahmen sprengen. Ich verweise auf meinen Vorschlag in Beitrag 93.


    Zitat

    Es wäre sicher interessant, in einem gesonderten Thread über Gustav Mahlers Haltung zum Soldatischen und die Wirkung auf seine Musik zu diskutieren (wobei ich da sicherlich mehr mitlesen als beitragen würde).


    Und jetzt freue ich mich auf die Eindrücke zu den bisher eingestellten Liedinterpretationen bzw. auf weitere Beispiele.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Zit: " Mein Eindruck war, dass bislang fast nichts anderes stattgefunden hat."


    In diesem Urteil über das, was sich bislang in diesem Thread ereignet hat, kann ich Dir, lieber Rheingold, leider nicht folgen. Aber vielleicht bin ich diesbezüglich ja auch mit Blindheit geschlagen. Wo, bitte, hat denn ein wirklich vergleichender, sich auf das Detail der gesanglichen Interpretation einlassender Vergleich der präsentierten Lied-Aufnahmen wirklich stattgefunden?
    Eine auf den Vergleich ausgerichtete Betrachtung der gesanglichen Interpretation einzelner - übrigens unter welchem Aspekt ausgewählter? - Lieder ist doch das Anliegen dieses Threads. Oder habe ich da was falsch verstanden?
    Ich fand den vom Ansatz her so interessant, weil er ja letzten Endes zur Liedmusik hinführen muss. Denn diese ist doch der eigentliche Gegenstand, um den es hier gehen muss, wenn man die Qualität ihrer gesanglichen Interpretation beurteilen will. Sie ist sozusagen der Angel- und Bezugspunkt jeglichen Vergleichs der Aufnahmen von ihr.


    Ach, sei´s drum. Deine und die Reaktion des Thread-Starters auf meinen obigen Einwurf haben mir wieder einmal bewusst gemacht: Ich bin in meinem Beharren auf konsequenter und jegliches Abschweifen in selbstverliebte und selbstdarstellerische Aktivitäten meidender Einlösung des Anspruchs, den ein Thread erhebt, internetforumsmäßig ganz offensichtlich auf dem falschen Dampfer. Dem Starter eines Threads ist jede Form von Aktivität recht, weil sie Beteiligung und Einschaltquoten bringt.
    Ist nicht die Intention, mit der ich in´s Tamino-Forum eingetreten bin. Und vielleicht bin ich ja eben deshalb darin - wohl zu Recht - in die Isolation geraten.
    Ich werde die versprochene Besprechung der gesanglichen Interpretation des Liedes "Wo die schönen Trompeten blasen" durch Christian Gerhaher morgen liefern und danach hier abtreten und in die Einsamkeit meiner Betrachtung der Liedmusik von Robert Franz zurückkehren.

  • Hallo!


    Üblicherweise lasse ich nach Äußerungen in Tamino, die mich ärgern, ein bis zwei Tage ins Land gehen bis ich - wenn überhaupt - reagiere.


    In diesem Fall mache ich eine Ausnahme. Ohne Dich Helmut anzugreifen (was Du mir gegenüber jetzt wiederholt getan hast).


    Doch - bevor Du "in die Einsamkeit....zurück kehrst" belege mir bitte diese Aussage:


    Zitat

    Dem Starter dieses Threads ist jede Form von Aktivität recht, weil sie Beteiligung und Einschaltquoten bringt.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo, lieber WoKa!


    Der Satz, den Du zitierst, lautet, wie Du nachlesen kannst, in der - von mir noch rechtzeitig - vor Deinem Kommentar dazu!! - korrigierten Endfassung:
    "Dem Starter eines Threads ist jede Form von Aktivität recht, weil sie Beteiligung und Einschaltquoten bringt."


    Er ist also bewusst neutral gehalten. Dein Name kommt darin gar nicht vor, und in ihm drückt sich die Erfahrung aus, die ich hinsichtlich des Verlaufs von Threads in den vielen Jahren meiner Mitgliedschaft in diesem Forum gemacht habe. So viele sind in die Brüche gegangen und gar gesperrt worden - aus eben dieser , von mir im vorangehenden Beitrag angesprochenen Haltung der darin sich Beteiligenden.
    Solltest Du Dich dadurch persönlich angegriffen fühlen, so tut mir das leid. Das lag nicht in meiner Absicht!


    Das einzige Mal, wo ich Deinen Namen in kritischer Absicht direkt erwähnt habe, das war in Beitrag 128.
    Die entsprechende Äußerung lautet: "Dass der, der diesen Thread mit dieser Zielsetzung gestartet hat, an dem, was eigentlich nur ein Wunsch ist, Anstoß nimmt, kapiere ich nicht!"
    Ist denn für Dich das Geständnis "das kapiere ich nicht" ein Angriff auf Deine Person?


    So! Und das ist jetzt in der Tat mein zweitletztes Wort in diesem Thread. Das letzte folgt, wie angekündigt, morgen.

  • Dem Starter eines Threads ist jede Form von Aktivität recht, weil sie Beteiligung und Einschaltquoten bringt.

    "Einschaltquoten" können aber auch Ausdruck von ehrlichem Interesse sein. Dem Threadstarter moralisierend zu unterstellen, er hätte sie intendiert aus populistischem Interesse, halte ich für nicht gerechtfertigt und für völlig deplatziert. Zum Interpretationsvergleich gehört die Klärung von Verständnisfragen, wenn sie denn die Interpretation betrifft. Und das war bei Rheingolds eröffnendem Beitrag zu dieser Sequenz der Fall (Christa Ludwig). Es gibt keinen Grund, eine interessante und lehrreiche Diskussion abzuwürgen aus dogmatischen Gründen und falsch verstandenem Purismus. Ich jedenfalls habe etwas dazugelernt durch sehr schöne Hinweise und meine eigenen Überlegungen präzisiert.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo!


    Ich habe mich eben nochmal etwas umgehört (Sorry habe gerade einen Krimi geguckt) - in einschlägigen Aufnahmen.


    Begonnen habe ich mit Thomas Hampson, der hinsichtlich seiner Mahler-Interpretation für mich sehr schlüssig ist und mit dem Orsini dankenswerterweise den Vergleich eröffnet hat. Wenngleich mir die Klavierbegleitung aus oben genannten Gründen bei Gerhaher besser gefällt (Sorry Orsini!).


    Daneben habe ich mir eine Aufnahme von Walter Berry von den Saslzburger Festspielen 1979 angehört, die mir mit annähernd 8 Minuten entschieden zu langsam ist. Außerdem übernimmt der von mir ansonsten so sehr geschätzte Rudolf Buchbinder ab und an zu stark das Heft in die Hand und setzt eigene Akzente, wo er sich meines Erachtens besser zurück gehalten hätte. Leider gibt es keine Aufnahme mit ihm in youtube.



    Als dritte Aufnahme habe ich mir Jessye Norman angehört, von der es im Internet leider nur Aufnahmen mit Orchester zu sehen / hören gibt. Die Aufnahme, die ich gehört habe, stammt von der unteren der beiden abgebildeten CDs:



    In den meisten anderen Liedern, die wir bisher besprochen haben, erschien uns häufig die Präsenz und der Ausdruck von Jessye Norman unangemessen stark. Hier passt es meines Erachtens. Auch die Begleitung bereitet ihr gleichberechtigt den Weg.


    Sonderbar ist, dass sie das (meines Erachtens ohnehin außergewöhnliche) Wort "Herzallerlieble" durch "Herzallerliebsten" ersetzt. In der ersten Erwähnung - kein Problem. In der zweiten sehr wohl. Hier heißt es jetzt:


    "Bei meinem Schatz das wär ich gern! Bei meinem Herzallerliebsten".


    Nach meinem Eindruck spricht (oder denkt) diesen Satz der junge Soldat und nicht das Mädchen.


    Die vierte - bisher unerwähnte Interpretation stammt von Dietrich Fischer-Dieskau (wo sind denn die FiDi-Verehrer?).



    Sehr dezent und angemessen hier die Klavierbegleitung durch keinen geringeren als Wolfgang Sawallisch.


    Abschließend eine Lieblingsinterpretation festzulegen, fiele mir schwer. Sehr nahe ist mir die Gerhaher-Aufnahme, die auch relativ langsam und wahrscheinlich die "poetischste" ist. Bei den -Frauen beeindruckt mich Prohaska, aber auch Jessye Norman. Insgesamt habe betonen die Frauen (das ließe sich psychologisch sicher tiefer beleuchten) die letzte Strophe nach dem Trompetentriller mit einem wesentich stärker am Marschieren orientierten Rhythmus als die Männer.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Sonderbar ist, dass sie das (meines Erachtens ohnehin außergewöhnliche) Wort "Herzallerlieble" durch "Herzallerliebsten" ersetzt. In der ersten Erwähnung - kein Problem. In der zweiten sehr wohl. Hier heißt es jetzt:


    "Bei meinem Schatz das wär ich gern! Bei meinem Herzallerliebsten".

    Natürlich, lieber Woka! Das ist wirklich lustig! (Die CD habe ich leider nicht!). :D Ich höre die Wunderhornlieder eigentlich auch lieber mit Orchester, muss ich sagen.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber WoKa und lieber Helmut Hofmann,


    bitte bekommt euch nicht in die Haare, das wäre sehr ärgerlich.


    Es gibt Streithähne im Forum, deren Fehden ich mit Freude und wachsender Begeisterung lese.


    Aber bitte nicht ihr beide, ihr seid zum Kampf viel zu intelligent.



    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Bezug: Betrag 110 von orsini


    Was für mich grundsätzlich bei der Beurteilung einer gesanglichen Interpretation dieses Liedes zu bedenken ist, das ist die Tatsache, dass es sich dabei um ein Dialoglied handelt, - eine Form, die Mahler liebt, weil er – unter Zuhilfenahme der Rolle eines Erzählers die Möglichkeit hat, Personen mit musikalischen Mitteln in ihrem Fühlen und Denken auszuloten und dabei Situationsschilderung zu betreiben. Maßstab für die Beurteilung einer gesanglichen Interpretation ist dann demgemäß, wie weit es dem jeweiligen Sänger oder der Sängerin gelingt, im Vortrag des Liedes diese Rollen – hier sind es also drei – in Gestalt einer entsprechenden Binnendifferenzierung der Melodik auszugestalten


    Mahler hat dem „Mädchen“ und dem „Knaben“ eine je eigenen melodischen Grund-Gestus zugewiesen, - beim Knaben ist es freilich ein doppelter. Die melodische Linie des Mädchens ist – bis auf wenige und darin markante Ausnahmen – zumeist in Moll harmonisiert und sie entfaltet sich in ruhigen, relativ stark deklamatorisch geprägten Schritten, - Ausdruck des stillen Leidens, das sich aus ihrer existenziellen Situation ergibt. Die Knaben-Melodik weist zunächst eine durch ihre Innigkeit geradezu faszinierende, deklamatorisch stark gebundene und weit ausgreifend phrasierte Struktur auf. Das ist aber nur die eine Seite dieser Gestalt. Wenn der Knabe Abschied nehmen muss, tritt ein fast schon hart und konstatierend anmutender rhetorisch-deklamatorischer Gestus in die melodische Linie.


    Und um es nun gleich vorweg festzustellen: Diese Binnendifferenzierung der Melodik – einschließlich des narrativen Gestus, den sie beim Erzähler aufweist – wird von Gerhaher in geradezu mustergültiger und darin faszinierender Weise wiedergegeben. Von den „R“s, die orsini kritisiert, will ich mal absehen: Das ist eine Eigenart Gerhahers, die stören mag, mit seiner interpretatorischen Leistung aber nichts zu tun hat.


    Zunächst zum Pianisten. Der macht seine Sache auch hervorragend, wie man gleich am Vorspiel vernehmen kann. Da geht es ja um die klangliche Evokation der Situation mittels Quinten-Signalen und Trommelwirbeln in Gestalt von Sechzehntelfiguren. Die kommen von weit her und sollen deshalb „verträumt“ und „leise“ vorgetragen, also pianistisch behutsam und in langsamem Tempo ausgeführt werden. Die Situation soll ja klanglich aufgebaut werden. Und genau das gelingt Huber vorzüglich.


    Wie differenziert und dabei eminent wortorientiert Gerhaher nun die melodische Linie vorträgt, das kann man gleich am Anfang vernehmen. Weil die Frage des Mädchens zweimal mit einem „wer“ eingeleitet wird, beschreibt die melodische Linie auch zwei Mal die gleiche Figur aus Quintsprung und -fall, bevor sie in eine Aufwärtsbewegung übergeht. Gerhaher wählt einen zurückhaltenden deklamatorischen Gestus, - die Situation bedenkend, in der die Frage gestellt wird – Mahler hat hier die Anweisung „pp“ und „etwas zurückhaltend“ vorgegeben – und er verstärkt bei der Wiederholung nur ganz leicht den Fragecharakter. Dann aber kommt die mit einer Rückung von d-Moll nach A-Dur verbundene und auf einem hohen „E“ aufgipfelnde Bewegung in die melodische Linie, und hier bringt er in die Wiederholung der Worte „so leise“ eine höchst beeindruckende, weil die seelischen Regungen des Mädchens zum Ausdruck bringende deklamatorische Differenzierung, bevor er dann am Ende das „E“ lange hält, auf dass sich die Szene mit der Wiederholung der Motive des Vorspiels nun in hoher Lage öffnen kann für das, was sich nun ereignet.


    Es ist der erste Auftritt des „Knaben“, und der ereignet melodisch in einer klanglichen Innigkeit und entfaltet dabei einen Zauber, den man eigentlich nur so verstehen kann, dass sich darin die existenzielle Situation dieses jungen Menschen ausdrückt. Die so emphatische Innigkeit der Melodik kommt aus dem Wissen des Bedroht-Seins durch den Tod, wie es sich aus den Zwängen des Soldatenlebens ergibt, und sie ist Ausdruck eines Ausbrechen-Wollens daraus in die Geborgenheit einer liebeerfüllten Zweisamkeit, auch wenn das nur für eine kurze Nacht sein mag. (Nebenbei: So singt kein aus dem Grab gestiegener Geist. Das ist der Gesang eines von Sehnsucht nach Liebeserfüllung bewegten jungen Mannes).


    Was an Gerhahers gesanglicher Wiedergabe dieser Melodik so besticht, ist, dass er sich von jeglicher falschen Sentimentalisierung fernhält, wie man sie, weil die so phrasierte melodische Linie das nahelegen kann, allzu oft hier vernimmt. Er lässt die der in tiefer Lage ansetzenden melodischen Lage innewohnende Steigerung der Emphase zur Geltung kommen, hält jedoch darin schon vor der gedehnten melismatischen Fall-Figur auf dem Wort „Herzallerlieble“ inne, so dass diese wie ein lieblicher Nachklang wirkt.


    Nun kann die Betrachtung dieser gesanglichen Interpretation nicht in dieser detaillierten Weise fortgesetzt werden. Deshalb nur noch einige Hinweise auf für sie charakteristischen Merkmale. Der narrative Gestus in der Melodik des Erzählers findet bei Gerhaher seinen Niederschlag in einer ruhigen, jedes Wort markant hervortreten lassenden Deklamation, - vernehmlich etwa in der kleinen Dehnung, die er dem Wort „ließ“ („ihn ein“) verleiht, den darauf liegenden Achtelsprung mit Bogen beachtend. In wunderbar ruhiger Deklamation gestaltet er dann den Vortrag der melodischen Linie auf den nachfolgenden Worten des Mädchens „Willkommen lieber Knabe mein“. Das tiefe, in Ges-Dur harmonisierte „Ges“, mit dem die melodische Linie hier, abweichend von der dem Mädchen ansonsten zugewiesenen Moll-Harmonik, einsetzt, kann man als Ausdruck inniger Zuwendung empfinden, und eben diese Innigkeit lässt die gesangliche Realisierung in der verhaltenen Ruhe, die von ihr ausgeht, auch vernehmen.


    Dem Bild „Sie reicht´ ihm auch die schneeweise Hand“ verleiht er starken Ausdruck, indem er das hohe, aus einem Terzsprung hervorgehende „Des“ auf dem Wort „Hand“ mit einer ganz leicht brechenden Stimme vorträgt. Die Melodik auf den Worten „Von ferne sang die Nachtigall“ wird, das sich wiederholende Auf und Ab in kleinen Intervallen berücksichtigend, noch in sehr ruhigem Ton vorgetragen, bei der Wiederholung auf den Worten „das Mädchen fing zu weinen an“ kommt eine leichte Steigerung in die Emphase des Vortrags, die sich dann in der langen Dehnung auf dem Wort „weinen“ und dem nachfolgenden melodischen Fall in Triolen auf eindrucksvolle Weise zu einem Höhepunkt steigert, die aber, weil die Harmonik nach fis-Moll rückt und sich darin das tiefe seelische Gerührt-Sein des Mädchens ausdrückt, prompt in der Mitte zurückgenommen wird. Das ist hohe, bis ins Detail der Melodik vordringende Gesangskunst.


    Was orsini kritisch sieht („Die einzelnen Worte einer Phrase werden auch zu stark als einzelne Worte gesungen (für mich nicht ausreichend gebunden) - der Text bekommt dadurch etwas deklamierendes. Insgesamt wirkt der Ansatz auf mich eher prosaisch…) macht für mich eher die Größe dieser Interpretation aus: Die eminent wortbezogene und wortbetonende, dabei jegliches Ausweichen in gesangliche Gefühligkeit meidende Wiedergabe der melodischen Linie. Die Worte „mein Eigen sollst du werden gewiss“ werden, dem ruhigen Auf und Ab der melodischen Linie über kleine Intervalle entsprechend, in dem Ansprache-Gestus deklamiert, der ihnen melodisch eigen ist. Mit den Worten „wie´s keine sonst auf Erden ist“ kommt aber wieder ein Anflug von Lieblichkeit und Seelenwärme in die Stimme, und der macht dann, eben weil es zunächst nur ein Anflug ist, die Wiedergabe der Emphase in der lang gedehnten melodischen Linie auf den Worten „O Lieb auf grüner Erden“ umso überzeugender.


    Aber Gerhaher kann auch den schroffen deklamatorischen Gestus, der auf den Worten „Ich zieh´ in Krieg“ in die Liedmusik tritt. Hier findet diese ja zum Kern ihrer Aussage, weil sich mit einem Mal die existenzielle Situation enthüllt, aus alle vorausgehenden Aussagen erfolgten. Der Sextsprung, mit dem die melodische Linie bei diesen Worten einsetzt, wirkt schroff, weil er in e-Moll harmonisiert ist. Ein wenig freilich klingt der Zauber der Melodik noch nach, mit dem das Bild von der „grünen Heide“ beschworen wurde. Aber da sie „so weit“ ist, wohnt dem Aufschwung der melodischen Linie in hohe Lage, den das Klavier nun bezeichenderweise mit Quinten mittvollzieht, ein leicht elegischer Ton inne. Und der ist, genau wie die Schroffheit des Sextsprungs und die Emphase beim Bild von der „grünen Heide“, bei Gerhaher auf höchst eindrückliche Weise vernehmlich.


    Und der Abgesang-Charakter, den Mahler den letzten Worten verliehen hat, ebenso. Die melodische Figur aus Sekundfall und Legato-Quartsprung aus dem einleitenden Wort „Allwo“ kommt in leicht müde wirkender Deklamation, es folgt noch eine schwache Emphase auf dem Wort „Trompeten“, und dann erstirbt die melodische Linie im Vortrag auf geradezu bedrückende Weise. Den jungen Menschen hat in der Ansprache an seine Geliebte seine reale Existenz eingeholt. Dauerhaftes leben in friedvoller, lieberfüllter Zweisamkeit gibt es darin nicht. Und die Liedmusik, mit der Mahler das zum Ausdruck bringt, wird in der Interpretation durch Gerhaher und Huber auf tief beeindruckende, diese Aussage voll und ganz erfassende Weise wiedergeben.

  • Ein Nachtrag:


    Ich müsste nun, meine Reklamation einer tatsächlichen vergleichenden Betrachtung berücksichtigend, auf die von orsini vorgestellte Aufnahme mit Margaret Price eingehen. Das werde ich auch tun, allerdings nur für mich. Das Ergebnis hier einzustellen, das geht aus besagten Gründen nicht mehr.


    Und dies noch:
    Meine Bemerkung: "Dem Starter eines Threads ist jede Form von Aktivität recht, weil sie Beteiligung und Einschaltquoten bringt."
    war inakzeptabel, eine Dummheit, für die ich um Entschuldigung bitte. Ich habe die aus dem Vorgang sich für mich ergebenden Konsequenzen gezogen.

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  • Die "schönen Trompeten" beginnen bei 18:56. Der folgende Link sollte direkt auf diese Stelle springen. Ich stehe dieser Version etwas ambivalent gegenüber. Schon die Einleitungstakte des Klaviers zerfallen in meinen Ohren zu sehr in einzelne Noten, eine rechte Linie will sich nicht einstellen. Gerhaher singt durchgehend mit schönem Ton, einige "R"s sind mir aber zu rollend und zu betont; sie zerstören den musikalischen Fluß (z.B. Morrrgenrrrröt, Sterrrn, Krrrrieg, grrrrün,... ). Die einzelnen Worte einer Phrase werden auch zu stark als einzelne Worte gesungen (für mich nicht ausreichend gebunden) - der Text bekommt dadurch etwas deklamierendes. Insgesamt wirkt der Ansatz auf mich eher prosaisch verglichen mit der Hampson-Aufnahme, so daß sie mich auch nicht so berührt wie die von Hampson.

    Sängerisch ist das schon exzellent. Das Problem finde ich hast Du gut erkannt. Es scheint mir ein bisschen, dass die beiden Musizierenden das so vortragen, als sei das ein Orchesterlied transkribiert wie Klavier. Der Pianist ist äußerst sorgfältig, nur wenn man es auf dem Klavier so langsam nimmt wie mit den Instrumenten des Orchesters, dann ist die Tendenz zum Zerfallen der melodischen Linie da. Dem Klavierlied hätte vielleicht ein Vortrag, der eine Idee flüssiger ist, gut getan. Ich verstehe auch nicht, warum er die "Rs" so rollen muss... Schöne der Stimmungswechsel - zu den "schönen Trompeten" kommt der Ton von Aufmunterung und Mut, nachdem bei der weiten Heide, wo man sich verlieren kann, die Verzweiflung durchgebrochen ist. Ein tapferer Soldat also - beim grünen Grab kippt es dann um. Sehr schön gesungen - ein klein wenig fehlt mir vielleicht die Emphase. Aber das will Gerhaher auch nicht. Er mag ja keinen "existenzialistischen" Stil.


    Übrigens singt Gerhaher ja auch in der Orchesterversion mit Pierre Boulez. Auch da fehlt ein wenig die "geschlossene Linie", die bei Abbado oder Szell da ist. Das liegt aber nicht zuletzt auch am Dirigenten... :D


    P.S. Das spezielle Lied singt Magdalena Kozena!!! :D :D :D


    Bei der Kosena ist mir der Ton ein bisschen zu opernhaft - da fehlt etwas die intime Feinheit, finde ich.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Hallo!


    Nach einigen Tagen Abstand möchte ich wieder zu Franz Schubert zurück. Der Interpret (oder die Interpretin) des folgenden Liedes muss nicht diese emotionale Weite abdecken, wie dies bei einigen der zurück liegenden Liedern der Fall war. Doch ist es meines Erachtens eines der schönsten (mir bekannten) Lieder überhaupt – und wie Helmut Hofmann schreibt, das einzige Gedicht von Ludwig Uhland, das Franz Schubert vertont hat:


    Die linden Lüfte sind erwacht,
    Sie säuseln und wehen Tag und Nacht,
    Sie schaffen an allen Enden.
    O frischer Duft, o neuer Klang!
    Nun, armes Herze, sei nicht bang!
    Nun muss sich alles, alles wenden.


    Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
    Man weiß nicht, was noch werden mag,
    Das Blühen will nicht enden;
    Es blüht das fernste, tiefste Tal:
    Nun, armes Herz, vergiss der Qual!
    Nun muss sich alles, alles wenden.


    Hier sehr schön gesprochen von Martin Feifel:



    Ein Gedicht über das Wiedererwachen der Natur und die Hoffnung Trübsinn und Qual zu überwinden.


    Auch hier möchte ich mit der meines Erachtens vollkommenen Interpretation von Christian Gerhaher beginnen:




    Sehr gerne hätte ich Ilker Arcayürek mit seiner Interpretation eingestellt. Leider findet sich in youtube nur ein Video zur aktuellen CD, die einen Ausschnitt aus seiner Aufnahme dieses Liedes enthält:



    Caruso71 stellt ihn gerade in seinem Thread "Neue Stimmen" vor.


    Leider habe ich in Tamino keine vertiefte Vorstellung des Liedes gefunden, auf die ich hätte verlinken können.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • Hallo!


    Ich möchte eine relativ langsame Version mit einer weiblichen Stimme von heute daneben stellen:



    Anmutig gesungen - mit der klaren Stimme von Christiane Karg.


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

  • hallo,


    nachdem ich ein paar Tage unterwegs war, komme ich erst heute wieder dazu, hier etwas beizutragen. Beim Anhören des Frühlingsglaubens in der "vollkommenen Interpretation von Christian Gerhaher" bin ich zu einer wichtigen Erkenntnis gekommen: warum es für mich nicht die perfekte Aufnahme ist (ähnlich wie es auch schon bei den "Schönen Trompeten" war). Mit Bewunderung und etwas Eifersucht habe ich in Helmut Hofmanns Kommentar weiter unten gelesen (dafür nochmals vielen Dank!), dass er quasi drei verschiedene Stimmen hört, wenn Gerhaher das Mädchen, den Knaben und den Erzähler singt (bei Mahler). Das alles höre ich leider nicht, aber nicht etwa, weil es nicht vorhanden wäre, sondern eher weil mich die Stimme nicht berührt oder anspricht; sie ist mir wahrscheinlich zu neutral - das Unverkennbare, Individuelle fehlt für mein Ohr. Insofern halte ich ab jetzt besser meinen Mund, wenn es um Christian Gerhaher geht, der zweifelsfrei einer der großen Liedersänger unserer Zeit ist :stumm:


    Das Lied "Frühlingsglaube" gefällt mir besonders in den beiden nachfolgenden Versionen. Beide jeweils gesungen von einer Männerstimme.


    Da ist zum einen die Interpretation von Thomas Quasthoff (3:08) zusammen mit Justus Zeyen von 2003. Ruhig und mit einer gewissen hymnischen Feierlichkeit singt Quasthoff das Lied. Einzelne Worte werden schön lautmalerisch akzentuiert (z.B. "säuseln" wo die Stimme soweit zurückgenommen wird, dass ein Säuseln andeutet wird), ohne den ebenmäßigen Fluß der Meldie zu unterbrechen. Obwohl er ca. 10 s weniger als Gerhaher oder 20 s weniger als Karg braucht, kommt keinen Moment das Gefühl von Eile oder Hast auf. Der Vortrag wirkt in sich sehr stimmig, durch die dunkle Stimmfarbe gar etwas geerdet...


    Die zweite Version, die mir besonders gefällt stammt von Ian Bostridge (3:17), mit Julius Drake am Klavier von 1998. Von der Dauer her liegt Bostridge sehr nahe an Gerhaher. Die naturgemäß höhere Stimmlage und die zuweilen wie hingetupft wirkenden Worte (z.B. "erwacht") bewirken einen viel fragileren Klangeindruck, der aber trotzdem mehr dynamische Abstufungen aufweist als z.B. Quasthoff.
    Wollte ich beide Versionen mit Bildern vergleichen, so erschafft Quasthoff mit seinem Gesang eher ein Ölgemälde, während Bostridge mehr ein Aquarell anfertigt. Ähnlich wie Bostridge klingen für mich die Anfangstakte mit Ilker Arcayürek... schade, dass es das nicht komplett gibt.


    viele Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Lieber "orsini",

    wenn Gerhaher das Mädchen, den Knaben und den Erzähler singt (bei Mahler). Das alles höre ich leider nicht, aber nicht etwa, weil es nicht vorhanden wäre, sondern eher weil mich die Stimme nicht berührt oder anspricht; sie ist mir wahrscheinlich zu neutral - das Unverkennbare, Individuelle fehlt für mein Ohr.

    das hörst du nicht alleine so, das häre ich ganz genau so. :hello:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zit.orsini: „Bewunderung und etwas Eifersucht…“


    Cool bleiben, lieber orsini, cool bleiben!


    Aber die Bemerkung, mit der Du Dein Urteil begründest, die Worte nämlich „eher weil mich die Stimme nicht berührt oder anspricht“, machen mich nachdenklich. Machen Sie mir doch den hohen Grad an Subjektivität bewusst, der solchen Vergleichen von gesanglichen Interpretationen innewohnt, - implizit sein muss, und damit einen sachlichen, die Subjektivität partiell transzendierenden Diskurs eigentlich unmöglich macht.


    Die einzige Möglichkeit, ihn wenigstens ansatzweise zu ermöglichen, wäre aus meiner Sicht eine Bezugnahme auf Kriterien, die aus der spezifischen Faktur der jeweiligen Liedkomposition und der daraus hervorgehenden liedmusikalischen Aussage hergeleitet sind. Das aber würde ein dem Vergleich vorangehendes Sich-Einlassen auf die jeweilige Liedmusik in Gestalt einer analytischen Betrachtung derselben erforderlich machen. Wer aber will diese Mühe schon auf sich nehmen, -mal abgesehen davon, dass diese Verfahrensweise gar nicht von jedem hier akzeptiert wird!?


    Hier, im Fall des gerade anstehenden Schubert-Liedes "Frühlingsglaube", müsste zum Beispiel bedacht werden, dass sich die im Auftritt so volkstümlich gebende Liedmusik im Grunde hochkomplex ist, schlägt sich doch in ihr neben der jubelnden Begrüßung des Frühlings zugleich eine Beschwörung dessen nieder, was er an Verheißung mit sich bringt, - darin Schuberts künstlerische Auseinandersetzung mit dem restaurativen Geist der Metternich-Zeit reflektierend. Nicht ohne Grund greift er hier an den entsprechenden Stellen von Uhlands Lyrik zum kompositorischen Prinzip der Wiederholung und tritt im Gestus der melodischen Linie dem lieblich-deskriptiven Ton des Liedanfangs gegenüber.


    Ein Interpret, der nicht die entsprechende Differenzierung in der Handhabung seiner stimmlichen und deklamatorischen Mittel aufbringt, diese Komplexität der liedmusikalischen Aussage gesanglich wiederzugeben, sich hingegen im stimmlich wohlklingenden Gestus des jubelnden Schöngesangs ergeht, liegt für mich aus diesem Grund interpretatorisch daneben.
    Ich könnte jetzt sagen - und müsste unter Bezugnahme auf die Liedmusik begründen -, bei wem dies unter den hier Zitierten der Fall ist, und bei wem nicht.
    Aber ich werde mich hüten!

  • Lieber Helmut,


    ja, der Faktor Subjektivität ist bei solchen Interpretationsbewertungen wohl nicht zu vermeiden. Das verhindert zwar, dass man absolute Referenzen festlegen kann, ist aber anderseits auch ein Segen und schützt uns vor Gleichförmigkeit und Eintönigkeit, wenn alle alles gleich finden würden...
    Die von dir skizzierte Alternative, tiefer in die Lied- und Kompositionsstruktur einzusteigen, ist mir mangels fundierterer Noten- und Musiktheoriekenntnisse mehr oder weniger verschlossen. Also kommt bei mir eine zweite Ebene an Subjektivität hinzu, nämlich: wie spricht das enstprechende Lied meinen "Bauch" an: vermittelt es mir eine Botschaft, einen Sinn oder höre ich nur Noten...


    Auch wenn es nicht hier in diesen Thread gehört: Es wäre insofern zu wissen, ob es Studien oder Untersuchungen gibt, die beleuchten, ob - sagen wir mal - musikalische Laien, Interpretationen generell oder zumindest signifikant anders bewerten als Hörer mit einem umfassenden musiktheoretischen Hintergrund. Oder gibt es da Übereinstimmungen? Wer weiß...
    Vielleicht magst Du ja trotzdem, bevor wir zum nächsten Lied weiterschreiten werden, nur kurz den Namen des Interpreten nennen, dessen Version für Dich die adäquateste ist? Dann könnten wir zumindest eine kleine interne Studie machen... :rolleyes:


    viele Grüße,
    orsini

    ... in diesem Sinne beste Grüße von orsini


    „Das Denken ist zwar allen Menschen erlaubt, aber vielen bleibt es erspart.“
    Curt Goetz

  • Das geht leider nicht, und ich bitte Dich um Verständnis, lieber orsini.
    Ich kann kein Urteil abgeben, ohne es zu begründen. Eine Begründung aber würde viel Zeit in Anspruch nehmen, weil ich mich ja erst einmal gründlich mit dem Lied selbst befassen müsste, bevor ich in den Vergleich mehrerer Aufnahmen davon eintreten könnte, der auch wieder jede Menge Zeit erfordert, wenn man die Ergebnisse auf hinreichend detaillierte Weise in Worte fassen will.
    Mit der Arbeit am Robert Franz-Thread und der Vorbereitung des geplanten Schumann-Threads habe ich aber so viel zu tun, dass mir diese Zeit fehlt.
    Es tut mir leid!

  • Die von dir skizzierte Alternative, tiefer in die Lied- und Kompositionsstruktur einzusteigen, ist mir mangels fundierterer Noten- und Musiktheoriekenntnisse mehr oder weniger verschlossen.

    Lieber orsini,


    Du sprichst einen sehr, sehr wichtigen Aspekt bei der Beurteilung des Gesanges an, nicht nur beim Lied, auch in der Oper und weitergehend selbst bis zur U-Musik. Auch ich glaube, daß die übergroße Mehrheit der Musikliebhaber Noten nicht oder nur unzureichend lesen kann. Und trotzdem haben sie ein eigenes Urteil über Sänger. Und das sollte keiner verdammen, der nicht die Fähigkeit hat wie Helmut Hofmann, Caruso41 u.a. hier im Forum. Nicht jeder will und kann jeden Ton und jede Silbe zerpfücken um dann zu interpretieren, wie sich in ein und demselben Stück Sänger unterscheiden.


    Einige Fachleute auch hier im Forum (zum Glück nicht alle) mögen ruhig voller Verachtung auf die Nichtfachleute blicken, das wäre ja nicht schlimm. Aber ihre Verachtung und Geringschätzung hier zum Ausdruck zu bringen, das führt zu einem Gefühl, nicht "dazuzugehören." Und das halte ich für grundfalsch. Wir hören doch Stimmen gerne, in Oper und Lied, weil uns die Stimme etwas gibt, etwas, was mehr ist als bloße Notenwiedergabe, etwas, was uns das Drumherum vergessen lassen kann. Es muß doch außerhalb der exakten Analyse ein weiteres Kriterium geben, was uns veranlaßt, Musik und Gesang zu einer der schönsten Nebensache der Welt zu machen. Wenn Sänger nur gehört würden, um Stimmanalysen durchzuführen und die Emotion außer acht gelassen würde, dann sähe es schlecht um das zahlende Publikum aus!!


    Mir geht es so wie Dir, darüber, ob ein Interpret, eine bestimmte Musik mich erreicht oder nicht, darüber entscheiden eine ganze Reihe Kriterien. Die Stimme selbst, das Bauchgefühl, was sie vermittelt, die Umgebung, die persönliche Stimmung usw. Es gibt Tage, da mag ich einfach keine Klassik und höre z.B. Countrymusik oder Elvis oder die BeeGee`s, und es gibt Tage, da brauche ich Klassik, an manchen Tagen Orchestermusik, und an anderen Tagen Oper. Es gibt auch Tage, da brauche ich keine Musik, da bleibt das Radio oder der CD-Player stumm.


    Übrigens kann ich Noten lesen. Ich will mir aber das Hören einer Arie nicht zerstören, wenn ich dazu die Noten in der Hand halte und krampfhaft versuche, Abweichungen vom Notenmaterial und vom Text festzustellen. Da würde ich mein Bauchgefühl, meine Emotion abschalten müssen. Und damit meine Art, Musik zu genießen.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

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