• Ich kann auch verstehen, wenn man den Klang eines Hammerklaviers nicht so mag, ich selbst kann z.B. mit einem Cembalo, und sei es noch so schön klingend und originalgetreu, nicht viel anfangen. Der Unterschied ist nur der, dass ich dann sage "OK, diese Werke sind nichts für mich, weil mir das Instrument nicht zusagt", und nicht "OK, dann höre ich mir das Werk auf einem anderen Instrument an, damit es mir gefällt".

    Nur noch einmal, weil ich es vielleicht etwas zu unfreundlich ausgedrückt habe. Ich kenne z.B. einen sehr sympathischen Cembalisten, der Interpretationen von französischer Cembalomusik oder Scarlatti auf dem Klavier strickt ablehnt. Wer streiten uns darüber immer nett nach dem Konzert beim Essen ... Auch Dieter Stockert hört nur Interpretationen auf Originalinstrumenten. Damit habe ich gar kein Problem. Was mich zur Satire gereizt hat, ist diese Zuspitzung von Dir. Die Regel ist doch, dass es in 99,9% der Fälle sowohl HIP-Einspielungen als auch mit modernem Orchester gibt. Die Alternative, die Du da aufmachst, stellt sich in der Realität also gar nicht. Man hat immer die Wahl. So zugespitzt auf den (fiktiven) Fall, dass es nur eine Einspielung auf den "falschen" modernen Instrumenten gibt, entsteht aber der Eindruck, dass Dir letztlich die Ausführung wichtiger ist als der Werk selbst. Das hat mich zur Satire gereizt und nur das.


    Ich finde die Idee mit den Hörschnipseln zum Vergleich auch ganz nett. Das ist in der Tat aufschlussreich - aber wie weit und wie weit das trägt, darüber könnte man eben diskutieren. Beim Klavier ist die Sachlage etwas komplizierter. Ich finde, dass die beiden "Lager" ins Gespräch kommen könnten, wenn man z.B. Barenboims neu konstruierten Maene-Flügel diskutiert. Da zeigt sich nämlich, dass der unterschiedliche Klang etwas mit dem Klavierbau, genauer: dem Konstruktionsprinzip, zu tun hat und weniger der Frage altes oder "modernes" Instrument. Dann hat man eine wirklich seriöse sachliche Basis - unabhängig von den Vorlieben. Die Schwächen insbesondere des Steinway-Flügels im Bass-Bereich haben sich unter Pianisten längst herumgesprochen. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    danke erst mal für die freundlichen Worte. Ich habe mich ebenfalls nicht ernst genommen gefühlt, deswegen meine überspitzte Reaktion im anderen Thread.



    Ich kenne z.B. einen sehr sympathischen Cembalisten, der Interpretationen von französischer Cembalomusik oder Scarlatti auf dem Klavier strickt ablehnt.


    Das Cembalo ist ein gutes Beispiel! Mir ist natürlich bewusst, dass es vermutlich besonders in den 70ern und 80ern Aufnahmen mit Schrott-Nachbauten gab, die blechern und scheußlich klangen und als HIP verkauft wurden, und mir ist klar, dass diese nichts mit den Meisterinstrumenten von damals zu tun haben, und dass es auch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Cembalos gab, mit unterschiedlichen Klängen und Funktionen. Aber ich persönlich mag den Cembalo-Klang eigentlich nicht besonders, egal wie gut der Nachbau auch ist. Wenn ein Werk aber tatsächlich ausschließlich dafür geschrieben wurde, dann sagt es mir einfach nicht zu, weil ich das Instrument nicht so toll finde, dann akzeptiere ich das für mich und sage "Ok, ist nichts für mich, es gibt ja auch andere Werke für andere Instrumente".


    Ich finde die Idee mit den Hörschnipseln zum Vergleich auch ganz nett. Das ist in der Tat aufschlussreich - aber wie weit und wie weit das trägt, darüber könnte man eben diskutieren.


    Die Hörschnipsel sind - was ich natürlich auch ab und zu mal erwähne - natürlich nur dazu da, einen direkten Klangvergleich zu haben, der natürlich nichts über die Interpretation oder darüber aussagt, ob auch "korrekt" gespielt wird (ein Staccato bei Mozart ist etwas anderes als ein Staccato bei Strauss, usw.). Natürlich gibt es auch langweilige HIP-Interpretationen, die ich dann auch langweilig finde. Es wird ja manchmal die Frage gestellt, welches von beidem man den Vorzug geben würde: einer schlechten HIP-Interpretation, oder einer guten modernen. Mich persönlich interessieren beide nicht.


    Die Schwächen insbesondere des Steinway-Flügels im Bass-Bereich haben sich unter Pianisten längst herumgesprochen. :)


    Für mich sind das nicht direkt Schwächen, sondern einfach klangliche Eigenarten eines Instruments. Ich denke, Schwächen sind immer nur dann hörbar, wenn ein Instrument Musik spielt, für die es nicht gebaut ist. Wenn ein Komponist für einen Steinway (oder generell für ein modernes Klavier) komponiert, dann berücksichtigt er, wie es klingt, welche Eigenschaften es hat, und macht das Beste draus - was ja auch Teil seiner Kunst und seiner Meisterschaft ist. Wenn man jetzt hergehen würde und sagt "Die Bässe klingen nicht gut und durchsichtig genug, wir spielen das auf einem Hammerklavier" wäre das unsinnig, weil das Instrument ganz andere Vorraussetzungen mitbringt und die Klänge, die der Komponist da angestrebt hat, nicht darstellen kann. Vielleicht verwendet ein Komponist gerade die "kalten", undurchsichtigeren Bässe gerade dafür, eine bestimmte Stimmung, eine bestimmte Atmosphäre zu erzeugen - warum soll man das auf einem Hammerklavier spielen, wo die Bässe mehr summen, vielleicht wärmer klingen oder etwas durchsichtiger? Damit zerstört man nur die Stimmung, die der Komponist erzeugt hat.


    Und umgekehrt sehe ich es auch bei den Hammerklavieren. Auch da kennt ein Komponist die Eigenschaften des Instruments, seinen Dynamikumfang, usw.


    Aber mir geht es auch darum, dass ich auch hören möchte, warum eine Komposition oder ein Komponist so großartig und innovativ war. Nimm Webers Freischütz z.B. Weber hat hier die Instrumente seiner Zeit in Regionen spielen lassen, wo die eher umschön und dumpf klangen, tiefe Register, die andere Komponisten eher vermieden, und dadurch eine unheimliche Atmosphäre erzeugt.
    Damit man das auch hörend nachempfinden kann, sollten die Instrumente in einer Aufführung oder Aufnahme auch denen von damals entsprechen. Verwendet man jedoch moderne, die für ganz andere Musik gedacht sind, dann klingen sie auch in der tiefen Lage klar und rein, und die Atmosphäre lässt sich nur mehr erahnen, und man merkt nicht mehr so deutlich, was daran jetzt so innovativ oder neu gewesen sein soll.


    Umgekehrt möchte ich eine "Salome" oder Hänsel und Gretel nicht mit Mozart-Instrumenten hören, das klänge fürchterlich und völlig verkehrt. Strauss hat, wie Mozart, großartig instrumentiert, und das möchte ich beim jeweiligen Komponisten auch hörend erleben können.


    Es gibt für mich, wie gesagt, keine guten und schlechte Instrumente, sondern nur das richtige und das falsche Werkzeug für die jeweilige Aufgabe.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Das Cembalo ist ein gutes Beispiel! Mir ist natürlich bewusst, dass es vermutlich besonders in den 70ern und 80ern Aufnahmen mit Schrott-Nachbauten gab, die blechern und scheußlich klangen und als HIP verkauft wurden, und mir ist klar, dass diese nichts mit den Meisterinstrumenten von damals zu tun haben, und dass es auch eine große Vielfalt an unterschiedlichen Cembalos gab, mit unterschiedlichen Klängen und Funktionen. Aber ich persönlich mag den Cembalo-Klang eigentlich nicht besonders, egal wie gut der Nachbau auch ist. Wenn ein Werk aber tatsächlich ausschließlich dafür geschrieben wurde, dann sagt es mir einfach nicht zu, weil ich das Instrument nicht so toll finde, dann akzeptiere ich das für mich und sage "Ok, ist nichts für mich, es gibt ja auch andere Werke für andere Instrumente".

    Liebe Hosenrolle,


    das kann ich gut nachvollziehen. Ich höre über CD Cembalo eigentlich auch kaum. Im Konzert ist Cembalo aber auf jeden Fall faszinierend. Erst einmal merkt man, wie "leise" das Instrument ist, die Musik also für kleine Räume komponiert wurde. Und die Vielfalt der Instrumente ist das Spannende - da ist das Cembalo der Orgel vergleichbar. Vor urlanger Zeit hörte gab es mal einen Filmausschnitt mit Ralph Kirkpatrick, dem Scarlatti-Experten. Das Cembalo hatte eine barocke Fülle und einen Farbenreichtum, das war unglaublich! (Vielleicht ist das ja irgenwo bei Youtube zu finden.)

    Aber mir geht es auch darum, dass ich auch hören möchte, warum eine Komposition oder ein Komponist so großartig und innovativ war.

    Deswegen haben die Komponisten auch immer über die Instrumente geflucht, wie Beethoven z.B. :D Mein Lehrer spielt gerne auf verschiedenen Instrumenten. Das ist immer wieder spannend, wenn z.B. Schubert auf dem Yamaha ganz toll klingt, Albeniz dann aber gar nicht gut ist. Die Harmonie von Stück und Instrument ist also sehr spezifisch. Es ist schade, dass die Institutionen fast immer nur Steinway kaufen, nur weil es Steinway ist, selbst wenn sie gute Angebote von anderen Marken haben. Die Vielfalt macht es eigentlich. August Förster ist z.B. ein toller Flügel - mit einem wunderbaren Bass! Leider machen viele Hersteller den Krampf, Steinway imitieren zu wollen im Obertonbereich aus kommerziellen Erwägungen, wo sie dann natürlich den Kürzeren ziehen, weil da der Steinway unschlagbar ist, statt sich wie z.B. Förster auf die eigenen Stärken zu besinnen. Den Mist, der dabei herauskommt, hört man dann auf der Flügel-Messe in Frankfurt. :D


    Schöne Grüße
    Holger

  • Deswegen haben die Komponisten auch immer über die Instrumente geflucht, wie Beethoven z.B.


    Natürlich gab es auch damals schlechte Instrumente, und wenn ein Komponist etwa aus Geldmangel auf einem billigen, vielleicht auch noch kaputten Teil spielen musste, dann kann ich den Ärger schon nachvollziehen.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Natürlich gab es auch damals schlechte Instrumente, und wenn ein Komponist etwa aus Geldmangel auf einem billigen, vielleicht auch noch kaputten Teil spielen musste, dann kann ich den Ärger schon nachvollziehen.

    Das war aber nicht der wirkliche Grund gewesen. Bei Tasteninstrumenten kompliziert sich alles. Schön demonstrieren kann man das finde ich bei der Orgel. Die Orgel ist ein individuelles Instrument und keines gleicht dem anderen. Wenn man von der Hypothese ausgeht, ein Komponist habe die Musik für ein ganz bestimmtes Instrument geschaffen, dann dürfte man Bachs Orgelwerke eigentlich streng genommen nur noch in Halle oder Leipzig aufführen. :D Viel plausibler ist (und auch durch die Aufführungspraxis genügend belegt glaube ich), dass der Komponist davon ausging, dass der Interpret in Bezug auf das jeweilige ihm zur Verfügung stehende Instrument eine individuelle Anpassung vornahm, was natürlich immer auch Veränderung bedeutet.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Viel plausibler ist (und auch durch die Aufführungspraxis genügend belegt glaube ich), dass der Komponist davon ausging, dass der Interpret in Bezug auf das jeweilige ihm zur Verfügung stehende Instrument eine individuelle Anpassung vornahm, was natürlich immer auch Veränderung bedeutet.


    Für alte Musik trifft das auf jeden Fall zu, da haben Komponisten oft nur "Gerüste" geschrieben, und die Ausführung den Musikern überlassen. Man musste sich da nach der Größe der Räumlichkeiten und nach den vorhandenen Instrumenten richten.



    LG,
    Hosenrolle1