Voi che sapete - Eine Arie und ihre Interpreten

  • Die Reclam-Ausgabe hat es sich offenbar zum Ziel gesetzt, so wortgetreu wie möglich zu übersetzen - umso bedauerlicher finde ich es, dass es davon keine überarbeiteten Neuausgaben gibt, die eventuelle Fehler beheben.


    Zu Beginn heißt es auch: "Dem italienischen Text liegt die 1978 erschienene, zweisprachige Ausgabe von Walther Dürr im Bärenreiter-Verlag, Kassel, zugrunde."


    1978?? Bärenreiter-Verlag? Wieso nimmt man als italienisches Libretto nicht das der NMA?


    Eigentlich sagt er konkret: "Ich suche ein Gut außerhalb meiner selbst"


    Stimmt!


    In der Felsenstein-Version wird ihm zumindest kalt, heiß und wieder kalt.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Irgendwie wundert mich hier immer dieses "wieder". Es passt irgendwie nicht, finde ich. Meine Vermutung ist ja, dass es ursprünglich nur "vi diro" hieß ( dann hätte eines der beiden Wörter einfach länger gesungen werden müssen. ) Und sich die Vorsilbe "ri", die ja eine Wiederholung indiziert, sich irgendwann eingeschlichen hat?


    Gerade in der NMA nachgesehen, sowohl im Libretto-Erstdruck als auch in Mozarts Autograph steht "vi ridirò. ", auch mit der gleichen Schreibweise.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Gleich vorneweg: Was mich an beiden Übersetzungen stört, ist das "hold" und "schön", denn davon ist im Originaltext überhaupt nicht die Rede! Cherubino wendet sich an alle Frauen! Wichtig ist ihm die Weiblichkeit, ob schön oder nicht, spielt hier gar keine Rolle ( zumindest nicht in diesem Text... Wie es Cherubino dann damit in der Praxis hält, sei einmal dahingestellt :rolleyes: ).


    Was mir bei Felsenstein auffällt ist, dass er sich darum bemüht, dass in seiner Übersetzung einschlägige Wörter an den jeweils passenden Stellen kommen, zu Beispiel:


    Süßes Verlangen, brennender Schmerz.

    Das passt doch schon besser als "Freudiges Bangen, leidvolle Lust", oder?
    "diletto"/ "Verlangen", "martir"/ "Schmerz" an den gleichen Stellen.
    Gut, diletto bedeutet Freude und nicht Verlangen, aber reimen soll sich das ganze ja auch noch!



    Oder hier:

    Ich wein und klage und will es nicht.
    Zittre und zage und weiß es nicht.
    Mir bringt nicht Frieden Tag oder Nacht
    Und doch wie selig dies Leid mich macht.

    Das ist schon sehr dicht am Original, finde ich. Speziell was die Anordnung der Wörter angeht.


    In fernen Räumen such ich das Glück,
    kehr aus den Träumen nicht mehr zurück.

    Tja, was man mit dieser Stelle machen soll, weiß ich auch nicht! Es ist so ein schöner Satz, aber wie soll man den nur adäquat wiedergeben?


    Liebe Grüße von der Dritten Dame

  • Das passt doch schon besser als "Freudiges Bangen, leidvolle Lust", oder?


    Da geb ich dir recht, auch was die andere Stelle betrifft, die sich mehr ans Original hält. Aber nach wie vor finde ich Übersetzungen schrecklich :D


    Gleich vorneweg: Was mich an beiden Übersetzungen stört, ist das "hold" und "schön", denn davon ist im Originaltext überhaupt nicht die Rede! Cherubino wendet sich an alle Frauen! Wichtig ist ihm die Weiblichkeit, ob schön oder nicht, spielt hier gar keine Rolle ( zumindest nicht in diesem Text... Wie es Cherubino dann damit in der Praxis hält, sei einmal dahingestellt :rolleyes: ).


    Eben! Er sagt ja auch zu Susanna im 1. Akt, dass sie das Stück allen Frauen im Schloss vorlesen soll, es ist also nicht für die Gräfin und/oder Susanna allein geschrieben, sondern richtet sich an alle Frauen.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Maite Beaumont



    Diese Version zu bewerten fällt echt schwer, denn das extrem schnelle Tempo, das der "Dirigent" hier anschlägt, ist eine Frechheit. Wie hat die Sängerin die Möglichckeit, da besonders Wert auf den Ausdruck zu legen, oder saubere Koloraturen zu singen, wenn sie durch die Arie durchhetzen muss, und es nicht mal in der Reprise am Schluss eine Drosselung des Tempos gibt?


    Von dem was da noch überbleibt höre ich eine ganz angenehme dunkle Stimme, die nur in der Höhe für mich zu angestrengt klingt, nicht leicht genug ist, dafür in der Tiefe ("avvampar") voll und gut klingt.
    Nebenbei, an der Stelle, wo er die Damen fragt, ob sie nachsehen können, ob er sie im Herzen trägt, hat die Regie einen witzigen Einfall, der, würde die Sängerin eine Frau spielen plump wirken würde, hier aber witzig wirkt und zum Text passt, bzw. durch diesen motiviert ist.


    Apropos Ausdruck, zu den dunklen Cherubino-Stimmen ist mir noch etwas eingefallen. Auch wenn sie sehr schön und betörend klingen können, glaube ich, dass es diese Stimmen bei dieser jungen Figur schwerer haben, denn wenn die Stimme so dunkel ist, muss der Ausdruck zumindest aus meiner Sicht umso mehr überzeugen, damit es nicht klingt wie die Arie einer weiblichen, erwachsenen Figur. Helle Stimmen haben es da doch leichter, weil das Timbre alleine schon so jung klingt, wenn es aber dunkel wird, dann sollte ich von der Interpretation her merken, dass da ein Bursche singt. Manchmal gelingt das, manchmal nicht.




    LG,
    Hosenrolle1

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  • Chani Bauza



    Als ich den Anfang dieser Version gehört habe, dachte ich zunächst "Wow, das ist ja fast wie mein Lieblings-Hänsel! Eine sehr helle Stimme, nicht zu dünn, und diese Mischung aus burschikos UND weiblich, die mir so gefällt". Und in der Tat, speziell die Koloraturen (etwa bei "provo") kommen unangestrengt und leicht und glockenhell daher. Und mir gefällt das, wenn die Stimme in der Höhe eben so hell klingt, in der Mittellage und Tiefe dann ein wenig "aufdickt", wärmer und ein bisschen weiblicher klingt, ohne dass die Stimme an Helligkeit verliert, also nicht von hell und leicht zu dunkel und schwer, sondern ein fließender Übergang.


    Aber an manchen Stellen klingt es schon etwas zu angestrengt, und bei "avvampar" muss die Sängerin kurz pausieren und neu ansetzen, auch beim "donne vedete" in der Reprise gibts kurze Schwierigkeiten. Und auch insgesamt finde ich das Stück zu statisch runtergesungen, so dass diese Version, trotz der an sich eigentlich schönen Stimme, nicht in den oberen Plätzen bei mir landet.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Teresa Berganza



    Erneut ein dunkler timbrierter Cherubino, der mir allerdings sehr gut gefällt, bis auf eine Kleinigkeit finde ich hier kaum etwas Negatives. Die Stimme klingt in der Höhe unangestrengt und auch hell, in der Mittellage wird die Stimme etwas dunkler, allerdings nicht schwer und dick, sondern nur wärmer und voller, und auch in der Tiefe, die scheinbar mühelos ohne forcieren gesungen wird keine Spur von Knödeln oder ähnlichem.


    Eine Kleinigkeit hat mir nicht so gefallen, nämlich die beiden Aufwärtsbewegungen bei "donne vedete", die mir ein bisschen zu kräftig gesungen werden.


    Der Vortrag wirkt auf mich insgesamt eher schüchtern, so als würde der Page hier wegen seiner Aufregung sehr zurückhaltend singen, sich dabei aber bemühen, dass es schön klingt; es gibt hier keine übertriebene Dramatik oder Geplärre. Auch das Zweifel-Motiv auf "donne vedete" (ein anderes als das vorhin erwähnte!) wird deutlich gesungen und nicht abgehakt. Die Aussprache finde ich auch gut, es klingt schon sehr italienisch, würde ich sagen.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Jessica Tivens



    Wow!!
    Gleich vorneweg: diese Version landet bei mir ganz weit oben, auf jeden Fall unter den Top 3, hier passt für mich praktisch alles.


    Ich fange mit der Stimme, mit dem Timbre an: das ist hier relativ ähnlich wie bei meinem Lieblings-Hänsel, sehr hell und leicht, allerdings mit einem leichten Hang ins Dunklere, und diese Abstufungen finde ich auch sehr passend: der jüngere Hänsel klingt – auch in der Mittellage - noch heller, der etwas ältere Cherubino schon ein ganz klein wenig voller, und in der Mittellage schon wärmer. (Konsequenterweise hätte ein Octavian, der nochmal 4 Jahre älter ist, dann eine noch wärmere, dunklere Stimme, die allerdings immer noch leicht und jugendlich klingt, keineswegs „divenhaft“ und ausgesungen) Die Mittellage hat hier auch diese Mischung aus burschikos und weiblich, die mir so gefällt.


    Diese ebenfalls junge Sängerin hat nun Patricia Janečková von den oberen Plätzen bei mir verdrängt, denn auch wenn mir deren Vortrag immer noch gefällt, diese Sängerin hier klingt für mich erfahrener, professioneller, während bei Janečková (sicher bedingt durch das damals niedrigere Alter) der Vortrag schwachbrüstiger und wackliger war.
    Positiv finde ich bei dieser Sängerin auch ihr Vibrato, das sehr dezent ist und an manchen Stellen wiederum betörend schön. Man achte bitte einmal gleich zu Beginn darauf, wie sie die (hier von mir zum Mitlesen fett markierte) Silbe „Do“ mit einem leichten Vibrato versieht, das klingt für mich einfach nur herrlich!


    Voi che sapete
    Che cosa è amor
    Donne vedete
    S'io l'ho nel cor
    Donne vedete
    S'io l'ho nel cor


    Leider ist die Tonqualität der Aufnahme nicht die Allerbeste, und das Orchester ist an den beiden tieferen Stellen („avvampar“ und „di me“) recht laut, so dass man die Stimme nicht perfekt hört, aber das was ich da hören konnte klang auch gut. Ein fließender Übergang in die tiefe Lage, keine Kurzatmigkeit, und ein immer noch schöner Klang.


    Ich muss nochmal betonen, dass ich mittlerweile auch an schön klingenden Mezzostimmen, die dunkler timbriert sind, Gefallen finde, und mir auch solche Cherubinos zusagen, aber mein idealer Cherubino klingt ziemlich so wie hier, wobei nach oben immer Luft ist und wenn ich eine Sängerin finde, die mir noch besser gefällt, dann landet die wiederum weit oben.





    LG,
    Hosenrolle1

  • Hallo, Hosenrolle 1, Du weißt ja inzwischen, dass ich eher die dunkler timbrierten Cherubinos mag... Aber hier kann ich Dir nur zustimmen, diese Stimme ist ein einziger Wohlklang! Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!


    Ganz liebe Grüße von der Dritten Dame

  • ...und da Du bei der Version von Maite Beaumont explizit das rasende Tempo erwähnst: Ich fand das hier in dieser Version schon schlimm, aber schlimmer geht's immer, und wo wir schon dabei sind, Cherubino durchs "Voi che sapete" im Eiltempo hindurchzuprügeln, darf diese Version hier nicht fehlen!


    Marianne Crebassa





    Liebe Grüße, die Dritte Dame

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  • Hallo, Hosenrolle 1, Du weißt ja inzwischen, dass ich eher die dunkler timbrierten Cherubinos mag... Aber hier kann ich Dir nur zustimmen, diese Stimme ist ein einziger Wohlklang!


    Das freut mich, dass es dir auch gefällt :)
    Vor allem, weil ich den Eindruck habe, dass die helle Stimme dennoch nicht dünn oder unsicher klingt, und in der Mittellage durchaus auch warm klingt. Es gibt ja manchmal helle Stimmen, die etwa die Koloratur auf "provo" hell und rein singen, und in der Mittellage dann plötzlich sehr dick und sehr dunkel, als ob das eine ganz andere Stimme wäre. Hier aber ist der Übergang irgendwie fließend, nach unten wird es wärmer, ohne dass es "anders" klingt. Wenn du mal am Anfang auf das "O" in "provo" und "nuovo" achtest, dann klingt da schon dieser wärmere, weiblichere Klang durch, ohne dass der Klang der Stimme plötzlich umkippt.
    Ich dachte, vielleicht wirst du sie doch zu hell finden. Aber ich muss jetzt auch immer dazu sagen, dass ich auch an den dunkler timbrierten Cherubinos Freude haben kann, dass sie mir - wenn alles passt - ebenfalls gefallen, sozusagen als wohlklingende Alternative zu meiner Idealvorstellung.
    Ich finde, dass man durchaus eine Idealvorstellung haben kann, aber dennoch Freude an abweichenden Versionen hat, die dieser Vorstellung nicht entsprechen, aber trotzdem sehr schön klingen. Und dass eine Idealvorstellung andere Versionen, die einem gefallen, nicht abwertet. Das könnte ja so rüberkommen, als würde man sagen "Für mich gibt´s nur eine Idealvorstellung, und andere Versionen klingen vielleicht gut, sind aber im Grund falsch und schlecht", was aber nicht stimmt.



    ...und da Du bei der Version von Maite Beaumont explizit das rasende Tempo erwähnst: Ich fand das hier in dieser Version schon schlimm, aber schlimmer geht's immer, und wo wir schon dabei sind, Cherubino durchs "Voi che sapete" im Eiltempo hindurchzuprügeln, darf diese Version hier nicht fehlen!


    Das ist wirklich nicht mehr schön :(
    Ich finde den Gesang hier aber auch nicht so gut, mir wirkt die Stimme zu gepresst, zu scharf, das dunkle Timbre klingt für mich nicht wirklich warm wegen der Schärfe.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Das ist wirklich nicht mehr schön
    Ich finde den Gesang hier aber auch nicht so gut, mir wirkt die Stimme zu gepresst, zu scharf, das dunkle Timbre klingt für mich nicht wirklich warm wegen der Schärfe.

    Ich weiß :D !
    Das ist Marianne Crebassa, über die haben wir im "Hosenrollen"- Thread schon einmal diskutiert- und festgestellt, dass wir nicht unbedingt einer Meinung sind, was ihre Stimme angeht ;)
    Habe mich an sie erinnert gefühlt, weil sie hier halt auch wie ein heuriger Hase durchs "Voi che sapete" durch getrieben wird!


    Liebe Grüße von der Dritten Dame